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Les évangelistes du marché

1. Der Kampf gegen den Konsens:
Von der Mont-Pelerin Society zum Institut of economic affairs



1945 Wahlsieg der Labour-Partei, in deren Gefolge anspruchsvolle politische und soziale Reformen durch Clement Attlee durchgeführt wurden: die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien, Etablierung eines Sozialstaates und eines nationalen Gesundheitssystems; diese Reformen trugen die Handschrift von Keynes/William Beveridge: zwei reformorientierte Bürgerliche, in der Nähe der kleinen liberalen Partei, in ziemlicher Distanz zum Arbeitermilieu und dessen Traditionen;
Keynes/Beveridge gingen davon aus, daß es nötig sei, um das Überdauern des Kapitalismus zu sichern und ihn von seinen eigenen Auswüchsen zu schützen, entschiedene staatliche Interventionen im sozialen und ökonomischen Bereich zu fördern. Auf dieser Grundlage entstand der sozialpolitische Konsens, Butskellisme genannt, nach den beiden Finanzministern Butler (Kons.) und Gaitskell (labour).

1951-1964 waren die Konservativen an der Regierung, doch änderte dies nichts an der 1945 definierten Politik.

Der Sieg von Labour 1945 ist zwar keine soziale Revolution gewesen, doch löste diese bei den kleinbürgerlichen Kaufleuten ein ernsthaftes Trauma aus, die linken Agitateure an der Macht zu sehen. M. Thatcher war 1945 zwanzig Jahre alt, gehörte zu diesem bürgerlichen Milieu des Midlands. Für einen kleinen Kreis rechtsgerichteter Intellektueller war dies damals ein dramatischer Mißerfolg, darunter auch für Hayek, seit 1931 an der LSE tätig; 1944: "Der Weg zur Knechtschaft", also der Anfang vom Ende einer offenen Gesellschaft.

Eine weise Gesellschaft neuen Typs

Hayek sah darin eine Übernahme der Herrschaft durch den Keynesianismus und des sozialistischen Interventionismus. Als Konsequenz daraus ergab sich für ihn die Notwendigkeit einer langwierigen intellektuellen Rekonstruktionsarbeit, die ihn dazu führte, die Verantwortlichen der "Kollektivistischen Revolution" zu bekämpfen. Die Vereinigung auf dem Mont Pelerin waren ein wichtiges Moment bei der Formulierung einer Antwort auf internationaler Ebene. Zahlreiche Angehörige von Universitäten verschiedener Länder mit verschiedenen Ansichten - aber einig in der Ablehnung des Kollektivismus - und Journalisten (von Fortune Magazine, Newsweek, Time and Tide, Readers Digest) diskutierten dabei ein neues Programm über die ökonomischen, sozialen und politischen Aufgaben der Nachkriegszeit.

Teilnehmer der ersten Versammlung 1947 waren an die vierzig Personen aus Europa und Amerika (für letztere wurden die Kosten bestritten vom Volker Fund), die dann in ihren Ländern wieder eigene Netzwerke aufbauten. Zwischen 1947 und 1997 wurden 27 Zusammenkünfte organisiert, jene von 1997 in Wien. Der Mitgliederstand umfaßt heute gegen 500 Personen (so Susan George in Le Mond diplomatique 1996/8, S. 16), bei Keith, der von 5000 Personen spricht, steht also eine Null zu viel. Heute sind die Namen der Gründungsmitglieder bekannt, nicht aber die Liste der heutigen Mitglieder, da die Society viel Wert auf Diskretion legt und Öffentlichkeit sowie mediale Präsenz zu vermeiden sucht. Die Society hält sich auch weder permanentes Personal noch Büro und publiziert zudem recht wenig. Dennoch verfolgt sie die Ziele einer permanenten Organisation: einer internationalen Struktur, welche Intellektuelle zur Verteidigung und Promotion der Ideen des Liberalismus miteinander in Verbindung zu bringen sucht. Die Mont Pellerin Society ist also eine Internationale der neoliberalen Intellektuellen. Starke Unterstützung fand diese Internationale von Anfang an von Seiten der Industrie.

Während der ersten 25 Jahre des Bestehens der Society fanden die Ideen der Gründer: Hayek, von Mises (die österreichische Schule) kategorische Ablehnung jeder Form staatlicher Intervention, wenig Echo.
An den Universitäten wurden Keynes gelehrt (Samuelson), und die herrschenden Parteien, rechts und links blieben of Keynes fixiert. Während dieser ersten Periode wandte sich Hayek, der Hauptprotagonist, von der ökonomischen Theorie zur politischen und moralischen Philosophie, verließ 1950 England, um an der Universität Chicago einen Lehrstuhl für Moral- und Sozialwissenschaft zu übernehmen. 1945 Publikation von "Der Weg in die Knechtschaft", die mit nachhaltiger Unterstützung der Universität Chicago verbreitet worden war.

Diesen rechten Dissidenten des Keynesianismus fehlte es aber trotz geringen Echos nicht an unterstützenden Strukturen: Economic League, gegründet 1919 zum Kampf gegen den Kommunismus und andere subversive Formen gegen eine konstruktive Ökonomie;
Aims of Industry, gegründet 1942 von einer Gruppe von Industriellen, gegen das Labour-Programm;
Bow Group 1951, andere minoritäre Gruppe auf der Suche nach Parteieneinfluß. Doch ohne viel Wirkung, weil zu sehr in
der Nähe des Maccarthyismus, eines patronalen Militantismus und sozialen Autoritarismus.

Ein erster britischer Think Tank

Das Institute of Economic Affairs (IEA)1955, ältester und einflußreichster Think Tank gegründet auf Initiative und mit Unterstützung von Anthony Fisher; Mitbegründer Ralf Harris und Arthur Seldon, erste Mitarbeiter, gleichzeitig Sekretär und dann Vizepräsident der Gesellschaft von Mont Pelerin. Wenn heute die Rede ist vom "Markt der Ideen", so ist nicht zu übersehen, daß aus der Konkurrenz ein einflußreiches Kartell der neoliberalen Internationale geworden ist: die gleichen Namen finden sich beiderseits des Atlantiks in einer immer größer werdenden Anzahl von Niederlassungen: Hayek, Friedman, Buchanan (public choice).

Gegenseitige Ergänzung von Herausgebertätigkeiten und der Organisation von Seminaren/Versammlungen. Henry Hazlitt, Gründungsmitglied von Montreux, seit 1946 bei Newsweek, gab die ersten Schriften des IEA heraus: damit waren Finanzen und Reputation gleich sichergestellt.

Anthony Fisher unterstützte die Gründung von Instituten nach dem englischen Modell: Freser Institute (Vancouver), International Center von Economic Policy Studies (New York), Pacifik Institute für Public Policy (San Francisco), Centre for Independent Studies (Australien), Atles Institute (USA), das an der Gründung von weiteren 68 Instituten beteiligt ist, davon 31 in Lateinamerika.

Hauptanliegen Hayeks war es, das Klima zu verändern, in dem Politiker agieren. Ungeachtet dessen waren Politiker der konservativen Rechten häufig in der MPS präsent. Mehrere Mitarbeiter M. Thatchers in den 80er Jahren hatten ihre Argumente von den Think Tanks bezogen, darunter
Geoffrey Howe, Außenminister ab 1983,
Keith Josef, intellektueller Mentor von M. Thatcher,
Enoch Powell, der hätte Nummer eins werden können,
hätte er sich nicht die Finger beim heißen Thema der Immigrationspolitik verbrannt. Zwar ist die Sympathie für die extreme Rechte bei den Neoliberalen groß gewesen, doch haben sie dieses Thema geschickterweise anderen überlassen. Es ging darum, über die Veränderung der ökonomischen Basis die britische Gesellschaft zu revolutionieren.

Zwischen 1957-1977 wurden daher propagiert: Aporien der keynesianischen Politik, Priorität eines starken Geldes und gesunder Finanzen, Notwendigkeit der Staatsreduktion, Inflation der gewerkschaftlichen Privilegien, Macht der Arbeiterbarone, Marktlösungen für alle Probleme des ökonomischen und sozialen Lebens.

In diesem Kontext haben 250 Autoren, darunter viele Universitäre, zur Konstruktion der pensée unique beigetragen. Erstes Ziel: die keynesianische Ordnung umzukehren.

1975 kommt M. Thatcher an die Macht;

IEA: läßt recht kurze Texte verfassen, durch Spezialisten, für nahezu alle Aspekte der ökonomischen und sozialen Politik; in den Parteien: die liberale Minderheit gewinnt an Gewicht, die Geschäftswelt, die zuerst auf den Tripartismus fixiert war, wurde ebenfalls umgestimmt.

Vorrangiges strategisches Ziel: die keynesianische Ordnung umstürzen

Zwischen 1957, Zeitpunkt der ersten Veröffentlichungen, und 1975, Zeitpunkt der Übernahme der Macht durch M. Thatcher, ging es vor allem darum, das Feld für die Kritik am keynesianischen Konsens, der Wohlfahrtsstaat und der gemischten Wirtschaft aufzubereiten. Die beiden "Permanenten" am IEA, Arthur Seldon und Ralph Harris, hatten beide eine solide universitäre Verankerung: de erstere an der London School of Economic, der andere an der schottischen Universität St. Andrews. Das IEA entfaltete starke Lobbying-Aktivitäten, die den anderen think-tanks in den Folgejahren zum Vorbild wurden. Es ging darum, die Strömungen des Protests zu organisieren, eine gewisse theoretische Kohärenz zu entwickeln und gefährliche Randthemen zu vermeiden.

Pflege der Kontakte zu den Medien, Aufnahme der Verbindung mit den Unternehmerverbänden Aims of Industry und der Federation of British Industry. Letztere war auf den sozialen Kompromiß im Rahmen einer gemischten Wirtschaft eingeschworen.
Eine besondere Zielgruppe waren auch die Angehörigen der Finanzwelt, denen der Dialog mit den Gewerkschaften nicht so wichtig war, weil sie ja nicht mit der Welt der Produktion zu tun hatten.

Erste Anzeichen einer Wirkung zeigten sich in einer beginnenden Radikalisierung des Parteiprogramms für die Wahlen von 1970: die liberale Vision schien bereits salonfähiger geworden zu sein. Doch es bedurfte der Krisen der 70er Jahre und des Fiaskos der Politik unter Heath, bis die von den Neo-Liberalen verkündeten radikalen Lösungen ein bis dahin unerwartetes Echo finden sollten.