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  Soziologische Theorie (hist. Schwerpunkt) "Freiheit und Ordnung" - Kurzbeschreibung

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LVA.Nr.: 231.361 / 231.363 (Vorlesung und Seminar)
Soziologische Theorie (hist. Schwerpunkt)
Thema: "Freiheit und Ordnung"
Raum: K 112A
Zeit: Mittwoch 16.00 - 20.00

Beschreibung:
In der Einführung zu "Moderne Soziologische Theorie", die Percy S. Cohen vor mehr als dreißig Jahren (1968) geschrieben hat, heißt es: "Das Wort 'Theorie' ist wie ein Blankoscheck: Sein möglicher Wert hängt davon ab, wer ihn benützt und was er mit ihm macht" (S. 11). Diese Feststellung ist wohl auch heute noch uneingeschränkt gültig. Denn die Fülle der Themen, die sich unter dem Label "Theorie" behandeln lassen, zwingt zur Selektion, verlangt Schwerpunktsetzungen, nicht nur was die Gegenstände betrifft, sondern auch für die Art und Weise, aus welcher Perspektive die Gegenstände betrachtet werden.

Es gibt immer mehrere Möglichkeiten, Lehrveranstaltungen zur Theorie durchzuführen, je nach Präferenz der daran Beteiligten. Dabei spielen meist zwei Bezugspunkte eine wichtige Rolle: Die Aktualität eines Themas im Hinblick auf die Gegenwartsproblematik und die Verbindungen des heute Aktuellen zur soziologischen Tradition.
Die gesellschaftlichen Veränderungen, die seit der Kurskorrektur Mitte der 70er Jahre zu konstatieren sind, gehen auf Bemühungen zurück, damals bestehende Ordnungen und gegebene Ordnungsvorstellungen im Namen der Freiheit neu gestalten zu wollen. Legitimiert werden derartige Bemühungen unter anderem auch durch Berufung auf frühere liberale Theorien, wobei die Unterschiede zwischen dem alt- und neoliberalem Denken oft bis zur Unkenntlichkeit verwischt werden.
Das Thema Freiheit hat neben der liberalen auch eine libertäre Interpretation gefunden. Damit ist die Tradition eines antiautoritären Sozialismus angesprochen, der einer Ordnung der Dinge den Weg ebnen wollte, in der es keinen Platz für überflüssige Autoritäten und Autoritarismen mehr geben sollte.
Der Vorschlag, sich mit "Freiheit und Ordnung" auseinanderzusetzen, kann also recht unterschiedlich realisiert werden. Je nachdem, ob sich die TeilnehmerInnen eher für Hayek und Friedman oder für Bakunin und Castoriadis interessieren, werden diese Akzente anders zu setzen sein. Daß beide Traditionen, die liberale und die libertäre wichtig sind, daran besteht kein Zweifel.

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist geplant, das Seminar in enger organisatorischer und thematischer Bindung an die Vorlesung durchzuführen. Dabei stehen Beiträge der Studierenden im Vordergrund und die gemeinsame Lektüre klassischer Texte. Ziele des Seminares sind neben der Verbreiterung der kognitiven Grundlagen die Einübung in differenzierendes Denken und die Verbesserung der diskursiven Fähigkeiten.

Literaturliste: folgt, wer etwas lesen will und Zeit hat, dem/der seien Überblicksdarstellungen zum Thema "Freiheit" empfohlen:
im "Staatslexikon",
im "Historischen Wörterbuch der Philosophie",
im "Begriffsgeschichtlichen Lexikon", die alle in der Institutsbibliothek stehen.
Zum Thema "Ordnung" läßt sich Wichtiges bei Max Weber finden in "Wirtschaft und Gesellschaft" (Abschnitt Soziologische Grundbegriffe §§5,6, weiters: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen).
Bei P.S. Cohen, Moderne soziologische Theorie, 2. Kap: Die zentralen Probleme der soziologischen Theorie,
informativ auch A. Ferguson, Versuch über die Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt 1986, in Teil III: Geschichte der Unterordnung S. 287 f (als Teil der Geschichte der Politik).
Ein guter Überblick: L. Alain, Les grands courants du liberalisme, Paris 1998.
In der Gegenwart ist vollzieht sich eine Art Erneuerung der politischen Philosophie (so der Titel des Oktoberheftes des magazine littéraire: "Le renouveau de la philosophie politique" Nr. 380, 1999/10). Die Ereignisse in Österreich legen es nahe, sich auf dem Hintergrund der Geschichte intensiver mit den gegenwärtigen Postulaten nach mehr Freiheit in Wirtschaft und Gesellschaft zu beschäftigen.
Die TeilnehmerInnen mögen zur ersten Lehrveranstaltung an Literatur mitbringen, was ihnen im Rahmen dieser Thematik wichtig zu sein scheint. Damit läßt sich an bereits Bekanntem anknüpfen und man muß nicht beim Nullpunkt anfangen.

Anmeldung ab sofort im Sekretariat.

Literaturliste:

König René, Freiheit und Selbstentfremdung in soziologischer Sicht, in: Freiheit als Problem der Wissenschaft, Hrsg. Freie Universität Berlin, Abendvorträge im Winter 1961/62, Berlin 1962 (IV/1/19)
Bruno Giordano, Heroische Leidenschaften und individuelles Leben, Bern 1947
Benasayag Miguel, Le Mythe de l' individu, Paris 1998
Schaff Adam, Marxismus und das menschliche Individuum, Reinbek bei Hamburg 1979
Adorno/Horkheimer, Individuum, in: Soziologische Exkurse, Frankfurt 1956, S. 40 - 54
Bidet Jacques, Labica Georges, et. al., Libéralisme et Etat de droit, Paris 1992
Zarka Yves Ch., et al., Aspects de la pensée médievale dans la philosophie politique moderne, Paris 1999
Röpke Wilhelm, Jenseits von Angebot und Nachfrage, Erlenbach-Zürich und Stuttgart 1966
Röpke Wilhelm, Die Strategie der Innovation, Tübingen 1977
Röpke Wilhelm, Das Kulturideal des Liberalismus, Frankfurt 1947
Voegelin Eric, et al., Christentum und Liberalismus, München 1960
Voegelin Eric, Die neue Wissenschaft der Politik, München 1959
Hayek F.A., Mißbrauch und Verfall der Vernunft, Frankfurt 1959
Hayek F.A., Der Weg zur Knechtschaft, Erlenbach-Zürich 1945
Hayek F.A., Die Verfassung der Freiheit, Tübingen 1971
Greiffenhagen/Kühnl/Müller, Totalitarismus. Zur Problematik eines politischen Begriffs, München 1972
Pasolini Pier Paolo, Freibeuterschriften. Die Zerstörung der Kultur des Einzelnen durch die Konsumgesellschaft, Berlin 1981
Lengellé-Tardy Maurice, L'esclavage moderne, Paris 1999
Sennet Richard, Verfall und Ende des öffentlichen Lebens, Frankfurt 1983
(Liste wird fortgesetzt)