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1. Sitzung, 14. 10. 1998

Zu Beginn werden einige lästige, aber nicht unwichtige organisatorische Vorfragen geklärt. Im Anschluss daran wird an Hand der Beschreibung im internen Vorlesungsverzeichnis und der angegebenen Literatur die Intentionen nochmals dargestellt und diskutiert. Im Bezug auf die letzte Veranstaltung ist das gewählte Thema dem Mesobereich zuzuordnen, doch hat auch der wieder seinen Überbau.Vorläufig gibt es Interessenten zu Bearbeitung folgender Themen: Unternehmensgründung / Unternehmensleitbilder / Der Neoliberalismus in Geschichte und Gegenwart / HRM-TQM-Qualitätsnormen / Der Markt als soziale Institution / Herrschaft und freiwillige Unterwerfung /. Weitere Themen werden nächstes mal weiterdiskutiert. Thema der nächsten Sitzung: „Wettbewerb als Sozialdarwinismus" (?), ein Beitrag aus dem vorigen Sommersemester.



 

2. Sitzung, 21. 10. 1998

Zur Einleitung Vorbemerkungen

1) Die Management-Akademie schreibt einen Kurs aus mit dem Titel: „Entdecken Sie die Führungskraft im Beamten". Untertitel: Führungsproblematik bei der Umsetzung von New Publik Management. Dann Informationen über die möglichen Teilnehmer, Beschreibung der Ausgangssituation, der Seminarziele und der Seminarinhalte. Abschließend Termin , Gebühr von 5.400 pro Tag , der Person des Referenten, der u.a. lt. Angaben auch seit 1.7.1994 Vorstandsmitglied des Arbeitsmarktservice ist. Welche Probleme ergeben sich, wenn die Vorkehrungen für Arbeitslose von der Perspektive des New Publik Management dominiert ist? Wie wirkt sich dies aus? Was bedeutet dies für das Verständnis des öffentlichen Dienstes? Welche Alternativen gibt es dazu?

2) Hinweise auf diverse Artikel in Le Monde diplomatique, Oktoberausgabe, die für das Seminarthema relevant sind:

S. 1 u. 18: Schiffbruch der liberalen Dogmen, von S. 18 - 27: Drei globale Steuern zur Eindämmung der Spekulation; die Wächter der monetären Ordnung; Doppelspiel rund um das MAI; Finanzkapitalismus auf französische Art; Niedergang des Hauses Japan. Diese Zeitung gibts seit neuestem auch auf Deutsch, zwar etwas gekürzt, doch die wichtigsten Dinge sind verfügbar. Kostenpunkt: ö.S. 50,-

Hauptteil: Das Referat von Frau M.Z. zum Thema „Wettbewerb und Sozialdarwinismus". Anlaß zu einigen Diskussionen, weil sich einige wichtige Denkfiguren der heutigen Diskussion bereits in den Aussagen von früheren Autoren finden (z.Beispiel Parallelen zwischen Vorstellungen Hayeks und den Formulierungen in Mandevilles Bienenfabel. Ergänzende Literatur zu diesem Thema: Ph. Thureau-Dangin (19995): La concurrence et la mort. Ich werde versuchen, das Referat demnächst hier verfügbar zu machen.

Abschließend werden weitere Referatsthemen vereinbart, sodaß demnächst die Liste fertig sein könnte. O.N



 

3. Sitzung, 28. Okt. 1998

Zu Beginn einige organisatorische Überlegungen wie Komplettierung der Liste der Themen, zu denen die TeilnehmerInnen eigenständige Beiträge zu erarbeiten beabsichtigen und Hinweise zu dafür verwendbarer Literatur.
Im Anschluß daran einige Überlegungen (in Anlehnung an Ph. Bernoux, S. 21 - 39), wie es zur Verschiebung der Perspektiven von einer "Soziologie der Arbeit" über die "Soziologie der Organisationen" zu einer "Soziologie des Unternehmens" gekommen ist. Für letztgenannte ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus (la pensée unique) von erheblicher Bedeutung.
Bereits im vorigen Semester haben wir uns mit dem Beitrag von P. Bourdieu "L' essence du neoliberalisme" (in: Le Monde Diplomatique (=LMD)) auseinandergesetzt, gleichzeitig auch mit dem Artikel über "Die Mär vom Neoliberalismus" im Wirtschaftsteil der NZZ v. 11.4.98, (vgl. dazu auch die Leserzuschriften zum "Mißverstandenen Neoliberalismus" NZZ v. 30.4.98, S. 83). Der frühere Regierungschef E. Balladur weist das Label "pensée unique" für den Neoliberalismus ebenfalls vehement zurück (Le Monde 6.III.98, p. 14) und versucht, den Stiel umzudrehen: eindimensional seien jene sozialdemokratischen Überzeugungen (unanimisme), die am status quo festzuhalten suchen.
Das heißt, daß der Neoliberalismus es weit von sich weist, sich als solchen auch bezeichnen zu lassen. De facto handelt es sich um die auf der ganzen Welt gepredigte Ideologie und die damit verbundenen Imperative für politischen Handeln: "Von Tunis bis Buenos Aires, von Moskau bis Washington, von Rom bis Rio, wie unterschiedlich die Situationen und verschieden die kulturellen Bedingungen auch sein mögen, die Imperative für politisches Handeln sind überall dieselben: Preisstabilität, budgetäres Gleichgewicht, Wettbewerbsfähigkeit, Privatisierung, Deregulierung" (vgl. J.-P. Fitoussi, L' ideologie du monde, in: Le Monde v. 8.7.1998, S. 12). Es scheint daher nützlich zu sein, sich mit den Entstehungsbedingungen der neuen Ideologie und den Instanzen, die sie stützen, eingehender zu befassen. Materialien dazu z.B. in LMD, Manière de voir Nr. 32 (11/96), Kap. 2: Die Ursprünge (Ces ventres fécondes de la pensée unique, S. 26 - 31): Regierungsvertreter, Medien, Ökonomen, diese Exponenten der Resignation vor einer Ordnung der Ungleichheit, legitimieren sich mit Hinweisen auf Forschungsergebnisse und Experten der großen internationalen Organisationen - Weltwährungsfonds, Weltbank, OECD, Welthandelsorganisation und die europäische Kommission. Für diese ununterbrochene Gehirnwäsche ist eine wichtige Stütze die orthodoxe Ökonomie, die im Großteil der Universitäten den Ton angibt und durch den Widerhall in den Medien noch verstärkt wird. Also ein ununterbrochener Fluß falscher Evidenzen, welche die öffentliche Meinung bestimmen und dissidente Stimmen zum Verstummen bringen.

Der erste der hier verfügbaren Beiträge von F.F. Clairmont befaßt sich mit "Das Scheitern des Systems von Bretton Woods". Mit dieser Konferenz von 1944 wurden die Instrumente der Hegemonie des US Dollars und der pax americana etabliert: Weltwährungsfonds (WWF ? ), Weltbank (WB).

Ziel dieser Konferenz vor Beendigung des 2. Weltkrieges war, das monetäre und das finanzielle internationale System wieder herzustellen. Organisiert unter den Insignien der Vereinten Nationen, wurde die Konferenz von den USA und GB dominiert, den beiden Großmächten, die eine im Aufstieg, die andere jedoch im Abstieg begriffen. Beide wollten ihre Marktanteile in der neuen ökonomischen Weltordnung erhöhen.

Die neue Ordnung, Höhepunkt der anglo-amerikanischen Kooperation und gleichzeitig letzter Akt einer ungleichen und widersprüchlichen Beziehung, wurde erstellt zu einer Zeit, als die Wirtschaftskrisen des vorangegangenen Jahrzehnts noch nicht vergessen waren. In den USA: vor 1933 an die 25% Arbeitslose, um 1937/38 wieder 20%. Damals bereits Kontroversen zwischen den liberalen Interessen der Konzerne und den Befürwortern einer Unterordnung wirtschaftlicher Interessen und staatlicher Intervention (New Deal). A. Berle & G. Means von der Univ. Columbia schon 1933: "Das Wachstum der Großbetriebe hat zu einer Machtkonzentration geführt...., die in der Zukunft den modernen Staat als dominante soziale Organisation ablösen könnte". P. Bates, (Präs. V. Cunard, Schiffahrtsges.) 1935: "Wir stehen in einem Krieg. Die Waffen sind nicht Soldaten und nicht Flugzeuge, sondern Zollsätze, Kontingente und Gelder............Das Verhängnisvollste, offiziell weigert man sich, die Existenz des Kriegszustandes anzuerkennen".

Daß die Krisenjahre noch nicht vergessen waren, bestätigt die Aussage W. Beveridges 1944: "Das einzige souveräne Heilmittel des Kapitalismus gegen die Arbeitslosigkeit ist der Krieg". Bretton Woods ist dessen Fortsetzung mit anderen Mitteln, denn es etablierte ein System, das die Ausbreitung der großen Unternehmen (corporations) und die nationalen Ambitionen der neuen Großmacht USA begünstigte. Zwischen 1949-45 hatte sich die Produktion dort nahezu verdoppelt, entsprach gleichzeitig 45% der globalen Produktion. Arbeitslosigkeit unter 1,3%. Aus dem Krieg ging also Amerika als neue militärische, politische und ökonomische Großmacht hervor, Großbritannien hingegen war auf allen Fronten geschwächt.

Der Weltwährungsfonds wurde in Bretton Woods eingerichtet als Instrument für kurzfristige Kredite, die Weltbank hingegen für langfristige Darlehen.
Doch diese beiden Einrichtungen waren unzulänglich, um die Ziele des amerikanischen Expansionismus durchzusetzen. Weit wichtiger dafür waren der Marshall-Plan (16 Mia $, im Vergleich dazu Weltwährungsfond nur 750 Mio. $) und die Truman-Doctrin; dem Marshall-Plan entsprach in Japan der Dodge-Plan. Mit diesen Geldern (die zurückzuzahlen waren), verbunden mit antikommunistischer Propaganda, gelang es, sich auf Dauer neue Märkte zu erobern.
1936 veröffentlichte John M. Keynes sein Hauptwerk: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. Keynes war mit Harry D. Percy einer der Inspiratoren von Brettton Woods, nahm dort auch an den Verhandlungen teil, konnte aber in keiner Weise sein Hauptanliegen durchsetzen: Der Nationalstaat sollte die höchste politische Einheit sein und bleiben, nicht den unkontrollierbaren ökonomischen Mächten unterworfen sein. An Stelle von Weltwährungsfonds und Weltbank, von Keynes als "Zwillingsschwestern" bezeichnet, plädierte dieser für einen Fonds im Umfang von über der Hälfte der weltweiten Importe, um ihm eine globale monetäre Kapazität zu geben. De facto ist das Volumen der beiden Einrichtungen äußerst bescheiden. Die eigentlichen Herren der Finanz und des Handels sind die 200 größten transnationalen Firmen, die niemandem Rechenschaft schulden.
Eine Entscheidung von großer Bedeutung der Konferenz von Bretton Woods war die Etablierung der Gold - Dollar Parität: Für 1 Unze Gold wurde der Wert von 35 $ fixiert. Diese Regelung wurde 1971 aufgehoben zugunsten frei flottierender Wechselkurse, womit das ganze Finanz- und Kreditsystem zu einem Lotteriespiel (jeu de casino) geworden ist, wo alle Möglichkeiten des Mißbrauch offen stehen. Die Profite des Finanzkapitals beruhen auf der Verschuldung und auf der unbegrenzten Erzeugung von Schulden auf der Ebene der Unternehmen, der Haushalte und der Regierungen. Das Wachstum der Schulden verläuft schneller als das Wachstum des globalen BNPs oder des gesamten Handels. F. Clairmont stellt daher (1996) die Frage: Wie ist eine stabile internationale monetäre Ordnung möglich? Illustrationsmaterial dazu fehlt heute nicht: Fehlschlag des Long Term Capital Management (LTCM) Hedge-Fond mit zig-fachen Mia.-Verlusten, der Zusammenbruch der GITIC, einer der größten der Finanzierungsgesellschaften Chinas, deren Kollaps einen "Domino-Effekt auszulösen drohte. Die übrigen chinesischen Finanzierungsgesellschaften haben bis zum 31.III. 1999 ihre Finanzen in Ordnung zu bringen - "was ausländische Banken erneut zum Schwitzen bringen dürfte" (s. NZZ Nr. 249 v. 27.X.98, S. 21).

WWF u. WB sind in ihrer Bedeutung auf die Rolle der Gendarmen des Kapitals reduziert, vor allem in den Ländern der Dritten Welt , in Osteuropa und Rußland. Die Zwänge zu struktureller Anpassung, Privatisierung und Liberalisierung sind für alle dieser Länder Wege in die Verarmung. So haben die Regelungen von Bretton Woods keinerlei Probleme gelöst. Der Kapitalismus ist erneut in eine unkontrollierbare Wirtschaftskrise geraten und der Wirtschaftskrieg hat heute, so F. Clairmont, an Umfang und Intensität zugenommen, die über jene der 20er und 30er Jahre hinausgehen.



 

4. Sitzung, 5. Nov. 1998

Die Beschäftigung mit den internationalen Einrichtungen IMF, BM, WTO, OECD etc. ist deshalb wichtig, weil sonst nicht verstanden werden kann, woher der permanente Druck auf die Unternehmen kommt, sich ausnahmslos in eine bestimmte Richtung verändern zu müssen. (Vgl. Hinweise "Herrschaft, Zwang und Gehorsam" Ph. Bernoux, Contrainte et domination sans autonomie ni acteurs? in: SdT 1997/393 f)

Die Analyse dieser Zwänge, sich in eine bestimmte Richtung hin zu entwickeln, führt zur Analyse dessen was heute als neoliberales Denken bezeichnet wird. Um diese Ideologie ins Verhältnis zum LV - Thema zu setzen, den Unternehmenstheorien, ein kurzer Einblick in die Darstellungen von Coriat / Weinstein und die dort angeführten sechs paradigmatischen Konzeptionen. Diesem mehr aus ökonomischer Perspektive geschriebenen Überblick werden dann die fünf Modelle gegenübergestellt, die Bernoux aus soziologischer Perspektive herausarbeitet.

Im Anschluß daran erläutert ein Teilnehmer den letzten Beitrag Bourdieus aus Contre-feux (gibt jetzt auch in deutsch unter dem Titel "Gegenfeuer"), der überschrieben ist mit: " Der Neo-Liberalismus, Utopie einer grenzenlosen Ausbeutung". Es handelt sich dabei um einen Beitrag vom Jänner 1998, ist also eine der Stellungnahmen gegen die desaströse Doktrin, deren Entstehung und Konsequenzen heute besser gesehen wird als noch vor einer Zeit. Die Doktrin wird verkörpert von einer ganzen Kette von Autoritäten, die vom Mathematiker bis zum Bankier, vom Bankier bis zum journalistischen Philosophen und vom Essayisten bis zum Journalisten reichen. "Es ist aber auch ein Kanal des Umschlags von Geld und ökonomischer sowie sozialer Vorteile aller Art, internationaler Einladungen und Ehrungen. "Wir Soziologen können, ohne irgendjemanden zu denunzieren, es zu unserer Aufgabe machen, diese Netze zu demontieren und aufzuzeigen, wie der Zirkulation der Ideen eine Zirkulation der Macht zugrundeliegt. Es gibt Leute, die mit ideologischen Dienstleistungen einen Tauschhandel gegen Machtpositionen betreiben......."P.B., Contre-feux, S. 61).

Mit seinem Appell für eine "Internationale des Widerstandes gegen den Neoliberalismus und alle anderen Formen des Konservativismus" (vgl. P.B., Le Monde v. 8.4.98, S. 13) hat sich P.B. viele Feinde gemacht, auch die PCF ( = KP) goutiert das nicht.

O.N



 

5. Sitzung, . . 1998

Zuerst Diskussion darüber, wieviele Leute zum Gestvortrag „Versuch einer konstruktivistischen Wissenschaftstheorie" gehen wollen. Es sind doch einige, wir stellen uns darauf ein, dass diese die LV früher verlassen.

Als nächstes wird auf zwei wichtige Beiträge in Zeitschriften hingewiesen, die für unser Thema nützlich sind:
Bergmann, Joachim (1998): Die negative Utopie des Neoliberalismus oder die Rendite muß stimmen, in: Lev 26, 3, 305-318
Sewell, Graham (1998): The Discipline of Teams: The Control of Team-based Industrial Work through Electronic and Peer Surveillance, in: ASQ 43, 2,397 -428

Dann ein kurzer Rückblick auf die beiden Schwerpunkte der letzten Sitzung: Unternehmenskonzeptionen aus ökonomischer, betriebswirtschaftlicher und soziologischer Perspektive einerseits, eine Beschreibung der neuen Ausbeutungsmechanismen im Neoliberalismus andererseits.

Dazu nun heute ein praktisches Beispiel für einen Versuch der Deregulierung am Beispiel der Senkung der Lohnnebenkosten. Der Kollege, der sich hier aus eigener Erfahrung gut auskennt, skizziert die wichtigsten Geldströme ubnd zeigt die Bedeutung dieser sogenannten Lohnnebenkosten auf. Bei der anschließenden Diskussion geht es vorrangig um die Stellung und Funktionsweise der Gewerkschaften und das Interesse bzw. Verständnis der Beschäftigten an diesen Fragen. Es wird auch darauf hingewiesen, dass bei derartigen Diskussionen die internationalen Verflechtungen nicht außer acht zu lassen sind. Die österr. Instanzen stehen unter dem Druck des Standortwettbewerbs, der von der EG-Kommission in Brüssel propagiert wird, dabei den Einflüsterungen tausender Lobbyisten im Auftrag von UNICE Union der Unternehmer der EG) und European Round Table (=ERT, s. dazu: www.ert.be) ausgesetzt ist. Vor dem Auseinander gehen Fixierung der Themen für die nächste Sitzung.



 

6. Sitzung, . . 1998

Wir klären zuerst einige organisatorische Fragen, wie üblich. Im Anschluss daran Rückblende auf den Beitrag zu den Lohnnebenkosten, inwiefern sich daraus eine interessante Forschungsarbeit machen ließe. Vermutlich wäre es sinnvoll, hier historisch aufzurollen, was im einzelnen wann und welchen Umständen zu welchen Kompromissen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geführt hat und heute in der einen oder anderen Form Bestandteil des Lohnes geworden ist. Es handelt sich hier um diverse historische Errungenschaften, die im Zuge der Deregulierung etc. in Frage gestellt werden, weil deren Beseitigung für den Standortwettbewerb für nützlich gehalten wird.

Unternehmenstheorie manifestiert sich auch in Vorgaben an die Beschäftigten, wie sie sich zu sehen und zu definieren haben. Einige Folien aus einem Großkonzern sind aufschlußreich über gegenwärtige Bemühungen, den Beschäftigten ein neues Selbstverständnis zu vermitteln. Spaß an der Arbeit, Sozial- und Fachkompetenz, kontinuierlicher Verbesserungsprozess sind hier wichtige Stichworte, die von der Unternehmenstheorie zur Unternehmensideologie führen. Dazu illustrativ:
Jean-Pierre LeGoff, Le Mythe de l'Enterprise, Paris 1995

Von hier ist der Weg zur übergreifenden Ideologie des Neoliberalismus nicht weit. Wie geplant, wird nun fortgesetzt, was in früheren Sitzungen bereits angesprochen worden ist: Bretton Woods 1944, und die Gründung auch zu diesem Zeitpunkt von IMF und BM. Dem wird heute einiges hinzugefügt über die OECD, und zwar in Anlehnung an S. Halimi und den Beitrag in Charly Hebdo. Dies wird dann ergänzt durch die Informationen über die Einflußnahmen des Neoliberalismus in Großbritannien, als der Keynesianismus dort zu Beginn der 70er Jahre in eine beträchtliche Krise geraten war
(vgl. dazu Keith Dixon , Les évangélistes du marché, Paris 1998).

O.N



 

7. Sitzung, . . 1998

Auf dem Programm dieser Sitzung ist gestanden 1) eine Textlektüre 2) Explikation des Ideologiebegriffes 3) Kap. 2 aus Dixon Keith, Die Propheten des Marktes, zu Fortsetzung des letztes Mal Begonnenen. Pkt. 3 wurde aus Zeitmangel zurückgestellt.

Zu 1: Textlektüre: "Die zehn Gebote für Führungskräfte. Ständige Suche nach neuen unternehmerischen Möglichkeiten", ein Beitrag v. H.H. Hinterhuber u. E. Krauthammer in NZZ v. 7.7.1998, S. 24
Es geht darum, die Struktur herauszuarbeiten, explizite und implizite Aussagen voneinander zu unterscheiden, um die Frage der Funktion unscharfer Sprache und was die wichtigsten Botschaften sind, die von einem derartigen Text hängenbleiben.

Zur Struktur: ein Titel, Abstracts, Einleitung und 3 Hauptteile.

Die Titel "Die zehn Gebote" sind eine Anleihe aus der religiösen Tradition. Wer die Gebote beachtet, erreicht die Seligkeit, wer sie mißachtet, wird verdammt. Im religiösen Kontext ist die Zahl derer, die in den Himmel kommen können, prinzipiell unbegrenzt. Im ökonomischen Kontext ist dies anders: der Weg zur Seligkeit ist hier den im Wettbewerb Erfolgreichen vorbehalten. Dies sind im Endeffekt nur Wenige, während für die Vielen logischerweise der Weg ins Verderben vorprogrammiert sein muß. Es stellt sich also die Frage, warum diese neue Religion so viele Anhänger findet, die eigentlich der großen Menge nichts bringen kann.

Die Abstracts dienen dazu, die Dinge gründlich durcheinanderzubringen, wofür im Griechischen das Wort "dia-ballein" verwendet wurde. Der Diabolos ist im religiösen Kontext jener, der Verwirrung stiftet. Die Thesen, daß die Entdeckung neuer Möglichkeiten den Shareholders und den Stakeholders in gleicher Weise nutzt und damit der Wert des Unternehmens und neue Arbeitsplätze geschaffen werden, steht in krassem Widerspruch zu den Entwicklungen der letzten (ca. 15) Jahre. Diesbezüglichen Einsichten ist tunlichst die Klarheit zu nehmen.
Die Einleitung gilt der Unterscheidung zwischen Leadership und Management, wobei die strategisch wichtigen Aufgaben dem ersteren zugedacht sind, und letzteres sich um die kreative Umsetzung zu kümmern hat. Leadership heißt hier, neue Möglichkeiten entdecken und umsetzen sowie unternehmerische Veränderungsprozesse so gestalten, daß Werte für alle Stakeholder...geschaffen werden.....und sich gleichzeitig der Wert der Unternehmung erhöht". Management heißt hier, "Probleme auf eine kreative Weise lösen". Das ist keine sehr präzise Bestimmung von Management.

(In Parenthese: Informativer dazu sind die Bestimmungen bei J. Sur, Une alternative au management, Paris 1997, S. 27: "Im alltäglichen Sprachgebrauch wird das Wort management in drei verschiedenen Bedeutungen verwendet. Einmal im Sinne eines diskutablen Anglizismus zur Bezeichnung von Steuerung und Organisation; dann aber auch zur Umschreibung der Gesamtheit der Praktiken eines Unternehmens: beispielsweise ist so die Rede vom Management bei IBM, vom Management bei Renault etc.; und schließlich, in einem dritten Sinne, kann das Wort M. Auf die diesen Praktiken zugrundeliegende Ideologie verrweisen, auf die Finalitäten, welche sie propagiert, auf die Methoden, die sie verkündet, auf die Autoren, die sie konstruiert haben. An dieser Stelle ist es die dritte Bedeutung, die von besonderem Interesse ist".

Die 3 Hauptteile werden gebildet durch jeweils zusammengehörige Gebotsgruppen. Sprechen die religiösen so unterhaltsame Dinge wie Gotteslästerung, Diebstahl, Unkeuschheit Totschlag an, erweisen sich die neuen 10 Gebote als ein weit langweiligere Angelegenheit. Sie sind eine Ausdifferenzierung des einen Imperativs: Streng Dich an, daß Du überlebst, laß die anderen krepieren. Akio Morita, der frühere Präsident von SONY hat zur Umschreibung dieses Sachverhaltes bei seinen Vorträgen und Konferenzen folgende Parabel verwendet: Zwei Chefs von Unternehmen unterschiedlicher Nationalität befinden sich in der Savanne und sehen sich plötzlich einem Löwen gegenübergestellt. Man fragt sie, was sie haben möchten, um sich aus ihrer mißlichen Lage zu befreien. Einer von ihnen antwortet spontan: "Ein Paar Basketballschuhe"
"Aber ein Paar Schuhe erlaubt uns nicht, schneller zu laufen als das Tier"
"Nein, aber schneller als mein Kollege", antwortete der businessman hellsichtig (aus: Thureau-Dangin, Kap. 7, gibt jetzt auch auf deutsch unterm Titel: "Die Ellbogengesellschaft".)

In den neuen 1o Geboten, die zur Heilighaltung des Wettbewerbs auffordern, geht es darum a) den Kern herauszuschälen b) die Atmosphäre zu bestimmen und c) die richtigen Strukturen einzuziehen.
Zu a) Gebote 1 - 4: "den Kernauftrag entwickeln", "Die Kernkompetenzen bestimmen", "die Kernprodukte und -dienstleistungen ableiten" und "die Kerndifferenzierungen zur Konkurrenz auszubauen".
Zu b) Gebote 5 - 7: "Das Well-beeing fördern", "Die Unternehmenskultur gestalten", und "das Jahresleitbild formulieren".
Zu c) Gebote 8 - 10: "die Organisation aufbauen", "die Strategie vorgeben" und "das Firmenbild vermitteln".

Bei a) geht es offensichtlich darum, die "Baskettballschuhe" zu identifizieren, mit denen man schneller laufen kann als die anderen. Wohin und wie schnell, das ist egal, wichtig ist nur, daß man schneller ist als die anderen. Bei b) und c) geht es darum, die Bedingungen sicherzustellen, daß die Flucht nach vorne auch gelingt: Manipulation der Belegschaft und entsprechende organisatorische Vorgaben.

So entsteht eine attraktive Unternehmung nach innen und außen, wo sich die Beschäftigten eines ganzheitlichen Wohlseins erfreuen. Diese Harmonie und das Gleichgewicht realisieren sich in 6 Dimensionen:
"Gesundheit,
finanzielle Sicherheit,
die emotionale Dimension (Liebe, Zuwendung, Beziehungen, subjektive Zufriedenheit),
die soziale Dimension (Beitrag zum Allgemeinwohl) und
die spirituelle Dimension (Sinn des Lebens)".

So findet jeder den ihm angemessenen Ausgleich, die Bedürfnisse der Gesellschaft werden erfüllt, der Wert der Unternehmung gesteigert und Arbeitsplätze geschaffen. Es ist alles ganz einfach, daß Unternehmen ohne Wettbewerbsvorteile keine Daseinsberechtigung haben ist nicht anderes als logisch.

Dieser nicht sehr klare, aber das Wesentliche transportierende Beitrag von Hinterhuber/Krauthammer suggeriert eine bestimmte Konzeption von Unternehmung als die heute allein gültige. Es ist daher naheliegend, sich mit dem Ideologiekonzept auseinanderzusetzen, u. zw. in Anlehnung an Francois Brune, "Zeitgenössische Mythologien. Zur Ideologie der Gegenwart", in: Le Monde diplomatique, 1996/8, S. 16



 

8. Sitzung, . . 1998

Wir kommen noch einmal auf das letztes Mal angeschnittene Thema der „Kernkompetenzen zurück. Offensichtlich lehnen sich die beiden Autoren des gemeinsam gelesenen Beitrages stark an die Arbeiten von Hamel & Prahalad an (einmal „The Core Competence of the Corporation", in: Harvard Business Review, May-June 1990, und dies., „Competition for the future" aus dem Jahre 1994.
Nach Micklethwait/Wooldrige (1996, S. 110) handelt es sich bei den „Kernkompetenzen"um eines der häßlichsten, aber auch wichtigsten Schlagworte der Management-Theorie. Sie formulieren das Verständnis von Hamel & Prahalad folgendermaßen: Kernkompetenzen sind Skills und Fähigkeiten, codifizierte und nicht-codifizierte, die einem Unternehmen ein bestimmtes Flair verleihen und von der Konkurrenz nur schwer nachgeahmt werden können.
Kernkompetenzen laufen aber auch leicht Gefahr, zu core-rigidities zu verkommen.

Im Anschluss daran versucht ein Kollege, Angehöriger eines Großkonzerns, seine Erfahrungen der betrieblichen Veränderungen der letzten Jahre zu artikulieren. Wir versuchen, aus den real angestrebten und durchgesetzten Veränderungen dahinterstehende Vorstellungen und Konzepte herauszulesen. Dem folgt ein Input einer Kollegin über „Unternehmensorganisation als Kernkompetenz", im Bezug auf eine Arbeitstagung zu diesem Thema in der Schweiz aus dem Jahre 1996.

Da verschiedenes noch reichlich unklar ist, werden wir nächste Sitzung noch einmal auf das Thema der Kernkompetenzen zurückkommen, nicht zuletzt auch deshalb, weil im vergangenen Jahr der Rektor der Uni der Sowi - Fakultät den Auftrag gegeben hat, einige Kernkompetenzen der Fakultät zu benennen. Inwiefern ist so etwas wichtig für eine Uni? O.N



 

9. Sitzung, . . 1998

Zunächst noch einmal zurück zur letzten Sitzung, bei der einiges unklar geblieben ist. Nochmals Diskussion über Kernkompetenzen, wie das verwendet ist in der Literatur, was das bedeutet für die Restrukturierung der Ökonomie, inwiefern es auch nötig ist, sich von der Soziologie her mit ökonomischen Fragen zu beschäftigen. Verweis auf Thureau-Dangin, die Ellbogengesellschaft: dies ein Buch, von einem Ökonomen geschrieben, der die Ökonomie u.a. stark von der Soziologie her als Ideologie aufrollt. Daraus die Frage: kann man die Ökonomie kritisieren, ohne sie zu kennen? Woher kommt die Sensibilität für das Ideologische, das heute als das Alleingültige sich breit macht?

Im neuen Heft Manière de Voir, Nr. 43 enthält Teil 3 einige Beiträge, die unter der Überschrift: „Das ‚Politbüro' der ultraliberalen Internationale zusammengefaßt sind. Damit sind folgende Organisationen gemeint:

OECD Weltwährungsfond Weltbank Welthandelsorganisation G7 Europäische Kommission

In dieser informellen Ordnung spielt die OECD die Rolle des Politkommissars
IMF und BM haben mehr operationelle Funktionen
WTO ist die Speerspitze der transnationalen Firmen
EG-Kommission stellt die öffentlichen Dienste in Frage und ist auf Deregulierungen fixiert

Verlängerter Arm und Kooperationspartner dieser ultraliberalen Internationale sind vielfach auch Wissenschaft und die Medien, die selbst auch ein Teil der internationalen Konzerne sind. O.N



 

10. Sitzung, . . 1998

In dieser letzten Sitzung vor Weihnachten wird zuerst eine kurze Zwischenbilanz gezogen: ein Vergleich zwischen dem am Anfang aufgestellten Programm (Themenkatalog) und dem derzeitigen Stand der Arbeit. Wie immer, zwischen Ziel und Realisierung bestehen einige Differenzen. Aus der subjektiven Sicht des Protokollanten ist der Verlauf der Diskussionen so, daß wir unsere Zeit nicht vergeudet haben. Die Fertigstellung der übernommenen schriftlichen Beitrag zieht sich etwas dahin, doch wenn dann Brauchbares kommt, dann passen die Dinge wieder zusammen.

Im Anschluß an eine Diskussion in der letzten Sitzung über den Einfluß der Medien auf die Bildung der öffentlichen Meinung bringt ein Teilnehmer eine Übersicht über die besitzmäßigen Verflechtungen der Presseerzeugnisse in Österreich. Es zeigt sich die starke Dominanz zweier deutscher Konzerne, die in diesem Lande dominant sind und auch in Ungarn und (weniger) in der Tschechei einen beträchtlichen Einfluß ausüben, wieder über Beteiligungen.

Der nächste thematische Punkt ist die institutionelle Unternehmenstheorie. Dazu liegt ein fertiges Referat vor, doch da es etwas abstrakt geraten ist und die Gefahr besteht, daß beim Vortrag wenig rezipiert wird, verschieben wir es vorerst einmal. In einer der frühen Arbeiten von Hayek findet sich eine längere Auseinandersetzung über die Aussage von A. Smith, daß die Leute, indem sie ihre Absichten realisieren, oft ganz anderen Zielen dienen. In diesem Zusammenhang diskutiert dann Hayek auf einigen Seiten die Problematik der Institutionen, und zwar in einer Weise, die gar nicht so weit von Durkheim entfernt zu sein scheint. Das muß noch etwas genauer studiert werden, scheint ergiebig zu sein und spannend, wie sich das mit dem methodologischen Individualismus verträgt.

Der letzt thematische Schwerpunkt gilt dem 2. Kapitel von Dixon, also eine Fortsetzung eines früheren Themas. O.N



 

11. Sitzung, . . 1998

Gegen Semesterende werden nach und nach die studentischen Beiträge fertig. Heute zwei Themen: Das erste orientiert sich am Thema „Markt und Motivation" in Anlehnung an die Studie von Frey, das zweite beschäftigt sich mit „Human ressources Management". Im Kontext mit dem ersten Thema diskutieren wir länger über die Möglichkeiten und Notwendigkeiten eines autonomeren Umgangs mit Einstiegsliteratur. Das außerdem vorbereitete 3. Kap. Von Keith Dixon wird auf nächste Sitzung verschoben. O.N



 

12. Sitzung, . . 1998

Zunächst noch einmal zurück zum Thema vom letzten Ma.l, <84>Markt und Motivation", der Verdrängung von Moral bei der Arbeit im Untertitel. M. E. ist dabei der Widerspruch von Wettbewerb und Moral zu wenig problematisiert worden. Dies läßt sich nachholen in Anlehnung an Vontobel, Die Wohlstandsmaschine (1998), der sich explizit in zwei kurzen Kapiteln mit Markt und Moral beschäftigt.
Im Anschluss daran Abgrenzung der Konzepte Politischer Liberalismus, Liberalismus und Neoliberalismus, kurze historische Verweise und Herausarbeitung der sie charakterisierenden Merkmale. Diskussionen um das AMI, und inwiefern auch die sozialdemokratischen Regierungen Europas sich ebenfalls neoliberalen Prämissen verpflichtet fühlen.

Im dritten Teil ein studentischer Beitrag zum Thema <84>Unternehmen und Ethik", der Anlaß zu langen Diskussionen gibt, die dann vor ihrem Ende abgebrochen werden müssen. O.N.