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2. Sitzung, 17. III. 1998 (18.oo - 21.oo)

Nach zwei Vorbesprechungen in getrennten Gruppen bedarf es zunächst einer Vereinheitlichung des Informationsstandes, der neuerlichen Diskussion eines Arbeitsplanes, der Ziele der LV und der einzelnen Arbeitsschritte, die notwendig und sinnvoll sind.

Zunächst wird diskutiert, welchen Stellenwert teilnehmende Beobachtung (t.B.) Innerhalb der gebräuchlichen empirischen Methoden zukommt (an Hand von J. Friedrichs, Handbuch der empirischen Sozialforschung).

Was heißt empirisch? G. Pineau weist darauf hin, daß dieser Begriff von den quantitativen verfahren einseitig vereinnahmt (er spricht dabei sogar von "kolonisiert") wird.

T.B. ist also in doppeltem Sinne möglich: quantitativ und qualitativ. Hinsichtlich der Beobachtung in qualitativer Absicht stehen ebenso verschiedene Vorgangsweisen zu Verfügung. In dieser LV zunächst einmal Orientierung am Text von G. Lapassade über "Ethnographie in der Schule" (1995), den alle bis zum nächsten Mal lesen sollen, damit er dann gemeinsam angemessen bearbeitet werden kann.

Wir bleiben länger beim Stichwort "Ethnographie", wörtlich der "Beschreibung der Völker". Wann entsteht sie, unter welchen Bedingungen, welchen Zielen dient sie?

Römer (Cäsar, Tacitus beschreiben die gallischen und teutonischen Völker), Völkerwanderung, Reiseberichtsliteratur im Gefolge der Entdeckung Amerikas etc. Die Beschreibung anderer Völker kann sehr unterschiedlichen Zielen dienen, mitunter auch der Kritik der eigenen Gesellschaft (Vorstellung vom guten Wilden, der erst durch die Zivilisation schlecht wird).

Wieder zurück zur t.B. heute: Vorgangsweise, Hilfsmittel, Ziele.

Erste Auflistung der Beobachtungsfelder:
1) Arbeitssituation in einer Abteilung (40 Leute) in einem Großbetrieb
2) Ein konkreter Konflikt in einem Konzern
3) Jugendliche
4) Partizipation bei Arbeitszeitregelungen
5) Zielgruppensegmentierung
6) Kollegen, deren Arbeitsinhalte ausgegliedert werden
7) Umsetzung kontinuierlicher Verbesserungsprozesse
8) Krankenhaus
9) Wohnprojekt
10)Gruppenbildung über EDV-Kommunikation
11)Altersheim
12)noch unsicher.

Das sind erste Angaben zu Beobachtungsfeldern von Teilnehmer/-innen, die noch zu präzisieren sind. Auch hier ziehen wieder einige vor, einen Beitrag in der Form eines theoretischen Referaten zu erarbeiten.

Nächste Sitzung: Arbeit an den genannten Themen, Text von G. Lapassade


 

3. Sitzung, 31. III. 1998

Für diese Sitzung ist vorgesehen, gleich mit der konkreten Bearbeitung der einzelnen Beobachtungsstudien zu beginnen.

Zur Illustration dessen, wie die Kombination von Berufsarbeit und theoretischer Reflexion gelingen kann, eine kurze Darstellung der wesentlichen Inhalte und der Form von Philonenko/Guienne, Au carrefour de l'exploration, Paris 1997. Es handelt sich dabei um die Karriere eines Angestellten einer Warenhauskette, die Versprechungen bei der Anwerbung, die interne Arbeitsorganisation und beruflichen Aufstiegsbedingungen, die immer mehr Engagement abverlangen, daher die Aufgabe des nebenbei laufenden Studium der Soziologie zur Folge haben, und schließlich zum Bruch mit der Firma und zur Kündigung führen. In einem 2. Teil dieser Arbeit werden die heute verfeinerten Formen der Ausbeutung betrieben, die an die Stelle der grobschlächtigeren Formen früherer Zeiten getreten sind.

Dann zurück zum Protokoll 2, wo die einzelnen Themen aufgelistet sind. Es wird die Frage gestellt, ob es möglich ist, Themen zu ändern. Zwei Teilnehmer wollen ihren Vorschlag vom letzten Mal korrigieren. Dann Diskussion des ersten Themas, die sich überlang hinzieht, weil die Situation zu komplex zu sein scheint, sich ein roter Faden nicht finden läßt. Es ist ein mühsamer Prozeß des sich Annäherns von verschiedenen Seiten, der Suche danach, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Was ist etwas Wichtiges? Kriterien dafür?

An Hand der Schwierigkeiten, die im Raum stehen, lassen sich auch die Schritte der teilnehmenden Beobachtung erläutern:

a) Beschreiben (Material sammeln, Daten generieren) b) Analysieren (Zusammenhänge, Strukturen) c) Suche nach allgemeinen Aussage d) Reflexion des Beobachtungsprozesses

In diesem Zusammenhang verschiedener Abklärungen: des Verhältnisses von Konkret und Abstrakt, von Komplexität und Kompliziertheit, von Selektivität und existentiellem Bezug erlebter Wirklichkeit und theoretischer Verbegrifflichung des Erlebten, der unreflektierten Verwendung paradigmatischer Grundfiguren, dargestellt an funktionalistischen versus Exchange - theoretischen Zugängen. Damit ist der erste Zeitblock mehr als übervoll.

Ähnliche Diskussion im Hinblick auf ein zweites Beobachtungsprojekt, das sich jedoch als etwas handlicher erweist und leichter auf ein Beobachtungsobjekt hin fokussiert werden kann.

Im Verlauf dieser Diskussionen wird klar, was hier "beobachten" heißt, wie wichtig es ist, schrittweise die richtige Themenformulierung erst zu finden, das heißt die Fragen in bearbeitbare Formen zu bringen. Abschließend wird die Frage gestellt, wo denn die Ziele dieser Lehrveranstaltung liegen, was dabei herauskommen soll etc.?

Die Antwort ist nicht allzu schwer zu geben: eine kleine Arbeit zu produzieren, die der Einübung ins wissenschaftliche Arbeiten dient: Material sammeln, strukturieren, verallgemeinern, einen konkreten Inhalt in eine sprachlich ansprechende Form zu bringen, die nicht nur für den Schreiber wichtig, sondern auch für dritte interessant sein soll.

Aus der Perspektive der Aktionsforschung: damit ein Wissen erzeugen, das geeignet ist, im beobachteten Feld etwas in Bewegung zu setzen.

Organisatorische Änderung: die Sitzung vom 12. Mai wird vorverlegt auf den 5. Mai; also zweimal unmittelbar hintereinander: 28.4., 5.5., dann wieder normal.


 

4. Sitzung, 28. IV. 1998

Ich stelle zunächst die (via e-mail) Anregung eines Kollegen zur Diskussion, noch einmal auf das Begriffspaar Komplexität versus Kompliziertheit hinsichtlich ihrer semiotischen Aspekte einzugehen. Er verweist dabei auf Peirce und seine Unterscheidung von Erstheiten / Zweitheiten / Drittheiten. Wir verständigen uns über Semiotik und deren Dimensionen (syntaktisch, pragmatisch, semantisch). Zu den Erst-, Zweit- und Drittheiten suchen wir Parallelen zu anderen Schemata der Strukturierung (konkret-abstrakt, Dreiweltentheorie von Popper etc). In diesem Zusammenhang kommt dann auch noch der Peircesche Begriff der Abduktion im Gegensatz zu Induktion und Deduktion zur Sprache. Was Abduktion für einen Stellenwert hat im Rahmen praxisorientierter Verfahren. Diese Ineinander von Wissenschaftstheorie und Methoden braucht einige Zeit, doch vielleicht ist es gerade so von Nutzen.

Nach der Pause ein theoretischer Beitrag einer Kollegin zur Thema "Bürokratisierung und institutionelle Pädagogik, wiederum in Anlehnung an G.L. Wir versuchen, im Anschluß daran Bezüge zu einzelnen Projektarbeiten herzustellen, wobei besonderes Augenmerk der Bürokratisierungstheorie zugewandt wird, inwiefern die Bürokratie eine dialektische Angelegenheit ist, das Verhältnis von Bewegung und Apparat, von charismatischem Aufbruch und erstarrtem Funktionieren der Apparate. Zwei Kollegen geben mir bereits ihre ersten Entwürfe, denen ich schriftlich meine Kommentare, Anregungen zukommen lasse.


 

5. Sitzung, 12. V. 1998

Zunächst feedbacks zu bisher abgegebenen Zwischenberichten a) Projekt "Lehrerkonferenz". Dabei werden verschiedene Vorgangsweisen/Varianten der Beobachtung miteinander verglichen: Das Schema von Bales, eine vereinfachte Version davon mit rating items, und Beobachtung im ethnographischen Sinne (G.L., Unterlage). B) Wohnprojekt

Nach der Pause Bearbeitung der Projekte a) Gruppenbildungen übers Internet b) Abläufe bei der Erarbeitung von Bildungsprogrammen


 

6. Sitzung, 26. V. 1998

Wir steigen ein mit einem Beobachtungsprotokoll von einer Weiterbildungstagung, das zuerst alle einzeln lesen und dann gemeinsam durchgearbeitet wird. Es zeigt sich folgende Struktur: Beschreibung der Phänomene, Reflexion dieses Tuns, Interpretation, Metareflexion. Gemeinsame Erarbeitung von Interpretationsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen; Abklärung des Verhältnisses von Wort und Ding, unterschiedliche Sichtweisen (Abbildtheorien, Phänomenologie, Hegel (Schein/Sein), Kant etc.).

Nach der Pause: Beobachtung und Theoriebildung in Anlehnung an Coenen-Huther und seine Beschreibung verschiedener Typen von Behausungen; die Bedeutung von Bildern bei der Theorieproduktion - Verweise auf Albert Memmi und seine theoretische Arbeit.


 

7. Sitzung, 9. VI. 1998

Wir beginnen die Sitzung mit einer Lektüre des Beobachtungsprotokolls "Erstaufnahme im Unfallkrankenhaus". Dies führt zu einigen Diskussionen über Funktionserfordernisse des Spitals und Bürgerrechte der Patienten wie z.B. Wahrung der Privatsphäre etc. Die Verf. Erhält zahlreiche Anregungen für die weitere Bearbeitung, u.a. Lektüre über totale Institutionen, zusätzliche Gespräche mit Betroffenen u. Mitarbeiterinnen. Im Anschluß daran zwei weitere Beobachtungsprojekte: Etwas kürzer "Sitzungsprotokolle", etwas länger "Krisenintervention in Verkaufsabteilung einer Großkonzern". Bei letzteren Projekt kommt zu Sprache, inwiefern in Rahmen krisenorientierter Beratungsinterventionen beobachtende Elemente nützlich/unabdingbar sind und inwiefern sich derartige Vorgangsweisen vom Modell einer Forschungsarbeit auf der Basis teilnehmender Beobachtung unterscheiden. /Pause/

Die zweite Hälfte gilt der Bearbeitung des Verhältnisses von Theorie und Empirie. Als Text mein Beitrag in "Exemplarische Erkenntnis" (W. Kannonier-Finster/Ziegler) über "Theoriebezüge qualitativer und quantitativer Empirie", wobei vorausgeschickt wurde: praktische Arbeitsweisen einiger Wissenschaftler: Lichtenberg, Wittgenstein, Memmi. Verhältnis von Bild und Satz, Theorie und Theater.


 

8. Sitzung, 23. VI. 1998


            O.N.