Soz.Ganymed.Org
Funktionswandel der Voest-Alpine-Stahlstiftung

Vorbemerkung: beim folgenden Text handelt es sich um eine Rekonstruktion der Entstehung der Stahlstiftung. Stahlstiftung heißt auch Arbeitsstiftung, die im Rahmen der österreichischen Arbeitsmarktpolitik eine wichtige Rolle spielt. Die Geschichte der Stahlstiftung ist daher auch eine Geschichte des Umgangs mit Arbeitslosigkeit in Österreich.
Der Text ist nun auch gedruckt verfügbar. Wer ihn bestellen will, wende sich an die VA-Stahlstiftung oder an den

Verlag Dr. Kovac, D-22763 Hamburg, Arnoldstraße 49, Tel. 040-39 88 80-0 / Fax 040-39 88 80-55

Funktionswandel der Voest-Alpine-Stahlstiftung

Die einzelnen Abschnitte:

Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Einleitung
2. Stiftungszeiten

3. Richtungskämpfe der Gründerjahre
4. Expansionsprozesse
5. Institutionalisierung
6. Die Stiftungsteilnehmer 1994 - 1997
7. Abschließende Bemerkungen, neue Fragen
Verzeichnis der Medienberichte
Literatur



Inhaltsverzeichnis

Vorwort 4

1. Einleitung 6

2. Stiftungszeiten: Presse und Öffentlichkeit 11

2.1 Unterschiedliche Wertungen 11
2.2 Die Logik der Zielformulierung und Mittelanwendung 12
2.3 Die Erfindung der Stiftungen 15
2.4 Interpunktionen 19

3. Richtungskämpfe der Gründerjahre 23

3.1 Eckdaten 23
3.2 Modellpräsentation und erste Reaktionen 24
3.3 Divergenzen und koalitionäre Konsensfindung 42
3.4 Alte Konflikte, neue Mitspieler 81

4. Expansionsprozesse 93

4.1 Periodisierungsprobleme 93
4.2 Modellerweiterung 95
4.3 Modellgeneralisierung 135
4.4 Zusammenfassende Thesen 157



5. Institutionalisierung und Bürokratisierung der Arbeitsstiftungen 160
5.1 Der Expansionskurs und die Frage seiner Grenzen 160
5.2 Effizient organisiert ist nicht institutionalisiert 161
5.3 Die Mehrdimensionalität der Zielbestimmungen 165
5.4 Administrative Gestikulationen 167

6. Die Stiftungsteilnehmer 1994 - 1997 171

6.1 Verweis auf die beiden früheren Auswertungen 171
6.2 Zur Situation der Neueintretenden 178
6.3 Bedingungen des Ausscheidens aus den Betrieben 186
6.4 Nutzung der Stiftungsangebote 190

7. Abschließende Bemerkungen, neue Fragen 196

Verzeichnis der Medienberichte 202

Literatur 217



Vorwort

Für alle jene, die in Österreich mit Fragen des Arbeitsmarktes befasst sind, ist die "Stahlstiftung" ein positiv besetzter Begriff. Er ist ein Symbol dafür, dass Personalreduktionen größeren Umfanges, wo sie unumgänglich sind, sich auch auf schonende Art und Weise durchführen lassen. Kein Wunder also, dass andere Großbetriebe mit ähnlichen Schwierigkeiten, wie sie damals in der Voest-Alpine bestanden, sich am Vorbild der Stahlstiftung orientierten und ähnliche Wege eingeschlagen haben. Der Gründung diverser Unternehmensstiftungen folgten einige Jahre später weitere Versuche, das vielfach als höchst erfolgreich gepriesene Modell der Stahlstiftung in weiteren Typen von Arbeitsstiftungen auf neue Situationen zu transferieren.

Meine frühen Kontakte zur Stahlstiftung sind nur dem Zufall zu verdanken. Weniger zufällig ist mein Interesse an dieser Thematik, denn die sozioökonomischen Entwicklungen, die aus Arbeit ein knappes Gut gemacht haben, sind bereits Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre sichtbar und spürbar gewesen. Zu einer dramatischen Zuspitzung ist es in Österreich allerdings erst gekommen, als die Schwierigkeiten in der eisen- und stahlverarbeitenden Industrie zu eskalieren begannen.

Zufällige Kontakte und berufsbedingtes Interesse haben auch zu einigen Forschungsarbeiten geführt. 1990 abe ich die den ersten Modelltransfer begleitende Studie "Von der Stahlstiftung zur Kohlestiftung" abgeschlossen, 1991 einen ersten Bericht über die Klientel der Stahlstiftung unter dem Titel "Stiftungseintritte", dem dann 1995 eine weitere Arbeit über "Effekte der Stahlstiftung" folgte. Einige weitere Forschungsvorhaben sind aus diversen Gründen allerdings nicht über die Projektierungsphase hinaus gediehen.

Ende 1997 habe ich die Aufgabe übernommen, die Daten, welche die Stahlstiftung bei den Neueintritten kontinuierlich erhebt, für den Zeitraum 1994 - 1997 auszuwerten. Nach meiner Planung sollte der Bericht bis spätestens Ende 1998 fertig sein. Ich begann zunächst, das Material nach den üblichen Verfahren aufzuarbeiten. Dies führte wohl zu statistischen Ergebnissen, nicht aber zu einem theoretischen Koordinatensystem, aus dem sich eine einigermaßen attraktive Interpretationsperspektive ableiten ließ. Ich hatte damals das Gefühl, dass mir der Zugang zu dem, was in der Stahlstiftung und den Arbeitsstiftungen generell abläuft, ungeachtet bisher angeeigneter Kenntnisse, irgendwie versperrt geblieben ist.

Nach Rücksprache mit der Auftraggeberin, der Stahlstiftung, ließ ich mir die dort verfügbare Dokumentation über die Pressemeldungen zum Thema Stahlstiftung aus den Jahren 1987 - 1998 aushändigen. Eine erste Durchsicht dieser insgesamt recht heterogenen Unterlagen führte zu einigen überraschenden Aha-Erlebnissen. Denn es zeigte sich, was weithin in Vergessenheit geraten ist, dass die Errichtung der Stahlstiftung von Anfang an eine höchst umstrittene Angelegenheit gewesen ist. Ein Studium der damaligen Kontroversen führt zur Einsicht, dass organisatorisch-administrative Vorgaben und Abläufe immer auch Ausdruck bestimmter Vereinbarungen auf höherer Ebene sind. In diesen Vereinbarungen spiegeln sich die gesellschaftspolitischen Kräfteverhältnisse, die zu berücksichtigen sind, wenn verstanden werden soll, was auf der operationellen Ebene einzelner Arbeitsstiftungen geschieht.

Es ist also nachvollziehbar, warum dieser Bericht mit so erheblicher Verspätung zum Abschluss kommt. Die historisch orientierte Aufarbeitung der Presseberichte nimmt im Vergleich zum empirischen Teil einen weit größeren Raum ein. Damit sind einige erste Schritte getan, die Entstehungsgeschichte einer für die österreichische Arbeitsmarktpolitik spezifischen Einrichtung im Detail nachvollziehbar zu machen. Diesbezüglich ist sicher noch einiges zu tun, um den Informationsstand über die Geschichte zu verbessern. Wer der Ansicht ist, es sei überflüssig, sich mit Streitigkeiten vergangener Jahre auseinanderzusetzen, täuscht sich. Denn die Gründungsphase der Stahlstiftung markiert den Beginn eines heftigen Ringens um neue Formen der Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft. Wie soziale Wohlfahrt und ökonomische Effizienz aufeinander abzustimmen sind, ohne einen Teil der Bevölkerung in Armut oder Funktionslosigkeit abzudrängen, ist eine auch heute noch bei weitem nicht geklärte Frage.

Linz, am 5. Jänner 2000 Otto Nigsch



1. Einleitung

Wer hätte im Jahre 1987, dem Gründungsjahr der Stahlstiftung, ernsthaft daran glauben wollen, dass aus dieser zunächst eher spontanen Initiative eine Dauereinrichtung würde, die überdies noch von vielen anderen kopiert werden sollte? Aus dem, was damals heftige, aber vorbeigehende Fieberanfälle zu sein schienen - die rasch aufeinander folgenden wirtschaftlich bedingten Kündigungswellen in der Verstaatlichten Industrie - scheint eine chronische Dauerkrankheit geworden zu sein. Das damals noch zu wenig Verstandene wird heute als gesellschaftlicher Transformationsprozess mit dramatischen Konsequenzen begriffen, dessen Ende nicht abzusehen ist. Versuche, diesen Prozess auch zu erklären, berufen sich teils auf den technologischen Fortschritt, teils auf die unzulängliche Qualifizierung der Arbeitskräfte, die dem höheren Niveau der Produktionsbedingungen nicht mehr angemessen sein soll. Andere verweisen auf demographische Veränderungen und ein damit verbundenes Anwachsen der erwerbstätigen Bevölkerung oder die intensivierte Arbeitsteilung im internationalen Maßstab. Wie diese eben genannten Faktoren bei der Erklärung des grundlegenden Wandels, der nun seit mehr als zwanzig Jahren im Gang ist, zu gewichten sind, ist weitgehend unklar und Gegenstand theoretisch-ideologischer Kontroversen.

So wie Anfang dieses Jahrhunderts eine Verschiebung der Arbeitskräfte vom primären in den sekundären Bereich stattgefunden hat, ist nun an dessen Ende die erzwungene Wanderung von Arbeitskräften vom sekundären in den tertiären Bereich, von den Industriebetrieben in die Dienstleistungsbereiche zu konstatieren.(1) Was aus der Perspektive der Erweiterung der technologischen Möglichkeiten als logischer Prozess leicht nachvollziehbar zu sein scheint, erweist sich als katastrophale Entwicklung, wenn gleichzeitig auch die tradierten Regeln des Ausgleichs zwischen den gegensätzlichen Interessen von Kapital und Arbeit in Frage gestellt sind, was zu weitreichenden Veränderungen in der gesellschaftlichen Architektur führen muß.

In diesen Umständen ist nicht nur die Ursache für die lange Lebensdauer der Stahlstiftung zu sehen. Sie sind auch die Ursache für eine - allerdings mehr indirekte als direkte - nachhaltige Wirkung nach außen. Der einigermaßen abgefederte Umgang mit den Hürden der Kündigungen im Bereich der Verstaatlichten Industrie, wie ihn die Stahlstiftung möglich machte, hat bald für andere Betriebe, die sich mit ähnlichen Problemen konfrontiert sahen, die Gestalt eines Modells angenommen, das zu imitieren lohnenswert zu sein versprach. Die Erfolge dieser unternehmensnah agierenden Stiftungen, deren Gründung meistens in enger Kooperation mit der Geschäftsführung der Stahlstiftung erfolgte, waren in der Folge Anlass zu weiteren Adaptierungsversuchen, zunächst in den Regionalstiftungen, dann in den Branchenstiftungen, den Insolvenzstiftungen, der Frauen- und Lehrlingsstiftung. Es gibt also durchaus gute Gründe, von einer spektakulären Erfolgsgeschichte der Stiftungsidee zu sprechen. Mit der Zuerkennung des Prädikates einer "best practice"(2) durch die Brüsseler Behörden hat diese auch eine bemerkenswerte öffentliche Anerkennung gefunden.

Im Österreich-internen Dialog werden die Erfolge der Stiftungen etwas kühler, weniger enthusiastisch, mit der Formel eines "bewährten Instrumentes" eingeordnet. Ein Instrument, ein Mittel also, im Hinblick auf welches Ziel oder welche Ziele? Mit der Klassifizierung als "bewährt", welche das Instrument näherhin charakterisieren soll, erhalten die Stiftungen offensichtlich einen etwas pragmatischeren Anstrich, der, wenn auch in kleinen Dosen, wohl auch etwas Skepsis vermittelt. Bewährt bedeutet zuverlässig, gut genug, wie es der VW-Käfer auch immer gewesen ist. Doch das Bewährte ist heute meist nicht die erste Wahl. Wer es sich leisten kann, entscheidet sich für das Bessere. In Zeiten, in denen mit "top-quality" und "excellence" nur das Allerbeste als erstrebenswert gilt, kann das Bekenntnis zum Bewährten auch ein uneingestandenes Bedauern verbergen, auf einen unbefriedigenden Status quo fixiert zu sein.

Die Langlebigkeit der Stahlstiftung verweist auf das Vorhandensein von Problemen, die sich ständig selbst reproduzieren. Das heißt aber auch, dass sich diese Probleme bis auf weiteres einer zufriedenstellenden Lösung entziehen. Die Breitenwirkung der Stiftung verdankt sich dem Umstand, dass andere in ähnlichen Zwangslagen gerne nach allem gegriffen haben, was zur Schadensbegrenzung nützlich zu sein versprach. Dennoch gibt es offensichtlich eine Diskrepanz zwischen Ansprüchen und Realitäten, die eine Reihe von Fragen aufwerfen, auf die sich nicht so ohne weiteres klare Antworten finden lassen. Kann man das Modell der Stahlstiftung so ohne weiteres von einem Kontext in den anderen übertragen? Muß, was in einem bestimmten betrieblichen Kontext funktioniert, sich auch unter anderen Gegebenheiten als die optimale Lösung anbieten? Unterschiedliche Firmentraditionen und Unternehmenskulturen, unterschiedliche branchenspezifische Eigenheiten und Verwurzelung in offensichtlich unterschiedlichen regionalen Umfeldern bedingen erweiterte oder beschränkte Aktionsräume. Der Transfer des Stiftungsmodells aus einem betrieblichen in einen regionalen Kontext bringt vermutlich größere qualitative Veränderungen mit sich als dies beim Transfer des Modells von einem Betrieb zum anderen der Fall ist. Wird der vermutliche Verlust an Homogenität bei Regionalstiftungen bei der Einrichtung von Branchenstiftungen wieder zurückgewonnen? Inwiefern ist es möglich, in sogenannten Insolvenzstiftungen, welche aus Firmenzusammenbrüchen resultierende Schwierigkeiten bearbeiten sollen, dasselbe zu versuchen und zu erreichen wie im ursprünglichen Stiftungsmodell, der Stahlstiftung?

Wenn einer sinnvollen Übertragbarkeit des Stiftungsgedankens keinerlei Grenzen gesetzt sind, so wäre in diesem wohl das Universalrezept, der Stein der Weisen zu sehen, der es gestattet, Einbrüche in den Beschäftigungsmöglichkeiten und damit verbundene Arbeitslosigkeit zu entdramatisieren. Die Zahlen für letztere, obwohl permanent nach unten hin manipuliert, halten sich hartnäckig auf hohem Niveau. Dies führt zur Frage, ob die Stiftungen dazu geeignet sind, das Beschäftigungsvolumen insgesamt zu erweitern und so die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen oder lediglich dazu dienen, den Umgang mit ihr zu erleichtern? Hinter dem Umgang mit Arbeitslosigkeit stehen immer einzelne Frauen und Männer, jüngere und ältere, mit beschränkten oder erweiterten Ressourcen(3), über die sie disponieren können. Ist ein Umgang mit Arbeitslosigkeit nur Sache jener, die davon unmittelbar oder mittelbar betroffen sind oder auch die Angelegenheit der Arbeitsplatzbesitzer, die sich ebenfalls, in vielen Fällen zumindest, mit einer zunehmenden Unsicherheit ihrer Arbeitsplätze konfrontiert sehen?

In der Frühphase der Stahlstiftung hatte dieser Gedanke, dass die Kündigungen der einen die Voraussetzung dafür sind, dass die anderen wie bisher ihrer gewohnten Arbeit nachgehen können, durchaus eine bedeutsame Rolle gespielt. Ohne dieses Wissen um die Zusammenhänge wäre es nie möglich gewesen, von allen Beschäftigten mit deren Zustimmung einen Solidaranteil einzuheben, um die Stiftung finanzieren zu können. Im Umkehrschluss ist auch davon auszugehen, dass die Entrichtung dieses Solidarbeitrages, die Abzweigung von 0,75 Prozent der Lohnsumme aller Beschäftigten, das Wissen um die Zusammenhänge von Bleiben-Können und Gehen-Müssen unterstützt und gestärkt hat. Ähnliches dürfte für die Frage der Solidarität generell gelten: Solidarisches Bewusstsein wird stärker durch solidarische Aktionen, wie auch umgekehrt die Chancen, solidarische Praktiken zu etablieren, sich erweitern, wenn bestimmte Überzeugungen zu den fixen Bestandteilen des kollektiven Bewusstseins gehören.

Dieser Zusammenhang von Verbleib und Kündigung unter den damaligen Bedingungen der Voest-Alpine ist leicht einsehbar gewesen und musste die konkrete Umsetzung von Appellen an die Solidarität begünstigen. Darüber hinaus wurde in den ersten Konzeptionen bewusst versucht, an die genossenschaftlichen Traditionen der Arbeiterbewegung anzuknüpfen. Inzwischen ist der Umfang des Solidarbeitrages zur Finanzierung der Stahlstiftung längst reduziert worden. Bei anderen Formen von Arbeitsstiftungen ist von Solidaritätsbeiträgen überhaupt nicht mehr die Rede. Bisher hat sich niemand damit befasst, abzuklären, ob diese stille Eliminierung der solidarischen Komponenten aus der heute vorherrschenden Modellierung des Konzeptes von Arbeitsstiftungen als Weiterentwicklung des ursprünglichen Modells oder im Gegensatz dazu als regressive Mutation anzusehen ist.

Es stellt sich also, bevor eine dritte Auswertung des Fragebogen, mit dem die neuen Stiftlinge jeweils konfrontiert werden, eine doppelte Frage: Zunächst einmal, was von dieser Ausweitung der Initiativen, die sich am Modell der Stahlstiftung orientieren, es aber gleichzeitig in vielen Belangen modifizieren, zu halten ist? Und dann weiters, aus organisationsökologischen Überlegungen, welche Rückwirkungen sich aus dieser noch keineswegs an ihr Ende gekommenen Vermehrung von Stiftungstypen ergeben. Hinter diesen Fragen stehen auch zwei deutlich benennbare Vermutungen. Erstens einmal, dass eine Nivellierung der ursprünglichen Vorstellungen und Entwürfe die Reichweite des Stiftungskonzeptes und die damit verbundenen Möglichkeiten begrenzt. Hinsichtlich der zweiten Frage ist anzunehmen, dass eine Mehrzahl von nebeneinander operierenden Stiftungstypen den ursprünglichen Charakter der Stahlstiftung relativiert und bei dieser die verstärkten Bemühungen der Selbstbehauptung führen muß. Die Suche nach einigermaßen plausibel begründeten Antworten auf die beiden hier angesprochenen Fragen verweist auf die Problematik der Entstehungsgeschichte der Stahlstiftung und die Entwicklungsgeschichte der Arbeitsstiftungen. Wie so oft, ist auch hier ein besseres Verständnis der Gegenwart an eine genauere Kenntnis der Geschichte gebunden.





2. Stiftungszeiten: Presse und Öffentlichkeit

2.1 Unterschiedliche Wertungen

Im November 1997 wurde in feierlichem Rahmen - ministerielle Beteiligung sorgte für besonderen Glanz - das 10-jährige Bestandsjubiläum der Stahlstiftung gefeiert. Viel Lob war dabei für die geleistete Arbeit zu hören, rückblickende Bilanzen sollten die Erfolgsgeschichte dieser werksinternen Errungenschaft in Erinnerung rufen. Die Ansprache des Vertreters des Betriebsrates ließ jedoch eine sonderbare Ambivalenz dieser Erfolgsgeschichte sichtbar werden: eine eigenartige Mischung von Erfolg und Misserfolg. Vorausgehend ist der Misserfolg, das Unvermögen des Betriebes, allen Arbeitern bzw. Arbeiterinnen und Angestellten weiterhin ausreichende Möglichkeiten der Beschäftigung sicherstellen zu können. Beschäftigung wird zu einem raren Gut, und der Erfolg der Stahlstiftung kann, so gesehen, bestenfalls darin bestehen, Wege aufzuzeigen, jene zu unterstützen, die nicht mehr gebraucht werden, für die es keine Arbeit mehr gibt. Es ist daher nur Ausdruck konsequenten logischen Denkens, wenn der Vertreter des Betriebsrates sich wieder eine Situation wünscht, in der es die Stahlstiftung nicht mehr braucht.

Die Tagung der "Experten", welche die ÖSB-Unternehmensberatung(4) am 18./19. Juni 1998 zum Thema "Arbeitsstiftungen" organisiert hat, ist darauf ausgerichtet gewesen, "die hinter dem Instrument Arbeitsstiftung stehenden Ziele und einst getroffenen Definitionen auf die zukünftigen arbeitsmarktpolitischen Anforderungen hin zu prüfen".(5) Als nicht weiter diskussionsbedürftig ist hier vorausgesetzt: Stiftungen haben sich bewährt, sind deshalb auch für die Zukunft ein unentbehrliches Instrument. Die hinter diesem Instrument stehenden Ziele sind jedoch zu überprüfen wie ebenfalls die sprachlichen Regelungen im Hinblick auf künftige arbeitsmarktpolitische Anforderungen.

Aus der Sicht des Betriebsrates ist die Stahlstiftung ein notwendiges Übel, aus der Sicht der ÖSB-Unternehmensberatung, die im Auftrag des Arbeitsmarktservice (AMS) agiert, hingegen ein bewährtes Instrument für die Zukunft. Diese beiden Sichtweisen sind mit unterschiedlichen Standpunkten und unterschiedlichen zeitlichen Orientierungen verbunden: die erste, die Betriebsratsperspektive, entsteht aus dem Rückblick auf eine zehnjährige Geschichte weitreichender Reorganisation und Umstrukturierung auf betrieblicher Ebene, die zweite, die Unternehmungsberatungsperspektive, aus dem Bemühen, die zukünftigen Anforderungen an die Arbeitsmarktpolitik zu antizipieren. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln kommt es also zu Unterschieden in der Konstruktion der Gegenstandsbereiche: Einmal stehen die Turbulenzen des Betriebes im Vordergrund, in dem die Neuverhandlung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zum Dauerthema geworden ist, dann aber die Suche nach allgemeinen Formulierungen, die Grundlage für politische Interventionen auf einem anonymisierten Arbeitsmarkt sein sollen. Im ersten Fall besteht das Wunschbild in einer Situation, in der die Stiftung überflüssig wird, im zweiten hingegen wird es als wichtig erachtet, "die hinter dem Instrument Arbeitsstiftung stehenden Ziele und einst getroffenen Definitionen ... zu prüfen". Ist die nur bedingte Zustimmung aus der Betriebsratsperspektive fürs erste noch nachzuvollziehen, so wirft die Verunsicherung hinsichtlich der Ziele, die hinter diesem Instrument stehen sollen, doch einige Fragen auf.

2.2 Die Logik der Zielformulierung und Mittelanwendung

Ausgangspunkt scheint folgender Sachverhalt zu sein: Es besteht ein Problem, mit dem man sich nicht einfach abfinden darf, weil es gegen unbestrittene Regeln verstößt und das daher einen gewissen Handlungsbedarf erzeugt. Daraufhin werden Ziele formuliert, wie das Problem zu lösen ist und Mittel angegeben, mit denen sich die Ziele erreichen lassen. Eine solche Vorgangsweise entspricht dem Kalkül der technischen Rationalität. Diese geht davon aus, dass Probleme prinzipiell lösbar(6) sind, wenn nur die richtigen Maßnahmen der Gegensteuerung ergriffen werden. Wäre diese Logik richtig, so müsste es möglich sein, ein Problem nach dem anderen abzuarbeiten und schrittweise Verbesserungen bei den Arbeits- und Lebensbedingungen durchzusetzen. Dies hieße im vorliegenden Fall, durch geeignete Maßnahmen die Zahl der Arbeitslosen schrittweise, aber konstant zu reduzieren. Die Realität fügt sich jedoch nicht so umstandslos dem guten Willen, wie aus der täglichen Erfahrung bekannt ist. Wider Erwarten trifft sogar oft das Gegenteil zu: die Lösung eines bekannten Problems lässt ein bisher unbekanntes neues Problem entstehen.

Dies bedeutet, dass die Fixierung auf Ziele und Mittel mehr mit den Postulaten des rationalen Denkens zu tun hat als mit dem, was sich in der Realität wirklich abspielt. Realität ist nur begrenzt durchschaubar, gehorcht vielfach einer Eigenlogik und damit oft auch einer nur unzulänglich erkannten Entwicklungslogik. Das Wissen um die Grenzen des rationalen Modells steht wohl auch hinter dem Ausspruch von Adam Smith, einem der Stammväter der modernen Nationalökonomie, dass der Mensch in der Gesellschaft "ständig Ziele fördert, die nicht Teil seiner Absicht sind". F.v. Hayek beruft sich auf diese irritierende Formel von Adam Smith im Zusammenhang mit der spontanen Entstehung sozialer Einrichtungen, gesellschaftlicher Strukturen und Institutionen, welche Grundlagen der menschlichen Existenz und Voraussetzung für deren weitere Entwicklung sind. Schon Carl Menger hatte 1883 diese Diskrepanz von Absicht und Zielerreichung neuerdings aufgegriffen und die Vermutung geäußert, dass darin das vielleicht merkwürdigste Problem der Sozialwissenschaften zu sehen ist. "Wieso vermögen dem Gemeinwohl dienende und für dessen Entwicklung höchst bedeutsame Institutionen ohne einen auf ihre Begründung gerichteten Gemeinwillen zu entstehen?" (s. Hayek 1959, S. 115).

Die frühe Einsicht von Adam Smith, dass zwischen dem, was die Menschen tun wollen und dem, was sie tatsächlich tun, eine beträchtliche Differenz besteht, findet sich später, wenn auch in anderer sprachlicher Formulierung, in der Unterscheidung Robert K. Mertons von manifesten und latenten Funktionen. Dieselbe Kritik an einem naiven Voluntarismus taucht ebenso bei A. Giddens auf, wenn er darauf aufmerksam macht, dass absichtliches Handeln immer auch auf nicht erkannten Prämissen beruht und nicht beabsichtigte Handlungsfolgen mit sich bringt. Diese wenigen Hinweise mögen genügen, allzu klare und eindeutige Formulierungen von Zielen nicht vorschnell für bare Münze zu nehmen.

Derartige Zusammenhänge bedingen den methodischen Zweifel, der darin besteht, fürs erste einmal nichts als gesichert zu betrachten und die Grundlagen möglicher Sicherheiten zu überprüfen. Mit einem solchen methodischen Zweifel an die verschiedenen Typen von Arbeitsstiftungen heranzugehen bringt jedoch einige Schwierigkeiten mit sich. Erweckt nicht jedes Fragezeichen, das über die Stiftungen insgesamt oder in einzelnen Teilaspekten gemacht wird den Eindruck, der Zweifler sei der Ansicht, man solle die Arbeitslosen besser sich selbst überlassen? Denn mit welchen Gründen lässt sich die Behauptung, die Stiftungen seien ein bewährtes Instrument für die Zukunft, plausibel in Frage stellen? Muss nicht, wer Zweifel anmeldet, in der Lage sein, seinen Zweifel genau zu begründen und nach Möglichkeit bessere Alternativen anzubieten? Bedeutet dies für den Fall des Fehlens plausibler Alternativen nicht, dass es in gewisser Weise verantwortungslos ist, die vorhandenen Zielkataloge der Stiftungen in Frage zu stellen? Hinter dem Denkverbot über die Ziele der Stiftungen stehen Prämissen, dass erstens die Arbeitslosigkeit in den heutigen Ausmaßen ein unerträgliches Übel ist, dass man zweitens dagegen unbedingt etwas tun muss, und drittens, dass die Stiftungsarbeit eine "best practice" ist, dieser Aufforderung, etwas tun zu müssen, nachzukommen.

Solange hinter diesen Prämissen ein starker sozialer Konsens besteht, ist es schwierig, der Differenz zwischen artikulierten Absichten und nicht beabsichtigten Wirkungen nachzuspüren. Mit rein argumentativ-logischen Mitteln ist diesen Schwierigkeiten nicht beizukommen. Eine rekonstruktive Arbeit verspricht hier eher, Klarheit stiften zu können. Damit ist die Rekonstruktion der heute vorherrschenden Überzeugung gemeint, dass die Arbeitsstiftungen ein bewährtes Instrument seien. Gleichzeitig läuft dies auch auf die Rekonstruktion der Entstehung der oben genannten drei Prämissen hinaus. Möglichkeiten für eine derartige Aufarbeitung des geschichtlich Gewordenen ergeben sich aus den schriftlich dokumentierten Kontroversen um die Entstehung der Stahlstiftung, dem Versuch der Generalisierung der Stiftungsidee in der juridischen Kodifizierung der Arbeitsstiftung und den administrativen Variationen, die dann später zur Herausbildung der verschiedenen Formen von Stiftungen geführt haben.

2.3 Die Erfindung der Stiftungen

In technischen Angelegenheiten ist die Verwendung des Ausdrucks "Erfindung" eindeutig und unproblematisch. Man sagt, die Chinesen haben das Schießpulver erfunden, Gutenberg den Buchdruck, Descartes das mathematische Koordinatensystem, James Watt die Dampfmaschine und Louis Pasteur die gezielte Steuerung von Gärungsprozessen. In allen diesen Fällen bedeutet "erfinden" eine erstmalige Entdeckung durch eine Einzelperson und die Übernahme dieser Entdeckung durch andere Personen. Kolumbus hat Amerika entdeckt, was zur Voraussetzung hatte, dass zuerst Kopernikus dank seinen astronomischen Berechnungen entdeckte, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt die Sonne um die Erde, was damals ein verbindlicher Glaubenssatz für alle gewesen ist. Auf einem anderen Blatt steht allerdings, dass Kolumbus einen neuen Seeweg nach Indien suchte und dabei zufällig, ohne sie zu suchen, eine andere Entdeckung machte, und sich überdies der großen Bedeutung dessen, was er entdeckte, in keiner Weise bewusst gewesen ist.

Kopernikus und Kolumbus werden als Erfinder und Entdecker betrachtet, obwohl sicher oder mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest andere vor ihnen um dieselben Sachverhalte über ein bereits fundiertes Wissen verfügten. Denn um die Kugelgestalt der Erde wusste man schon in den Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung und mit einiger Sicherheit verstanden es auch schon die Wikinger lange vor Kolumbus, mit ihren Schiffen weit im Westen gelegene Küsten anzusteuern. Kopernikus und Kolumbus haben also wiederentdeckt, was andere schon vor ihnen entdeckt hatten, dann allerdings aus den allgemeinen Wissensbeständen wieder verschwunden ist.

Weniger eindeutig, aber durchaus nachvollziehbar ist die Verwendung der Begriffe "Entdeckung" und "Erfindung" in sozialen und kulturellen Kontexten. So ist die Rede von der Erfindung des Individuums in der Zeit der Renaissance, von der Erfindung der Kindheit in der frühen Neuzeit, von der Erfindung des Bewusstseins und der Erfindung des Subjektes im Zeitalter der Aufklärung. Mit der beginnenden Industrialisierung der Produktion wurde die Lohnarbeit und der Arbeiter erfunden. Und Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Arbeitslosigkeit erfunden. Die Erfindung des Individuums hat G. Simmel beschrieben, die Erfindung des Kindes Ariès und die Erfindung des Subjektes wird im Zusammenhang mit der Aufwertung der Einzelperson zum Rechtssubjekt als Voraussetzung der Möglichkeit einer modernen Gesellschaft thematisiert. Die Rede von der Erfindung der Arbeit bedeutet nicht, dass zuvor nicht gearbeitet worden wäre. Doch waren die Bedingungen des Arbeitens völlig andere gewesen als unter kapitalistischen Verhältnissen, in denen die Arbeit neu bewertet und rationell organisiert worden ist.

So bedeutet Erfindung der Arbeitslosigkeit keineswegs, dass es nicht auch in früheren Jahrhunderten Arme, Notleidende, Bettler, Besitz- und Beschäftigungslose gegeben hätte. Doch waren diese eben Arme und Bettler, die aber nicht als Arbeitslose im Sinne einer besonderen sozialen Kategorie erfasst worden sind. Die Erfindung der Arbeitslosigkeit war eine Folge der Bemühungen der Gewerkschaften, für jene ihrer Mitglieder, die ihre Arbeit verloren hatten, eine sozialrechtliche und finanzielle Absicherung vorzusehen. Arbeitslose waren in diesem neuen Sinne nicht jene, die keine Arbeit hatten, sondern jene, welche anspruchsberechtigt und somit Arbeitslose in einem neu kodifizierten Sinne geworden waren. Eine Begleiterscheinung dieser Einführung des Status eines Versicherten für den Fall des temporären Verlustes des Arbeitsverhältnisses bedeutete gleichzeitig, dass die bisherigen Regelungen der Armenfürsorge ihre Gültigkeit und Wirksamkeit einbüßten.

Ähnlich anderen Entwicklungsprozessen, deren Endergebnis als "Erfindungen" bezeichnet werden, ist auch die Erfindung der Stiftungen ein vielschichtiger Prozess auf mehreren Ebenen: einer ideellen, einer normativen, einer diskursiven, einer juridischen und einer legitimatorischen, um nur die wichtigsten zu nennen. Wenn heute noch für die einen die Stiftung ein notwendiges Übel ist, für andere hingegen ein bewährtes Instrument für die Zukunft, so ist das kein Widerspruch, sondern durchaus Konsequenz einer heterogenen Geschichte, deren markante Eckpunkte nur allzu rasch vergessen worden sind. Die mit der Entstehung der Stiftungen verbundenen Vorgänge fallen umso leichter in Vergessenheit, als es für die Akteure und Zeitzeugen jeweils schwer gewesen ist, das Geschehen in seiner Gesamtheit zu überschauen und dabei Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.

Der Prozess der Erfindung einer bestimmten Regelung für partielle Lebensprozesse deckt sich also weitgehend mit dem, was auch mit dem Vorgang der Institutionalisierung angesprochen ist: als Resultat langwieriger Auseinandersetzungen kristallisieren sich Lösungen heraus, die so, wie sie sich präsentieren, von niemandem angestrebt worden sind und von niemandem vorhergesagt werden konnten. Auf genau diesen Sachverhalt hat F.v. Hayek (vgl. oben) mit besonderem Nachdruck hingewiesen: Für das Gemeinwohl wichtige und höchst bedeutsame Institutionen entstehen, ohne dass sie von einem bewussten allgemeinen Willen so gewollt worden wären. Erklärbar ist dies vielleicht damit, dass es sich dabei um unterschiedliche Interessenlagen ausgleichende Kompromisse handelt, die für alle Beteiligten gerade noch akzeptabel zu sein scheinen. Niemand ist so mächtig, etwas allein seine Perspektive Berücksichtigendes durchsetzen zu können, gegen den Willen der anderen, die ebenfalls am Prozess des Aushandelns einer Lösung beteiligt sind. Was zunächst noch offen ist, weil noch umstritten, wird nach Abschluss der Auseinandersetzungen als legitime Möglichkeit der Problemlösung anerkannt und ab diesem Zeitpunkt, solange sich die Umstände nicht substantiell verändern, grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt.

Bei derartigen "Erfindungen" geht es dennoch um mehr als um die Konstruktion theoretischer Möglichkeiten. Erfindung bedeutet hier die Herstellung eines praktikablen Konsenses darüber, welche Reaktionen in einer bestimmten Situation als angemessen und zielführend anzusehen sind. Es handelt sich hier um soziale Prozesse, die insofern auch politische Prozesse sind, als sie den Kern dessen bestimmen, worüber Konsens besteht und die Grenzen noch akzeptabler Interpretationen dieses Kernes bestimmen. Kontroversen, die sich aus der Konfrontation unterschiedlicher Interessen der Beteiligten ergeben, können nicht in alle Ewigkeit weitergeführt werden. Sind einmal alle möglichen Argumente, alle Für und Wider vorgetragen und gegeneinander abgewogen, so kommt die Zeit, in der es unumgänglich ist, sich auf etwas als praktikabel Erscheinendes zu einigen. Dabei ist die endgültige Kompromissformel dann der Schnittpunkt unterschiedlicher Kraftlinien: Sowohl Ausdruck politischer Machtverhältnisse wie auch der Intelligenz der Verhandlungsführung, der Hartnäckigkeit des Wollens der Verhandlungspartner und ihrer Ausdauer ebenso sehr wie der Fähigkeiten, die jeweiligen Kontrahenten auszumanövrieren. Da das Endergebnis nie von vornherein feststeht und auch von niemandem mit einiger Präzision vorherzusagen ist, scheint es naheliegend zu sein, auch dem Zufall einigen Spielraum zuzugestehen. Zufall hat dann aber mehr die Bedeutung von Kontingenz, ist das Gegenteil des Notwendigen, nicht aber das völlig Unvorhersehbare, weil absolut Willkürliche.

Eine Rekonstruktion des Prozesses der Erfindung der Stiftungen in ihren verschiedenen Ausprägungsformen ist wohl unabdingbar für allfällige Fragen nach ihrem gemeinsamen Kern, der irgendwie in den gesetzlichen Formulierungen zu den Arbeitsstiftungen enthalten sein muss. Ohne historische Rekonstruktion der Diskussionen, die zu diesen gesetzlichen Bestimmungen geführt haben, dürfte es schwer sein, den Geist dieser Gesetze zu erfassen. Der bloße Text ist dann toter Buchstabe, der Gefahr läuft, blind und nur mechanisch appliziert zu werden. Dies ist insofern bedenklich, weil es der direkteste Weg dazu ist, dem Gesetz die Grundlage der Anerkennung zu entziehen und damit hinter einen einmal erreichten Konsens wieder zurückzufallen.

Der Ausdruck "Zeit" bezieht sich offensichtlich nicht auf ein gegenständliches Objekt, sondern auf Prozesse des Werdens und Vergehens, des Nacheinanders von Veränderungen, sowohl expansiver wie auch regressiver, explodierender wie auch implodierender Natur. Eine Rekonstruktion der "Stiftungszeiten" zielt demnach auf eine Rekonstruktion der Entstehung, der Stabilisierung und Mutation dessen, was heute im arbeitsmarktpolitischen Diskurs in Österreich als "Arbeitsstiftung" einen besonderen Stellenwert hat. Von den einen als große Errungenschaft gepriesen, von anderen mit Skepsis beargwöhnt, von den einen als ein zur Expansion prädestiniertes Projekt propagiert, von den anderen als ein nur unter besonderen Voraussetzungen zu rechtfertigendes Unterfangen eingeordnet, stehen am Horizont dessen, was sich ohne größeres Risiko als "bewährtes Instrument für die Zukunft" darstellen lässt, gleichzeitig nicht so ohne weiteres wegzuwischende Fragezeichen.

Was für die Politik generell gilt, dass sie letztlich nur von der Zustimmung derer lebt, auf die sie sich bezieht, gilt natürlich auch für die politische Steuerung des Arbeitsmarktes. Dies musste, was die Geschichte der Stiftungen betrifft, notwendigerweise dazu führen, dass die Kontroversen um die Etablierung der Stiftungen von Anfang an im Hinblick auf deren Akzeptanz in der Öffentlichkeit ausgetragen worden sind. Mit einer Analyse der schriftlich dokumentierten verschiedenen Positionen in diesen Auseinandersetzungen eröffnen sich daher methodisch leicht nachvollziehbare Möglichkeiten, die "Erfindung" der Stiftungen einigermaßen realistisch nachzeichnen zu können. An Materialien stehen dabei eine Sammlung(7) von Beiträgen in Tageszeitungen und anderen Publikationsorganen zur Verfügung, die in direktem oder indirektem Zusammenhang zu den Stiftungen stehen.

2.4 Interpunktionen

Insgesamt enthält die zur Verfügung stehende Materialsammlung 363 Meinungsäußerungen zum Thema Stahlstiftung im engeren Sinne, zum Thema Arbeitsstiftungen im weiteren Sinne. Die Intention, die zu dieser Sammlung die Stiftungen betreffender Beiträge geführt hat, hat wohl darin bestanden, einen sogenannten "Pressespiegel" zu erstellen. Es handelt sich also um eine völlig unstrukturierte Anhäufung von Informationen zur Stiftungsthematik. Diese Stellungnahmen sind teils direkter Art, indem sie Partei ergreifen für oder gegen die Einrichtung von Stiftungen bzw. die Modalitäten ihrer Durchführung, teils indirekter Art, weil sie Aufschlüsse über die Umstände geben, die Anlass zur Gründung der Stahlstiftung bzw. später dann zur Entstehung von anderen Typen von Arbeitsstiftungen geführt haben.

Die einzelnen Beiträge spiegeln zumeist nur einen besonderen Standpunkt und damit verbundene besondere Interessen. Als partikuläre Einzelaussagen bleiben sie jeweils nur in beschränkter Weise aufschlussreich. In ihrer Gesamtheit vermitteln sie jedoch ein Bild über die ehemals mit einiger Vehemenz ausgefochtenen Kontroversen im Kontext der Entstehung zunächst der Stahlstiftung, später dann der anderen Stiftungsformen. Von der methodischen Vorgangsweise her stellt sich das Problem, einen glaubhaft nachvollziehbaren Weg zu finden, diese vielen Einzelaussagen ins richtige Verhältnis zu allgemeinen Formulierungen zu setzen, die dann Grundlage politischer Umsetzung und gemeinsamen praktischen Handelns (gewesen) sind. Bei diesen allgemeinen Aussagen kann es sich durchaus nur um einen Minimalkonsens handeln, der jedoch unabdingbar ist, soll unter den politischen Vorzeichen einer großen Koalition eine gemeinsame Handlungsfähigkeit sichergestellt werden. Ist die Basis für einen solchen Minimalkonsens zu schmal, so führt dies die Institutionalisierung halbherziger Kompromisse, die Widersprüche verdecken und vorübergehend entschärfen, aber auf keine Dauer hin angelegte Problemlösungen erlauben. Bei latentem Fortbestand von Kontroversiellem ist stets damit zu rechnen, dass formal abgesegnete Kompromisse umgangen und bei entsprechender Änderung der Umstände alte Konflikte unerwartet wieder virulent werden und einen für abgesichert gehaltenen status quo wieder in Frage stellen.

Umfang und inhaltliches Gewicht der einzelnen Beiträge variieren dabei so stark, dass sich die Frage erhebt, inwiefern es zulässig ist, sie als gleichwertig zu behandeln und additiv in eine Reihe zu stellen. Denn einmal handelt es sich um kurze Notizen in Tageszeitungen, das andere Mal um mehrseitige Beiträge substantieller Art in Wochen- und Monatsblättern. Aus der Gleichbehandlung, mag diese auch einige Fragezeichen aufwerfen, lässt sich immerhin eine wichtige erste Information ableiten, nämlich die unterschiedliche Interaktionsdichte zu unterschiedlichen Zeiten. Eine Verteilung der insgesamt 363 verfügbaren Meinungsäußerungen aus elf Jahren führt zu folgender graphischer Darstellung:

Diese zeitliche Zuordnung der einzelnen Beiträge erlaubt bereits erste Rückschlüsse auf die variable Intensität der Diskussion um die Stiftungen. Der Verlauf der Häufigkeitskurve verweist auf Zeiten intensiver Auseinandersetzung und Zeiten abflauenden Interesses an den Stiftungen. Ein erster Zyklus beginnt 1987, ein zweiter 1991, ein dritter, offensichtlich weit schwächerer als die beiden ersten, im Jahre 1994. Von entscheidender Bedeutung scheinen die Diskussionen in den Jahren 1988, 1993 und in gewisser Weise auch noch im Jahre 1995 gewesen zu sein.

Für die Analyse der Beiträge scheint daraus ein erstes Gliederungsprinzip ableitbar zu sein, das sich an der Unterscheidung der drei genannten Zyklen orientiert, die sich auch als unterschiedliche Phasen der Institutionalisierung des Stiftungsmodells interpretieren lassen. Der erste Zyklus, gekennzeichnet durch die politischen Streitigkeiten um die grundsätzliche Orientierung der Sozialpolitik, lässt sich als Phase der Implementierung betrachten, der zweite als die Phase der ersten Erweiterung des Modells (S. 95 f) und der dritte als Phase der Generalisierung des Stiftungsmodells (S. 135 f). Gleichzeitig ist bereits jetzt ein weiterer Zusammenhang erkennbar: Je mehr das Modell der Stiftungen auf neue Kontexte angewandt wird, wie dies in der Ausfächerung in den verschiedenen Stiftungstypen sichtbar wird, umso weniger wird darüber diskutiert, wie zielführend derartige Arrangements sind. Dies führt dann dazu, dass eine Situation entsteht, in der die Stiftungen als ein "bewährtes" Instrument betrachtet werden. Offen ist, ob sich am Ende, mit der Etablierung der Stiftungen, die Einwände, die in der Gründungsphase gegen dieses Arrangement vorgebracht worden waren, im Laufe der Zeit sich als hinfällig erwiesen haben.



3. Richtungskämpfe der Gründerjahre

3.1 Eckdaten

16. 1. 1986 Betriebsratvorsitzender Ruhaltinger bei der großen Demonstration am Hauptplatz vor 40 000 Leuten: "Wir lassen uns die Voest nicht zerstückeln" (87/28)

7. 11. 1987 Die Betriebsratsvertreter im Aufsichtsrat stimmen dem Zerschlagungs- und Zerstückelungskonzept der Regierung und der ÖIAG zu; damit erfolgt rückwirkend auf 1. 1. 1987 eine Dreiteilung der Voest in eine Stahl-, Final- und Industrieanlagen GmbH.;ebenfalls: Verselbständigung von Donawitz und Kindberg als Teile der VA-Stahl GmbH eingebracht

19. 10. 1987 Stiftungsbeginn in Eisenerz

  9. 11. 1987 Stiftungsbeginn in Linz (87/29)

Personalstandsveränderungen: Reduzierung von Ende 1986 bis Ende Oktober 1987 auf 28 700, also um 2 700 Mitarbeiter;

ÖIAG will bis Ende 1990 noch 6 340 Mitarbeiter kündigen, damit einen Personalstand von 21 500 anstreben (87/ 29);

VA-Finanzchef (Raidl) spricht von einer Reduzierung um ein Fünftel, also um 5 400 Mitarbeiter;

im Gegensatz zur offiziellen Darstellung ist unternehmensintern bereits klar, dass es ein Drittel der Belegschaft sein wird (87/9);

SUG I (Sonderunterstützungsgesetz), Aktion 57/52 (87/ 29);

SUG II, Aktion 55/50 soll mit Ende 1987 auslaufen, weil Schwierigkeiten in der Finanzierung bestehen;

SUG III ab Mitte 1988 geplant, soll finanziert werden aus Streichung der Steuerfreiheit für SUG I und SUG II, ersparte Mittel voraussichtlich: 200 Millionen Schilling (87/14);

Bezug von Arbeitslosengeld

a) für Stiftungsmitglieder: durch 2 Jahre, in Sonderfällen für 3 Jahre

b) für über 50-Jährige: durch 4 Jahre; Geschätzte Kosten für 1988: 77 bis 96 Millionen Schilling

Für Folgejahre: 128 bis 143 Millionen Schilling (88/24).

3.2 Modellpräsentation und erste Reaktionen

Naturgemäß gehen dem, was gemeinsam unternommen wird, Diskussionen voraus um die Sinnhaftigkeit des "ob" und "wie" etwas zu tun ist. Im Fall der Stiftungseinrichtung finden sich vier diesbezügliche Pressemeldungen vom 15., 16., 19. und 20. Juli 1987 in "Die Presse" (zweimal), der "Kronen Zeitung" und dem "Kurier". Es handelt sich dabei um Tageszeitungen mit bundesweiter Verbreitung und Sitz in Wien, in den oberösterreichischen Medien finden sich zu diesem Zeitpunkt noch keine Berichte.

Die "Kronenzeitung" berichtet unter dem Titel "Gewerkschaft will um Jobs in Verstaatlichter kämpfen", dass es sich bei der Stahlstiftung um ein Zauberwort handelt, mit dem die Gewerkschaft gekündigten Mitarbeitern der Verstaatlichten Hilfestellung geben wird. Vorerst soll es sich dabei noch um ein Denkmodell handeln, das prüfen soll, ob ein in der Bundesrepublik Deutschland praktiziertes Modell einer Stahlstiftung auch in Österreich umgesetzt werden könnte. Finanziert werden soll dieses Modell in Österreich von Bund, Land, privaten Firmen und Institutionen. Ziel dieses Modells sei es, den finanziellen Absturz der betroffenen Familien zu verhindern (87/2).

Im Vergleich dazu erweist sich der kurze Beitrag im "Kurier" drei Tage später bedeutend aggressiver: Die Lage in der Verstaatlichten Industrie sei verzweifelt und explosiv zugleich. Rien ne va plus. Denn obwohl der Steuerzahler hundert Milliarden in die Lebenserhaltung in die Betriebe gesteckt habe, stehe nun eine drastische Personalabbauwelle, laut Sekyra ein heißer Herbst, bevor. Daher auch die Verbitterung der Arbeiter gegen ÖGB und Regierung. Denn die Politik habe überhöhte Personalstände, im Vergleich zur Privatwirtschaft auch ein überhöhtes Lohnniveau zugelassen und die Umstellung auf neue Produkte versäumt. Daraus wird der Schluss gezogen: Der Staat kann keine Unternehmen führen. An der Politik liege es nun zu zeigen, wie es weitergeht, sie müsse die harten Maßnahmen mit einem Schuss Hoffnung absichern oder ihre Hilflosigkeit eingestehen.

Verglichen mit den beiden erwähnten Kurzmeldungen in der "Kronenzeitung" und im "Kurier" sind die beiden Beiträge vom Juli 1987 in "Die Presse" umfangreicher, informativer und sachlicher. In beiden Überschriften wird als Hauptproblem die Finanzierbarkeit der neuen Sozialpläne herausgestellt. Denn diesen stellen sich finanzielle Hürden entgegen, daher auch der Gedanke, dass in der Verstaatlichten Aktive und Pensionisten mitzahlen sollen. Der erste Beitrag der "Presse" beginnt mit dem Hinweis auf die Misere in der Verstaatlichten Industrie, wo in den nächsten Jahren Zehntausende Arbeitsplätze zu liquidieren seien. Daher schlage die Voest-Alpine nach dem Muster der deutschen "Stahlstiftung Saarland" die Einrichtung eines Fonds vor, aus dem die Bezahlung und Umschulung gekündigter Stahlarbeiter bis zur möglichen Wiederbeschäftigung im Betrieb finanziert werden soll. Die ÖIAG hingegen, die "Verstaatlichten"-Holding, denke an einen Sozialfonds, der aus freiwilligen Beiträgen aller Konzernmitarbeiter dotiert sein soll. Im Vergleich zu den Überlegungen bei der ÖIAG wird der Voest-Vorschlag als weitergehend bezeichnet. Dies deswegen, weil die freizusetzenden Mitarbeiter die Zusage erhalten sollten, bei späterem Personalbedarf wieder in die Unternehmen zurückkehren zu können. Vorbild dazu ist die sozialpolitische "Warteschleife", wie sie bei der Stahlstiftung Saarland aufgrund der Vereinbarung zwischen Landesregierung, Gewerkschaft und EG vorgesehen ist. Die Finanzierung im Saarland: 58 bis 63 Prozent aus der staatlichen Arbeitslosenunterstützung, Beiträge der Aktiven und Pensionisten, die einen Solidaritätsbeitrag von umgerechnet 35 Schilling entrichten, vom Unternehmen eingebrachte Immobilienwerte und damit verbundene Erträge und schließlich noch nationale sowie europäische Sozialfonds.

Es wird auch darauf hingewiesen, dass dort von den Qualifizierungs- und Umschulungsmöglichkeiten in der Warteschleife nur 20 Prozent der Betroffenen Gebrauch machten. Das Bemühen der Voest-Alpine richte sich darauf, eine österreichspezifisch verbesserte, im Prinzip jedoch artverwandte Lösung zu finden. Denn dies sei die einzige Möglichkeit, die erforderlichen Umstrukturierungen ohne bürgerkriegsähnliche Erscheinungen in den betroffenen Regionen durchzuführen. Laut Bericht konnten Gewerkschaft und Sozialministerium in dieser frühen Phase (Juli 1987) wegen fehlender detaillierter Pläne zu dieser Idee noch keine Stellung abgeben.

Der zweite Beitrag aus der "Presse", fünf Tage später, greift dann erneut die Finanzierungsproblematik bei der geplanten Stiftung auf. Denn Dallinger (damals Sozialminister) habe wissen lassen, dass er angesichts der Budgetknappheit keine Mittel bereitstellen könne, und ÖIAG-Chef Sekyra habe mitgeteilt, dass die von der Voest nach deutschem Muster ventilierte Stahlstiftung nicht finanzierbar sein werde. Zudem plädierte Sekyra für umfassendere Lösungen, da der Personalabbau nicht nur die beiden Stahlfirmen, sondern die gesamte Verstaatlichte Industrie betreffe.

Daher dachte die ÖIAG damals an die Einrichtung eines Solidaritätsfonds, der von den Konzernmitarbeitern freiwillig mit Monatsbeiträgen zwischen - je nach Einkommen - hundert und tausend Schilling gespeist werden sollte. Damit könnten 150 bis 180 Millionen Schilling zusammenkommen. Diese Summe könnte ergänzt werden durch den Verkauf des Hauses der ÖIAG in Wien. Die Zinsen aus dem Erlös dafür sollten dem Fonds zufließen, während die ÖIAG künftighin als Mieter in diesem Haus weiterhin aktiv sein könnte. Dies alles reiche aber nur für kurzfristige Überbrückungshilfen und Beratungen der Betroffenen aus.

Für die Realisierung der Voest-Idee einer Stahlstiftung wird die Notwendigkeit eines Zuschusses von der öffentlichen Hand als unabdingbar betrachtet, wenn den Gekündigten die Differenz zwischen Arbeitslosengeld und 80 bis 85 Prozent des letzten Nettoeinkommens bezahlt werden soll. Über die Zahl der zu betreuenden Mitarbeiter und der dadurch entstehenden Kosten gibt es noch keinerlei zuverlässige Angaben. Fest steht im Juli 1987 lediglich, dass angesichts des voraussichtlich starken Personalabbaus etwas getan werden muss, um soziale Spannungen zu vermeiden.

Neue Informationen zur geplanten Stahlstiftung gibt es erst wieder nach dreimonatiger Pause Mitte Oktober. Die "Kronenzeitung" berichtet von einem "Heftigen Tauziehen um die Voest-Stahlstiftung". Im wesentlichen handelt es sich dabei um einen akzentuierten Widerstand von Seiten der Betriebsräte, auf das Ansinnen des Vorstandes einzugehen, einen Teil der jetzt ausverhandelten Lohnerhöhung für eine Unterstützungsaktion (Solidaritätsopfer) zu verwenden (87/7). Eine eventuelle Zustimmung wird an die Zusage eines Kündigungsstopps gebunden. Besonders vehement ist die Ablehnung bei den ÖAAB-Betriebsräten.(8) Doch auch der (sozialdemokratische) Obmann des Arbeiterbetriebsrates ist nur für eine Solidaritätsabgabe auf freiwilliger Basis, "denn die Voestler haben schon so viele Opfer gebracht, dass ihnen ein weiteres Pflichtopfer nicht zugemutet werden kann, so lange es Kündigungen gibt". Dennoch wird an der Forderung festgehalten: Spätestens soll die Stahlstiftung im kommenden Jahr stehen, denn dann wird der Personalabbau vom Umfang her kritisch, und Abfederungsmaßnahmen wird es keine mehr geben.

Am selben Tag bezeichnet das "Neue Volksblatt" die Stahlstiftung bei näherem Zusehen als "eine heimtückische Finte" für die Voestler, die schon stark verunsichert seien (87/6). An und für sich wird dem Gedanken einer Stiftung nicht jede Berechtigung abgesprochen, doch wittern die ÖAAB-Betriebsräte darin eine Finte der Unternehmensleitung, sehen darin einen Vorstandstrick: Man kann damit die gekündigten Voestler in die Stummheit abschieben, mit der Annahme der Gelder aus der Stahlstiftung sind die Mitarbeiter bereits aus dem Werk eliminiert, sodass die Stahlstiftung zu einem Freibrief für neue Kündigungen wird. Zur Stützung ihrer Position verweisen die ÖAAB-Betriebsräte auf den "Ex-Betriebskaiser Ruhaltinger", der einbekannt habe: Zuerst sei er für die Stahlstiftung gewesen, jetzt aber "bin ich dagegen, denn man gibt so in Wahrheit der Unternehmensleitung freie Hand für Kündigungen". Bei dieser Darstellung der ÖAAB-Position fällt die eigenartige doppelte Argumentation auf: Der Gedanke, nun einen Teil der beschlossenen Lohnerhöhung zur Dotierung einer Stahlstiftung einzubringen, könnte zwar verlockend und griffig sein, aber ... Weiters: Ein gemeinsames Opfer ... wäre wichtig und sinnvoll, um nicht Wissenskraft und Leistung von Mitarbeitern zu verlieren, aber ... , die Stahlstiftung droht zu einer Auffanggesellschaft für Kündigungsopfer zu werden. Zudem wird eine Spaltung der Mitarbeiter befürchtet: In bereits Abgeschobene, in privilegierte Gekündigte, womit die Nutznießer der Stahlstiftung gemeint sind. Statt einer Beruhigung der Lage im Werk befürchten die ÖAAB-Betriebsräte eine neue Unruhe.

Die "Oberösterreichischen Nachrichten" melden sich zum ersten Mal am 20. Oktober 1987 mit der Information zu Wort, dass die Landesregierung bei der Stahlstiftung mitzahlen wolle (87/8). Dieser Beschluss wurde im Rahmen der Budgetverhandlungen 1988 gefasst. Der SP-Vorsitzende Grünner zeigt sich erfreut, weil dabei alle SP-Forderungen verwirklicht worden sind. Im Wesentlichen ist dieses Budget 1988 wie üblich ein Kompromiss, die Landesregierung ist grundsätzlich bereit, der Stahlstiftung unterstützend unter die Arme zu greifen, wenn das Projekt konkret vorliegt. Die ÖVP stimmt also zu, obwohl Grünner bei ihr eine "gewisse Reserviertheit" ortet, wie er auch selbst gleichzeitig eine 140 Millionen-Subvention für den Viehexport zwar kritisiert, ihr aber dennoch zustimmt.

Diese "gewisse Reserviertheit" wird dann später (87/24) konkretisiert im kurzen Hinweis der "Kronen Zeitung": "Ratzenböck gegen Stahlstiftung!" Obwohl die Stahlstiftung Geldprobleme bekommen könnte, werde sich das Land Oberösterreich aller Voraussicht nach nicht an der Finanzierung beteiligen. Und zwar aus dem Grund, "weil man damit zwei Kategorien von Arbeitnehmern schaffen würde, weil nur frühere Belegschaftsmitglieder von der Voest von der Stahlstiftung profitieren würden". So Ratzenböck. Gleiche Argumentation wie der ÖAAB, wobei völlig unerwähnt bleibt, dass frühere Voestler in den Genuss von SUG I + II gekommen sind, was aber mit Ende 1988 nicht mehr möglich sein soll.

Die Verhandlungen um das Landesbudget haben um den 20. Oktober 1987 stattgefunden. Von der dabei signalisierten Unterstützungsbereitschaft der Landesregierung distanziert sich der Landeshauptmann Ende Dezember. Dasselbe hatte schon zwei Monate früher R. Trauner, der Präsident der Oberösterreichischen Handelskammer getan, wobei er die Argumente der Voest-ÖAAB-Betriebsräte ebenfalls wiederholt und die Argumente Ratzenböcks vorwegnimmt: Die Handelskammer ist gegen die Voest-Stahlstiftung, weil damit zwei Gruppen von Arbeitslosen geschaffen würden (87/12). Gleichzeitig hat sich Trauner für eine stärkere Annäherung Österreichs an die EG ausgesprochen und darauf aufmerksam gemacht, dass die heimische Wirtschaft nicht erwarten dürfe, "die Rosinen aus dem Kuchen picken" zu können. Was er mit Rosinen meint, lässt Trauner offen. Doch signalisiert er damit das Herankommen härterer Zeiten. Ausführlicher berichtet über diese Aussagen Trauners auf der Bezirksfunktionärstagung in Wels eine andere Darstellung, wobei neben Äußerungen zur Stahlstiftung auch solche zur EG, zur Ladenfrage und zum Waffenexport erwähnt sind (87/13). Zur Diskussion um die geplante Stahlstiftung äußert sich Trauner dahingehend, dass damit zwei Arten von Arbeitslosen geschaffen würden, und dies, besonders betont, aus Mitteln aller österreichischen Steuerzahler, was nicht sein dürfe; gleichzeitig spricht sich Trauner für eine engere Anbindung an den EG-Raum aus, da die Exporte in die dazugehörenden Länder steigen, jene in den Osten aber rückläufig seien. Im Hinblick auf die EG-Annäherung müssten neue Formen der Verkaufszeiten gefunden werden. Im Waffensektor gelte es Klarheit zu schaffen, man könne nicht produzieren, was zumeist nicht verkauft werden dürfe. Insgesamt sei die wirtschaftliche Zukunft nicht schwarz zu sehen, auch wenn das tägliche Bild durch die nach wie vor prekäre Situation in der Verstaatlichten Industrie allzu sehr verfälscht werde.

Ende Oktober 1987 berichtet die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) unter "Keine Massenentlassungen beim Stahl", wie der Abbau von 35 000 Arbeitsplätzen bei der Krupp Stahl AG ohne Kündigungen geschehen soll. Möglich sein soll dies auf der Grundlage des "Frankfurter Abkommens", in dem sich Öffentliche Hände und die Unternehmen dazu bereit erklärten, einen Topf mit 600 Millionen DM zu füllen. Damit sollten die Stahlbelegschaften verringert werden, aber so, dass, je nach Alter der Betroffenen, die ursprünglich vorgesehenen Kündigungen unterbleiben. Als Musterbeispiel wird dabei auf den jüngsten Sozialplan der Krupp AG Bochum (vgl. SZ v. 24. 10. 1987) verwiesen, der folgendes vorsieht: Für die 55-Jährigen gibt es wie bisher Sozialpläne zur finanziellen Überbrückung bis zum Beginn der Rentenzahlungen. Für alle Jüngeren haben Ersatzarbeitsplätze Vorrang. Dazu sollen die künftigen Konzerninvestitionen nicht irgendwo auf der grünen Wiese, sondern in den Stahlregionen getätigt werden. Mit dieser Vereinbarung, so Steinkühler, der Vorsitzende der IG Metall, habe erstmals ein Unternehmerverband anerkannt, dass Unternehmungen nicht nur Veranstaltungen zur Erzielung von Gewinnen seien, sondern auch eine Veranstaltung zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen. Mit dieser Verlagerung der Akzente auf neue Arbeitsplätze in einer Stahlregion soll bewusst verhindert werden, dass die Menschen gezwungen werden, sich aus jahrzehntelangen Bindungen zu lösen, ihre Häuser/Wohnungen zu verkaufen, um irgendwo in Süddeutschland einen neuen Job zu bekommen. Entscheidend sei im neuen Vertragswerk der Passus, dass die jüngeren freigesetzten Leute für zwei Jahre abgesichert werden, teils vom Unternehmen, teils vom Arbeitsamt, um in dieser Zeit einen neuen Beruf zu erlernen oder sich in Um- oder Weiterbildung zu engagieren. Das Unternehmen verpflichte sich dabei für diese zwei Jahre, den/die Mann/Frau wieder einzustellen, sobald eine den neu erworbenen Fähigkeiten entsprechende Stelle frei werde. Der umgeschulte Freigesetzte ist jedoch völlig frei in der Wahl seines Berufes oder Arbeitgebers. Von der Gründung von Beschäftigungsgesellschaften nach dem Vorbild der ARBED in Luxemburg hält Steinkühler nicht viel, denn das sei ein zu "schwimmender Begriff". Er rechne nicht damit, dass es in den Stahlregionen für alle 35 000 freigesetzten Arbeitskräfte in den nächsten zwei oder drei Jahren sichere Jobs in zukunftsträchtigen Branchen geben werde. Dennoch werde die IG Metall an der Forderung einer Neuorientierung der Unternehmenspolitik festhalten, zu der sich die Unternehmen in Frankfurt verpflichtet hätten. Daher gelte es, Investitionshilfen und Investitionsprojekte für die Stahlregionen zusammen mit den Öffentlichen Händen und der IG Metall zu einem Aktionsprogramm zu bündeln.

Einen Tag nach dem Bericht in der SZ berichtet "Die Presse" über Pläne der ÖIAG, "mit US-Modell Kündigungen zu lindern". Hintergrund ist die Überlegung, dass die Reduktion des Mitarbeiterstandes des Konzernes von 90 000 auf 70 000 nicht ohne Konflikte abgehen werde. Daher der Versuch der ÖIAG, ganz neue Wege einzuschlagen und ein amerikanisches Beratungsmodell zu erproben, das unter dem Namen "Outplacement" viel Aufsehen erregt habe (87/11). Die Zahl der auf Outplacement spezialisierten Firmen sei seit 1974 von zwei auf hundertfünfzig gestiegen, deren jährliches Marktvolumen bereits 2,9 Milliarden Schilling betrage. Eine Wiener Beratungsfirma habe nun mit dem amerikanischen Branchenleader ein Joint Venture abgeschlossen, um dieses Service auch österreichischen Unternehmen anbieten zu können. Entlassene Mitarbeiter werden in diesem Modell sofort von der Outplacementfirma übernommen und nach dem Prinzip einer "Hilfe zur Selbsthilfe" umfassend betreut. Von Seiten der Unternehmen würde das Outplacement deswegen so schnell und bereitwillig akzeptiert, weil damit einerseits die Vorgesetzten von der "Trennungsarbeit" entlastet seien, andererseits aber Betriebsfrieden und Betriebsklima gefördert würden, da die "Hinterbliebenen" ebenfalls mit einer ähnlichen Behandlung rechnen könnten. Die Betroffenen selbst blieben nicht im Betrieb, was Konflikte reduziere. Die Simulation eines normalen Arbeitsrhythmus erspare dem Betroffenen ein entmutigendes Zuhausesitzen, und meistens verringere sich damit auch die Zeit der Arbeitslosigkeit, was sich dann auf das Image des Unternehmens positiv auswirke. Es wird dann weiter von Sympathien des Pressesprechers der Chemie-Linz für dieses Outplacement berichtet, eines Werkes, in dem bis Ende 1988 ebenfalls tausend Arbeitsplätze abzubauen seien. Dies sollte über nur wenig "echte" Kündigungen erreicht werden, da ein Teil der betroffenen Belegschaft in anderen Bereichen unterzubringen versucht werde, und ältere Mitarbeiter in Frühpension geschickt werden sollten. Auf den Widerspruch zu den Intentionen der Pensionsreform angesprochen, gebe der Chemie-Pressesprecher unumwunden zu, dass es eben eine Diskrepanz zwischen unternehmerischen und allgemein sozialpolitischen Zielen gebe. Nach Auskunft des Pressesprechers der ÖIAG soll Outplacement, diese Hilfe zur Selbsthilfe, ein fixer Bestandteil der geplanten Solidaritätsfonds bei Voest und VEW werden, da sich erwartungsgemäß vor allem Voest-Mitarbeiter bei einer Umstellung besonderen Schwierigkeiten gegenübergestellt sehen würden. Für das Outplacement gibt es zwei Modellvarianten: Eine einzelfallorientierte und eine auf Massenentlassungen abgestimmte. Im ersten Fall kommt der Mitarbeiter sofort zur Beratungsfirma und erhält dort zunächst psychologische Hilfe, um sein Selbstbewusstsein wiederzufinden und sich zu fragen, "was will ich, was kann ich". In einer zweiten Phase erhält er Bewerbungs-Knowhow und lernt, seine eigene Marktstrategie zu entwickeln. Im zweiten Fall, bei Massenentlassungen, werden sogenannte Karrierezentren eingerichtet, die Mitarbeiter in Kleingruppen betreuen und auf die Jobsuche vorbereiten. Üblich sei hier auch meist eine enge Zusammenarbeit mit der zuständigen lokalen Arbeitsmarktverwaltung, wobei stets die Eigeninitiative im Vordergrund zu stehen habe. Abschließend wird hier berichtet, dass man Mitte November mit der Individualberatung starten werden, wobei einige Kunden bereits fix seien.

Zwischen den Berichten über die Sozialpläne bei der Krupp Stahl AG und bei der Voest gibt es beträchtliche Unterschiede: Im einen Fall wird die gewerkschaftliche Sichtweise betont, im anderen die Unternehmensperspektive. Aus der Sicht der deutschen Gewerkschaften haben Unternehmen nicht nur Gewinne zu machen, sondern auch etwas für die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen zu tun. Aus der ÖIAG-Perspektive geht es darum, sich der überflüssigen Mitarbeiter konfliktfrei zu entledigen, indem man sie in Kunden einer Beratungsfirma transformiert. Damit hängt ein weiterer wichtiger Unterschied zusammen: In einem Fall wird die Notwendigkeit der Revitalisierung von Regionen als selbständigen Größen durch gezielte Investitionstätigkeiten der Unternehmen vertraglich abgesichert, im anderen hingegen das Problem der Kündigungen personalisiert, psychologisiert und nach amerikanischem Vorbild individualisierende Überlebensmöglichkeiten empfohlen. Wer sich selbst nicht helfen kann, hat Pech gehabt, wird abgeschoben und abgeschrieben.

Diese Gegenüberstellung zweier völlig verschiedener Ansätze des Umgangs mit Arbeitslosigkeit beziehungsweise mit Massenkündigungen macht noch einen weiteren Unterschied deutlich sichtbar. Wer sich an Vereinbarungen orientiert, welche auf die Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten einer bestimmten Region ausgerichtet sind, bevorzugt die strukturellen Komponenten der Problemlösung. Wer hingegen allzu sehr den Selbsthilfeaspekt betont, plädiert für nur individuelle Anstrengung und Selbstvermarktung belohnende Vorgangsweisen, die in hohem Maße mit liberalen Konzeptionen anglo-amerikanischer Sanierungskonzepte kompatibel sind. Die Unterscheidung in strukturelle und individuelle Komponenten, mag sie auch vorwiegend analytischer Natur sein, auf die später noch zurückzukommen ist, spielt auch bei den Diskussionen um das "Solidaritätsopfer" der Voest-Belegschaft eine beträchtliche Rolle.

Vom Anfang an ist klar gewesen, dass die Finanzierung der geplanten Stahlstiftung mit Schwierigkeiten verbunden sein wird. Daher beabsichtigte das Sozialministerium, die Mittel, die mit dem Auslaufen der Frühpensionierungsaktion (SUG I)(9) Ende 1987 frei werden sollten, als einen Beitrag zur Stahlstiftung für gekündigte Voest-Mitarbeiter verwenden zu können (87/14). Das bedeutete im Klartext, dass diese damals unversteuert ausbezahlten Leistungen nur mehr als "Nettopension" bezogen werden konnten. Damit sollte für Mitte 1988 eine Summe von zirka 200 Millionen Schilling zur Verfügung stehen, um damit ein SUG III finanzieren zu können. Die für 1987 vorgesehenen Mittel für diverse SUG-Aktionen wurden mit 2,2 Milliarden Schilling beziffert.

Am 12. beziehungsweise am 13. November 1987 berichten gleich fünf österreichische Tageszeitungen über die Verhandlungen zum Solidaropfer der Belegschaft durch Verzicht auf 0,75 Prozent der letzten Lohnerhöhung. Für das "Oberösterreichische Tagblatt" wird die Voest-Stiftung damit jetzt konkret (87/18), für die "Kronen Zeitung" (87/20) gilt das gleiche: Mit der Beteiligung an den Kosten des Programms ist die Stahlstiftung für die Kündigungsopfer der Voest nun fixiert. Anders sieht dies das "Neue Volksblatt" vom selben Tage: Hinsichtlich der Stahlstiftung sei noch keine Einigung erzielt, könne aber in den nächsten Tagen erreicht werden. Uneinigkeit bestehe noch bei der Kürzung der Betriebspensionen und bei den 0,75 Prozent Lohnverzicht der Belegschaft, die durchzusetzen laut Personal-Vorstandsdirektor (Strahammer) zu den Verhandlungszielen des Vorstandes gehöre. Einen Tag später bestätigt die "Wiener Zeitung" die Meldungen des Tagblattes über die geplante Stahlstiftung, dass die Verhandlungen noch am Laufen sind und der Vorstand dabei die 0,75 Prozent durchsetzen will, obwohl im Tagblatt vom vorhergehenden Tage bereits zu lesen gewesen ist, das Präsidium des Zentralbetriebsrates habe den Verzicht auf 0,75 Prozent beschlossen, es aber den anderen Standorten freistehe, sich dieser Lösung anzuschließen. Dass die Zustimmung zum Lohnverzicht vorerst nur in Linz gegeben worden ist, mag der Grund dafür sein, dass die einen bereits von einer definitiven Konkretisierung der Stahlstiftung sprechen, während andere von noch laufenden Verhandlungen berichten. Am 13. November berichtet auch die "Süddeutsche Zeitung" über die nun abgeschlossene Gründung der Stahlstiftung und deren Finanzierung aus vier Quellen: Den 0,75 Prozent der Mitarbeiter, den Zinsen für ausbezahlte Abfertigungen (vorübergehend), einem Beitrag des Unternehmens und Mitteln des Sozialministeriums. Ziele dieser neuen Einrichtung seien Umschulung und Jobsuche, die Umzuschulenden könnten damit rechnen, dass ihnen die Stahlstiftung monatlich etwa 70 Prozent bis 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens vergüten werde (87/22).

Die "Volksstimme" vom 12. November 1987 (87/17) weist auf die unerträgliche berufliche Situation der Beschäftigten bei der Voest-Alpine hin, zusätzlich noch verstärkt durch einen völlig unzulänglichen Informationsstand. Die Betriebsräte der Mehrheitsfraktion seien nicht einmal in der Lage, exakt darüber zu informieren, was es mit den Lohn- und Gehaltsverzichten auf sich habe und was mit der Stahlstiftung geschehe, die von der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock (GLB) im Konzern als Augenauswischerei abgelehnt werde. Der Grund für die Ablehnung bestehe darin, dass die Stiftung lediglich als Vorwand gesehen werde, sämtlichen Beschäftigten Lohn- und Gehaltsabschläge aufzuzwingen. Allerdings hätten die lokalen Betriebsrats-Körperschaften das Recht, der Stahlstiftung gegenüber auf Distanz zu gehen, was dann zur Folge habe, dass die Gekündigten nicht in den Genuss der Dienstleistungen der Stiftung kommen könnten. Dabei handle es sich um Betreuungsangebote bei Jobsuche und Umschulung, was allerdings mit dem Verzicht auf den Zugriff auf die Abfertigung verbunden sei. Zudem stehe die Zahl der geplanten Kündigungen und die Kapazität der Stiftungen in einem krassen Missverhältnis, denn sie könne bestenfalls 1 500 Kolleginnen und Kollegen verkraften, was angesichts der bevorstehenden Beschäftigungsprobleme einem Tropfen auf den heißen Stein gleichkomme. Der Bericht schließt mit der sarkastischen Bemerkung: "Soweit hat es die von der Regierung und der SP-Spitze inspirierte Verstaatlichtenpolitik bereits gebracht".

Die totale Ablehnung der Stahlstiftung durch den Gewerkschaftlichen Linksblock kommt bereits im Bericht der "Volksstimme" am 3. November 1987 zum Ausdruck und wird durch einen Beitrag vom 12. November 1987 zusätzlich unterstrichen. In dieser Optik ist die Stahlstiftung das SP-Patentrezept, das der Bewältigung der Folgen der Zertrümmerung der Voest-Alpine dienen soll. Es verfolge drei Ziele: Aus- und Weiterbildung, Durchführung von Forschungsprojekten und "moralische Aufrichtung", wie es der ÖIAG-Personalchef bezeichnet habe. Dann werden die bereits bekannten Finanzierungsmodalitäten dargestellt, die der GLB-Zentralbetriebsrat schon im Dezember als eine selbstfinanzierte "Sterbehilfe" abqualifiziert hatte, die lediglich den Unmut über die Kündigungen abfangen soll. Mit dem Begriff der Solidarität werde ein falsches Spiel betrieben. Denn wirkliche Solidarität bedeute, für die Erhaltung der jetzt vorhandenen Arbeitsplätze und die Schaffung neuer zu kämpfen. Weil die Stahlstiftung als Bestandteil des Arbeitsplatzvernichtungskonzeptes der Bundesregierung angesehen wird, lehnt der Gewerkschaftliche Linksblock die geplante Stiftung vehement ab. Er fühlt sich darin bestärkt durch die Reaktionen der Beschäftigten, die bei einer Umfrage im Linzer Werk (2 000 Befragte) zu 80 Prozent einen Lohnverzicht zugunsten der Stiftung abgelehnt hätten.

Ein weiterer Bericht in der "Volksstimme" von Anfang Dezember (87/26) ist im Ton zwar etwas moderater, dennoch aber darauf ausgerichtet, eventuell bestehende Skepsis und Misstrauen zu schüren. Es wird daran erinnert, dass in der Vergangenheit schon 15 000 auf der Basis des SUG (55/50) in Pension geschickt worden sind und zur Überbrückung eine steuerfrei ausbezahlte Unterstützung beziehen konnten. Weil in der Eisen- und Stahlindustrie weitere 15 000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren werden, aber laut Dallinger Finanzierungsprobleme bestehen, um die früheren Regelungen zu verlängern, wurde in Ermangelung jeder "sozialen Abfederung" das Modell der Stahlstiftung erfunden, bei der die "Noch-Beschäftigten" eine Art Entlassungshilfe für einen Teil der Gekündigten zu leisten hätten. So die Absichten, wobei eine gesetzliche Regelung nicht einmal im Entwurf vorliege. Klar sei bisher nur, dass die Beschäftigten und die Frühpensionisten, die nun besteuert werden sollten, zur Kassa gebeten würden.

Die Behauptung, alles sei völlig unklar, ist insofern weit überzogen, als im "Blick", der Mitarbeiterzeitung der Voest-Alpine vom November 1987 unter der Rubrik "Interview aktuell" (87/23) einerseits ein ausführliches Diagramm über Struktur und Prozessverläufe in der geplanten Stiftung präsentiert, andererseits in einem Gespräch mit den damals für die Stiftungs-Regelung Verantwortlichen zu den offenen Fragen so weit wie möglich Stellung bezogen worden ist. Die gestellten Fragen waren folgenden Inhalts: Die verschiedenen Modellvarianten einer möglichen Stiftung, Anregungen aus anderen OECD-Ländern, die grundsätzliche Orientierung, Adressatenkreis, Kompatibilität mit den Vorstellungen der ÖIAG, Finanzierung generell, Mitarbeiterbeitrag, Stellung der Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker, Informationsstand, erste Erfahrungen mit Eisenerz, voraussichtlicher Zeitpunkt für die Einführung der Stahlstiftung. Die Antworten auf diese Fragen erwecken den Eindruck, bewusst allgemein gehalten zu sein. Dies lässt sich auf unterschiedliche Gründe zurückführen: Einerseits konnte damals bei bestem Willen noch nicht alles im Detail genau angegeben werden, andererseits ist es verständlich, dass in Anbetracht der allgemeinen Verunsicherung und der teilweise bereits von den Gegnern der Stiftung aufgeheizten Stimmung bewusst vermieden werden sollte, diesen Gegnern neue Angriffsflächen zu bieten. Außerdem ist völlig offen, inwiefern sich Fragen zu einem hochkomplexen Experimentierfeld mit einfachen und jedem unmittelbar einsichtigen Antworten beantworten lassen.

Die "Wahrheit" vom Dezember 1987 greift das Thema der Pros und Kontras explizit auf und stellt sich dem Problem, dass allem Anschein nach mit negativen Schlagworten wie "Augenauswischerei, Schmarotzer und Edelarbeitslose für die Zukunft" (87/27) die Stahlstiftung in Frage zu stellen versucht wurde. Als Form, darauf zu antworten, werden kurze Statements von zehn Personen angeführt, wahrscheinlich aus dem Kreis der ersten Stiftungsteilnehmer. Darin ist die Rede von neuen Chancen, Unverständnis für die Fehlinformationen, den Vorteilen, sich weiterbilden und in Ruhe die Bewerbungen vorbereiten zu können. An der selben Stelle berichtet die "Wahrheit" über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung über den Solidaritätsbeitrag der Belegschaft für den von der Stahlstiftung erfassten Personenkreis. Voraussetzung einer solchen Vereinbarung auf betrieblicher Ebene sei die Schaffung einer entsprechenden kollektivvertraglichen Ermächtigung gewesen. Im Anschluss werden die fixierten Regelungen im Detail erläutert und daran erinnert, dass der Solidaritätsbeitrag der Belegschaft eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die Realisierung der Stiftung, die der Förderung der beruflichen Wiedereingliederung zu dienen hat, gewesen ist.

Auch SUG III tritt hier in Erscheinung, als die Höhe des Arbeitslosengeldes, das den Stiftungsangehörigen nun normalerweise zwei Jahre, in besonderen Fällen aber auch längere Zeit zu ihrer materiellen Absicherung ausbezahlt wird. In einem eigenen Beitrag verweist der Vorsitzende des Angestellten-Betriebsrates darauf, dass die Stahlstiftung eine neue Chance sei, dass niemand ein Statist werden dürfe! Er betont, dass es sich dabei um einen Modellversuch handelt, der für alle Beteiligten einem Sprung ins kalte Wasser gleichkomme. Daher der Appell an alle, aus den Erfahrungen die richtigen Schlüsse für allfällige Verbesserungen zu ziehen. Er verweist auf die Unzahl von Verhandlungen, die zu führen gewesen seien, den gewaltigen Finanzbedarf und die großzügige Förderung für Hunderttausende freigesetzter Stahlarbeiter in der industrialisierten Welt. Der Beitrag schließt mit einer Aufforderung zum Optimismus und zum wirklichen Willen, den "Schwächeren unter uns solidarisch zu helfen". Gleichzeitig wird noch ein Berechnungsschema für Bezüge in der Stahlstiftung zur Verfügung gestellt.

Der Gewerkschaftliche Linksblock sieht es jedoch völlig anders. Nach seiner Ansicht hat die Gewerkschaftsspitze MBE nachträglich den Kollektivvertrag geändert und es so möglich gemacht, dass Unternehmen im Zusammenwirken mit den Betriebsräten die Lohnerhöhungen in der Voest-Alpine und im Steyr Konzern aussetzen können. Sinnvolle Umschulungsmaßnahmen befürwortet der GLB, doch sind sie aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherung zu bezahlen. Stahlstiftung heißt für ihn "soziale Entlassungshilfe" und hat nichts mit Solidarität zu tun, denn "Solidarität heißt gemeinsam für die Erhaltung der Arbeitsplätze und für die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen zu kämpfen". Sozialpläne und Umschulungsmaßnahmen werden nur dann für akzeptabel gehalten, wenn sie zur Aufrechterhaltung der Arbeitsplätze im Bereich der Verstaatlichten beitragen, was eben nicht der Fall sei. Was jetzt ablaufe, sei lediglich ein Teil des Arbeitsvernichtungsprogrammes der Regierung. Dann wird das jetzt geplante Stiftungsvorhaben in einem größeren Kontext gestellt: Die Zustimmung dazu bedeutet die Zustimmung zur Zerstückelung der Verstaatlichten mit allen negativen Auswirkungen (87/28). Daher lehnen die Betriebsräte des GLB diese Form der falschen Solidarität ausdrücklich ab. Zudem weist das Monatsblatt dieser Gewerkschafter noch auf ein grobes Missverhältnis hin: Hinsichtlich der Pensionsansprüche der Werksveteranen werde lediglich die Summe von einem Sechstel - gerechnet auf die Lebenserwartung - als Abfertigung angeboten, der Anspruch der Aktiven soll auf ein Drittel gekürzt werden, jene der Spitzenmanager, die im Schnitt mit 45 000 Schilling pro Monat dotiert seien, jedoch lediglich um ein Drittel. Die Einwände dieser Gewerkschaftsfraktion sind demnach vor allem politisch motiviert. Denn neben der Kritik der Stahlstiftung als Arbeitsplatzvernichtungsprogramm und der unausgewogenen Kürzung der Pensionsansprüche wird bemängelt, dass die Gewerkschaft die Verantwortung abgeschoben habe. Denn im nachhinein werde nun der ursprünglich einheitliche Kollektivvertragsabschluss dahingehend verändert, dass für die Voest-Alpine und Steyrwerke die Löhne künftighin über Betriebsvereinbarungen geregelt werden könnten. Dies bedeute, dass die Gewerkschaft ihre Verantwortung an die Belegschaftsvertreter delegiere, die ihrerseits unter dem Druck der Vorstände stünden.

Im Dezemberheft 1987 der "Parteifreien Gewerkschafter" ist auf der ersten Seite folgender Ausspruch in Fettschrift plaziert: "Die Wirtschaft lebt nicht vom Unterlassen, sondern vom Unternehmen". Daher wird, nach einer kurzen, übersichtlichen Darstellung der im Rahmen der Stiftung vorgesehenen Neuerung der als unverzichtbar bezeichnete Aspekt betont, dass neue, ökonomische, lebensfähige Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, sei es im Rahmen der Voest-Alpine, sei es auch außerhalb (87/29). Die Stahlstiftung sei ein Notprogramm für die Verstaatlichte, ein Modell, das sich als Beitrag zur Verringerung des sozialpolitischen Konfliktfeldes verstehe, das im Zusammenhang mit einem starken Personalabbau entstehen müsse. Es folgt eine Beschreibung der drei Hauptziele und der vorgesehenen Methoden. Die hauptsächlichen Ziele: Erstens die Steigerung der persönlichen und fachlichen Qualifikationen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess, zweitens die Linderung der Folgen aus dem Arbeitsplatzverlust, und drittens die Entwicklung von Produktideen zur Fertigungs- und Marktreife. Diese Ziele sollen über folgende Methoden erreicht werden: Erfassung der Fähigkeiten, Stärken und Schwächen sowie Festlegung des Ausbildungsweges zu einem definierten Berufsbild; weiters die Unterstützung in der persönlichen Selbstdarstellung am Arbeitsmarkt; dann Vollzeitausbildung und schließlich die Mitwirkung an Entwicklungsarbeiten im Sinne eines "training on the job". Wie sehr Vorurteil und sowohl bewusste wie auch unbewusste Wünsche die Wahrnehmung beeinflussen, zeigt sich hier darin, dass der sechswöchige Kurs in der Vorbereitungsphase gleich in die Nähe des outplacements gerückt wird. Diese Darstellung, die mit dem hoffnungsfrohen Slogan "Arbeitslos ist nicht chancenlos" endet, entspricht mit großer Wahrscheinlichkeit den Vorstellungen der Repräsentanten der ÖIAG und antizipiert auch schon die späteren Praktiken und Interpretationen der Arbeitsmarktverwaltung in Stiftungsangelegenheiten.

Zwischenbilanz

Ende 1987 ist also bereits, auch wenn Stiftungsgegner einen mangelnden Informationsstand beklagen, hinreichend klar, welche Konturen eine zu gründende Stahlstiftung haben würde. Diese Einrichtung musste eine Antwort auf eine dreifache Herausforderung sein, die mit folgendem Widerspruch fertig werden musste: Vorprogrammierte Massenentlassungen, fehlende finanzielle Mittel für wirksame Sozialpläne und die Notwendigkeit, etwas sehr Wirksames auf die Beine stellen zu müssen, um sozialen Aufruhr und öffentlich vorgetragenen Protesten vorbeugen zu können. Über die Zahl der zu Entlassenden gibt es kaum Diskussionen, sie werden als unverrückbare, wenn auch noch nicht bekannte Größen hingenommen. Daher ist auch die Bereitschaft zu Streik, sozialem Aufruhr und politischem Widerstand als gering einzustufen, wenn sich eine Ersatzlösung für die über Jahre bewährte Problemlösung der Sonderunterstützungsaktionen finden lässt. Diese bedeuteten, den Überhang an Arbeitskräften über Frühpensionierungen der älteren Belegschaftsmitglieder abzubauen. Die Gretchenfrage hat also darin bestanden, wo und wie neue Geldquellen zu finden sind, um mit einem Minimum an Mitteln ein Maximum für von Kündigung betroffene Mitarbeiter/innen erreichen zu können.

In einer solchen Situation ist es naheliegend, sich umzusehen, wie andere, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, darauf reagieren. Im Bereich der Voest-Alpine entstehen Sympathien für das im Saarland entwickelte Modell einer Stahlstiftung, die ÖIAG-Spitze liebäugelt mit einer Einschaltung gewinnorientierter Outplacementfirmen nach amerikanischem Strickmuster auf neoliberaler Basis. Dies ist die Ausgangssituation bei der Werbung um Sympathien für eine als zielführend betrachtete Lösung und die Suche nach den dafür erforderlichen Mitteln. Ansonsten hat es keinerlei konstruktive Beiträge gegeben, wie ein Ausweg aus dem gegebenen Dilemma zu finden sein könnte. Niemand hat den Gedanken einer Verkürzung der Arbeitszeit für alle eingebracht, um die Zahl der notwendigen Kündigungen möglichst nieder halten zu können. Diese Art der Lösung des Arbeitsverknappungsproblems durch solidarische Neuverteilung des kleiner gewordenen Arbeitskuchens auf alle hat sich immerhin einige Jahre später bei den Volkswagenwerken ebenfalls als praktikabel erwiesen.

Problemlösungen über massenhafte Kündigungen lassen das Bemühen verständlich erscheinen, erwartbaren Protesten den Wind aus den Segeln nehmen zu wollen. Daher die Bereitschaft des Vorstandes, zum Zustandekommen der Stiftung und ihrem Funktionieren einen entsprechenden Beitrag zu leisten. Nachdem Macht und Einfluss der Gewerkschaften in den 80er Jahren substantiell geschwunden sind, dürfte es wahrscheinlich eine richtige Überlegung der Mehrheitsfraktionen von Betriebsrat und Gewerkschaft gewesen sein, in Anbetracht der gegebenen wirtschaftlichen Situation auf Kampfmaßnahmen mit der Option Streik zu verzichten. Unter Ausschluss der Möglichkeit der Arbeitszeitverkürzung und des Streiks ist es für die Interessenvertretung der Belegschaft geradezu eine Notwendigkeit, einer Alternative, die den Gekündigten von Nutzen sein kann, Sympathien entgegenzubringen und sie zu unterstützen. So muss es in der Stiftungsfrage zur materialen Kooperation zwischen Vorstand und Belegschaftsvertretung kommen, wenn auch aus formal unterschiedlichen Gründen. Für den Vorstand geht es um einen reibungslosen Personalabbau, der billiger ist als ein konfliktbehafteter, und zudem den guten Ruf des Unternehmens nicht beeinträchtigt; für die Belegschaftsmitglieder jedoch darum, zu retten, was noch zu retten ist. Jedenfalls ist eine Stiftung nach saarländischem Muster, wenn auch unter anderen Bedingungen, einer geschäftsmäßigen Abwicklung über Outplacement durch private Beratungsfirmen vorzuziehen.

Im Gegensatz zur saarländischen Stahlstiftung konnte eine Stahlstiftung in Österreich nicht mit zusätzlicher Unterstützung aus europäischen Sozialfonds rechnen. Die Suche nach Mitteln für die Stiftung musste also zwangsläufig zu Umverteilungskonflikten führen, wobei, nicht unüblich, auch stiftungsexterne Gesichtspunkte eine gewichtige Rolle zu spielen begonnen haben. Dies bedeutet, dass bei Diskussionen über das Thema Stahlstiftung häufig auch Dinge anderer Natur mit ins Spiel kommen, ohne jeweils als solche gleich erkennbar sein zu müssen. In der ersten Phase der Auseinandersetzung um die Stiftungsgründung sind folgende Akteure in Erscheinung getreten:





Sozialministerium (Bund) ÖIAG-Vorstand



Unternehmensvorstand



OÖ-Landesregierung OÖ-Handelskammer

Landeshauptmann LR Trauner



Stahlstiftung



SP-Betriebsräte ÖAAB-Betriebsräte



Zentralbetriebsrat





Gewerkschaftlicher Linksblock Parteifreie Gewerkschafter





Offensichtlich hat es damals bereits eine Mehrzahl von verschiedenen Meinungen zur künftigen Stahlstiftung gegeben. Auffallend ist die Divergenz der Ansichten zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen in der Betriebsratsvertretung, dann aber auch die Ähnlichkeit der Argumentationen von ÖAAB-Betriebsräten, dem Präsidenten der Oberösterreichischen Handelskammer und dem Landeshauptmann von Oberösterreich. Im Betriebsrat steht eine über den Verlauf der Dinge nicht ganz glückliche SP-Mehrheit der Ablehnung der ÖAAB-Betriebsräte und der Angehörigen des Gewerkschaftlichen Linksblocks gegenüber. Die Parteifreien Gewerkschafter unterstützen das Modell, plädieren dabei aber für eine in ihrem Verständnis ökonomischere, das heißt liberalere Akzentsetzung.

3.3 Divergenzen und koalitionäre Konsensfindung

Für eine Periodisierung der losen Materialsammlung zum Thema Stahlstiftung hat es sich als nützlich erwiesen, deren Verteilung auf die verschiedenen Jahre zu berücksichtigen. Es hat sich dabei gezeigt, dass die höchste Intensität der Auseinandersetzungen in den ersten Jahren gegeben ist. Am meisten häuften sich die Beiträge im Jahre 1988. Wird das Prinzip der zeitlichen Verteilung auch auf dieses einzelne Jahr 1988 angewandt, so ergibt sich folgendes Bild:



6 4 36 41 6 14 0 15 2 2 3 6
Jän Feb Mär Apr Mai Juni Juli Aug Sep Okt Nov Dez


Die erste Zeitungsmeldung zur Stahlstiftung im neuen Jahr 1988 bringen die "Salzburger Nachrichten" vom 9. 1. 1988 (88/6). Es handelt sich dabei um die Antwort des Bundeskanzlers auf eine parlamentarische Anfrage eines Abgeordneten der ÖVP. Die Tatsache, dass die Stahlstiftung zum Gegenstand einer Klarstellung im Hohen Hause, dem höchsten politischen Gremium, gemacht wird, deutet darauf hin, dass der Koalitionspartner der anstehenden Entscheidungsfindung erhebliche Bedeutung zumisst. Der Bericht setzt die Akzente dahingehend, dass die Stahlstiftung der Vermeidung von Sanierungshärten dienen soll. Laut Aussage des Kanzlers laufen in den Standorten Linz und Eisenerz bereits diesbezügliche Pilotmodelle. Bewähren sich diese, so wird der von der VEW geplante Unterstützungsfonds nach dem selben Muster eingerichtet. Anschließend erläutert der Kanzler die Struktur der neuen Einrichtung: Meldung der zu Kündigenden bei einem zentralen Vermittlungsdienst, Suche nach alternativer Beschäftigung im ÖIAG-Konzern und dann, ist diese ergebnislos, Kündigung oder Überstellung in die Stiftung. Eines der Hauptziele der Stiftung richtet sich auf die Erhöhung der beruflichen Mobilität. Die Finanzierung sollte erfolgen über Zinsen aus Abfertigungen, ein Solidaritätsopfer der Aktiven, Bereitstellung der Infrastruktur durch die Unternehmen, Einführung einer neuen Sonderunterstützungsmaßnahme, die durch Einsparungen bei anderen Sonderunterstützungsmaßnahmen zu finanzieren ist. Die Aussagen des Bundeskanzlers präsentieren sich als klar und sachlich, der Akzent liegt auf vorläufigem Experimentieren, das, so ferne es sich bewährt, dann in größerem Maßstab umzusetzen ist. Bei der Stiftung geht es also nicht mehr nur um einen Sozialplan auf betrieblicher Ebene, sondern um Regelung eines Konfliktes zwischen Unternehmensleitung und Belegschaftsvertretung unter Beteiligung der höchsten politischen Instanzen. Dies bedeutet auch, dass einer Regelung der offenen Stiftungsfragen eine eminent politische Bedeutung zugeschrieben wird.

Weil "in den letzten Wochen der Begriff Stahlstiftung, versehen mit den verschiedensten Bewertungen, oft in den Medien aufgetaucht ist", greift "Der Privatangestellte" dieses Thema auf und will informieren, "was damit wirklich gemeint ist und wie es funktionieren soll" (88/3). Das offensichtliche Bemühen um Sachlichkeit führt zu einer nüchternen Darstellung des Modells, bei dem eigentlich alles klar zu sein scheint. Zur wirtschaftlichen Sanierung der Unternehmensgruppe, die auch zur Anpassung in den Personalständen führt, haben Management und Belegschaftsvertreter ein Modell entwickelt, das Gekündigten die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erleichtern soll. Gekündigte werden nicht als Gekündigte bezeichnet, sondern als vom Verlust des Arbeitsplatzes Betroffene. So dargestellt ist die Kündigung ein Naturereignis, das hinzunehmen ist. Handlungsspielräume ergeben sich nur im Bereich der Bewältigung der unliebsamen Folgen. Dazu werden nun bestimmte Maßnahmen vorgesehen, die vor allem drei Hauptziele verfolgen: Die Steigerung der persönlichen und fachlichen Qualifikationen, die Linderung der Folgen aus dem Arbeitsplatzverlust und die Entwicklung von Produktideen zur Fertigungs- und Marktreife. Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf berufliche Aus- und Weiterbildung, Projektentwicklung und Arbeitsplatzvermittlung. Bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung geht es im Wesentlichen um die Abstimmung des jeweiligen Programms auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes, die Projektentwicklung ist aus dem Bedürfnis entstanden, die Weiterbildung so praxisnah wie möglich zu gestalten und wird deswegen als zielführend betrachtet, weil der Druck hoch ist, zu neuen Lösungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu kommen. Wer weder über berufliche Aus- und Weiterbildung noch über Projektentwicklung einen neuen Job findet, der kommt in die Arbeitsplatzvermittlung, wo er neuerdings lernen soll, sich den Arbeitsmarkt zu erschließen. Ist auch dies erfolglos, so ist der Eintritt in eine spezielle "Aktivgruppe" offen, deren ausschließliche Aufgabe in der Vermittlung besteht.

Solche Darstellungen aus Funktionärshand sind zwar nicht falsch, lösen aber dennoch ein gewisses Unbehagen aus, bedingt wohl dadurch, dass sie besondere Sachlichkeit suggerieren und damit zu allein technokratischen Sicht- und Sprachweisen kommen, wie sie der Interessenvertretung des Kapitals, dem Management eigen sind. Es gibt einen unklaren Begriff - die Stahlstiftung - , der unterschiedlich bewertet wird. Also wird versucht zu klären, was wirklich damit gemeint ist und wie das funktionieren soll. Dazu die klare Angabe der ersten Ziele und dann der Mittel, bezeichnet als Maßnahmen. Stillschweigend vorausgesetzt ist bereits eine Problemdefinition, die keiner weiteren Diskussion bedarf: Die wirtschaftliche Sanierung der Unternehmensgruppe, die auch eine Anpassung der Personalstände verlangt. Die Definition der wirtschaftlichen Sanierungsnotwendigkeiten wird vom Vorstand vorgegeben, bei den Ausführungsmodalitäten ist viel Spielraum gelassen, solange sie einer technokratischen Suche der Problemlösung verpflichtet sind. Und das sind sie zweifellos, denn die bedingungslose Verpflichtung der Orientierung aller Aus- und Weiterbildungsaktivitäten auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes ist eine rein bildungsökonomische Argumentationsfigur. Und die Verpflichtung der Mitarbeiter darauf, zu lernen, sich den Arbeitsmarkt zu erschließen, nimmt bereits vorweg, was dann zehn Jahre später auf die Formel von "Arbeitskraftunternehmer" gebracht wird.(10) Die geplante Stiftung, so lässt sich das auch lesen, ist demnach folgender Logik verpflichtet: Eliminierung aus dem Betrieb - psychologische Unterstützung zur Verhinderung des Schlimmsten und zur Entschärfung der Konfliktsituation - Analyse von individuellen Stärken und Schwächen - Erstellung eines arbeitsmarktorientierten Aus- und Weiterbildungskonzeptes - Übernahme der Verantwortung für die Vermarktung der eigenen Arbeitskraft durch die Gekündigten selbst. Da kann jeder Vertreter des Managements bestens mitziehen. Das Paket der verschiedenen Maßnahmen führt am Ende dazu, dass die letzte Verantwortung den Individuen selbst zugeschoben wird. Erfolglosigkeit auf dem Arbeitsmarkt ergibt sich aus dem Fehlen von Stärken, was nichts anderes heißt, als dass die Schwachen auf der Strecke bleiben.

Zur gleichen Zeit, im Jänner 1988, berichtet "Der Wiener" von einer Dichterlesung im Dominikanerkloster Retz, nahe der tschechischen Grenze (88/2). Gegenstand: "Die Minderleister" von Peter Turrini. Der Autor beschäftigt sich darin mit jenen Menschen, die beim industriellen Großreinemachen ihren Arbeitsplatz verloren haben. Damit lüpft er, wie es im "Wiener" heißt, den Teppich, unter den die Folgen der politischen Sanierungspartnerschaft gekehrt werden. Keinerlei ökonomische Analyse, das Thema sind die Menschen, Familientragödien, von denen niemand spricht, das Absterben von Städten wie Fohnsdorf, das Frauen in die Amateurprostitution treibt, das sind die Kehrseiten der Verstaatlichten-Sanierung. Das Credo der anonymen Konzerne, an dem jeder Kampf der Figuren abprallt: "Der Markt steht über den Menschen". Ungewohnt der Ort, an dem die "Minderleister" geschrieben werden: Die ruhige Stille einer Klosterzelle. Ungewohnt auch die Freundschaften, die Turrini in diesem halben Jahr im Kloster schließt, in dem er wieder den Weg von der Unterschriftstellerei zur Schriftstellerei zurückfinden will.

Der erste, der die neuen Texte schon während der Entstehung der "Minderleister" zu hören bekommt, ist der feinfühlige Dominikanerpater Christoph Schönborn. Trotz aller Verschiedenheit der Gemüter finden Schriftsteller und Klostermann eine neue Brücke zueinander. Schönborn streut seinem Freund Turrini großzügig Rosen: "Peter ist ein Mensch mit vielen Eigenschaften, die selten zu finden sind - Betroffenheit, große persönliche Kraft, Humor und Liebe". Also viel Lob vom Pater, starkes Echo des neuen Theaterstücks bei der Mannschaft Peymanns, die sich umgehend das Recht der Uraufführung im Burgtheater in Wien für nächsten Mai sichert. Weniger Erfolg ist Turrini beschieden mit einem anderen Großprojekt, der "Arbeitersaga", die er mit einem Kollegen fürs Fernsehen schreiben sollte. Von den vertraglich vereinbarten sechs Folgen wurden plötzlich vier gestrichen, ohne Angabe von Gründen. Gerüchten zufolge habe die SPÖ die Serie wegen unbequemer Textstellen abwürgen wollen, doch dies sei regelmäßig dementiert worden. Genaueres sei nicht zu erfragen gewesen. Dazu ein verärgerter Turrini: "Unter Kreisky wäre das noch nicht möglich gewesen". Damit meinte er die schreckliche Ignoranz, mit der in diesem Land mit Künstlern - und damit auch mit der Kunst - umgegangen werde.

Doch die Welt der Künstler scheint eine völlig andere als die Welt der Betriebe zu sein, wie aus einem zeitgleichen Bericht (Jänner 1988) im "Profil" über "Das Erbe der Stahlkocher" hervorgeht (88/4). Gegenstand des Berichtes ist Schoeller-Bleckmann, das ehemalige VEW-Werk Ternitz, ein Unternehmen, das jeden Tag drei Millionen Verlust macht und nun als selbständige GmbH einen letzten Sanierungsanlauf unternimmt. Das heißt, dass von der bereits um die Hälfte, auf 2 000 reduzierten Belegschaft noch einmal 650 Mitarbeiter "freigesetzt" werden müssen. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die Gemeinde, denn traditionsgemäß waren zwei Drittel der Bevölkerung (16 000) von Ternitz direkt oder indirekt vom Schicksal des Edelstahlwerkes abhängig. Mit dem Werk schrumpft also auch die ganze Stadt. Die Stadt wird alt, 30 Prozent sind bereits Pensionisten, ihr Anteil wird ständig größer. Offiziell gibt es nur 4,8 Prozent Arbeitslose, doch echt Beschäftigte und scheinbar Nicht-Arbeitslose sind nur schwer von einander zu trennen. Rechnet man die SUG-Pensionisten dazu, so ist die Arbeitslosenrate jenseits der zehn Prozentgrenze, kommen zu diesen noch einmal 650-Schoeller-Mitarbeiter hinzu, ergäbe sich eine de-facto-Arbeitslosenrate von 20,55 Prozent, also ein Fünftel der aktiven Bevölkerung.

Was Kreisky und die Betriebsräte jahrelang predigten - "Halten um jeden Preis, Neuaufbau, Kampf gegen die Politik, die den betriebswirtschaftlichen Rechenstift zum Regenten über die Menschen macht" - , das verfechten heute nur noch die Kommunisten im Gemeinderat. Die anderen suchen nach einer neuen Orientierung, auch altgediente Betriebsräte kommen zur Einsicht, "dass wir Fehler gemacht, Notwendigkeiten zu spät begriffen haben". Die neue Hoffnung richtet sich nun auf die Ansiedlung neuer Betriebe, um das entstandene Vakuum neu zu füllen. Ein neuer Typ von Betriebsrat kritisiert nun nicht mehr die Personalabbaupolitik des Betriebes, sondern die zu wenig "managementmäßig" aufgezogene Betriebsansiedlungs- und regionale Entwicklungspolitik der ICD (Industrial Cooperation and Development Company Austria). Die Chancen dafür, neue Betriebe in Ternitz anzusiedeln, werden als nicht gerade sensationell, aber immerhin für besser als in der Obersteiermark eingestuft. Doch das neue Pferd, auf das man nun setze, scheine zu lahmen. Denn die Ansiedlungswelle der Japaner in Europa sei bereits weitgehend abgeschlossen, und das Gerangel um die Standorte neuer Industrien sei überall enorm groß. Daher die resignierte Botschaft aus dem Ministerium Streichers: "Wenn wir in der Industrieansiedlungspolitik wirklich etwas reißen wollen, werden wir uns was einfallen lassen müssen".

Nach dieser Darstellung im "Profil" sind die Aussichten der Region Ternitz für die Zukunft alles andere als vielversprechend. Mit Ausnahme einiger KP-Sympathisanten halte die Mehrheit der Betriebsräte die frühere Kreisky-Politik nun für nicht mehr angemessen, ja es sogar für eine vergebliche Mühe, sich um politische Dinge noch zu kümmern. Was nun gilt, das ist der betriebswirtschaftliche Rechenstift und die sich daraus ergebenden Imperative, die teils auf Personalabbau hinauslaufen, teils eine effizientere Industrieansiedlungspolitik verlangen. Dies soll zu den nötigen Ersatzarbeitsplätzen führen und den Tod der ganzen Region verhindern. Sanierungspolitik erscheint somit als eine unabdingbare Konstante, über die den Kopf zu zerbrechen sich nicht mehr lohnt. Dass es sich dabei jedoch nicht um eine Konstante, sondern um eine Variable handelt, ergibt sich aus einem ausführlichen Bericht in der "Chronik" vom 31. 1. 1988 über Erfahrungen aus der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Großbritannien bei der Krisenbewältigung in der Stahlindustrie. Dort heißt es (88/5), dass nach 15jähriger Talfahrt der Beschäftigung in der europäischen Stahlindustrie diese nun bereits 1988 teilweise liberalisiert werde, um dann 1990 gänzlich nach den Gesetzen des freien Marktes zu funktionieren. Das bedeutet nun keineswegs, dass es keine Unterschiede mehr gibt, wie die einzelnen Länder mit diesem enormen Problem umgehen. In Großbritannien suchte man die verstaatlichte Stahlindustrie auf die Rohstahlerzeugung zu beschränken und die gewinnträchtigen Teile wieder zu privatisieren, wobei die Personalbestände über Massenentlassungen und einmalige Abfertigungen (mit Höchstgrenzen bei ca. 100 000 ö.S.) reduziert wurden. In Frankreich, wo die Stahlindustrie ebenfalls weitgehend verstaatlicht gewesen ist, entschied man sich für umfangreiche Altersmaßnahmen, die dann später für Jüngere bis 45 durch Anpassungsumschulungen ergänzt worden sind. In der Bundesrepublik Deutschland hat man sich stets bemüht, offene Massenentlassungen zu vermeiden und über gesetzliche Sonderregelungen für die Stahlindustrie deren Beschäftigungsprobleme zu lösen. Ein Vergleich mit beschäftigungspolitischen Strategien zur Krisenbewältigung in der Stahlindustrie (88/5) in vergleichbaren Ländern scheint unumgänglich, wenn man sich bei der Beurteilung der in Österreich begangenen Wege an seriösen Anhaltspunkten orientieren will.

Trotz der unmittelbar anstehenden Notwendigkeit, in der Frage der Stahlstiftung zu einer Entscheidung zu kommen, gibt es im Februar 1988 dazu keinerlei Äußerungen der Medien. Es gibt lediglich einen Bericht in "Die Presse" zu einem Zwist über die Arbeitsämter wegen deren Überlastung (88/7). Ursache dieses Zwistes ist die Anordnung des Ressortministers an diese Ämter, auch Problemfälle in ihre Vermittlungstätigkeiten einzubeziehen. Denn nach den damaligen Prognosen war damit zu rechnen, dass die Dauer der Arbeitslosigkeit generell und die Langzeitarbeitslosigkeit im besonderen stark ansteigen würden. Opfer dieser Langzeitarbeitslosigkeit würden, so die Vermutung, vor allem Jugendliche, Frauen und ausländische Arbeitskräfte sein. Diese Zumutung, sich vermehrt auch der schwer vermittelbaren Arbeitslosen anzunehmen, stieß teilweise auf Widerstand in den betroffenen Arbeitsämtern. Als deren Sprecher beklagte der Leiter des oberösterreichischen Arbeitsamtes den steigenden Arbeitsanfall und verlangte eine Umkehr in der Prioritätensetzung. Dies hätte bedeutet, jene Personen aus der Betreuung und Versorgung auszugliedern, deren Eingliederung in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis "nicht aktuell oder nicht wahrscheinlich ist", das heißt alle jene, deren Jobchancen aufgrund ihrer Ausbildung oder ihres sozialen Status als gering zu veranschlagen sind, sollten von den Dienstleistungen des Amtes ausgeschlossen bleiben. Oder anders formuliert: Personen mit geringer "employability", so der neutralisierende Fachausdruck, sollten nicht länger die Arbeitskapazität der Beamten in Anspruch nehmen dürfen, wenn die Chancen auf sichtbaren Nutzen gering sind. Gegen diese Sichtweise richtete sich ein Papier von untergeordneter Stelle im Sozialministerium mit dem Argument, die ablehnende Haltung einiger Arbeitsämter führe zu einem "Einstieg in die Zwei-Drittel-Gesellschaft". Dieses Argument impliziert, dass durch Aufgabenerweiterung der Beamten dieser Einstieg vermieden werden kann, oder auch, dass er zumindest nicht augenfällig sichtbar wird.

In "Die Wahrheit", Betriebszeitung der Voest-Alpine, fragt sich ein Betriebsrat, ob nun wohl eine Ära zu Ende geht? Es ist eine rein rhetorische Frage, denn, so stellt er fest, in Wirklichkeit gibt es die "gute alte Voest seit der Fusion nicht mehr". Wer dies noch vor wenigen Jahren so formuliert hätte, wäre damals zum Ketzer geworden. Doch nun hat "uns die Wirklichkeit überrollt" und neue Strukturen geschaffen. Das Wichtigste sei nun, ob Abschied von gestern ein schwer oder leicht verdaulicher Brocken sei, möglichst rasch die Neuerung zu bewältigen und so auch wirtschaftlich wieder Tritt fassen zu können. Dieser Kommentar eines Betriebsrates (88/9) ist wohl ein Appell an alle, das Vernünftige und Gute zu tun, transportiert aber einige Inkohärenzen. Die gute alte Voest ist tot, doch den alten "Voest-Geist", eben jene Unternehmenskultur, gelte es unbedingt zu retten, in der Voest-Alpine neu zu entfachen. Der Betriebsrat fühlt sich bei diesem Kampf um den neuen Geist vom Vorstand im Stich gelassen. In der neuen Situation sei es eine der wichtigsten Aufgaben des Betriebsrates, dafür zu sorgen, dass die Belegschaft am Standort Linz nicht der Eigendynamik der neuen Firma geopfert werde. Das heißt im Klartext: Die materielle Basis hat sich geändert, das Bewusstsein soll neue Urstände feiern; wie das zu realisieren ist, bleibt offen. Doch muss, so die Wunschvorstellung dieses Betriebsrates, eine neue Bewegung entstehen, von unten nach oben, die dann auch in Wien nicht mehr ignoriert werden kann. Man rechnet also damit, dass die wichtigen Entscheidungen auf höherer Ebene fallen, in Wien, und die herbei geredete Mobilisierung in Linz soll eine Voraussetzung sein, auf jene Entscheidungen noch einwirken zu können.

Ein weiterer Bericht in der selben Nummer der "Wahrheit" gibt Auskünfte darüber, "(Wie) eine Idee Wirklichkeit wird", über den Mitgliederstand der beiden Versuchsstiftungen in Eisenerz und Linz, was diese Leute in der Stiftung konkret tun, um sich gezielt auf eine neue Aufgabe vorzubereiten. Und am Schluss die Feststellung, "dass wir mit der Stahlstiftung eine Solidaritätsaktion gestartet haben, auf die wir stolz sein können und die sich im internationalen Maßstab zunehmender Beachtung erfreut". Also eine Darstellung in eigener Sache: Information über den gegebenen Entwicklungsstand und den Versuch, dafür zusätzliche Sympathien anzuwerben. Dennoch ist der Poker noch nicht gewonnen, der in Wien um die Subventionierung der Stahlstiftung(en) durch den Bund erst auszutragen ist. Der Rechtfertigung derartiger Ansprüche gilt wohl der Hinweis auf einen Leserbrief des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte im Voest-Alpine-Konzern, dass die Landwirtschaft der am höchsten subventionierte Sektor der österreichischen Wirtschaft sei. Denn jedes Jahr gingen dreißig Milliarden an Subvention ins österreichische Agrarsystem. Damit wird auf zwei völlig verschiedene Umgangsweisen mit kränkelnden Wirtschaftszweigen hingewiesen: Während die Verstaatlichte Industrie in der letzten Zeit zum Prügelknaben der öffentlichen Meinung geworden sei, fließen in andere Bereiche Subventionen, ohne dass zur Entlastung von Steuerzahlern und Konsumenten bisher etwas unternommen worden wäre. Derartige Hinweise auf reale oder vermutete Subventionsdisparitäten und unterschiedliche Behandlung der Empfänger dienen wohl der Absicht, den erhobenen Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen.

Damit erfährt der Wettlauf um die Verbesserung der jeweiligen Argumentationspositionen eine Beschleunigung, die Diskussion wird rauher. Einer knappen Mitteilung der "Presse" vom 2. 3. 1988 zufolge erachtet die Bundeswirtschaftskammer die Errichtung von Arbeitsstiftungen als "überflüssig". Für derartige Leistungen - ohne nähere Angaben, um welche es sich handelt - könnte die Arbeitsmarktförderung vorsorgen. Pläne, über 50-jährigen Gekündigten in Krisenregionen vier Jahre lang Arbeitslosengeld zu zahlen, kämen einer Vorverlegung der vorzeitigen Alterspension gleich (88/10). Also eine unmissverständliche Absage eines einflussreichen Verhandlungspartners an das diskutierte Stiftungsprojekt. Das Hauptargument: Die vorzeitige Alterspension darf nicht noch früher angetreten werden. Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis dieser Einwand zu den Plänen des Sozialministers steht, SUG I + SUG II zu beenden, und mit den damit eingesparten Geldern SUG III zu finanzieren.

Mitte März 1988 beginnt die heiße Phase der Entscheidungsfindung. Mit gleich vier Aussendungen sind die Verfechter der Stiftungslösung am 16. 3. 1988 in den Meldungen der Austria-Presse-Agentur vertreten, die Bundeswirtschaftskammer kontert einen Tag später, ebenfalls mit einer Presseaussendung (88/17). Die Ablehnung beruft sich auf folgende Argumente: Der Sozialminister hat es verabsäumt, die geplanten gesetzlichen Maßnahmen einer Begutachtung zuzuführen, damit die Dienstgeber vor vollendete Tatsachen gestellt und hat damit die demokratischen Gepflogenheiten verletzt. Die Kammer stößt sich an den beiden Zielen für zwei Gruppen von Gekündigten: Erstens die Verlängerungen des Bezuges von Arbeitslosengeld, weil der Gesetzesentwurf "bedauerlicherweise" keine Obergrenze für die Zuschussleistung vorsieht, die vom Träger der Ausbildungseinrichtung zu entrichten ist, und zweitens die Ausdehnung des Bezugs von Arbeitslosengeld von dreißig Wochen auf vier Jahre für über 50jährige Arbeitslose in Krisenregionen. Der zweite Einwand wird noch näher erläutert: Wenn ein Arbeitsloser nicht das Glück hat, in einer Krisenregion zu wohnen, so wird er schlechter behandelt, was zur Schaffung von zwei Klassen von Arbeitslosen führe, und weiters, es sei völlig ungeklärt, was Männer zwischen fünfundvierzig und sechzig tun würden, wenn der Versuch des Wiedereintritts ins Arbeitsleben misslinge.

Die intensive Aktivität der Stiftungspromotoren hängt damit zusammen, dass am selben Tag (16. 3.) in der Arbeiterkammer Wien (88/11) die sogenannte "Erweiterte Stahlstiftung" präsentiert worden ist. Diese erweiterte Stiftung sollte in erster Linie die Folgen der Kündigungswellen in der defizitären Verstaatlichten Industrie mildern. Das für gekündigte Voest- und VEW-Mitarbeiter vorgesehene Schulungsprogramm sollte "in weiterer Folge" nicht auf die verstaatlichte Eisen- und Stahlindustrie beschränkt sein. Der Sozialminister weist mit Stolz auf die Tatsache hin, dass mit der Frühpensionierungsaktion 11 000 Kündigungen mit einem Aufwand von acht Milliarden Schilling vermieden werden konnten. Nun gehe es darum, für die voraussichtlich 7 000 bis 8 000 Mitarbeiter, die zwischen 1988 und 1990 noch von Kündigung betroffen sein würden, hier Vorsorge zu treffen. Von der Regionslösung würden nach Schätzungen des Ministers rund tausend Arbeitnehmer begünstigt sein, die geschätzten Stiftungskosten belaufen sich nach Angaben des Ministers für 1988 auf 77 bis 88 Millionen, für die Folgejahre auf 128 bis 143 Millionen. Das Ziel der Stiftungsbefürworter ist darauf gerichtet, die Pläne über eine Regierungsvorlage möglichst rasch auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Um dies zu erreichen, wird offensichtlich ein harter Kern mit weichen Rändern und offenen Grenzen präsentiert. Der harte Kern: In erster Linie geht es um die beiden Gruppen der unter und der über 50-Jährigen in der Verstaatlichten Industrie, das heißt eine allfällige Extension des Modells, das nun als "Erweiterte Stahlstiftung" firmiert, ist in weiterer Folge durchaus vorgesehen. Ausführungen dazu, was neben dem Hauptanliegen, um das es in erster Linie geht, noch vorgesehen ist, fehlen, ebenso zeitliche Angaben, was mit "in weiterer Folge", also später, gemeint ist.

Diese Presseaussendungen, deren Ziel es ist, Informationen zu verbreiten und die öffentliche Meinung zu beeinflussen, verfehlen ihre Wirkung nicht. Am Folgetag der Aussendungen der Stiftungsbetreiber titeln die Salzburger Nachrichten "Stahlstiftung ist nun fix" und in einem zweiten Artikel derselben Ausgabe "Stahlstiftung auch für andere Branchen" (88/21), in der "Wiener Zeitung" heißt es, "Stahlstiftung nun fix" (88/22). Die Presse bringt, das "Modell für Arbeitsstiftung steht" (88/23), selbst für das "Neue Volksblatt" ist die "Voest-Stahlstiftung nun fix" (88/24), und der SP-Landeschef Oberösterreichs begrüßt im "Oberösterreichischen Tagblatt" die Stahlstiftung als ersten positiven Schritt und verlangt, "als Hauptstandort muss Linz absoluten Vorrang haben!" (88/25). Für den SP-Landesvorsitzenden steht lediglich fest, "dass die Stahlstiftung nun endlich konkrete Formen annimmt", keineswegs aber, dass die Stahlstiftung nun fix ist, wie mehrere Blätter einhellig behaupten. An der Enquete der Arbeiterkammer Wien vom Vortag ist auch nicht im geringsten die Rede von abgeschlossenen Verhandlungen gewesen, die auf eine nun fixierte Entscheidung hingedeutet hätten.

Es ist daher keineswegs verwunderlich, dass sich der politische Gesprächspartner der Stiftungsbefürworter von derart euphorischen und in der Sache unrichtigen Schlagzeilen überrascht fühlen muss und ebenfalls mit einer Presseaussendung reagiert, die auf eine Ablehnung des ganzen Vorhabens hinausläuft. Das Presseecho auf die Aussendung der Wirtschaftskammer ist weit geringer. Lediglich eine kurze Notiz in "Die Presse" über die Kritik der Bundeskammer, es würden zwei Klassen von Arbeitslosen geschaffen (88/27), und eine knappe Meldung in den "Salzburger Nachrichten" über "Vollendete Tatsachen", in der die ablehnenden Argumente der Kammer kurz, aber sehr korrekt wiedergegeben werden. Jene Zeitungen, die am vorigen Tag von der nun fixierten Stahlstiftung berichtet hatten, unterlassen es, ihre Leser über die Ablehnung durch die Bundeswirtschaftskammer zu informieren.

An Stelle einer derartigen Information über einen sicher nicht belanglosen Positionsbezug in den oberösterreichischen Zeitungen replizieren zwei SP-Abgeordnete in der sozialistischen Korrespondenz und verschärfen dabei sichtlich die Tonlage. Sie verurteilen die Aussage der Bundeskammer über das Glück von Arbeitslosen, in einer Krisenregion zu wohnen, als "wirklich durch nichts mehr zu überbietende" polemische Formulierung (88/28). Weiters wird der Bundeskammer ein gewollt unzureichender Informationsstand vorgeworfen. Zur Beseitigung dieses Mangels werden zwei Präzisierungen mitgeliefert: Erstens, dass es sich nicht um eine Stahlstiftung, sondern um eine Arbeitsstiftung handle, die nicht auf eine bestimmte Gruppe, sondern für alle gelten werde. Und zweitens, dass nach den Intentionen des Sozialministers diese Arbeitsstiftung nicht nur auf die Verstaatlichte abgestimmt sei, sondern generell auf Regionen mit besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Damit sind die Akzente im Vergleich zur Enquete der Arbeiterkammer Wien deutlich anders gesetzt: Dort ist die Rede gewesen von der "Stahlstiftung neu", nicht von einer Arbeitsstiftung. Die Grenzen der Reichweite des Modells wurden mit unverbindlichen Formulierungen offen gelassen, obwohl die Intentionen einer engeren Interpretation klar geworden sind. Die beiden SP-Abgeordneten geben sich verärgert und tadeln den Gesprächspartner, machen aber gleichzeitig substantielle Zugeständnisse, indem sie eine mögliche weitere Interpretation, also eine Generalisierung des Adressatenkreises, als selbstverständlich hinstellen. Also ein Kompromissvorschlag, dem die Zustimmung vorzuenthalten aller Voraussicht nach schwer sein sollte.

Einen Tag später tritt der Voest-Betriebsrat mit einer APA-Presseaussendung an die Öffentlichkeit, in der "das Verhalten der ÖVP als einer staatstragenden Partei unwürdig" bezeichnet wird. Es handelt sich dabei laut Aussage um eine heftige Kritik der Oberösterreichischen Arbeiterkammer und der Voest-Betriebsräte an der ÖVP im Zusammenhang mit der Stahlstiftung. In der Begründung wird wieder die weitere Interpretation als die selbstverständliche unterstellt - nicht nur für die Verstaatlichte - und der ÖVP vorgeworfen, vergessen zu haben, "dass die Beschäftigten der Voest bereits finanzielle Opfer gebracht haben, um diese Einrichtung zu finanzieren" (88/29). Die Aussendung stellt abschließend fest, dass "alles in allem die ÖVP zeigt, dass sie nicht davor zurückschreckt, ihr Süppchen auf Kosten der ohnehin stark Betroffenen zu kochen". Innerhalb weniger Tage ist damit klar geworden: Die Stahlstiftung wird nicht mehr auf der Ebene eines Ersatzes für unfinanzierbare Sozialpläne diskutiert, sondern ist Gegenstand von Kontroversen zwischen den beiden Großparteien auf höchster Ebene.

Daher zu Recht in der "Presse" des folgenden Tages ein kurzer Bericht zum neuen Stand der Dinge mit der Überschrift: "Koalitionspartner streiten um die Stahlstiftung". Der Generalsekretär des Wirtschaftsbundes (Schüssel) habe gestern erklärt: "Wenn die Besteuerung nicht kommt, ist auch die Stahlstiftung aufs Eis gelegt" (88/30). Der Wunsch der ÖVP geht dahin, in Zukunft Frühpensionen der Stahlarbeiter nach SUG zu besteuern. Im Hintergrund der Kontroverse lauert ein zusätzliches Problem, nämlich der Wunsch, ein Steuerreformkonzept der Regierung rechtzeitig verabschieden zu können. Daher meldet sich auch der Finanzminister zu Wort und bezeichnet die Junktimierung der beiden Fragen als "schlechten politischen Stil", während der oberösterreichische-SP-Vizelandeshauptmann das Agieren der ÖVP als "politische Taktik" einordnet.

Dem folgt dann wieder ein Dementi, diesmal von einem Nationalratsabgeordneten der ÖVP (Burgstaller), mit der Behauptung, ein "Junktim (von Stahlstiftung und Sonderpension) ist Erfindung von SPÖ" (88/25). Die Äußerungen Lacinas und des steirischen Arbeiterkammerpräsidenten seien abzulehnende "Angriffe". Der breite Kern der Regelung, auf zwei beziehungsweise auf drei Jahre verlängerte Umschulungszeiten für Gekündigte und vierjährige Sonderpensionen für über 50-Jährige gekündigte Dienstnehmer aus Krisenregionen, diese beiden "Trostpflaster" stünden außer Streit. Meinungsverschiedenheiten bestünden allerdings hinsichtlich der Mittelaufbringung. Abschließend werden nochmals die Vorwürfe von Lacina und Rechberger erwähnt: Ersterer habe der ÖVP eine "nicht sehr durchdachte" Junktimierung zwischen Besteuerung von Arbeitslosengeldern und der gesamten Steuerreform vorgeworfen, letzterer hingegen von ernsthafter Gefährdung der Stahlstiftung und "Sozialdemontage auf dem Rücken arbeitsloser Menschen" gesprochen.

Am selben Tag, am 25. 3. 1988, gibt es gleich noch drei weitere Presseaussendungen. Der Arbeiterkammerpräsident der Steiermark wehrt sich gegen die Gefährdung der Stahlstiftung durch VP-Erpressung und gegen alle ideologisch motivierten Konzepte der Sozialdemontage (88/36); ein SP-Abgeordneter, gleichzeitig auch Obmann des Angestelltenbetriebsrates der Steyr-Daimler-Puch AG, äußert sich zu den beiden Themen Waffenexporte und Stahlstiftung (88/37). Hinsichtlich der Stahlstiftung weist er den Vorwurf entschieden zurück, es handle sich dabei um eine Bevorzugung der Verstaatlichten Industrie. Durch Regionalförderungsprogramme und Sonderverbesserungen zwischen Bund und Ländern seien nahezu ausschließlich kleine und mittlere Betriebe gefördert worden, wodurch Gleichklang und Ausgewogenheit in der Förderung gegeben sei. Darüber hinaus verweist er auf allgemeine Schwachstellen der österreichischen Wirtschaft: Ansteigen der Schwarzarbeit, billige Arbeitskräfte ohne soziale Absicherung und Steuerleistung, die Vergrößerung der Zahl der Leiharbeiter, vielfach als Lohndrücker-instrumentarium eingesetzt und der Mangel an Facharbeitern, bedingt durch das Fehlen lukrativer Arbeitsplätze, womit er humane Arbeitsbedingungen bei entsprechender Entlohnung meint. Und noch einen letzten Kritikpunkt bringt der Nationalrat der SP zur Sprache: Obwohl die Leiter der Betriebe, die Vorstände und Eigentümer, es selbst am besten wissen müssten, was dem Unternehmen gut tue, würden von vielen Betrieben über Jahre hinweg Beratungsunternehmen in die Betriebe geholt, was mit Milliardenbeträgen an Ausgaben verbunden sei.

Je länger die Diskussionen um die Stahlstiftung andauern, um so mehr Leute schalten sich ein und verschärfen schrittweise die Töne der Auseinandersetzung. Unklare Formulierungen und Missverständnisse, Behauptungen und Dementis, Vorwürfe und Unterstellungen in rasch wechselnder Folge erwecken den Eindruck, dass in der Frage der Stahlstiftung keine Entscheidung fallen kann, ohne gleich den ganzen labilen Konsens in wirtschaftspolitischen Angelegenheiten mit in Frage stellen zu müssen. Die Initiative zugunsten der Sanierungsopfer in Krisenregionen scheint am Subventionspoker zu scheitern. Die ÖVP wehrt sich auch mit Händen und Füßen dagegen, sich auf ein Projekt einzulassen, dessen Nutznießer vor allem die Klientel des Koalitionspartners sein würde. Noch zeichnet sich lange keine Lösung zwischen den Partnern ab, bei denen nicht klar auszumachen ist, ob sie nicht eher Gegner als Partner sind, die mehr voneinander trennt als miteinander verbindet.

Der Streit ist also noch lange nicht ausgestanden. In den "Kammernachrichten" (der Bundeswirtschaftskammer) am 25. 3. 1988 werden neuerdings bereits bekannte Argumente an die Öffentlichkeit getragen. Als Überschrift die Suggestivfrage: "Gehören 50-Jährige schon zum alten Eisen" (88/38)? Nein, natürlich nicht. Die Argumentation gilt nicht der Leistungsfähigkeit der über 50-Jährigen, sondern dem Bedauern darüber, dass der Sozialminister die Dienstgeber vor vollendete Tatsachen gestellt habe. Damit habe er die demokratischen Gepflogenheiten missachtet, nach denen die Arbeitgeber bei Maßnahmen, die sie unmittelbar betreffen, in den Entscheidungsprozess einzubinden seien. Mit diesem krummen Argument erhebt die Bundeskammer den Anspruch, mitzuentscheiden, was im krisengeschüttelten Eisen- und Stahlbereich für die Kündigungsopfer zu tun und zu lassen ist. Immerhin agieren die SP-Betriebsräte der Voest, die als Promotoren der Stahlstiftung in Erscheinung treten, in Abstimmung und im Auftrag ihrer Arbeit- und Dienstgeber, dem für das Unternehmen verantwortlichen Vorstand. Was bedeutet der Vorwurf des Ausschlusses der Arbeitgeberseite? Gibt es nicht nur, so die artikulierte Befürchtung der ÖVP, zwei Klassen von Arbeitslosen, sondern auch zwei Klassen von Arbeitgebern, jene in der privaten und jene in der Verstaatlichten Industrie? Derartige Fragen, wenn sie auch unbeantwortet bleiben müssen, drängen sich jedenfalls auf, wenn die privaten Arbeitgeber in ihrer Gesamtheit beleidigt reagieren, weil sie sich anscheinend von einem Entscheidungsprozess ausgeschlossen fühlen.

In der Sicht des steirischen Arbeiterkammerpräsidenten sind laut Bericht der "Neuen Zeit" vom folgenden Tage die jüngsten Vorstöße der ÖVP, welche die gesetzliche Verankerung der Arbeits- oder Stahlstiftung ernsthaft gefährden, eine "glatte politische Erpressung". Der Arbeiterkammerpräsident erhebt den Verdacht, dass die ÖVP mit diesem durchsichtigen Manöver - es handelt sich um die Besteuerung der Arbeitslosen - lediglich ihre nachträglichen Wünsche an eine bereits ausverhandelte Steuerreform finanziert sehen wolle. Lacina hat diese ÖVP-Forderung auf den Begriff der "Junktimierung" gebracht, die ÖVP weist diese Bezeichnung durch den VP-Verstaatlichten Sprecher (Burgstaller) als unangebracht und als eine SP-Erfindung zurück. Der Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat von Donawitz interveniert per Telegramm beim Vizekanzler (Mock) und VP-Klubobmann (König). Die Belegschaftsvertreter ersuchen dabei, die Entscheidung der ÖVP wieder rückgängig zu machen und das Übereinkommen des Sozialministers mit dem ÖVP-Sozialsprecher zur Kenntnis zu nehmen (88/40).

Die dringend gewordene Entscheidung um die gesetzliche Verankerung der Stahlstiftung fällt also in eine Zeit der "Koalitionsstreitigkeiten ohne Ende", wie es im Kurier vom 26. 3. 1988 heißt (88/41). Gestritten wird bereits seit Wochen um das Weinwirtschaftsgesetz, um Straßenbaupläne und Waffenexporte, um Justizfragen, sowie um Ehe und Familie. Steuerreform und Stahlstiftung sind lediglich zwei zusätzliche Themen, die den Katalog der umstrittenen Themen erweitern. Die ÖVP will ein völlig neues Einkommens- und Körperschaftssteuergesetz, keine Novelle, lehnt auch eine Reduktion beim Vorsteuerabzug für pauschalisierte Landwirte ab. Statt dessen plädiert der VP-Klubobmann (König) für eine Besteuerung des Arbeitslosengeldes und droht im Gegenzug mit einem Veto gegen die Stahlstiftung. Ungeachtet massiver Proteste von Seiten der SP verlangt der ÖVP-Staatssekretär (Stummvoll) eine Besteuerung der Sonderunterstützungsgelder, mit denen die Stahlstiftung teilweise finanziert werden sollte. Begründung: Diese Gelder sind im Schnitt höher als die Pensionen, die aber versteuert würden. Verglichen werden hier Endsummen, unterschlagen werden jedoch die Unterschiede bei den Adressaten. Zwischen Pensionisten, aus Altersgründen in den Ruhestand gewechselten und den "freigesetzten" Mitarbeitern, den Opfern der wirtschaftlichen Sanierung von Unternehmen, deren Produkte krisenanfällig sind, gibt es keinerlei Unterschiede. Die ÖVP agiert anscheinend aus einer Position der Stärke. Die SP braucht umgehend eine Zustimmung zur Stahlstiftung. Wer gezwungen ist, einen Handel rasch abzuschließen, dem werden die Bedingungen diktiert. Wer keine Zeit hat zu warten, muss sich mit schlechteren Konditionen abfinden.

In dieser Situation kann das "Oberösterreichische Tagblatt" nur von der großen Bestürzung des Linzer Bürgermeisters über die Pläne der ÖVP zur Besteuerung der Sozialleistungen berichten (88/42). Er kann nur jammern, dass damit ein Projekt (hier als Arbeitsstiftung bezeichnet) gefährdet ist, das viele Menschen im oberösterreichischen Zentralraum betrifft, die eine Unterstützung bitter notwendig hätten. Doch so schlimm ist alles ja gar nicht. Denn später zitiert die "Obersteirische Zeitung" einen beruhigenden VP-Verstaatlichtensprecher (Burgstaller): "Arbeitsstiftung und Regelung für ältere Dienstnehmer und Regelung über 50-Jahre kommt" (88/43). Die Verhandlungen mit dem Sozialminister seien positiv abgeschlossen, entgegengesetzte Gerüchte über eine Nichteinigung seien eine Falschmeldung, "ganz bewusst in dieser Form dargestellt". Die Gegendarstellung des VP-Mandatars geht noch erheblich weiter: Die sogenannte Transfersteuer, die eine Besteuerung des Arbeitslosengeldes, des Karenzgeldes und der Sonderunterstützung mit sich gebracht hätte, sei von den Sozialisten, das heißt von Lacina erfunden und von der ÖVP abgelehnt worden. Dann kommen die Inhalte der neuen Vereinbarung zwischen Sozialminister und ÖVP zur Sprache: Erstens, die Regelung für die über 50-Jährigen bleibt nicht nur auf die Verstaatlichte beschränkt, sondern gilt auch für jene Arbeitnehmer, die in einer Region beschäftigt gewesen sind, die über das normale Maß hinaus wirtschaftliche Probleme hat und auch eine überdurchschnittliche Rate der Arbeitslosigkeit aufweist. Zweitens, die Regelung für Stiftungsmitglieder (zwei Jahre, eventuell drei) gilt ebenfalls nicht nur für die Verstaatlichte, sondern steht auch privaten Unternehmungen zur Verfügung. Die Feststellung, welche Region als "Krisenregion" gelten solle, erfolge im Einvernehmen mit dem Landeshauptmann und stelle die grundsätzliche Basis für die Regelung des Arbeitsgeldbezuges dar.

Das "Wann und Wo" dieser Vereinbarung ist nicht bekannt. Sicher ist, dass damit die SP weitreichende Zugeständnisse gemacht haben musste. Denn die ursprünglichen Ziele waren darauf ausgerichtet, für die Verstaatlichte in Krisenregionen eine Sonderregelung zu finden, wobei die Erklärung einer Region zu einer Krisenregion per Verordnung des Sozialministers erfolgen sollte. Dies geschieht jetzt einvernehmlich mit dem Landeshauptleuten, die bekanntlich großteils zur ÖVP gehören. Dann wird bei der Regelung für die über 50-Jährigen der Begriff der Region als eines eigenständigen Bezugspunktes des Handelns aufgegeben. Es geht nicht mehr um die Stärkung von regional eigenständigen Lebens- und Wirtschaftseinheiten, sondern um Vorsorge für jene, die in einer Region mit überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten beschäftigt gewesen sind. Am Ende gilt die für die Verstaatlichte ausgedachte Hilfskonstruktion nun auch für alle privaten Unternehmungen. Damit fallen tragende Säulen des Sanierungskonzeptes für die Verstaatlichte, auf deren Misere hinzuweisen der Koalitionspartner beziehungsweise -gegner nie eine Gelegenheit hat vorbeigehen lassen.

Am nächsten Tag, dem 30. 3. 1988, informiert "Die Presse" (88/44), dass "nun keine Besteuerung der Arbeitslosen geplant ist". An diesem Bericht ist nicht die Botschaft selbst das Wichtige, weil es einfach eine von vielen widersprüchlichen Aussagen zu einem kontroversen politischen Thema ist. Doch klar ist hier der enge Zusammenhang von Entscheidungen über die Stahlstiftung und allgemeine Steuerreform. Die Besteuerung von Arbeitslosengeld und Frühpensionen von Stahlarbeitern wird, so heißt es hier, weder im Ministerialentwurf noch in der politischen Vereinbarung enthalten sein. Es gibt also ein doppeltes Entscheidungsverfahren, erstens ein Ministerialentwurf, wohl auch Regierungsvorlage genannt, und zweitens eine politische Vereinbarung, wobei letztere wohl Voraussetzung des Erstgenannten sein muss. Diese Grundsatzvereinbarung der Koalitionspartner werde heute, Donnerstag, von der politischen Expertengruppe noch einmal unter die Lupe genommen und sollte voraussichtlich am kommenden Dienstag von SP-Kanzler und VP-Vizekanzler unterzeichnet werden. Offen ist noch, so heißt es explizit, die Besteuerung von Arbeitslosengeld und Frühpensionen nach SUG. Der Sozialminister bekämpft sie, nach Aussage des Finanz-Staatssekretärs (Stummvoll) wird sie allerdings "im Zusammenhang mit der Arbeitsstiftung von der ÖVP zur Diskussion gestellt". ‚Zur-Diskussion-stellen' ist in diesem Fall der vornehmere Ausdruck dafür, dass die ÖVP für etwas kämpft, was der Sozialminister be-kämpft. Trotzdem, so der Staatssekretär der ÖVP, ein Junktim habe nie bestanden. Das seien Spiele mit Worten zur Verhüllung von Tatsachen, die in der Besteuerung von 15 000 SUG-Beziehern bestünden. Dabei würden von den jährlich ausbezahlten 2,5 Milliarden 400 bis 500 Millionen Schilling wieder zum Fiskus zurückgeführt, eine Summe, die sich durch eine Besteuerung der Arbeitslosengeldbezüge noch knapp verdoppeln würde. Streitgegenstand ist nach damaligen Berechnungen eine knappe Milliarde, mit der die SP etwas für die Verstaatlichte tun will, die ÖVP aber nicht ohne Gegengeschäft zuzustimmen bereit ist.

Einen Ausweg aus dieser Situation ermöglicht ein doppeltes Entscheidungsverfahren: Die Festlegungen des Ministerialentwurfes und jene des "politischen" Papiers sind nicht deckungsgleich. Beispielsweise ist der reduzierte Vorsteuerabzug für pauschalierte Bauern nur im politischen Papier enthalten, wogegen der steirische Landwirtschaftskammerpräsident sofort entschieden protestiert, und der Ministerialentwurf enthalte laut Stummvoll "eine Reihe von nicht akkordierten Punkten", denn man wolle das Begutachtungsverfahren nicht vorwegnehmen. Wenn es in diesem Pressebericht weiter heißt, dass die SPÖ im Parlament einen Initiativantrag für die Gründung von Arbeitsstiftungen für gekündigte Stahlarbeiter eingebracht hat, so ist auch das parlamentarische Prozedere verworren und unklar: Ein bereits eingebrachter Initiativantrag der SP, der sich nach wie vor nur auf den eingeschränkten Kreis der Stahlarbeiter bezieht, noch laufende Verhandlungen über offene Punkte einer Regierungsvorlage und die Hoffnungen der ÖVP auf ein Begutachtungsverfahren, in dem Strittiges noch geklärt werden soll. Die SP setzt anscheinend auf Beschleunigung des Entscheidungsverfahrens, die VP hingegen auf dessen Verlangsamung.

Am selben Tag (30. 3.) bestreitet auch das "Neue Volksblatt" den Zusammenhang von Arbeitsstiftung und Steuerreform. Die Notwendigkeit einer Verbindung habe nie bestanden. Allerdings müssten einige Details (also wieder die Aussageform eines Ja, aber) noch geklärt werden. Das heißt, jedes Junktim wird bestritten, doch die Negation gleich wieder relativiert. Dieses VP-nahe Blatt lässt verständlicherweise den VP-Finanzstaatssekretär ausführlicher zu Wort kommen. Er plädiert für eine Verschiebung der Diskussion um die Arbeitsstiftung auf die Zeit nach Ostern und deren Abkoppelung von der Steuerreform. Dennoch will er die Besteuerung von Arbeitslosengeld und Sonderunterstützung zur Finanzierung der Arbeitsstiftung diskutiert wissen. Denn er sieht nicht ein, "wenn beispielsweise ein Pensionist mit einer monatlichen Rente von 8 000,- Schilling Steuern zahlen müsse, dies bei einer Sonderunterstützung von 14 000,- Schilling jedoch nicht der Fall wäre" (Stummvoll, 88/45). Verglichen werden hier zwei Zahlen, nicht die Situation von Pensionisten im Allgemeinen und Kündigungsopfern der Verstaatlichten im Besonderen. Diese sind als solche nicht erwähnt, ebenfalls bleibt unklar, woher die beiden verglichenen Zahlen von 8 000,- und 14 000,- kommen. Über das Anliegen der Betreiber der Stahlstiftung, jenen Gekündigten, die in die Stiftung eintreten, für die Zeit ihrer Zugehörigkeit zu dieser eine finanzielle Entschädigung in der Höhe von plus/minus 80 Prozent (87/27) des letzten Nettoeinkommens bereitstellen zu können, ist unter den von Stummvoll vorgegebenen Bedingungen nicht mehr zu reden.

Am folgenden Tag berichtet die "Wiener Zeitung" inhaltlich dasselbe über die Vorstellungen Stummvolls zum Thema Steuerreform und Arbeitsstiftung: Es gebe kein Junktim (88/46). Über das bereits Bekannte hinausgehend jedoch zwei Zusatzinformationen, einmal über die konkreten noch offenen Details der Steuerreform, dann aber über eine Pressekonferenz des Generalsekretärs der Freiheitlichen (Gugerbauer). Dieser fordert ausgabenseitige Einschränkungen für das Budget und Kürzungen bei den öffentlichen Subventionen, die im Budget 1986/87 in der Form direkter Förderungen bereits sechs Prozent betragen hätten. Dieses Subventionsunwesen stehe im Widerspruch zum Artikel 92 der EG-Konvention, wo derartige wettbewerbsverzerrende Stützungen verboten seien. Er appelliert daher an den Finanzminister, besonders im Bereich der Verstaatlichten Industrie und bei den Österreichischen Bundesbahnen massive Einsparungen vorzunehmen. Hinsichtlich der noch offenen Details der Steuerreform informiert die "Wiener Zeitung", dass es sich dabei nur noch um die Versicherungssteuer, um die Genussscheine für Althaussanierung sowie vor allem um den Vorsteuerabzug für pauschalierte Landwirte gehe. Die ÖVP schlage vor, die Stahlstiftung (hier nicht als Arbeitsstiftung bezeichnet, was mehr einer VP-Sprachregelung zu entsprechen scheint) erst nach der Steuerreform auszuverhandeln, die SPÖ hingegen tendiere eher zu einer gemeinsamen Erledigung. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, warum die VP jetzt für die Vertagung der Stiftungsfrage eintritt, wo doch sie es gewesen ist, die zuerst auf deren Verbindung mit der Steuerreform bestanden hat. Die SP befürchtet wohl, bei einer Verschiebung der ihr wichtigen Stiftungsfrage noch schlechter auszusteigen und rückt nun ihrerseits nicht mehr vom Wunsch nach einer Paketlösung der noch offenen Fragen ab.

Kurz darauf, am 2. 4., die "Obersteirische Zeitung", dass der Arbeiterkammerpräsident um die Stahlstiftung kämpft, denn er sieht die neue Einrichtung durch die VP gefährdet (88/47). Hinsichtlich der neuen Verzögerungstaktik der ÖVP äußert er den Verdacht, "durch dieses durchsichtige Manöver sollten die nachträglichen VP-Wünsche an die bereits ausverhandelte Steuerreform finanziert werden, da eine etwaige Besteuerung der Arbeitslosenunterstützung durch die Abgabemechanik direkt dem Budget zufallen würde".

In dieser heißen Phase der entscheidenden Verhandlungen haben die oberösterreichischen Tageszeitungen entweder selbst wenig Informationen oder wollen diese nicht an ihre Leser weitergeben. Die auflagenstärkste Regionalzeitung, die "Oberösterreichischen Nachrichten", berichten am 17. 3. davon, dass die Voest-Stahlstiftung Schulungen für dreitausend Gekündigte fixiert, am 2. 4. kommt im "Leserforum" die Zuschrift einer Unternehmensfrau unter dem Titel "Wo sind die Arbeitslosen"?, am 18. 4. kommt die Mitteilung, "Haider ortet bei der Stahlstiftung einen Verfassungsbruch ortet", am 21. 4., dass es einen "heftigen Streit mit der FP um die Arbeitsstiftung gibt" und schließlich noch am 22. 4., "jetzt beginnt der Streit, was eine Krisenregion ist". Die erwähnte Leserzuschrift vom 2. 4. transportiert die Klage eines Unternehmens, seit zwei Jahren vergeblich einen Schlossermeister, laufend Schlosser und Hilfskräfte zu suchen. Vom Arbeitsamt werde gesagt, dass niemand diese Stellen in einer Gemeinde, nur vierzehn Kilometer von Linz entfernt, haben wolle. Dann wörtlich: "Die Voest baut Personal ab, und für teures Geld wird eine Stiftung finanziert, wo Arbeiter zwei Jahre lang umgeschult werden. Wenn unser Personal weiterbildende Kurse macht, gibt es keine Kurse vom Staat und die Kurse müssen in der Freizeit gemacht werden, weil es durch hohe Steuern und Soziallast für kleinere Betriebe nicht möglich ist, Kurszeit und Kurskosten zu bezahlen". Und weiter: "Verwöhnt durch das hohe Lohnniveau in den Staatsbetrieben macht der Unterschied zwischen Arbeitslosengeld und Lohn für Arbeit nicht viel aus, so dass sich mancher für das Bequemere entscheidet". Es lässt sich nur schwer überprüfen, inwiefern, wie hier behauptet, Schlosser und Hilfskräfte in kleinen Metallverarbeitungsbetrieben wirklich nur wenig mehr als das Arbeitslosengeld beziehen. Ebensowenig lässt sich überprüfen, ob das Arbeitsamt wirklich niemanden vermitteln konnte und warum die Qualität der angeblich angebotenen Arbeitsmöglichkeiten für unzulänglich erachtet worden ist. Doch die in den "Oberösterreichischen Nachrichten" transportierte Botschaft der Unternehmensfrau ist klar: Das Geld für eine Stahlstiftung, in der es kostenlose Weiterbildung gibt, ist ein unvertretbarer Luxus. Herunter mit den hohen Lohnniveau in den Staatsbetrieben, ersatzlos, ohne Stiftung, die lediglich für einige Zeit bequeme Möglichkeiten für weiterbildende Kurse schafft.

Der durch die Stiftung geplanten Weiterbildung wendet auch der "Pressedienst der Industrie" seine Aufmerksamkeit zu (88/51). Unter dem Titel "Schulung, jedoch wofür?" wird der Arbeitsstiftung der Mangel eines klaren Konzeptes vorgeworfen und mehr Kooperation mit den Unternehmen als wünschenswert dargestellt. Als Konzession wird der gute Wille gelobt, von dem die Idee der Arbeitsstiftung getragen sei, aber, wie schade, ein klares Konzept, das für die Betroffenen noch wichtiger sei als die in Aussicht gestellten Zahlungen, das fehle eben. Dies deswegen, weil es nur unklare Vorstellungen über die Richtung gebe, in welche die Umschulung von ehemaligen "Verstaatlichten-Mitarbeitern" gehen soll. Im Anschluss daran erinnert die Industriellenvereinigung an ihre seit mehr als zehn Jahren erhobene Forderung, im Rahmen der Arbeitsmarktverwaltung konkrete Daten über den Bedarf an bestimmten Qualifikationen in einzelnen Regionen, die Gründe für das Scheitern vieler von den Arbeitsämtern vermittelten Einstellungsgespräche und die aussichtsreichsten Umschulungsmaßnahmen zu erheben. Ohne solche Informationen werde viel Geld in nutzlose Umschulungen gesteckt. Die gleiche Gefahr bestehe nun bei der Stahlstiftung. Die Industriellenvereinigung empfiehlt weiter, vor allem den älteren Arbeitslosen ein klares Bild über ihre zukünftigen Aussichten auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln, Maßnahmen zur Erhöhung der regionalen Mobilität zu setzen, die gleich wichtig seien wie gezielte Programme, die in Zusammenarbeit mit den Institutionen der Erwachsenenbildung durchzuführen seien. Als Forderung: Um keine Mittel zu vergeuden, sollten unverzüglich Qualifikationspläne für die zu Schulenden erstellt werden. Dem müsste allerdings eine Erhebung des Bedarfs potentieller Arbeitgeber vorausgehen.

An diesem Tage gibt es auch zwei APA-Meldungen, eine sanftere und eine erregtere. Die sanftere vom 11. 4. kommt vom SP-Klubobmann (Fischer), der im Zusammenhang mit der sogenannten Stahlstiftung an die ÖVP einen "kollegialen, koalitionären Appell" richtete. Denn die Stahlstiftung vertrage keinen weiteren Verzug, müsse rasch verabschiedet werden (88/48). Die erregtere, zwei Tage später, von einem freiheitlichen Abgeordneten (Frischenschlager). Seine Erregung kommt daher, weil der Sozialminister einen Antrag zur Arbeitsstiftung in einer Nacht- und Nebelaktion ohne faktische parlamentarische Behandlung im Hohen Hause durchziehen wolle. Der Beschluss zu dieser grundsätzlich neuen Arbeitslosenversicherungspraxis werde im Hohen Haus zwischen dem 20. und 21. April über die Bühne gehen, was für die freiheitliche Partei unverträglich sei, weshalb sie unter keinen Umständen zustimmen werde. Der freiheitliche Abgeordnete sucht seine Position zu untermauern durch den Hinweis auf die Presseaussendung der Bundeswirtschaftskammer vom vorigen Monat. Diese habe sich ebenfalls übergangen gefühlt und festgestellt, dass damit für die Zukunft zwei Klassen von Arbeitslosen geschaffen würden. Die freiheitliche Parlamentsfraktion ist "sich voll ihrer politischen Verantwortung für die sozialpolitische Notwendigkeit der Krisenregionen bewusst, aber ... sie wird keinesfalls einem solchen Husch-Pfusch-Verfahren zustimmen". Denn es beweise lediglich neuerdings die Missachtung des Parlaments durch die große Koalition und verhindere eine sachliche politische Willensbildung. Der Abgeordnete schließt mit einem Aufruf an die anderen Parlamentsfraktionen, zusammen mit der FPÖ dafür zu sorgen, dass es in dieser "ungemein wichtigen Materie" zu einer sachgerechten politischen Entscheidungsfindung komme (88/52). Die Wortmeldung Frischenschlagers schlägt sich lediglich in einen überaus knappen Verweis darauf in der "Wiener Zeitung" nieder und wird von den anderen Zeitungen übergangen.

Nachdem nun allgemein bekannt ist, dass in Kürze, am 20. oder 21. 4., in der Angelegenheit Stahl- beziehungsweise Arbeitsstiftung eine Entscheidung fallen soll, ist es nicht verwunderlich, wenn sich via Presse-Aussendungen alle jene noch einmal zu Wort melden, deren Interesse an einen bestimmten Ausgang besonders ausgeprägt ist. So gibt es am 17. 4. zwei Presseaussendungen vom Chef der Freiheitlichen, am folgenden Tag eine von einem Abgeordneten der niederösterreichischen VP. Am 20. 4. repliziert der Vorsitzende des Sozialausschusses des Nationalrates auf die massiven Angriffe von seiten der Freiheitlichen, am 21. 4. meldet sich nochmals der Sozialminister zu Wort.

Die beiden Aussendungen des Obmanns der Freiheitlichen sind nahezu gleichen Inhalts, wobei die erste als Parteiaussendung gekennzeichnet ist, die zweite jedoch nicht. Auch die Überschriften sind nahezu gleichlautend: "Negierung des Parlaments in der Frage der Stahlstiftung". Im Untertitel: "Verfassungsbruch durch Bundeskanzler und Regierung" (88/57; 88/58). Zunächst stellt der FP-Obmann fest, dass die Stahlstiftung und die Verlängerung des Arbeitslosengeldbezuges für arbeitslose Arbeitnehmer in den Krisenregionen von dreißig Wochen auf vier Jahre schon jetzt praktiziert werde, obwohl es noch keine gesetzliche Deckung dafür gebe. Diese ungedeckten Milliardenausgaben stellten einen echten Verfassungsbruch dar, begangen von Bundeskanzler und der Regierung, in dem sie sich über das Parlament hinwegsetzten. Er hält dies "für einmalig in der Demokratiegeschichte der Zweiten Republik, mit welcher Überheblichkeit hier die Verfassung negiert wird". Denn es gebe bis heute noch keinen Termin für eine Beratung im Sozialausschuss und keine gesetzliche Begutachtung für diese Milliardenausgaben aus dem Sozialbudget bei völlig ungeklärten Finanzierungsbedingungen. Am Schluss noch eine etwas verwegene Verbindung zur Geschichte: "Es ist bezeichnend, das ausgerechnet jene, die anlässlich der Gedenktage im März so wortreich die Vergangenheit bewältigt haben, sich jetzt eines politischen Stils bedienen, der fatal an die politischen Kräfte in der Ersten Republik erinnert, die mit dem Parlament und der Demokratie nichts anzufangen wußten, weil es ihnen unbequem war" (88/57). Die zweite Presseaussendung der FP vom darauffolgenden Tag bringt, wohl zur Verstärkung der früheren Botschaft, im Wesentlichen dieselben Inhalte, allerdings unter Verzicht auf die Verweise auf den März 1938 (88/58). Darüber, dass Haider bei der Stahlstiftung einen Verfassungsbruch ortet, finden sich am 18. 3. 1988 kurze Hinweise in den "Oberösterreichischen Nachrichten" (88/55) und im "Neuen Volksblatt" (88/60). Der Protest Haiders wird dabei nur erwähnt, in wesentlichen Punkten inhaltlich korrekt referiert, aber in keiner Weise kommentiert.

Ebenfalls am 18. 4. nützt ein niederösterreichischer ÖVP-Abgeordneter zum Nationalrat die Austria-Presse-Agentur, um seiner Stimme mehr Resonanz zu geben. Es ist nicht klar, ob er als Angehöriger eines mit sozialen Fragen befassten Gremiums spricht. Wahrscheinlicher ist die Annahme, dass er regionale Interessen vertritt beziehungsweise sie in den Vordergrund zu rücken sucht. Die Überschrift der APA-Meldung bringt seine Botschaft so auf den Punkt: "Die ÖVP hat Einbeziehung von Problemregionen in die Arbeitsstiftung durchgesetzt" (88/66). Im Detail heißt es dann, es sei alleiniges Verdienst des ÖVP-Verhandlungsteams, dass die geplanten Maßnahmen des Bundes zur Unterstützung älterer Arbeitsloser im Rahmen der Arbeitslosenunterstützung nun auf alle Problem- und Krisenregionen ausgedehnt werde. Mit den ursprünglichen Absichten des Sozialministers, die Unterstützungsmaßnahmen auf Arbeitnehmer jener Regionen zu beschränken, die von der Krise der staatlichen Stahlunternehmen betroffen sind, könne sich die ÖVP nicht einverstanden erklären. Denn "damit hätte man im Endeffekt lediglich den "Voest-VEW-Krisengebieten" unter die Arme gegriffen. Andere Problemregionen, wie etwa die niederösterreichischen Grenzregionen, wären durch den Rost gefallen". Der Sozialminister sei sich wohl der Probleme der Gebiete an der geschlossenen Grenze, wo die Zahl der Arbeitslosen durch Betriebszusammenbrüche wieder ansteige, nicht bewusst gewesen. Und an die Adresse der sozialistischen Mandatare und Gewerkschafter der auch als zynisch aufzufassende Vorwurf, sie hätten es verabsäumt, sich rechtzeitig in dieser Frage zu engagieren. Es könne ihnen jetzt, das sei klar, nur unangenehm sein, dass die ursprünglichen Absichten ihres Parteifreundes Dallinger nun an die Öffentlichkeit gelangt seien. Der VP-Mandatar schließt mit der Feststellung: "Tatsache ist jedenfalls, dass es allein die ÖVP-Verhandler waren, die verhindert haben, dass ganze Regionen links liegen gelassen werden" (88/56). Dies ist ihm Grund zur Freude, weil "nun auch andere Problemregionen in der Arbeitsstiftung berücksichtigt werden".

Offensichtlich erhält nun die SP etwas zugestanden, das aber offensichtlich etwas ganz anderes ist, als sie ursprünglich gewollt hatte. Ursprünglich ging es auf der Betriebsebene der Voest darum, eine Lösung zu finden, um die sozialen Schäden der ökonomischen Sanierungsmanöver in der verstaatlichten Stahl- und Metallindustrie zu begrenzen. Beim Koalitionspartner stößt ein solches Anliegen weder auf Interesse noch auf Verständnis. Die Umetikettierung der Stahlstiftung in eine Arbeitsstiftung hat wohl auch mit den alten Animositäten und den tradierten Ressentiments zwischen Arbeiterschaft und bäuerlicher Bevölkerung zu tun. Wie kann man sonst dem Sozialminister einen Vorwurf machen, dass er bei der anstehenden Kündigungswelle in der Stahlindustrie nicht auch an die Bauern im nördlichen Grenzland Niederösterreichs dachte, die wohl nicht in seinen Kompetenzbereich fallen?

Derartige Zusammenhänge müssen österreichischen Politikern wohl seit langem bekannt sein. So ist es verständlich, dass sich der Vorsitzende des parlamentarischen Sozialausschusses (Hesoun) daran macht, mit ebenfalls starken Worten, die durchaus als verbale Eskalation der gegenseitigen Beschuldigungen anzusehen sind, die großkalibrigen Attacken von Seiten der FP energisch zurückzuweisen. Dem pseudopolitischen Jahrmarktschreier der FP (Haider) komme es nur darauf an, gehört zu werden, nicht aber darum, Aussagen zu machen, die der Überprüfung standhalten. An Haiders Vorwurf sei kein Wort wahr, es gehe ihm nur darum, Unruhe zu erzeugen, das Schicksal der Arbeitslosen sei ihm erwiesenermaßen gleichgültig. Wegen seiner Vorschläge, Betriebe der Verstaatlichten einfach zuzusperren, stünden ihm die Krokodilstränen über angeblich demokratiepolitisch bedenkliche Vorgänge schlecht an, das um so mehr, als er ja ohnehin von einem anderen Österreich, dem Österreich von 1938 träume, wie die Geheimtreffen mit Burger und Scrinzi in Kärnten bewiesen. Zur Sache selbst, der Arbeitsstiftung, sei nun nach langen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner eine Lösung gefunden, die noch in dieser Woche im Parlament diskutiert werde. Abschließend wird Befriedigung darüber geäußert, dass sich nun offenbar in der ÖVP, wenn auch spät, die Einsicht der arbeitsmarktpolitischen Notwendigkeiten durchgesetzt habe (88/65).

In einer Replik auf die eben erwähnten Vorwürfe noch am gleichen Tage (19. 4.) konterte der Parteiobmann im FP-Pressedienst damit, "dass die hysterischen Reaktionen der Sozialisten die Richtigkeit der Vorwürfe der freiheitlichen Kritik bewiesen". Er bedauert, dass SPÖ und ÖVP "schon wieder dabei" seien, zwei Klassen von Arbeitnehmern zu schaffen. Ältere Arbeitnehmer in der Verstaatlichten, die gekündigt werden, würden gegenüber denen in der Privatwirtschaft, die das gleiche Schicksal erleiden, bevorzugt. Der stellvertretende FP-Klubobmann (Frischenschlager) sucht in der Kritik an die Aussagen Hesouns nachzudoppeln: Die FPÖ werde aus prinzipiellen Erwägungen einer scheinparlamentarischen Verhandlung in dieser wichtigen Materie nicht zustimmen (88/65a).

Während den politischen Parteien in dieser Frage daran gelegen ist, lauter und auch deutlicher miteinander in der Öffentlichkeit zu reden, informieren fürs erste, am 19. 4., nur der "Kurier" (mit zwei Beiträgen), das "Oberösterreichische Tagblatt" und eine knappe Notiz in der "Wiener Zeitung" über das, was Gegenstand so heftiger Streitereien ist. Die "Wiener Zeitung" berichtet lediglich über das Andauern der Auseinandersetzungen zwischen SP und FP in der Frage der Arbeitsstiftung. Der Vorsitzende des Sozialausschusses habe den Vorwurf des Chefs der FP, in dieser Frage das Parlament übergangen zu haben, zurückgewiesen (88/67). Das "Oberösterreichische Tagblatt" berichtet im Sinne einer Erfolgsmeldung von der Hilfe für Krisenregionen, ermöglicht durch das Einlenken der ÖVP. Damit könne die Arbeitsstiftung "wie geplant in Kraft treten" (88/69). "Ohne wesentliche Änderungen gegenüber der vor vier Wochen gestarteten SPÖ-Initiative" würden nun SPÖ und ÖVP gemeinsam "in der heutigen Nationalratssitzung" einen Antrag auf Einrichtung einer Arbeitsstiftung für Arbeitnehmer in Krisenregionen einbringen. "Alle Versuche der ÖVP, diese Maßnahme von einer Besteuerung der Arbeitslosenunterstützung abhängig zu machen, sind damit vom Tisch". Dann kommen einige Informationen über die Regelungen, die für künftige Stiftungsteilnehmer vorgesehen sind. In den Genuss der Stiftungsmöglichkeiten kommen Arbeitnehmer aus Regionen, die vom Sozialministerium - in Absprache mit dem Sozialsprecher des Regierungspartners - per Verordnung(11) zur Krisenregion erklärt werden. Abschließend wird noch über die Replik Hesouns an den FP-Chef informiert.

Die große Titelzeile im "Kurier" desselben Tages (19.4.) lautet: "SP/VP: Arbeitsstiftung nur Übergangslösung". Zum vorgesehenen Prozedere: "Am Mittwoch gemeinsamer Initiativantrag von SPÖ und ÖVP im Parlament, am Abend desselben Tages die Sitzung des Sozialausschusses und am Donnerstag Debatte und Beschluss. In Windeseile will die Koalitionsregierung nun die Arbeitsstiftung realisieren" (88/66). Diese Arbeitsstiftung, so dann weiter im erläuternden Text, werde jedoch nur unter oppositionellem Blitz und Donner über die Bühne zu bringen sein. Denn das Maßnahmenpaket sei vor allem unter Beschuss der FPÖ geraten. Dazu deren Sozialsprecherin (Partik-Pablé): "Da kann man sich das Parlament sparen, wir hätten uns, so wie schon bei der Jugendarbeitslosigkeit, einen parlamentarischen Unterausschuss unter Beiziehung von Experten gewünscht. Jetzt will man umschulen, weiß nicht in welche Berufe, und schafft zwei Klassen von Arbeitslosen". Der Kommentator des Kuriers ist zur Sache selbst der Ansicht, dass auch die Politiker der Koalitionsparteien die Arbeitsstiftung nicht als der Weisheit letzten Schluss betrachten. Denn die dafür erforderliche Zustimmung der ÖVP sei offenbar nur im Abtausch gegen die Beibehaltung des zehnprozentigen Vorsteuerabzuges für Bauern zu erzielen gewesen. Die Ansicht, SP und VP betrachten die Arbeitsstiftung lediglich als Übergangslösung, stützt sich sowohl auf Äußerungen des Wiener Arbeiterkammer-Präsidenten wie auch des Verstaatlichten-Sprechers der ÖVP. Czettel: "Die Struktur der Arbeitslosigkeit zeigt sich jetzt sehr deutlich. Sie ist ein Bildungsproblem". Czettel nehme auch an, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt in vier, fünf Jahren verbessert haben werde. "Diese Distanz muß man überwinden". Und Burgstaller sieht in der Arbeitsstiftung lediglich eine "sozialpolitische Notlösung", deren Kosten für die nächsten zwei Jahre sich auf rund hundert Millionen Schilling belaufen würden. Von dieser Initiative, zu der Burgstaller den Antrag im Parlament gemeinsam mit Hesoun einbringen will, erhofft sich der VP-Sprecher dennoch einen besonderen Impuls: "Von tausend Leuten könnten rund hundert mit Hilfe der Aktion ein eigenes Unternehmen gründen".

Der zweite Beitrag im "Kurier" desselben Tages ist insofern ebenfalls von Bedeutung, weil er über Einzelheiten des prozeduralen Verfahrens informiert (88/68). Es heißt hier, dass sich die FP bei der Arbeitsstiftung querlegen will wie auch schon bei der Reform der Parlamentsgeschäftsordnung. Nicht nur aus inhaltlichen, sondern auch aus Geschäftsordnungsgründen. Dazu Frischenschlager: "Das eigentlich Dramatische dabei ist, dass es von mir in der Präsidiale keine Zustimmung gegeben hat". Der SP-Klubchef Fischer - "(der hinter all dem schlichtweg eine Desavouierung Frischenschlagers durch seinen Parteichef Haider ortet)" - behauptet hingegen, es sei in der Präsidialsitzung "einhellig vereinbart" worden, die Materie unter bestimmten Voraussetzungen mit Zwei-Drittel-Mehrheit auf die Tagesordnung zu setzen. Frischenschlager bezeichnet dies als schlichtweg "falsch". Dagegen wieder Fischer: "Die Koalition wird sich durch die arbeitnehmerfeindliche Haltung Haiders nicht daran hindern lassen", das Gesamtpaket Arbeitsstiftung noch in dieser Woche im Parlament zu beschließen. Ebenso der VP-Sozialsprecher (Schwimmer): "Es kommt ein gemeinsamer Antrag". Abschließend der Hinweis des "Kurier", dass bereits am Montag Grüne und FPÖ noch einmal mit dem Sozialminister gesprochen hätten.

Die Aussagen des "Oberösterreichischen Tagblatt" und des "Kurier" vom selben Tag im Vergleich: Das SP-nahe Regionalblatt spricht von der "wie geplanten" Realisierung der Arbeitsstiftung und verbucht triumphierend einen Erfolg gegenüber der ÖVP. Im Bild, das der Kurier zeichnet, ist die beschlossene Arbeitsstiftung lediglich eine Übergangslösung, beschlossen für die Dauer von wahrscheinlich nur einigen Jahren, doch zur Verteidigung dieses nach langen Streitigkeiten erreichten Kompromisses rücken nun die verfeindeten Brüder zusammen, um ihre ‚Beute' gegen einen dritten, der sie ihnen streitig machen will, zu verteidigen.

Tags darauf, am 20.4., senden Dallinger und Hesoun neuerdings aus, in einer APA-Meldung, und zwar unter folgender Überschrift: "Arbeitsstiftung bringt Verbesserung für Arbeitnehmer in Krisenregionen". Über die Angaben zum prozeduralen Verfahren hinausgehend werden einige inhaltliche Aspekte genauer präzisiert: "Gekündigte Arbeitnehmer, die vom Betrieb angebotene Weiterbildungseinrichtungen besuchen, erhalten in Hinkunft zwei, in Ausnahmefällen sogar drei Jahre lang Arbeitslosengeld. Die Firmen haben für die Ausbildung, die Ausbildner und die Materialien aufzukommen. Die Arbeitnehmer erhalten auch eine Zusatzleistung des Betriebes, die durch einen Lohnverzicht der Arbeiter und der Angestellten finanziert wird. Im Gegensatz zur BRD wird diese Arbeitsstiftung nicht auf die verstaatlichte Industrie oder den Stahlbereich beschränkt sein, sondern überall dort, wo Freisetzungen größerer Art stattfinden, angewandt werden ... "Es ist etwas Neues und Positives, dass die Zeit der Arbeitslosigkeit für einen neuen Aufbruch genützt wird".

Diese Art der Darstellung ist als authentische Interpretation des Verhandlungsergebnisses durch die beiden Chef-Verhandler der SP anzusehen. Es sind größte Zweifel anzumelden, dass diese Interpretation mit dem Koalitionspartner akkordiert sein könnte. Denn in den ganzen vorangegangenen Streitigkeiten um die Stiftung ist es darum gegangen, die der Verstaatlichten vermeintlich gewährten Subventionszugeständnisse auch auf weitere, der ÖVP näherstehende Nutznießer der neuen Möglichkeiten auszudehnen. Nie ist die Rede davon gewesen, welche Leistungen die Firmen zu erbringen hätten, die Entlassungen in größerem Ausmaß vorzunehmen beabsichtigen. Ebensowenig von einem Lohnverzicht der Arbeiter und Angestellten, um eine Zusatzleistung des Betriebes für gekündigte Arbeitnehmer finanzieren zu können. In der "Wahrheit" vom Dezember 1987 hatte es geheißen, "grundsätzlich stellt der vereinbarte Solidaritätsbeitrag der Stiftung eine der Voraussetzungen für die Stahlstiftung zur Förderung der beruflichen Wiedereingliederung dar" (87/27). In sämtlichen früheren Darstellungen des Stahlstiftungskonzeptes sind die Solidarbeiträge eine der Finanzierungsquellen, insofern nicht unplausibel, als der Sozialminister bereits im Juli 1987 hatte wissen lassen, "dass er angesichts der Budgetknappheit keine Mittel bereitstellen kann" (87/4). Einen solchen Solidarbeitrag hat der Koalitionspartner in seinem Bestreben, den Kreis der Begünstigten zu erweitern, nie angesprochen.

Nun noch zum zweiten Eckpfeiler der Stiftungsregelung, die sich auf über 50-Jährige bezieht: Dazu heißt es weiter: "Arbeitnehmer, die in Krisenregionen arbeitslos werden, älter als fünfzig Jahre sind und in den letzten fünfundzwanzig Jahren mindestens fünfzehn Jahre beschäftigt waren, erhalten vier Jahre lang Arbeitslosengeld. Durch das Sonderunterstützungsgesetz 1 wird diesen Personen dann der gleitende Übergang in die Pension ermöglicht und sie müssen nicht jahrelang als Notstandshilfebezieher leben, unterstrich Dallinger. Die Maßnahmen sind zeitlich nicht befristet, sondern werden sich bei einer entsprechenden Verbesserung der Wirtschaftslage von selbst aufheben". Dies ist zweifellos eine großzügige Lösung. Wieviel wird sie kosten? Ist das als zeitlich befristete Maßnahme Konzipierte nicht ein Blankoscheck auf die Zukunft? Noch im November 1987, viereinhalb Monate vorher, scheint das Sozialministerium vorsichtiger gewesen zu sein. Denn es ließ verlauten, dass die Frühpensionierungsaktion (SUG I) im gleichen Jahr auslaufen solle. Mit den damit ersparten Mitteln wolle der Finanzminister zur "Stahlstiftung" für gekündigte Voest-Mitarbeiter beitragen. Nach Mitteilung eines Sektionschefs (Steinbach) dürften diese derzeit unversteuert ausbezahlten Leistungen nur mehr als Nettopension bezogen werden. Für diverse SUG-Aktionen seien heuer (1987) 2,2 Milliarden Schilling vorgesehen.

Nochmals zurück zur Dallinger/Hesoun Aussendung, die sich mit den Regionen befasste, für welche das Gesetz gelten soll und die später in einer eigenen Verordnung festgelegt werden sollen. Es sind dies neben den Orten der Pilotprojekte Eisenerz und Linz sicherlich auch Kapfenberg und Ternitz oder Orte in Krisenregionen wie der Obersteiermark, im Waldviertel oder in Liezen. Den Mehraufwand beziffert Dallinger auf jährlich 120 bis 140 Millionen Schilling, für das laufende Jahr (1988) werde es etwa die Hälfte sein, Dank der günstigen Arbeitsmarktsituation. Der letzte Punkt der Stellungnahme gilt der Kampagne gegen die Stahlstiftung, die von der FP betrieben werde. Diese sei zurückzuweisen, weil keine parlamentarischen Rechte verletzt worden seien, die gewählte Vorgangsweise sei in der Geschäftsordnung des Nationalrates vorgesehen. Man könne nämlich auf die Auflagefrist von vierundzwanzig Stunden zwischen der Beratung des Sozialausschusses, die heute abend (20. 4.) stattfinde, und der Beschlussfassung im Plenum, die morgen auf der Tagesordnung stehe, auch verzichten. Der Vorwurf des Steuermissbrauchs sei völlig falsch, denn es handle sich um eine Selbstfinanzierung der Arbeitnehmer, da die Maßnahmen aus den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen finanziert würden.

Diese Stellungnahme soll wohl der Klarstellung dienen, aber es bleiben viele Unklarheiten bestehen. Das Präsentierte erweckt den Eindruck, dass zunächst einmal alles gesagt wird, was die Initiatoren der Stahlstiftung in der Voest gerne hören: Sie bekommen ihre Stiftung, allerdings unter dem Überbegriff einer Arbeitsstiftung; Weiterbildungsmöglichkeiten für Gekündigte, die Firmen zahlen, es gibt eine Zusatzleistung, die durch Lohnverzicht der Arbeiter und Angestellten finanziert wird. Das Neue wird durch einen Vergleich mit der BRD herausgestellt: "Diese Arbeitsstiftung wird nicht auf die Verstaatlichte Industrie oder den Stahlbereich beschränkt sein". Dies ist die Forderung der ÖVP gewesen. Die Angaben der voraussichtlichen Standorte in Krisenregionen ist wieder auf Voest-Erwartungen ausgerichtet: Alle klassischen Stahlorte mit Ausnahme des Hinweises auf das Waldviertel. Es geht lediglich um Selbstfinanzierung der Arbeitnehmer, vom Gerangel um Subventionsmittel keine Spur. Die unbefristete Verlängerung von SUG I ist völlig unproblematisch. Es gibt also am Vortag der Beschlussfassung im Parlament keine ungelösten Fragen und Probleme, alle, die Proponenten der Stiftung in der Voest wie auch der Koalitionspartner, können mit der nun ausgehandelten Lösung hoch zufrieden sein.

Nach so viel Aufregung um die gesetzlich zu verankernden Arbeitsstiftungen ist es wenig verwunderlich, dass gleich neun österreichische Tageszeitungen sich dazu verAnlasst sehen, darüber mehr oder weniger ausführlich zu berichten. Die knappste Notiz bringt die "Kronen Zeitung". Sie verweist nur auf die ablehnende Haltung des FP-Chefs, weil die neue "Arbeitsstiftung für Verstaatlichten-Beschäftigte" den Gleichheitsgrundsatz verletze (88/76). In der "Wiener Zeitung" steht: "Nun doch Arbeitsstiftung - FP-Kritik"; womit auch schon die beiden Schwerpunkte der Information angegeben sind. Einmal eine Darstellung der für die Stiftung vorgesehenen Regelungen, dann mit gleicher Ausführlichkeit die Proteste des FP-Chefs: Eine "grob gleichheitswidrige" Einrichtung, "Klassenpolitik", durchgesetzt mit einer Vorgangsweise, die einer "Vergewaltigung des Parlaments" gleichkomme. Schwimmer habe diese Vorwürfe zurückgewiesen, und außerdem "würde ein Parlament, das bei außergewöhnlichen Anlässen nicht rasch reagieren könne, sich selbst ein Armutszeugnis ausstellen" (88/78). Ähnliche kurze Berichte auch in den "Salzburger Nachrichten", dem "Neuen Volksblatt", dem "Oberösterreichischen Tagblatt", den "Oberösterreichischen Nachrichten", den "Vorarlberger Nachrichten", und in der "Presse", die sich offensichtlich alle einer wertenden Stellungnahme zu enthalten suchen. Lediglich "Die Presse" bringt unter dem Titel "Die Chance nützen" einen Kommentar, der davon ausgeht, dass mit der neuen Arbeitsstiftung der Sozialpolitik ein großer Wurf gelingen könnte. Entscheidend sei daher vor allem, ob in den "Stiftungen" sinnvoll dazugelernt oder im bequemen "Verstaatlichten-Trott" Beschäftigungstherapie betrieben werde. Bei einem Fehlschlag gingen viele Chancen verloren, für die Umstrukturierung der "Verstaatlichten" und für die Arbeitslosen. Der Schlusssatz lautet: "Die ÖVP hat jedenfalls mit ihrem Verzicht auf eine Koppelung mit der Besteuerung von Arbeitslosengeld, die politisch nicht durchzusetzen war, die Bedeutung dieses Experimentes gewürdigt" (88/82). So kann man dies also auch sehen: Eine kluge ÖVP will den Versuchen, in den Trott der Verstaatlichten ein bisschen Bewegung zu bringen, nicht im Wege stehen.

Zwei Berichte in der "Volksstimme" nur enthalten differenziertere Detailinformationen und markieren eine deutliche Distanz zu den gefassten Beschlüssen. Denn die sogenannte Arbeitsstiftung gilt hier als das jüngste Musterbeispiel dafür, dass Etikettenschwindel wieder Saison hat. Die Fraktionen der großen Koalition geben jetzt die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes als soziale Großtat aus. Der Sache nach handle es sich dabei nur um einen notdürftigen Ersatz des Sonderunterstützungsgesetzes Nummer II. Diese Regelung, mit Ende 1987 ausgelaufen und der ÖVP in den Koalitionsverhandlungen bereits zum Opfer gebracht, habe den Opfern der Stahlkrise nach langjähriger Betriebszugehörigkeit einen materiell gesicherten Übergang in die Pension ermöglicht. Künftig müssten nun die Veteranen der Verstaatlichten Industrie aufs Arbeitsamt pilgern. Für die Erklärung der als etwas überraschend empfundenen Durchschneidung des Gordischen Knotens - der Beschlussfassung - gibt es hier zwei Vermutungen. Einmal, dass der Sozialminister schlecht dagestanden wäre, hätte sich die ÖVP, nachdem im Bereich der Voest-Alpine die Arbeiter und Angestellten bereits Haare gelassen hätten, weiter gegen diese Gesetzesänderung quergelegt. Dann aber die Befürchtung, dass sich hinter der vordergründigen Einigung eine Geheimabmachung verberge, die in Richtung Besteuerung des Arbeitslosengeldes gehen könnte. Die "Volksstimme" kommt aber auch zu grundsätzlichen Einschätzungen: Eine Veränderung des sozialpolitischen Klimas in Österreich, eine unzureichende Verteilungsgerechtigkeit, die zu sozialen Ausgrenzungsmanövern führe und ein weiterer Schritt in die soziale Schlechterstellung der Arbeiterschaft. Im Vergleich mit der Europäischen Gemeinschaft, so das Urteil, bleibe damit Österreich hinsichtlich der sozialen "Abfederung" von Opfern der Stahlkrise weit zurück (88/73; 88/74).

Tags darauf, am 22. 4., greifen nochmals vier Blätter das Thema der Arbeitsstiftung auf, wiederholen dabei mehr oder weniger Bekanntes, fügen aber auch neue Detailinformationen hinzu. So steht im Bericht der "Neuen AZ" über die Turbulenzen der Beschlussfassung im Parlament, dass sich dabei für die Grünen Manfred Srb dahingehend geäußert habe, man stimme dem Gesetz "mit großem Bauchweh" zu (88/84). Die "Kammernachrichten" (Industriellenvereinigung) verbreiten unmittelbar nach der Zustimmung der ÖVP neuerdings ihre bereits früher geäußerten Bedenken und verlangen eine prioritäre Abstimmung der Umschulungsmaßnahmen auf den Bedarf potentieller Arbeitgeber. Nur so lasse sich die Vergeudung von Mitteln vermeiden (88/85). Die "Oberösterreichischen Nachrichten" orakeln: "Jetzt beginnt der Streit, was eine Krisenregion ist". Dies deswegen, weil künftige Bezieher von Arbeitslosengeld aus dem Titel Arbeitsstiftung nachzuweisen haben, dass sie bereits mindestens ein halbes Jahr den Hauptwohnsitz in einer Krisenregion gehabt haben. Als solche gelten in Oberösterreich die Städte des Zentralraumes, in Niederösterreich seien die Bezirke Amstetten und Zwettl klar, um Gmünd werde gerungen, weiter das südliche Niederösterreich, die Mur-Mürz-Furche, Teile Kärntens und wahrscheinlich auch Osttirol. Hier (88/87) wird ebenfalls in Kürze vermerkt, dass die Grünen - "mit Bauchweh"- zustimmten. Gründe für das Bauchweh der kleinen Partei fehlen aber auch hier. Die "Vorarlberger Nachrichten" relativieren die Arbeitsstiftungen insofern, als sie im Verweis auf Dallinger hervorheben, dass es sich dabei vorerst "um ein Modell" handelt. Zum besseren Verständnis der Text im Wortlaut: "Warum, so fragte Haider, werden andere ältere oder jüngere Arbeitnehmer aus nicht von der Krise betroffenen Regionen nicht gleich behandelt wie jene der Verstaatlichten? Antwort von Sozialminister Dallinger: Man wolle erst herausfinden, ob das Modell sinnvoll ist und sollte das der Fall sein, werde es auch für andere betroffene Arbeitnehmer überlegt. Das gestern Beschlossene sei nur als ein erster Schritt zu sehen". Eine solche Darstellung hebt den temporären Aspekt und den experimentellen Charakter dessen hervor, was in der Stahlstiftung erprobt werden soll. Bewährt es sich, dann gilt es auch für andere. Im Kern geht es hier um die Sonderregelung für Krisenregionen und Gleichbehandlung für alle. Hier wird suggeriert, dass Krisenregionen keine Sonderfälle sind, die besondere Interventionen erforderlich machen, sondern Testbereich einer Problemlösung für alle.

Einen letzten Bericht zu den hektischen Ereignissen dieses April 1988 bringt "Der Obersteirer". Dabei wird ein wichtiger Nebenaspekt der Personalabbauwelle sichtbar. Bisher immer mit dem Überhang an Produktionskapazität und den Konjunkturen der Nachfrage begründet, zeigt sich hier eine neue wichtige Determinante des Geschehens. Denn bei der Böhler Ges.m.b.H. in Kapfenberg und Mürzzuschlag hat sich die Auftragslage dahingehend verbessert, dass "einzelne Betriebe bereits unter einem akuten Personalmangel stöhnen". Nichtsdestoweniger soll die Unternehmensführung laut einer Mc Kinsey-Untersuchung den Belegschaftsstand weiter reduzieren. Dazu die Böhler Gewerkschaftsfraktion in einer großen Vertrauensversammlung im Kapfenberger Volksheim: "Dies kommt in dieser Situation für uns nicht in Frage" (88/88). Die beiden Arbeiterbetriebsratsobmänner bezeichnen das Gutachten der Beraterfirma als "für uns nur ein Papier mit Empfehlungen". Daher sei ein Massenabbau für Betriebsrat und Gewerkschaft unannehmbar. Für den Fall eines neuerlichen Auftragseinbruches und dadurch bedingte größere Personalreduktionen werde die "Stahlstiftung" für die bedrohten Arbeitnehmer eine wesentliche Hilfestellung bieten.

Im Mai wird es bereits wieder ruhiger um die nun im Gesetz fixierte "Arbeitsstiftung". Anfang Mai berichten die ÖGB-Nachrichten, dass damit "einer Forderung des ÖGB Rechnung getragen wurde", die nun rückwirkend mit dem 1. Jänner 1988 in Kraft trete (88/89). Um in den Genuss der neuen Möglichkeiten zu kommen, sind hier zwei wichtige Bedingungen genannt: Erstens, sie gelten für Arbeitnehmer, "die in einem Betrieb tätig sind, der eine Auffangeinrichtung (Stahlstiftung), Solidaritätsfonds und ähnliches geschaffen hat", und zweitens, "dass die Arbeitnehmer an einer von der Arbeitsmarktverwaltung anerkannten Schulungsmaßnahme teilnehmen, die eine Vollauslastung der Teilnehmer erforderlich macht". Andere Akzente setzt ein Bericht zum Thema Stahlstiftung in der Landesrundschau von Ö-Regional vom 4. Mai. Hier wird einleitend darauf hingewiesen, dass zwei Ereignisse ihren Jahrestag feiern, ein "ziemlich prominentes" und ein "weniger prominentes". Beim "ziemlich prominenten" handelt es sich um die Gründung der Hermann Göring Werke, der Reichswerke AG für Erzbau und Eisenhütten, beim "weniger prominenten" um die Stahlstiftung, einer Einrichtung für gekündigte Voest-Mitarbeiter zur Umschulung in andere Berufe, die nun bereits seit einem halben Jahr erprobt werde. Nach einigen Angaben über Mitgliederstand und deren Tätigkeit heißt es dann: "Erstes Ziel der Stahlstiftung deshalb - wegen der allen gemeinsamen Enttäuschung über den Verlust des Arbeitsplatzes - den Menschen in einem sechswöchigen Kurs wieder das Gefühl zu geben, ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein, sie psychologisch aufzubauen" (88/90). Die als überflüssig abgebauten Arbeiter werden nun, im Klartext, als Menschen wieder psychologisch auf die Beine gestellt.

Die "Kronen Zeitung" vom gleichen Tag berichtet von der Entrüstung eines FPÖ-Abgeordneten (Murer), dass die Arbeitsstiftung, auf die sich die SP/VP-Koalition geeinigt habe, "nur den abgebauten Voest- oder VEW-Mitarbeitern unter die Arme greifen" wird (88/91). Daher verlangt die FPÖ, "dass alle Arbeitslosen in den Krisenregionen in den Genuss der Vorteile der Stiftung kommen. In Rottenmann werden dies schon bald hundert Leute sein. Auch sie gehören in die Stiftung". Für den Fall, dass die Stiftung nicht ausgeweitet werde, wolle die FPÖ klagen. Eine solche Klage erübrigt sich, denn nach einem Eigenbericht der "Presse" wird das Modell der Arbeitsstiftung in Niederösterreich in den Bezirken Amstetten, Bernsdorf-St.Veit, Gmünd, Lilienfeld, Neunkirchen, Waidhofen/Ybbs, Wiener Neustadt und Zwettl realisiert werden (88/92). Einige Tage später berichtet neuerdings "Die Presse" von einer Erklärung des stellvertretenden Generalssekretärs des Wirtschaftsbundes (Ditz) im Klub der Wirtschaftspublizisten, dass die neue Sozialeinrichtung "Arbeitsstiftung" nach Berechnungen des Finanzministeriums die Arbeitsmarktverwaltung auf jährlich nahezu eine Milliarde Schilling zu stehen kommen werde (88/93). Daher die Notwendigkeit, im politischen Expertenkreis neuerdings über mögliche Adaptierungen des Steuerreformentwurfs zu beraten.

Weniger dramatisch sieht dies "Der Privatangestellte" vom Mai 1988. Er weiß von einem jährlichen Mehraufwand von rund 120 bis 140 Millionen Schilling, für das laufende Jahr 1988 allerdings nur die Hälfte. Als Regionen, für welche das Gesetz Geltung haben wird, sind neben den Standorten der Pilot-Projekte in Eisenerz und Linz "sicherlich" auch Kapfenberg und Terrnitz, daneben aber auch die Obersteiermark, das Waldviertel und Liezen genannt. Die Entstehung der Voest-Stahlstiftung führt "Der Privatangestellte" auf die Eigeninitiative von Kolleginnen und Kollegen zurück. Sie sei das Modell für die jetzt im Parlament beschlossene Arbeitsstiftung. Den Initiativantrag dazu hätten die Koalitionspartner gemeinsam eingebracht, doch dessen ungeachtet "nutzen einige Politiker die 'Chance', politisches Kleingeld daraus zu gewinnen" (88/94). Wer damit gemeint ist, bleibt offen. Lediglich die Hinweise, einige seien auf den "Sozialschmarotzerzug" aufgesprungen und hätten die Schaffung von zwei Klassen von Arbeitnehmern beklagt oder - wieder andere - hätten eine Zustimmung zur Arbeitsstiftung davon abhängig gemacht, dass in der Steuerreform eine Besteuerung der Transferleistungen, also des Arbeitslosen-, des Karenzgeldes und der Notstandshilfe vollzogen werde. Ungeachtet all dieser Quertreibereien habe die nun mit der Arbeitsstiftung beschlossene Regelung einen positiven Effekt: Die Zeit der Arbeitslosigkeit werde für einen neuen Aufbruch genützt.

Anfang Juni berichtet "Die Presse" in einer ausführlichen Reportage, wie die "Arbeitsstiftung" den Kumpeln aus Eisenerz neue Berufschancen eröffnen will, indem "der Berg" zur Schule wird (88/96). Neben Einzelheiten über die ruhmreiche Geschichte des Bergbaus Informationen zur traurigen Gegenwart: Ende 1986 ist der teure Grubenbetrieb ausgelaufen, in einem Jahr sind vierhundert Kumpel abgebaut worden. Die verbliebenen 750 sind noch im Tagbau beschäftigt, doch "der Erzabbau fährt der Voest heuer Verluste von hundert Millionen Schilling ein, was einem Fünftel des Erzbergumsatzes entspricht". Die Abnehmer, die Hütten in Linz und Donawitz, reduzierten bereits ihre Bezüge, was nun auch den Tagbau gefährde, denn mit dem Dollarkurs seien auch die Erzpreise in den Keller gerutscht. Den bevorstehenden Personalabbau soll die kürzlich vom Parlament verabschiedete "Arbeitsstiftung" abfangen, die jedoch "eindeutig auf die Verstaatlichte zugeschnitten" sei. Nach einer Beschreibung der nun vorliegenden Regelungen und Funktionspläne der Stiftung resümiert der Bericht in der "Presse": Für den Sozialminister ist "hier etwas Neues im Entstehen, das die Arbeitslosigkeit in einer bestimmten Phase umfunktioniert zu einem neuen Aufbruch". Und weiter heißt es hier: "Weil die Idee von Dallinger kommt, ist das soziale Netz gleich mitgespannt. Teilnehmer der Arbeitsstiftung sollen nach der Ausbildung wieder in den Schoß der Voest zurückkehren dürfen".

Am 23. Juni 1988 meldet die "Krone", dass in der Voest "jetzt das Schlimmste überstanden ist". Nach Aussagen des Vorstandsdirektors (Strahammer) stehen nun wieder bessere Zeiten ins Haus, weil einerseits die Kosteneinsparungskonzepte zu greifen beginnen, andererseits die internationale Stahlkonjunktur für eine gute Auftrags- und eine verbesserte Ertragslage sorgen. Dem Unternehmen geht es wieder weit besser, auch am Personalsektor zeichnet sich ein Silberstreif am Horizont ab. Denn, so Strahammer, "bisher wurden im Linzer Werk 5 000 Mitarbeiter abgebaut, wobei wir nur 2 500 Kündigungen aussprechen mussten" (88/102). Derzeit seien im Werk Linz noch 19 000 Beschäftigte. Es werde zwar da und dort in den nächsten Jahren Personalanpassungen geben, doch mit einer echten Kündigungswelle sei nicht mehr zu rechnen.

Zwischenbilanz

Die Ideen, nach ausländischen Vorbildern auch in Österreich so etwas wie eine Stahlstiftung zu gründen, stammen aus dem Jahre 1987. Die dafür notwendigen Änderungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz wurden am 21. April 1988 im Parlament beschlossen. Aus der Verteilung der vielen Pressemeldungen dieses Jahres (s. oben, S. 19) auf die einzelnen Monate geht hervor, dass es eigentlich nur zwei Monate sind, in denen die Auseinandersetzungen um diese Stahlstiftung einen hohen Grad an Intensität erreichen, nämlich in den Monaten März und April. Nach der parlamentarischen Beschlussfassung verliert das Thema rasch wieder an Aktualität und kommt nur noch sporadisch ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Die zunehmende Arbeitslosigkeit, deren Stabilisierung auf hohem Niveau und mögliche Gegenreaktionen, das sind offensichtlich keine Themen, für die ein länger andauerndes, breiteres Interesse besteht oder geweckt werden soll. Das ist eben der Preis, den eine Minderheit bezahlen muß, damit die Mehrheit so wie bisher weiterleben kann.(12)

Als Zeitpunkt des Abklingens der Gründungsdebatte lässt sich wohl mit gutem Grund der Beginn des Monats Juni betrachten. Denn ab diesem Zeitpunkt ist nicht mehr die Existenz der Stiftung(en) zu diskutieren. Wichtig ist nun, sie zum Funktionieren zu bringen und durch Erfolgsmeldungen in der Öffentlichkeit Sympathien für diese neue Einrichtung zu wecken und weitere Zustimmung zu mobilisieren. So ist auch der zuletzt erwähnte Bericht in der "Presse" (88/96) zu lesen, dem dann eine Woche später in den "Oberösterreichischen Nachrichten" der Bericht über die erste erfolgreiche Unternehmensgründung aus dem Schoß der Stahlstiftung unter dem archaisch klingenden Titel "Auf Erde bauen" (88/97) folgt.

Festzustellen, dass die Stiftung nun definitiv steht, das ist das eine, die Frage aufwerfen, in welchem Ausmaß wer damit welche Ziele erreicht hat, ist das andere. Dass diese Frage ihre gute Berechtigung hat, dürfte durch die Rekonstruktion der damit verbundenen Diskussionen und Streitigkeiten wohl klar geworden sein. Anlass dieser Auseinandersetzungen war der simple Sachverhalt, dass einige etwas haben wollten, was andere nicht zu geben bereit waren. Derartige Meinungsverschiedenheiten können grundsätzlich zu einem doppelten Ende führen, einem konfliktbehafteten und einem konsensuellen. Ein konfliktbehaftetes Resultat entsteht dann, wenn die Kontrahenten unmodifiziert an ihren Forderungen bzw. Verweigerungen festhalten, ein friedliches, wenn sie ihre Positionen modifizieren dadurch, dass auf der einen Seite weniger verlangt und auf der anderen teilweise Zugeständnisse gemacht werden.

Bereits in den ersten Diskussionen um die Errichtung einer Stahlstiftung hat sich gezeigt, wo die Trennlinie zwischen Befürwortern und Gegnern verläuft. Als Befürworter eines solchen Modells in Erscheinung getreten sind zunächst vor allem die Mehrheitsfraktion des Zentralbetriebsrates der Voest-Alpine, der Vorstand des Unternehmens, die ÖIAG und das Sozialministerium, als Gegner hingegen alle, die in einem Naheverhältnis zur ÖVP stehen. Sonderbarerweise sind jene Teile der Belegschaftsvertretung, die links von der Mehrheit stehen, der Gewerkschaftliche Linksblock, ebenfalls vehemente Gegner der Stahlstiftung; hingegen sind jene, die den rechten Rand der Belegschaftsvertretung bilden, die Parteifreien Gewerkschafter, den Befürwortern zuzurechnen (vgl. oben, S. 41). Dies lässt vermuten, dass auch die nach außen geschlossen auftretende Mehrheit des Zentralbetriebsrates ein Zweckbündnis sein muß, keineswegs frei von Zweifeln an der Zweckmäßigkeit der vertretenen Sache. In Anbetracht der damals erwarteten dramatischen Entwicklungen im Personlabereich ist dieser Mehrheit ja gar nichts anderes übrig geblieben als sich für das Modell Stahlstiftung stark zu machen, da es die beste Alternative zum nicht erlaubten tatenlosen Zusehen zu sein schien.

Diese Konstellation macht es nachvollziehbar, dass die Stiftungsidee mit verschiedenen Vaterschaften in Verbindung gebracht worden ist. Einmal ist es die Belegschaftsvertretung, dann aber auch der Vorstand des Unternehmens, die ÖIAG, der ÖGB oder auch das Sozialministerium selbst. Die eigentliche Antriebsenergie dürfte jedoch aus dem Konsens zwischen Belegschaftsvertretung und Vorstand gekommen sein, gemeinsam etwas tun zu wollen, weil sie zum gemeinsamen Handeln gezwungen worden sind.

Ein großzügiger betrieblicher Sozialplan wurde in der damaligen wirtschaftlichen Situation des Werkes als nicht realisierbar angesehen. So musste es wohl notwendigerweise zur Vereinbarung kommen, ein organisatorisches Arrangement zu schaffen, das zur Bewältigung der erwarteten Kündigungswirren vielversprechend zu sein schien: Zur Milderung des Kündigungsschocks, zur Parkierung des nicht mehr benötigten Personals mit der Option, bei Bedarf wieder ins Werk zurückzukommen, zur Umorientierung auf neue berufliche Karrieren durch Umschulung oder Weiterbildung, zur Mobilisierung brachliegender kreativer Potentiale, die in der Gründung neuer Unternehmen endlich ihre unbehinderte Entfaltung finden sollten, und wenn dies alles nichts nützen sollte, dann sollte wenigstens das Konkurrenzverhalten der einzelnen auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden. Eine solche Einrichtung großzügig zu unterstützen erklären sich Unternehmensvorstand und ÖIAG-Spitze bereit, soferne die Belegschaft ihren Beitrag leistet. Dies ist die Bedingung, an welche die Unternehmensseite ihre Zusage gebunden hat. Zusätzliches Geld durch eine Erhöhung der Bezüge aus der Arbeitslosenversicherung ist von vornherein fixer Bestandteil des Modells, doch fürs erste lediglich ein Bestandteil der Planung, die es erst noch zu realisieren gilt.

Diese Konzeption lehnt sich offensichtlich stark an das saarländische Modell einer Stahlstiftung an und übernimmt von dort das Konzept der Mittelaufbringung aus mehreren Quellen zur Realisierung eines Bündels recht verschiedenartiger Ziele. Im Saarländer-Modell sind die Elemente des Outplacement und der Unternehmensgründungen nicht enthalten gewesen. Nach den Presseberichten ist das Outplacement von der ÖIAG propagiert worden, weil sich diese Art eines marktorientierten Umgangs mit der Arbeitslosigkeit anscheinend in Amerika mehr und mehr durchzusetzen beginnt. Woher die Anregung zur Forcierung der Unternehmensgründungen kommt, ist nicht genau zu eruieren. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine Idee, die ebenfalls vorwiegend im angloamerikanischen Raum propagiert worden ist. Damit zeichnet sich von Anfang an, trotz aller Ähnlichkeiten, ein Unterschied zu den Modellen in der Bundesrepublik Deutschland ab, die zur Abfederung der Härten der Stahlkrise entwickelt worden sind. Dieser Unterschied ist darin zu sehen, dass im österreichischen Stahlstiftungsmodell die Momente individualorientierter Krisenbewältigung im modernen (d.h. angelsächsischen, dem Neoliberalismus verpflichteten) Sinne einen fixen Stellenwert haben, die strukturelle Betrachtungsweise, die mehr im Bemühen um die Stärkung der Wirtschaftskraft betroffener Regionen als solchen zum Ausdruck kommt, jedoch deutlich in den Hintergrund tritt.

Das heißt nicht, der strukturelle Aspekt wäre den Stiftungsinitiatoren nicht wichtig gewesen. Doch offensichtlich ist es zunächst einmal ein Anliegen der ÖVP gewesen, diesen Gedanken zu unterlaufen. Eines ihrer ersten Argumente, das dann immer wieder aufgegriffen worden ist, hat darin bestanden, dass mit einer Lösung à la Stahlstiftung zwei Klassen von Arbeitslosen geschaffen würden. Auch den Freiheitlichen hat dieses Argument unmittelbar eingeleuchtet, sie haben es daher gerne übernommen und ebenfalls wiederholt verwendet. Was jedem einleuchtet, dass Gleichheit für alle zu fordern ist, hat jedoch den Haken, dass die Ungleichheiten ein fixer Bestandteil des Gewohnten sind, dass sie meist aber nicht einmal mehr wahrgenommen werden. Es gibt nicht nur offensichtliche Unterschiede im Zugang zu öffentlichen Gütern wie Bildung (Ungleichheit der Bildungschancen), Recht (Klassenjustiz) und Medizin (Klassenmedizin), sondern auch gravierende Unterschiede bei Arbeitnehmern - ganz abgesehen von den Beamten -, von denen die einen, rechtlich gesehen Angestellte sind, die anderen jedoch Arbeiter, was einen nicht unerheblichen Unterschied bedeutet. Das plumpe Argument von der Ungleichbehandlung der Arbeitslosen übersieht sträflicherweise den nur allzu gut bekannten widersprüchlichen Zusammenhang von Freiheit und Gleichheit. Wer sich für eine nicht näher bestimmte Freiheit stark macht, der bereitet der Ungleichheit den Boden. Freiheit ohne Begrenzung ist im sozialen Kontext nicht möglich. Diese Einsicht hat Montesquieu bereits vor 250 Jahren zu einem Verständnis von Freiheit geführt, das im wesentlichen darin besteht, alles tun zu dürfen, was die Gesetze erlauben.

Auf dieser Ebene argumentierend wäre die Folgerung zu ziehen, dass mit dem Appell an die Gleichbehandlung aller Arbeitslosen die Freiheit der stahlproduzierenden Unternehmen beschnitten wird, für ihre in besonderer Weise betroffenen Belegschaften auch besondere Vorkehrungen treffen zu dürfen. In wichtigen vergleichbaren anderen Ländern wie Deutschland und Frankreich ist dies möglich gewesen, in Österreich hat sich dagegen massiver Widerstand artikuliert, wie die diversen Debatten gezeigt haben. Der ÖVP ist es anscheinend vor allem darum gegangen, alles zu verhindern, was in Richtung Sonderregelung für Kernschichten der Industriearbeiterschaft gelaufen wäre, der ihr nahestehende Wirtschaftflügel hat dafür Sorge getragen, dass allfällige (Um-) Schulungs- und Bildungsinitiativen auf eine enge bildungsökonomische Sichtweise beschränkt geblieben sind. Mit dem erreichten Kompromiss in der Formulierung einer gesetzlichen Grundlage müssen und können die beiden Parteien leben, glücklich mit diesen Festschreibungen, die vieles offen lassen, kann jedoch weder der fordernde noch der gewährende Teil der Partnerschaft sein. Denn die Ziele des fordernden Teiles waren über die Allokation der erforderlichen Mittel hinaus auch auf eine Mobilisierung von Solidaritäten und damit auf Transformationsprozesse des Bewusstseins der Belegschaften ausgerichtet, dem gewährenden Teil schien die Zustimmung zu einem bürokratisch administrierbaren Maßnahmenbündel nur insofern akzeptabel zu sein, als dieses auch für eine breiter gestreute Klientel verfügbar gemacht werden konnte.

Dass mit solchen Prozessverläufen und Ergebnisfindungen Realitäten konstruiert werden, ist weder ungewohnt noch abnormal. Wenn schon auf der Ebene einzelner Personen das Leben weit weniger rational abläuft als gemeinhin angenommen wird, was bedeutet, dass viele Intentionen nicht realisiert werden, aber viel nicht Intendiertes eine große Bedeutung hat, dann gilt dies umso mehr auch für kollektive Handlungen und Regelungen.

3.4 Alte Konflikte, neue Mitspieler

Der Gesetzesbeschluss über die Änderung des Arbeitslosen-Versicherungsgesetzes erlaubte es, die in der Stahlstiftung bereits einige Monate zuvor eingeführten Praktiken nachträglich zu legalisieren. Gleichzeitig sollten die neuen Möglichkeiten einer weiteren, noch unklar definierten Klientel zugänglich gemacht werden. Es ist wenig verwunderlich, dass nach den heftigen Auseinandersetzungen um einen parlamentarischen Kompromiss sowohl die Medienarbeit der Kontrahenten wie auch das Interesse der Medien am Thema Stahlstiftung stark rückläufig gewesen sind. Dennoch ist das Thema nicht völlig aus den Schlagzeilen verschwunden, denn die einen legten Wert darauf, wiederholt auf das gute Funktionieren der Stahlstiftung hinzuweisen, während die Gegenseite keine Gelegenheit vorbeigehen ließ, auf vermeintliche oder wirkliche Mängel hinzuweisen, wobei die Feststellung von Mängeln offensichtlich eine Frage des Standpunktes ist, von dem aus das Geschehen beurteilt wird.

Mitte Juni 1988 war in den "Oberösterreichischen Nachrichten" der erste Bericht über die TerraHum Ges.m.b.h zu lesen, wobei die voraussichtliche Betriebsaufnahme in einer von der Voest gemieteten früheren Stahlbauhalle angekündigt wurde. Diesem Bericht war eine Presseaussendung der Voest Alpine - Stahlstiftung vorausgegangen, die zunächst an die drei Hauptziele der Stiftungsgründung erinnerte: Steigerung der Qualifikationen, Linderung der Folgen aus dem Arbeitsplatzverlust und die Entwicklung von Produktideen zur Fertigungs- und Marktreife. Als Beispiel für das letztgenannte Ziel wurde auf die neugegründete Firma "Innovametall" hingewiesen, was dem ORF dann gleich Anlass dazu war, in der Landesrundschau darüber zu berichten. Eine Presseaussendung des "Österreichischen Wirtschaftspressedienstes" berichtete von einem weiteren Projekt der Stahlstiftung, nämlich der Adaptierung des Eisenerzer Untertage-Bergwerks zu einem Schaubergwerk, das am 1. September eröffnet werden und vor allem Tagestouristen anlocken sollte. Eine weitere Aussendung der Stahlstiftung informierte über die Eröffnung der TerraHum in Anwesenheit hoher Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik (Sekyra, Verzetnitsch, LR Habringer). Die Geschäftsaussichten schienen vielversprechend zu sein, sodass diverse Tageszeitungen in der informationsarmen Sommerzeit bereitwillig dieses Thema aufgriffen und mit sensationell aufgemachten Überschriften berichteten: "Linzer Firma macht aus dem ‚Mist' bares Geld" (Kurier), "Ex-Voestler erzeugen Erde statt Stahl" (OÖ Tagblatt), "Statt Stahl gibts Gartenerde" (Volksblatt), um nur einige zu nennen. Die Vorschusslorbeeren waren jedoch nur von geringem Nutzen. Denn nach wenig mehr als einem Jahr, Mitte November 1989, musste der Vorzeigebetrieb den Ausgleich anmelden, da einer Passivsumme von 27,4 Mio.S. nur Aktiva in der Höhe von 13,5 Mio.S. gegenüberstanden. Einer der Geschäftsführer der TerraHum machte für die finanziellen Probleme die "Anlaufverluste", die zu hohen Fixkosten verantwortlich (89/25).

Neben derartigen punktuellen Meldungen der Tageszeitungen bringen die diversen Betriebszeitungen in Anbetracht der neuen Situation auf dem Arbeitsmarkt umfassende Reflexionen zur Lage der Beschäftigten und zur Bedeutung der Stahlstiftung. "Der Privatangestellte" analysiert die Besetzungsschwierigkeiten über längere Zeit offener Stellen in Oberösterreich und kommt zum Schluss, dass es sich dabei vielfach um Stellen handelt, bei denen eine Entlohnung unter dem Kollektivvertrag angeboten wird. Gleichzeitig ein Hinweis darauf, dass angesichts des Arbeitskräfteangebotes, das die Zahl der offenen Stellen übersteigt, die Arbeitgeber zusehends die Selektion der Arbeitskräfte verschärfen (88/128). Ende 1988 verweist ein Kommentar in der "Wahrheit" unter dem Titel "Ein Jahr Stahlstiftung" darauf, dass es mit der Novelle zum ASVG dem Betriebsrat gelungen sei, die wohl wichtigste soziale Erneuerung der letzten Jahre durchzusetzen. Die Bereitschaft der Belegschaft der VA, sich mit einem Beitrag von 0,75% ihres Gehaltes jenen Kollegen gegenüber solidarisch zu verhalten, die ihren Arbeitsplatz verlieren, sei ein Anlass, mit Recht stolz darauf zu sein (88/137).

Eine andere Diagnose hat "Der Standard" bereits einige Wochen zuvor abgegeben: "Stahlstiftung: Wenig Bedarf und übervolle Finanztöpfe". Diesem Bericht zufolge ist die Ursache in der günstigen Stahlkonjunktur zu sehen, die dazu geführt hat, dass die Verstaatlichte nicht nur besser verdient, sondern auch die Stahlstiftung kaum in Anspruch genommen wird. Der Linzer Arbeitsmarkt sei geradezu ausgetrocknet, zur Zeit würden von der Stahlstiftung nur 320 Personen betreut, Reserven seien jedoch für 1000 Beschäftigte für ein Jahr vorhanden (88/131). Dieser Bericht verweist auch auf Absichten, Budgetmittel, die nicht gänzlich für den eigentlichen Zweck der Stiftung verbraucht würden, zur Aus- und Weiterbildung der Belegschaft einzusetzen.

Anfragen, die sich auf eine Pressemeldung über die "schwerreiche Stahlstiftung" bezogen haben, veranlassen die Geschäftsführer dazu, in der Nummer vom Dezember 1988 der "Rundschau" über die "Finanzielle Situation der Stahlstiftung" zu informieren. Dort heißt es, nach einer ausführlichen Beschreibung der Situation, dass "unter diesen Umständen von einer ‚Übervorsorge' nicht die Rede sein kann, selbst wenn man die derzeit relativ günstige Arbeitsmarktsituation fortschreibt" (1988/ 138).

Mitte Jänner 1989 berichtet die "Presse" davon, dass im Sozialministerium an einer Modifikation eines bereits früher diskutierten Vorschlags gearbeitet wird, das einen bezahlten Bildungsurlaub für Arbeitnehmer vorsieht, die an die Bedingung geknüpft sein könnte, dass der jeweilige Betrieb anstelle des fehlenden Mitarbeiters einen Arbeitslosen befristet einstellt (89/1). Finanzierung und Kooperation wären der Sache nach, obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, ziemlich gleich wie bei der Stahlstiftung gewesen.

Neue Mitspieler

Insgesamt ist die Berichterstattung zum Thema Stahlstiftung seit dem Beschluss über die Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes stark zurückgegangen. In den wenigen Berichten, die sich noch finden, zeichnen sich neuerdings die bereits bekannten Frontstellungen ab, gleichzeitig kristallisiert sich aber eine zusätzliche Sichtweise heraus, die man als pragmatisch-technokratische bezeichnen könnte. Die alten Fronten lösen sich deswegen noch nicht auf. Sie werden sichtbar einerseits im Bemühen, auf die Erfolge der neuen Einrichtung hinzuweisen und sie so zu unterstützen, andererseits aber in Verweisen auf wirkliche oder vermeintliche Mängel, um sie dadurch zu diskreditieren und so ihre Existenzberechtigung zu untergraben.

In einer Presseaussendung der Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte im VA-Konzern, d.h. der Betriebsratsvorsitzenden der Nachfolgegesellschaften der Voest-Alpine, wird auf die "bewährte Arbeit der VA-Stahlstiftung" hingewiesen. Denn sie habe einen sozialen Ausgleich zu den Maßnahmen der Umstrukturierung im Betrieb geschaffen und könne, wie die positiven Abschlüsse in den einzelnen Ausbildungsgängen ersichtlich machten, auf eine sehr erfolgreiche bildungs- und arbeitsmarktpolitische Bilanz hinweisen. Berichte über die Gründung weiterer Betriebsstiftungen waren durchaus geeignet, die Nützlichkeit der Stiftungsidee als solcher außer Diskussion zu stellen. Zunächst kam es zur Errichtung einer Kohlestiftung bei der WTK in Ampflwang (89/2), bald kamen auch weitere Stiftungsgründungen ins Gespräch. Ein Jahr später berichtet dann "Die Presse" (90/4) davon, dass die Arbeitsstiftung als Qualifizierungseinrichtung "Schule macht". Gemeint waren damit die Verhandlungen über eine Alu-Stiftung und über eine Glas-Stiftung; erste Überlegungen zu einer Arbeitsstiftung für Steyr-Mitarbeiter standen im Raum. Dieser Bericht der "Presse" vom Jänner 1990 schließt mit der Feststellung, dass "Arbeitsstiftungen grundsätzlich von den jeweiligen Unternehmen und der Arbeitsmarkt-verwaltung finanziert werden. Kann die Finanzierung durch ein Unternehmen nicht erfolgen, übernimmt die Arbeitsmarktförderung diese Aufgabe. Um eine Kostenentlastung zu ermöglichen, überlegt das Sozialministerium die Mitfinanzierung durch Gemeinden und Länder". Dies bedeutet eine nicht zu übersehende neue Akzentsetzung. Hatte es in den Vorüberlegungen zur Errichtung der Stahlstiftung geheißen, dass ein Solidarbeitrag der Belegschaft unabdingbare Voraussetzung sei, so erfolgt jetzt die Finanzierung der Arbeitsstiftungen aus lediglich zwei Töpfen: den Unternehmen und der Arbeitsmarktverwaltung. Dies gilt "grundsätzlich", das heißt, es ist eine Regel ist, die Ausnahmen zulässt für den Fall, dass ein Unternehmen nicht willens oder nicht in der Lage ist, seinen Teil der Finanzierung zu übernehmen. Dann, so heißt es hier, springt die Arbeitsmarktförderung ein. Dies bedeutet eine massive Einschränkung des Prinzips der Mischfinanzierung, wie sie für die Stahlstiftungen im Saarland und auch in Linz konstitutiv gewesen ist. Mit der quantitativen Ausweitung des Modell der Stiftung auf andere Betriebe tritt die öffentliche Arbeitsmarkförderung in den Vordergrund, indem sie die entscheidende Rolle für das Zustandekommen und das gute Funktionieren von Stiftungen übernimmt. Dies geschieht still und leise, ohne dass darüber diskutiert worden wäre, welche qualitativen Konsequenzen für die Stiftungskonzeption, für ihre Struktur und Dynamik, damit verbunden gewesen sind. Wegen der zu erwartenden hohen Kosten denkt daher das Sozialministerium an eine Mitfinanzierung durch Gemeinden und Länder. Dass eine solche Einladung zur Mitfinanzierung nicht überall nur positiv aufgenommen werden würde, ließ ein Bericht über steirische Stahlstiftungs-Alternativen vermuten, den einige Woche zuvor ebenfalls "Die Presse" veröffentlicht hatte (89/27). Dort heißt es, dass die Steiermark mit dem Saarland "wenig am Hut hat", die Steirer bei dieser Übernahme des Stiftungsmodells abblocken. Denn die Landesregierung halte dieses Modell für ein reines Rahmenprogramm, das nicht zum Tragen gekommen sei, weil keine Bedürfnisse dafür bestünden. Laut WiFi Graz gebe es kaum Nachfrage für die Stahlstiftung. Derselben Meinung ist auch der damalige Wirtschaftslandesrat (Frau Klasnik): die traditionelle Förderung über Wifi und BFI sei völlig ausreichend und das diesbezügliche Engagement des Landes zielführender, als es im Rahmen der Stiftungen hätte sein können.

Der Parlamentsbeschluss vom April 1988 stellt also wohl die gesetzliche Grundlage für die Stahlstiftung im Rahmen weiterer möglicher Arbeitsstiftungen dar, vermochte aber nicht die allgemeine politische Akzeptanz der damit verbundenen Idee sicherzustellen. Der Ansicht des "profil" vom März 1989, dass die "Stahlstiftung, die auf Druck der Metaller-Gewerkschaft zustandegekommen ist, den Anstoß zur herausragenden arbeitsmarktpolitischen Innovation des vergangenen Jahres, den ‚Arbeitsstiftungen' gegeben hat" (89/5), stehen also durchaus völlig konträre Meinungen gegenüber. Frühere Gegner greifen nun jede sich bietende Gelegenheit auf, um ihre politische Aversion im Verweis auf sachbezogene Argumente neu vorbringen zu können. In diesem Kontext stehen auch die Sticheleien gegen die finanziellen Reserven der Stahlstiftung, ausgelöst durch den Beschluss, das "Solidaritätsopfer um zwei Drittel, also von 0,75% vom Bruttobezug der Aktiven auf 0,25% zu verringern". Der ÖAAB-Fraktion geht dieser Beschluss zu wenig weit. Sie betrachtet ihn als eine halbherzige Reaktion der SP-Fraktion im Betriebsrat auf den Antrag der ÖAAB-Fraktion, den Solidaritätsbeitrag völlig abzuschaffen (89/15). Dazu kommt dann noch die Kritik an einem England-Aufenthalt von einigen Mitgliedern der Stahlstiftung, der ihre Englischkenntnisse durch einen Kursbesuch im Land selbst verbessern sollte. Ein diesbezüglicher Bericht in der "Rundschau",die Voest Alpine würde sich auf Kosten der Stiftung, d.h. auf Kosten der Belegschaft, Ausbildungskosten ersparen, ist daher Gegenstand eines entschiedenen Dementis von seiten der Stahlstiftung (89/29). Einige Monate später werden angeblich überhöhte Reisekosten an den Pranger gestellt (90/10), wieder mit skandalträchtigen Schlagzeilen, die rufschädigend wirken, aber keineswegs hieb- und stichfest zu begründen sind. Im November 1989 schon hatte der ehemalige Vorzeigebetrieb, die TerraHum, den Ausgleich anmelden müssen. An Turbulenzen fehlte es damals, in dieser frühen Phase der Stahlstiftung, also keineswegs.

Anfang 1990 bringen die "ÖSB-Informationen" unter dem Titel "Zwei Jahre Stahlstiftung" einen ausführlichen Bericht zum zweijährigen Jubiläum dieser Einrichtung. Es handelt sich dabei um eine Zusammenstellung von bereits Bekanntem unter Außerachtlassung des Kontroversiellen. In der vorangestellten Kurzfassung wird als oberstes Ziel der Stahlstiftung genannt, den wirtschaftlichen Strukturprozess menschenwürdiger zu gestalten. Als Mittel dazu dienen Kurse, Umschulungen oder die Gründung von Unternehmen. Dank der besseren Stahlkonjunktur sei der Stiftung die echte Bewährungsprobe erspart geblieben, doch ihre regionale Bedeutung sei unbestritten. Der ausführliche Bericht liest sich wie die Erfolgsgeschichte einer Einrichtung, die den Personalabbau großer Betriebe in rational überschau- und berechenbare Bahnen lenkt und damit für alle Beteiligten unangenehme Probleme aus der Welt räumt. Die Einführung bringt zunächst eine biographische Skizze eines früheren Voestlers aus der Härterei, dem es gelingt, mit Hilfe der Stahlstiftung einen eigenen Betrieb, wieder ein Härterei, auf dem Gelände der Voest aufzubauen. Dann das Generelle: die Stahlkrise als wirtschaftlicher Hintergrund, das Pilotprojekt Eisenerz, die geringe Nachfrage nach der Stahlstiftung, ihre Menge Geld im Topf, die ersten sechs Wochen, der zeitliche Rahmen von zwei Jahren, und schließlich, recht ausführlich, der Weg zu Unternehmensgründungen.

Es entsteht somit ein insgesamt recht friedliches Bild: Die Idee einer Stahlstiftung wurde in Österreich 1987 nach ausländischen Vorbildern geboren, schon im Frühjahr 1988 stand nicht mehr das "Ob", sondern nur noch das "Wie" der Realisierung der verschiedenen Ideen zur Diskussion, als im März 1988 (sic) rückwirkend das Arbeitslosenversicherungsgesetz beschlossen worden sei. In der Folge sei es zu anderen stiftungsähnlichen Einrichtungen gekommen, wobei die Stiftung in Linz ihre Serviceleistungen auch an anderen Standorten angeboten habe. In den ersten sechs Wochen bewältige die Stahlstiftung ihre zentrale Aufgabe, den Kündigungsschock und die damit verbundene psychische Belastung aufzufangen. Es gelte, eine Phase der Resignation rasch in eine Phase der Aktivitäten überzuführen. Wegen des großen Erfolges dieser 6-wöchigen Kurse überlege das oberösterreichische Arbeitsamt, ähnliche Kurse generell für Arbeitslose einzuführen, um so die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen, wofür zwei Jahre zur Verfügung stünden. Abschließend weist der Bericht diskret darauf hin, dass die ÖSB für Stiftungsmitglieder, die an der Gründung eines eigenen Unternehmens interessiert sind, Beratungsgespräche anbietet. Diesbezüglich gebe es bereits eine etablierte Kooperation, da schon seit 1988 eine Zusammenarbeit zwischen ÖSB und Stahlstiftung bestehe, die erst im vergangenen Herbst (1989) vertraglich fixiert worden sei. Für die Zukunft sei, zur Forcierung des Gründungsbewusstseins, die Einrichtung eines Projektzentrums in Oberösterreich durchaus im Bereich des Möglichen.

Eine solche Beschreibung repräsentiert den bereits erwähnten dritten Typus einer Sichtweise der Stahlstiftung. Hier sind alle Spuren einer politischen Vertretung von Arbeitnehmerinteressen getilgt, wie sie ursprünglich bei den Gewerkschaften bzw. der gewerkschaftlichen Mehrheit vorhanden gewesen sind. Auch die gegenteilige Position, überflüssiges Personal dem freien Spiel der Kräfte des Arbeitsmarktes zu überantworten, findet hier kein Echo. Die Anpassung an die Zwänge der Wirtschaft, die als solche in ihrer Absolutheit nicht in Frage gestellt werden, ist jedoch , wie es heißt, "menschenwürdig" zu organisieren. Das Menschenwürdige ist dadurch garantiert, dass alle erdenklichen Hilfsmittel bereitgestellt werden, sich selbst helfen zu können. Hilfe zur Selbsthilfe heißt die Zauberformel, bereits im Selbstverständnis der frühen Stahlstiftung ein zentrales Element. Niemand kann die Eleganz dieser Formel in Abrede stellen, deren Inhalte letztlich unbestimmt und beliebig interpretierbar sind, und in bestimmten Kontexten(13) wichtiger Bestandteil der neuen neoliberalen Ideologie sind.

Zwei weitere Berichte von Anfang 1990, einmal in der Mitarbeiterzeitschrift "Stahl intern", dann aber in "Mitbestimmung", lesen sich ebenfalls wie bilanzierende Standortbestimmungen, die jegliche Polemik gegen die Feinde der Stiftung zu vermeiden suchen. In "Stahl intern" heißt es, dass bei der Bewältigung der sozialen Probleme ohne Zweifel die Stahlstiftung, "die in dieser Form in der Welt ihresgleichen sucht", ein besonders wichtiges Element gewesen ist. Doch die Kürzung der Sozialleistungen sei als unvermeidliche Begleitmaßnahme hinzunehmen, trotz Ergebnisverbesserung um 7 Mrd.S. im Jahr 1989, von denen 2,5 Mrd. der besseren Konjunktur, 4,5 Mrd. jedoch auf eigene Maßnahmen im Unternehmen zurückzuführen seien. Doch war, wie hier zu lesen ist (90/2), an der Erkenntnis nicht vorbeizukommen, "dass auch Sozialleistungen und Personalkosten sich am Markt zu orientieren haben, wenn die Gesellschaft überleben will". So die Sichtweise von "Stahl intern", der Mitarbeiterzeitschrift der Unternehmensgruppe, die den Standpunkt der Unternehmensleitung zum Ausdruck bringt. Dies macht auch verständlich, dass ein Überleben der Gesellschaft an die bedingungslose Respektierung der Marktgesetze gebunden wird und nicht umgekehrt die Gültigkeit der Marktgesetze an die Existenz von Gesellschaft. Also eine bereits eindeutige Zuweisung der Prioritäten im Sinne der neuen Wirtschaftsdoktrin unter dem Vorzeichen völlig deregulierter Märkte.

Ähnlich in der Tonart ist ein bilanzierender Bericht in "Mitbestimmung", der den Aspekt der "Beratung in Arbeitsstiftungen" in den Vordergrund rückt. Auch dieser Bericht unterstützt die pragmatisch-technokratische Sichtweise der Stiftungen. Denn er verweist auf Umdenkprozesse im Bereich der arbeitsmarktfördernden Maßnahmen und betont, dass in Österreich nach den Aussagen international anerkannter Wirtschaftsexperten die Anpassungsprobleme der verstaatlichten Stahlindustrie "relativ umsichtigen Lösungen" zugeführt worden seien (90/ 3). Die Stahlstiftung scheint in dieser Darstellung ein Anwendungsfall von vorausschauender Planung der Arbeitsmarktverwaltung zu sein. In der Stahlstiftung seien die neuen Förderungsmöglichkeiten erstmals umgesetzt worden, und dies gleich mit größtem Erfolg. Einer der Schwerpunkte im Konzept der Stahlstiftung sei die Neuschaffung von Arbeitsplätzen in Projekten gewesen, gegründet durch ehemalige Voest-Angehörige, die nun in der Stahlstiftung seien. Bereits im Mai 1988 hätte die Österreichische Studien- und Beratungsgesellschaft von der Stahlstiftung den Auftrag erhalten, bei solchen Neugründungen professionelle betriebswirtschaftliche "Beratung zu erteilen", wie es hier heißt. Gleichzeitig werden die historischen Horizonte erweitert, indem der Beginn der beratenden Tätigkeiten der ÖSB zeitlich weiter zurückverlegt wird. Denn sie "begann teilweise schon während der Entwicklungsphase der Stiftung selbst. Sie beschränkte sich bis Mai 1988 jedoch auf informelle Gespräche über ausländische Beispiele, deren Vor- und Nachteile für die Arbeitssituationen, über reorganisierte Betriebe und Arbeitskräfteüberhänge". Nach einer Darstellung des Werdeganges eines Trainers in der Stiftung, wie "aus Training ein Job wird", wird nochmals an Beispielen illustriert, dass auch das Konzept der Unternehmensgründung in der Stahlstiftung dank Beratung der ÖSB bestens funktioniert. Abschließend die Zukunftsperspektive: Mit Hilfe eines Frühwarnsystems ist bei künftigen Rationalisierungen auf dem Rücken der Belegschaft Betriebsräten und Belegschaftsvertretern Informationsmaterial und Argumentationshilfe "an die Hand zu geben", um rechtzeitig stiftungsähnliche Maßnahmen als "weiche" Auffangmöglichkeiten für Personalabbau anzuregen. "Außerdem wird in moderierten Sitzungen verstärkt Erfahrungsaustausch zwischen bestehenden Stiftungen und allen mit der Arbeitsmarktverwaltung befassten offiziellen Stellen stattfinden" (90/3).

Diese beiden rückblickenden Bilanzen sind offensichtlich aus einer Haltung grundsätzlicher Zufriedenheit abgefasst. Die Zufriedenheit aus der Perspektive des Unternehmens beruht darauf, dass sich die Orientierung am Diktat des Marktes durchgesetzt hat, die Zufriedenheit des zweiten Berichtes beruht auf dem Erfolg des vorausschauenden Agierens der Arbeitsmarktverwaltung und dem äußerst wichtigen Beitrag der ÖSB zum Funktionieren der projektbezogenen Anteile der Stiftungen. Regelmäßig moderierte Sitzungen zwischen den Verantwortlichen der verschiedenen Stiftungen und den Stellen der Arbeitsmarktverwaltung werden als für die Zukunft richtungweisend dargestellt. Wer diese Sitzungen moderieren soll, ist nicht klar ausgesprochen. Am besten wohl die ÖSB, denn diese konzentriert ihre Tätigkeiten bereits auf die Mitwirkung an Erlässen, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, und die Mithilfe bei der Erstellung von Richtlinien seitens der Landesarbeitsämter, Modellentwicklung, Modellberatung und Beratung von einzelnen aus der Stiftung hervorgehenden Projekten (90/3).

Neben der ÖSB rückt also auch die Arbeitsmarktverwaltung mehr und mehr ins Zentrum der Diskussionen um die Stiftungen, wobei auch, was nicht zu übersehen ist, erweiterte Entscheidungsbefugnisse reklamiert werden. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Arbeitsmarktverwaltung in einem ihrer Hefte sich selbst mit mehreren Beiträgen diesbezüglich klar neu positioniert. Diese Beiträge beziehen sich auf folgende Aspekte: die rechtliche Stellung der Arbeitsstiftungen, der Aspekt der Qualifizierung, die Unternehmensgründungen, das Prozedere bei der Errichtung von Arbeitsstiftungen, über verschiedene Formen von Stiftungen in Oberösterreich und die Stahlstiftung in der Steiermark. Dabei wird viel Bekanntes wiederholt, die beiden Beiträge zu Unternehmensgründungen und auch jener zur Errichtung von Stiftungen sind direkt von der ÖSB übernommen. Neu und wichtig ist hier lediglich der erste in der Reihe, der die Arbeitsstiftungen als Instrumente einer aktiven Arbeitsmarktpolitik dem Zuständigkeitsbereich der Arbeitsmarktverwaltung zuschlägt. Dieser Beitrag gibt vor, die Ausgangssituation zu beschreiben und die gesetzlichen Grundlagen darzustellen; ein weiteres Anliegen besteht darin, auf die einzelnen Elemente von Arbeitsstiftungen sowie deren Nutzen für die betrieblichen Sozialpartner und die Arbeitsmarktverwaltung hinweisen. Davon, dass sich die politischen Koalitionspartner bei der Errichtung der Stiftung in grober Weise in die Haare geraten sind und der Buchstabe des Gesetzes ein notdürftig erstellter Kompromiss ist, hinter dem ein gespaltener Geist steht, ist nun keine Rede mehr. Den gemeinsamen Nutzen der betrieblichen Sozialpartner herauszustellen, das scheint auch der Arbeitsmarktverwaltung zu nützen.

Einleitend ist in diesem Beitrag thesenartig auf sechs Punkte verwiesen, die im wesentlichen eine Interpretation des Gesetzestextes sind, aber begründet werden mit "bisherigen Erfahrungen". Um wessen Erfahrungen es sich dabei handelt, bleibt ungeklärt. Die sechs Punkte enthalten folgende Thesen:



a) Arbeitsstiftungen stehen prinzipiell allen privaten und verstaatlichten Unternehmen offen, die einen größeren Personalabbau vornehmen wollen,

b) Arbeitsstiftungen sind "Einrichtungen" mit oder ohne eigene Rechtspersönlichkeit,

c) sind keinesfalls auf Krisenregionen beschränkt,

d) können eine permanente Einrichtung sein bei längerem und sukzessivem Personalabbau,

e) aber auch eine temporäre Einrichtung bei einmaligem Personalabbau, und

f) stiftungsähnliche Maßnahmen sind nach Arbeitsmarktförderungsgesetz überall dort möglich, wo eine Arbeitsstiftung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz nicht möglich ist (wenn die Vorgängerfirma nicht mitfinanziert oder wegen Insolvenz nicht mehr existiert).



Im Verlauf der weiteren Ausführungen heißt es, Arbeitsstiftungsmaßnahmen können auch an extern bestehende Weiterbildungseinrichtungen, zum Beispiel WIFI/BFI, übertragen werden, und verlangen (Verweis auf §18, Abs, 6 ALVG), aus administrativem Blickwinkel durchaus verständlich, ein einheitliches Konzept. In den Arbeitsstiftungen scheint die Arbeitsmarktverwaltung also den Stein der Weisen gefunden zu haben, denn sie sind für alle Beteiligten von Nutzen: für die Unternehmen, für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, für deren Vertreter und Vertreterinnen sowie, nicht zuletzt, auch für die Arbeitsmarktverwaltung.

Mit dieser juridischen Interpretation, die zumindest eine offiziöse, wenn nicht gar eine offizielle Interpretation darstellt, appropriiert sich die Arbeitsmarktverwaltung einen Erfahrungsbereich und enteignet politisch ambitionierte Akteure im betrieblichen Bereich ihrer besonderen Handlungsmöglichkeiten, bedingt durch die jeweiligen betriebsbedingten Spezifika. Ein einheitliches Konzept zu etablieren heißt vorauszusetzen, dass alle Betriebe gleich sind. Eine wichtige Begleiterscheinung dieses administrativen Handstreichs ist darin zu sehen, dass nun alles, was in den zwei Monaten vor der Beschlussfassung im Parlament 1988 Gegenstand heftigster Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionspartnern gewesen ist, nun abstrichlos im Sinne der damals von der ÖVP und der Wirtschaftskammer vertretenen Interessen entschieden ist. Daran ändert auch die in dieser Interpretation aufgestellte Forderung nichts, für die Erstellung und Durchführung solcher Konzepte hätten die Stahlstiftung und die Kohlestiftung Vorbildfunktion. An die Stelle politischer Konzeptionen, inspiriert von Vorstellungen vom Recht des Menschen auf Arbeit, auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen und einer gerechten Verteilung des Mehrwertes treten nun Maßnahmen der Arbeitsmarktbürokratie. Die einzelnen, sowohl Betriebe wie auch Personen, werden nun zu Anwendungsfällen überindividueller Normen. Der schon früher nicht über jeden Zweifel erhabenen, weil einem ideologischen Individualismus Vorschub leistenden Formel einer "Hilfe zur Selbsthilfe" wird nun auch der letzte dynamische Impetus entzogen, indem man die Stiftungen ihres letztlich auch politisch inspirierten Umfeldes beraubt.

Diese langsamen Verschiebungen der Gravitationszentren in Richtung ÖSB und Arbeitsamt bedeuten nun keineswegs, das übliche Hick-Hack auf betrieblicher Ebene zwischen früheren Verfechtern und Gegnern der Stahlstiftung wäre nun plötzlich zum Stillstand gekommen. Nach wie vor gibt es vehemente Attacken gegen die Stiftung. Gegenstand der Angriffe sind vor allem die finanziellen Reserven, deren Entstehung und Verwendung. Die Minderheitsfraktionen am Standort Linz verlangten ein sofortiges Aussetzen des Solidarbeitrages (91/11), die Parteifreien Gewerkschafter sehen die "Stahlstiftung in Endphase", weil es für sie keine Aufgaben mehr gebe und halten daher deren Schließung 1993 für realistisch (91/14). Die Geschäftsführung der Stahlstiftung bezeichnet die Kritik bezüglich Reise- und Fahrtkosten für aus der Luft gegriffen (91/3), der Betriebsratsvorsitzende wehrt sich gegen die Verunsicherung der Belegschaft durch Spekulationen über weitere Kündigungen und distanziert sich von ÖAAB-Vorstellungen als frommen Wünschen. Das Spiel um die Delegitimierung bzw. das kontinuierliche Bemühen um Legitimation geht weiter, wie früher, ganz unabhängig davon, dass nun wichtige Kräfte begonnen haben, in diesem Spiel die Rolle von Spielmachern zu übernehmen, die den Lauf des Geschehens entscheidend mitzubeeinflussen in der Lage sein werden.



4. Expansionsprozesse

4.1 Periodisierungsprobleme

Nach der zeitlichen Auflistung der gesammelten Medienbeiträge lassen sich, wie oben bereits erwähnt, vor allem zwei, eventuell auch drei Wendepunkte in der Verlaufskurve der anschwellenden bzw. wieder abebbenden Intensität der Berichterstattung feststellen: die Jahre 1988, 1993 und, in geringerem Maße, auch 1995. Diese ungleiche Verteilung der Beiträge, auch als unterschiedliche Intensitäten der öffentlichen Relevanz des behandelten Gegenstandes und damit auch des Interesses interpretiert, ist Anlass dazu gewesen, von drei Phasen in der bewegten Geschichte der Arbeitstiftungen zu sprechen. Derartige Einteilungen sind zweifellos Konstruktionen, über die man unterschiedlicher Meinung sein kann, die aber dennoch als Prinzip der Strukturierung und Orientierung von großem Nutzen sind. Niemand stößt sich daran, die Geschichte der Zivilisation in die drei großen Perioden von Altertum, Mittelalter und Neuzeit einzuteilen. Dabei handelt es sich ebenfalls um grobe Einteilungen, deren sich alle als selbstverständlich bedienen, ohne dass im Einzelfall angegeben werden könnte, wo genau das Altertum aufhört und das Mittelalter anfängt, das dann selbst wieder einer Neuzeit Platz macht, von der man wieder nicht weiß, wo genau sie beginnt. Daran ändern auch weitere Einteilungen wie Früh-, Hoch- und Spätmittelalter nichts. Wo das Spätmittelalter aufhört und die frühe Neuzeit beginnt, auch diese Zäsur ist eine Konstruktion. Im einzelnen werden sich die Prozesse überlappen, die teils als zum Mittelalter, teils als zur Neuzeit gehörend betrachtet werden. Wo im einzelnen hinsichtlich der Zuordnung vielleicht eine gewisse Unsicherheit besteht, zweifelt dennoch niemand an der Sinnhaftigkeit der Einteilung im Gesamten. Derartige Einteilungen, so sehr sie auch im Einzelfall mit Unsicherheiten behaftet sind, haben ihren Sinn und sind unverzichtbar. Einem Chaos von Einzelphänomenen ist nur durch Klassifikation, Bildung von Typologien oder anderen Versuchen, orientierende Muster herauszufiltern, beizukommen.

Ähnlich handelt es sich bei der Einteilung der noch jungen Stiftungsgeschichte um eine Konstruktion, aber keinesfalls um eine willkürliche Einteilung. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass übergreifende Abschnitte der Entwicklungen sich erkennen lassen, die es gestatten, eine gewisse Ordnung in eine als chaotisch erscheinende Entwicklung zu bringen. Dass es sich dabei um eine solche handelt, dürfte wohl niemand bestreiten, denn bei der "Lösung" eines unlösbaren Problems - der steigenden Arbeitslosigkeit - prallen zu viele Ansichten, wohlmeinende und auch naive, politisches Wollen und Grenzen der Machbarkeit, Zwänge zur Normierung und bürokratische Kleingeisterei, Orientierung an Individual- oder Kollektivgütern, an Kurzzeit- oder Langzeitperspektiven, zusammen.

Was den ersten Zyklus betrifft, so beginnt dieser, wie oben (S. 21) bereits dargelegt, im Sommer 1987 und endet irgendwo um 1990. Bestimmt ist diese erste Phase vom Bemühen um die Ermöglichung bzw. die Verhinderung der Stahlstiftung, deren greifbares Ergebnis dann einerseits die gesetzliche Fixierung der Bedingungen der Arbeitstiftungen gewesen sind. Auf der Grundlage der damals erzielten Kompromissformel(14) hat dann nicht nur die Arbeitsstiftung eine gesetzliche Grundlage erhalten, sondern sind auch eine Reihe anderer Unternehmensstiftungen entstanden. Es scheint eine Ironie des Schicksals zu sein, dass gleichzeitig mit der Findung des parlamentarischen Kompromisses, der eine humane Behandlung der Opfer von Massenkündigungen ermöglichen sollte, die Stahlkonjunktur sich wieder für den Zeitraum von drei Jahren zum Besseren wenden sollte. Dies musste zu einer Relativierung des ehrgeizigen Projektes führen, was das stark abnehmende Interesse nach 1988 erklärt, das seinen tiefsten Stand 1990 hat und im darauffolgenden Jahr wieder leicht anzusteigen beginnt. Dieser erste Zyklus ist eingehend in seinen Einzelheiten im vorigen Abschnitt dargestellt.

4.2 Modellerweiterung

An Hand der Verteilung der Medienberichte zeichnet sich offensichtlich ein zweiter Zyklus ab, der den Zeitraum von 1990/1991 bis 1994 umfasst, je nachdem, welchem Zyklus man das Jahr 1990 zuschlägt: Ist es das letzte des ersten Zyklus oder der Anfang des zweiten? Vermutlich dürfte eher das erstere der Fall sein, sodass der zweite Zyklus ebenfalls, wie der erste, wiederum ungefähr vier Jahre umfasst. Dies bedeutet aber keineswegs, dass er auch schon am 1.1.1991 beginnen würde.

Zunächst einmal spiegeln die Beiträge dieses Jahres das übliche Hick-Hack wider, wie es von früher her schon bekannt ist zwischen jenen, denen die Stahlstiftung ein Dorn im Auge ist und jenen, die an ihrer Sinnhaftigkeit festhalten wollen. Die "Volksstimme" (1991/1) transportiert Befürchtungen, dass Stiftungsgelder für ein Wellness Center verwendet würden und dies zu Unmut bei den Beschäftigten führe. Die "Kronenzeitung" (91/8) berichtet, dass irgendetwas schief laufe bei der Voest, denn die Stahlstiftung sitze auf dem Geld, auf der anderen Seite aber landeten Hunderte in der Langzeitarbeitslosigkeit. Im Februar seien 117 Personen ausgeschieden, von denen 35 in die normale ASVG-Pension und 6 in die Invaliditätspension gewechselt hätten, 76 aber, also zwei Drittel, in die Langzeitarbeitslosigkeit. Diese Feststellung führt zum Vorschlag, ältere Mitarbeiter wenigstens in die Stahlstiftung umzuleiten. Von Seiten der ÖAAB-Betriebsräte kommt der Antrag, den Solidarbeitrag von 0,25% auf 0,05% zu senken, und die Parteifreien Gewerkschafter bringen ihre Haltung im Märzheft 1991 in folgender Formel zum Ausdruck: "Keine Kündigungen heißt: Kein Personalabbau mehr, daher keine Aufgabe mehr für die Stahlstiftung! Schließung 1993 realistisch" (91/14).

Die Geschäftsleitung der Stahlstiftung weist die Vorwürfe von ÖAAB und der Parteifreien Gewerkschafter umgehend (91/15) als völlig unbegründet zurück. Bereits einige Wochen vorher hatte "Die Wahrheit" (91/7) von einer Informationsveranstaltung der Geschäftsführung der Stahlstiftung für alle Betriebsratskörperschaften berichtet, deren Inhalt sich insbesondere auf die Tätigkeiten der letzten beiden Jahre beziehe. Es wurden auch diverse in einzelnen Zeitungen geäußerte Kritiken mit dem Argument zurückgewiesen, dass sie jeder sachlichen Grundlage entbehrten. Abschließend noch der Hinweis, dass die Stahlstiftung bereits weit über Österreich hinaus zu einem Modell geworden sei und dass in den nächsten Wochen eine aktuelle Broschüre unter dem Titel "3 Jahre Stahlstiftung" erscheinen werde. Einige Monate später wird dann der Stahlstiftung vom "Institut L & R Sozialforschung" auf Grund der Ergebnisse einer Evaluierung arbeitsmarktpolitische Effizienz bestätigt. Im wesentlichen befasst sich diese Studie mit der Beschreibung des Modells der Stahlstiftung, der Umstände ihrer Inanspruchnahme, der Verbleibskarrieren der Teilnehmer/-innen, der Einkommensentwicklung und abschließend dann mit einigen Überlegungen zu den Entwicklungsperspektiven. Hier heißt es, dass "auch die gewerkschaftliche Haltung zur Stahlstiftung" der Klärung bedürfe, und dass in diesem Zusammenhang auch zu entscheiden sei, "ob das Stahlstiftungsmodell mehr sein kann als eine Einrichtung im Vorfeld der Verstaatlichten Industrie". Denn die Struktur der Ressourcenaufbringung eröffne Möglichkeiten zur Anwendung auch auf anderen Ebenen (91/21).

Ungefähr zur selben Zeit, Anfang August 1991, berichtet "Der Standard" über "Neue Ideen für Arbeitsstiftungen" (11/22). Das Neue besteht darin, dass die Steiermark jetzt zum Vorreiter eines erweiterten Arbeitsstiftungsmodells werden will, das künftig auch österreichweit Geltung bekommen soll. Akteur der neuen Initiative ist die Österreichische Studien- und Beratungsgesellschaft (ÖSB), Gegenstand der neuen Bemühungen sind Mittelbetriebe in strukturschwachen Regionen. Bereits im Vorfeld drohender Firmenzusammenbrüche und regional bedeutsamer Jobverluste will die ÖSB die Installierung eines Auffangnetzes prüfen. Das neue Modell unterscheidet sich "von dem vom ehemaligen Sozialminister Dallinger entworfenen Urstiftungsmodell" durch Änderungen bei der Organisation und der Mittelaufbringung. Statt den Betrieben direkt Födermillionen an die Hand zu geben (weil bisher eine Stiftung über einen Sozialplan zu finanzieren war) könnte nach den Vorstellungen des ÖSB-Teams künftighin das Land die Stiftungsfinanzierung mittragen. Wie oben bei der Studie des Institutes L&R sind auch hier die Gewerkschaften angesprochen: Arbeitsloseninitiativen seien - im Gegensatz zu Österreich - in anderen Ländern, vor allem in Italien, Belgien, Holland, aber auch in England, der BRD, Frankreich und Irland von Gewerkschaften getragen (91/22). Ob sich hinter dieser sachlichen Feststellung eine Kritik am Österreichischen Gewerkschaftsbund verbirgt, ist nicht ganz klar. Doch muß es fast so sein, weil sonst der Hinweis in diesem Kontext wenig Sinn machen würde. Hier kann er nur bedeuten: Weil die Gewerkschaft im Interesse der Arbeitslosen zu wenig initiativ ist, bedarf es einer Erweiterung des Arbeitsstiftungsmodells.

Im September kommt wieder Streit auf, diesmal jedoch nicht wegen der hohen Finanzreserven der Stiftung, sondern weil angeblich Arbeitskräfte der Voest-eigenen Personal-Leasingfirma VACE durch die Stiftung geschleust würden, was einem Missbrauch gleich käme. So die "Kronenzeitung" (91/23). In einem anderen Kommentar ist von einer "kabarettreifen Stahlstiftung" die Rede; es wird die Frage gestellt, was daraus geworden sei: ein Flop, ein Instrument der Personalentwicklung oder ein Selbstzweck? Ein aus den ersten Diskussionen um die Errichtung 1988 bereits bekannter steirischer ÖVP-Abgeordneter zum Nationalrat und Ex-Angestelltenbetriebsrat (Burgstaller) bekundet neuerdings seine große Distanz: "Was haben die denn gemacht, außer dass sie Leute in die Frühpension hinübergerettet haben"? Er hat überdies das Gefühl, "dass die Sache voll in die Hosen gegangen ist" (91/26). Ebenso wird hier die Tatsache angeprangert, dass ein beträchtlicher Teil der Stahlstiftungszöglinge heute wieder "im Haus" beschäftigt ist und im Anschluss daran die Frage gestellt: "Fortbildung, auf wessen Kosten hast du stattgefunden"? So ist die Stahlstiftung immer wieder zu Richtigstellungen und Dementis gezwungen, die unumgänglich sind, weil unbeantwortete Vorwürfe den Anschein erwecken, richtig zu sein. Neben diesem Bewertungsproblem von unterschiedlichen Standpunkten gibt es aber auch eine sachliche Information: "Nach drei fetten Jahren ist die Stahlkonjunktur wieder im Sinkflug". Es könnte damit, so die Vermutung des "AZ-Tagblattes", eine schon etwas in Vergessenheit geratene Einrichtung - die Stahlstiftung - "eine unerwünschte Renaissance erleben" (91/24).

Der Vorstandsvorsitzende der VA-Stahl Linz (Bogdandy) illustriert mit einige Zahlen die Eckpunkte der dramatischen wirtschaftlichen Veränderungen. Nach der knapp vermiedenen Pleite sei es zu einer Umorientierung in der Zielsetzung gekommen. Der Umsatz des Unternehmens habe sich infolge dieser Umorientierung von 40 Mrd. im Jahr 1886 auf 46 Mrd. im Jahr 1990 erhöht, wobei sich der Mitarbeiterbestand von 39 241 im Jahre 1986 auf 29 949 verringert habe. Zum operativen Ergebnis: 1986 ein Negativum in der Höhe von 3,2 Mrd., 1989 hingegen ein Positivum von 3,5 Mrd., das sich dann 1990 auf 1,4 Mrd. reduzierte. Also eine dramatische Entwicklung, die zur Reduzierung der Zahl der Mitarbeiter um 10 000 und zu einem starken Eingriff in die sozialen Besitzstände geführt habe (91/17). Nach Ansicht der "Linzer Rundschau" ist die Voest in diesen Jahren "unter kräftigen Rationalisierungswehen auf neue Beine gestellt worden", was aber, so interne Kritiker, zu keiner Verschlechterung der Position der Betriebsräte geführt habe. Auf die neue Krise in der Stahlindustrie angesprochen weist der Betriebsratsvorsitzende darauf hin, dass in Italien und Frankreich dieser Industriezweig wieder kräftig vom Staat subventioniert werde. Trotz der Krise gebe es jedoch in der Voest keine Ankündigung von Entlassungen. Denn solche "hat es bei uns nie gegeben, wir haben es gemeinsam verhindert, durch begleitende Maßnahmen, z.B. durch die Stahlstiftung, durch die Möglichkeit der Langzeitarbeitslosigkeit für Fünfzigjährige oder durch Sonderunterstützung. Zeigen Sie mir einen vergleichbaren Stahlbetrieb auf der Welt, wo das geschaffen worden ist!" (91/25).

Anfang Dezember 1991 wurde in Wien die Evaluierungsstudie "Arbeitsstiftung - Erfahrungen und Entwicklungsperspektiven" vorgestellt, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Auftrag gegeben hatte. In der Presseaussendung anlässlich der Präsentation dieser Studie, durchgeführt vom "Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung" sowie dem "Institut L&R Sozialforschung", wird die Idee, auch Arbeitgeber und die nichtgekündigte Belegschaft zur Finanzierung der Folgekosten des Personalabbaus einzubeziehen, als arbeitsmarktpolitisch "sicherlich zukunftsweisend" bezeichnet (91/30). Die wichtigsten Daten aus dieser Studie: Von den ehemaligen 802 Voest-Mitarbeitern/-innen, die den Weg in die Stahlstiftung wählten, hätten 588 wieder einen Dauerarbeitsplatz gefunden und zwanzig seien selbständig geworden. Die Tatsache, dass 56% der Betreuten angeben, heute mehr zu verdienen als vorher, und 12% ihr früheres Einkommensniveau gehalten haben, gilt hier als Beweis "für die Effizienz der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen der Stiftung".

Was für die einen eine Bestätigung des Erfolgs der Stiftung ist, ist für andere Anlass dazu, die Zukunftsperspektive dieses Modells in Frage zu stellen. Sie stoßen sich an der Art, wie das Problem der Personalreduzierung in der Verstaatlichten gelöst wird, nämlich vorwiegend über Frühpensionierungen. Genauere Zahlen liegen zwar nicht vor, aber wenn von den 10 000 Personen, um die sich die Belegschaft in wenigen Jahren reduziert hat, nur 802 den Weg in die Stiftung genommen haben, also nicht einmal 10%, so bedeutet dies, dass die Stiftung einen wichtigen Beitrag zur Personalreduzierung leistet, aber keineswegs deren wichtigster ist, wie auch der Vorsitzende des Zentralbetriebsrates ausdrücklich hervorgehoben hat: Neben der Stahlstiftung wurde der Personalabbau vorwiegend über die Langzeitarbeitslosigkeit für über 50-Jährige und Sonderunterstützungsmaßnahmen bewältigt. Diese Art des Umgangs mit unvermeidbaren Personalreduktionen hält der Wirtschaftslandesrat Oberösterreichs (Leitl) für viel zu kostspielig. Daher schlägt er eine Modifizierung des Modells der Arbeitsstiftung vor, um die Probleme im krisengeschüttelten Bezirk Braunau bewältigen zu können. Wenn dort, wie bei AMAG, KTM und SAKOG in den nächsten Monaten 1600 Mitarbeiter zur Kündigung anstehen, "auch nur ein Drittel die Aktion 50/55 in Anspruch nimmt und vorzeitig in Pension geht, so kostet das den Staat fast 600 Mio.S". Nach den Berechnungen des Landesrates kosten Umschulungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen nur etwas mehr als die Hälfte dieses Betrages. Derartige rechnerische Überlegungen führen dann zu der neuen Vereinbarung zwischen dem Landesrat Oberösterreichs, dem zuständigen Minister in Wien und dem Landesarbeitsamt, dass nun "Bund und Land die Kosten für die Arbeitsstiftung übernehmen. Denn dadurch können wir ein funktionierendes Auffangnetz knüpfen" (so Leitl, 91/32).

Die SP Oberösterreichs hält derartige Absichten, die Aktion 50/55 in den gesetzlich definierten Krisenregionen auslaufen zu lassen, grundsätzlich für sinnvoll, verlangt dafür aber einen besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer. Damit ist gemeint, dass bei Arbeitnehmern ab 45 der Kündigung eine Kündigungsandrohung vorangehen müsse. Werde die Kündigung tatsächlich ausgesprochen, so sollten die Betriebe arbeitsrechtlich dazu verpflichtet werden, ein bis zwei Brutto-Jahresgehälter in die Arbeitsstiftung einzuzahlen. Der Landesrat freut sich über die grundsätzliche Zustimmung, hält aber die Forderung nach einem besonderen Kündigungsschutz für ein "Eigentor". Denn gerade dies könnte ein Grund dafür sein, dass sich die Betriebe scheuen, ältere Mitarbeiter zu behalten. Er zieht also mögliche Parallelen mit der unerquicklichen Problematik der Einstellung von Invaliden ( 92/2). Nicht dass dem VP-Landesrat die älteren und entsprechend erfahreneren Arbeitnehmer gleichgültig wären. Doch durch eine "Umknüpfung des Sozialnetzes" sollten Geldmittel frei werden und dann vor allem für die Umschulung jüngerer Arbeitskräfte zum Einsatz kommen. Die "Linzer Rundschau" vom selben Tag (9. Jänner) berichtet ebenfalls von dieser SP-Forderung nach einem besonderen Kündigungsschutz für Ältere. Außerdem weist dieses Blatt auf eine seit 1. Jänner 1992 geltende neue Vorschrift hin: Die Arbeitsämter müssen Langzeitarbeitslose in neue Stellen vermitteln. Wer ablehne, könne das Arbeitslosengeld verlieren. Gleichzeitig werde in der Voest an neuen Plänen gebastelt, Beschäftigte abzubauen. Daher liege im Parlament ein Antrag vor, die Früh-Pension für Nacht-, Schicht-, und Schwerarbeiter, "die heuer auslaufen würde" (92/1), zu verlängern.

Zwei Wochen später trägt der SP-Landesvorsitzende (Grünner) erneut die Forderung nach einem besseren Kündigungsschutz für Arbeitnehmer ab 45 vor. Das "Neue Volksblatt" sieht darin "einen Torpedo gegen die vom Wirtschaftslandesrat geplante Oberösterreich-Stiftung zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit" (92/4). Der ÖVP-Politiker appelliert an die SP, die Arbeitsmarktpolitik von einer parteipolitischen auf eine sachliche Ebene zu bringen. Mit der neuen Sachlichkeit ist gemeint, "mit geringerem finanziellen Aufwand eine effizientere Arbeitsmarktpolitik zu betreiben". Neben dem Landespolitiker in Oberösterreich zerbricht sich auch der Sozialminister in Wien den Kopf über bessere Wege in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Nachdem nun die "alte" Sonderförderung des Ministers für arbeitsplatzschaffende Großbetriebe nach einem Veto der ÖVP ausgelaufen war, sucht er laut einem Bericht des "Standard" (92/8) nach einem neuen Instrument, um krisengeschüttelten Firmen unter die Arme greifen zu können. Woher das Geld dazu kommen soll, sei noch unklar. Auf jeden Fall wolle der Minister die Ausgaben für die Qualifikation von Arbeitslosen um 24 Prozent auf 2,2 Milliarden Schilling kürzen. Diese nun gekürzten Gelder sollten jedoch besonderen Problemgruppen, wie älteren Arbeitslosen, Frauen und Langzeitarbeitslosen zugute kommen. Außerdem habe der Minister die Arbeitsämter angewiesen, die höhere Bildung von Arbeitslosen auf die "wirkungsvollsten Ausbildungsgänge" zu konzentrieren und mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu operieren.

Was hier den Minister in Wien mit dem Landesrat in Oberösterreich verbindet, das ist der Wille, weniger Geld auszugeben, das gekürzte Geld aber "effizienter" zu verwenden. Der Minister will bei der "aktiven Arbeitsmarktpolitik" sparen, die dafür verfügbaren 4,8 Milliarden Schilling des Vorjahres nun auf 4,6 Milliarden Schilling kürzen, und die Ausgaben für die Qualifizierung von Arbeitslosen auf 2,2 Milliarden Schilling (24 Prozent) senken, um in Schwierigkeiten geratene Betriebe zu unterstützen, der Landesrat hingegen will das durch Streichung der Möglichkeiten der Frühpensionierung (Sonderunterstützungsregelung) ersparte Geld in eine geplante Oberösterreich-Stiftung zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit investieren. Die formale Zauberformel einer "effizienteren Verwendung" richtet sich also auf unterschiedliche Ziele unter Verwendung andersgearteter Mittel. Der SP-Minister sucht nach einer Ersatzlösung für etwas, was die Volkspartei verhindert hat (Sonderförderung für arbeitsplatzschaffende Großbetriebe), der VP-Landesrat plädiert nun für die Ausweitung des Modells der Arbeitsstiftung, das vier Jahre zuvor nur gegen größte Widerstände der Volkspartei die parlamentarischen Hürden passieren konnte. Neben diesen Differenzen zwischen dem Sozialminister und dem Landesrat in Oberösterreich gibt es auch eine gravierende Meinungsverschiedenheit zwischen dem Sozialminister und dem Bundeskanzler, der in Zeitungsinseraten eine "Qualifizierungsoffensive" verkünden lässt, also für Weiterbildung und Umschulung Arbeitsloser als probates Mittel für Wiedereinstieg und Verbleiben in der Erwerbsgesellschaft plädiert. "Der Standard" (92/2) bemerkt, dass "Hesoun akkurat jene Gelder kürzt, die in die Bildung Arbeitsloser investiert werden". Zudem wird hier auf einen Systemfehler bei der Arbeitslosenversicherung hingewiesen: "Die Arbeitslosenunterstützung und die Gelder für die Weiterbildung kommen aus demselben Topf, in den Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzahlen. Damit bleibt ausgerechnet in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit weniger Geld für die Vorbeugung übrig".

Gleichzeitig schlägt die Zentrale des ÖAAB in Wien Alarm wegen der Arbeitslosigkeit bei den Älteren. Deren Anteil sei in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. 1987 seien 8,9 Prozent aller Arbeitslosen über 50 gewesen, 1988 9 Prozent, 1989 10,7 Prozent, 1990 13,2 Prozent, 1991 17,4 Prozent, im Februar 1992 schon 18,5 Prozent (92/7). Wenige Monate später wies dann die Salzburger Handelskammerpräsidentin und stellvertretende Obfrau der ÖVP (Rabl-Stadler) auf die zum Teil sozialpolitische Bedingtheit dieser hohen Arbeitslosigkeit der Älteren hin. Wenn diese in der Stadt Salzburg zehn Prozent aller Arbeitslosen betrage, in Linz hingegen 35 Prozent, so habe dies nichts damit zu tun, "dass die Linzer Unternehmen so asozial sind", sondern sei vielmehr darauf zurückzuführen, dass Arbeitskräfte aus betriebswirtschaftlichen Gründen in die Arbeitslosigkeit geschickt würden(15) (92/21). Als Lösung schlägt sie vor, junge Leute zu kündigen, von denen man Flexibilität verlangen könne, Betriebsansiedlungen, Subventionierung von Lohnkosten (bei Betrieben, die Ältere anstellen), Gründung von Arbeitsstiftungen und Weiterbildung. Auf jeden Fall seien die Sonder-Regelungen für Krisenregionen abzuschaffen.

Wenn zu Beginn des Jahres 1992 das Thema der Arbeitsstiftungen wieder mehr an Interesse gewinnt, gewichtige Stimmen sich energisch für die Ausweitung dieses Modells einzusetzen beginnen, dann, dass steht außer Zweifel, nur im Zusammenhang des breiten Spektrums der Gesamtheit der verfügbaren arbeitsmarktpolitischen Interventionsmöglichkeiten. Das Problem, die Arbeitslosigkeit, wird größer, die Summe verfügbarer Mittel aber wird kleiner. Daher wird laut darüber nachgedacht, wie dieses Geld am effizientesten eingesetzt werden kann. Weil es bisher noch keinen als besten allgemein akzeptierten Weg gibt, kommt es zu mehreren, unterschiedlich akzentuierten Vorschlägen. Der Bundeskanzler plädiert für intensivere Weiterbildung der Beschäftigten, sein Sozialminister für die Stärkung der Betriebe, um so bestehende Arbeitsplätze abzusichern und neue zu ermöglichen, der oberösterreichische Landesrat will mehr Arbeitsstiftungen, um Langzeitarbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer zu verhindern, deren Kündigung für die Betriebe besonders rentabel zu sein scheint.

Alle Arten von Stellungnahmen zum Stiftungsmodell, seien dies nun Versuche der Bilanzierung der Tätigkeiten einer bestimmten Einrichtung in einem bestimmten zeitlichen Abschnitt, Aussagen über Erfolge oder Misserfolge oder Forschungsergebnisse in evaluierender Absicht sind daher im Hinblick auf zwei Bezugspunkte zu sehen: Einmal die Binnenperspektive, welche sich auf die konkrete Arbeitsweise einer einzelnen oder mehrerer Stiftungen bezieht, daneben aber auch die Makroperspektive, welche die Relevanz derartiger Tätigkeiten zur Reduzierung von Engpässen auf dem Arbeitsmarkt im allgemeinen im Auge hat. Die erste Perspektive steht notwendigerweise im Vordergrund bei der Berichterstattung der Stahlstiftung vor ihren Kuratoren. "Die Wahrheit", das Sprachrohr der dominanten Fraktion des Betriebsrates, transportiert den positiven Bericht über das Wirken der Stahlstiftung in die betriebliche Öffentlichkeit. Als sichtbarster Indikator für die hohe Effizienz wird auf die hohe Wiedereingliederungsquote von 96 Prozent aller Arbeitsplatzsuchenden hingewiesen (92/6). Grund dieses Erfolges sei das hohe Niveau der individuellen Behandlung und Entwicklung der Schützlinge der Stiftung im Vergleich zur normalen Betreuung der Arbeitsmarktverwaltung. Gleichzeitig sei die Stahlstiftung ein wertvolles Instrument der Personalentwicklung. Die Tatsache, dass die spezifische Organisation der Stahlstiftung die Nachteile des Arbeitsplatzverlustes in der Voest-Alpine für die Mehrheit der Betroffenen kompensiere, werde auch von einer neuen Studie bestätigt, die im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellt worden sei. Gemeint ist damit das Evaluierungsprojekt von "L&R Sozialforschung", das nach Ansicht des ÖSB-Berichtes erstmals eine qualifizierte Beurteilung der Stahlstiftung ermögliche(16) (92/9). Zwar gebe es Gewinner und Verlierer, wobei die Grenze eindeutig entlang der Altersgrenze verlaufe. Doch aus wissenschaftlicher Perspektive sei das Modell der Arbeitsstiftung in der Form der Stahlstiftung ein effizientes Instrument offensiver Arbeitsmarktpolitik. Eine solche Darstellung verwischt die oben angesprochenen Unterschiede zwischen Binnen- beziehungsweise Mikroperspektive und Makroperspektive. Von den Erfolgen der Stahlstiftung, die durch besondere Umstände bedingt sein mögen, abzuleiten, dass diese auch unter beliebigen anderen Umständen wiederholbar seien, läuft auf eine Verharmlosung des Transferproblems hinaus und begünstigt logische Fehlschlüsse vom Kleinen auf das Große, mag der Stiftungsarbeit in der Voest-Alpine auch zu Recht eine hohe arbeitsmarktpolitische Effizienz attestiert werden.

Es ist wohl ein Spezifikum der Arbeitsbedingungen der Stahlstiftung, dass der Vorsitzende des Kuratoriums identisch ist (oder gewesen ist) mit dem Vorstandsdirektor der Geschäftsführung,(17) und dieser sich beim Betriebsratvorsitzenden für die geleistete Arbeit als Mitglied für die Geschäftsführung bedankt. Das heißt, das Unternehmen bedankt sich bei der Belegschaftsvertretung für ihren Beitrag zum Funktionieren der Stiftung. Dies ist wichtig für einen reibungslosen Personalabbau, der sich jedoch nur darum ohne größeren Lärm bewältigen lässt, weil es neben der Stahlstiftung noch ein zweites, wahrscheinlich weit wichtigeres Instrument gibt beziehungsweise gegeben hat: Das Modell der Krisenregionen, das bislang mehr oder weniger still funktioniert hat, nun aber (1992) ins Gerede kommt und wieder Gegenstand heftiger Kontroversen zwischen den Koalitionspartnern wird.

Den Stein ins Rollen brachte diesmal, wie schon oben erwähnt der Wirtschaftslandesrat Oberösterreichs mit seiner Forderung, die Krisenregionsverordnung abzuschaffen. Er wundert sich, "nur jeder fünfte in Frage Kommende geht nämlich in die Stiftung", und meist sind dies noch die besser Ausgebildeten. Er wünscht sich eine Untersuchung jener Voestler, die trotz Arbeitsplatzverlust nicht in die Stiftung gegangen sind (92/15). Da die Regelung der Altersarbeitslosigkeit besonders in Oberösterreich mit hohen Kosten verbunden ist (92/25), gibt es hier Bestrebungen, die Krisenregionen ganz aufzulösen, sie durch ein Oberösterreich-Arbeitsstiftungsmodell zu ersetzen, das dann für ganz Österreich Geltung haben sollte (92/24). Der damalige Wirtschaftsminister (Schüssel) ging noch einen Schritt weiter und verlangte anstelle der bisherigen Sonderbestimmungen für "Krisenregionen" eine generelle Senkung der Lohnnebenkosten (92/28).

In dieser neuen Kontroverse ist der Verlauf der Grenzen zwischen den Kontrahenten zunächst wieder nicht ganz eindeutig. Während sich der Wirtschaftslandesrat und der oberösterreichische AK-Präsident im Grundsätzlichen geeinigt haben und auch der Sozialminister (Hesoun) dem "Leitl-Modell" positiv gegenübersteht, kommt Widerstand aus oberösterreichischen Gewerkschaftskreisen. Die Pläne des Wirtschaftsministers stoßen auf Einwände beim ÖBG-Präsidenten, auf Zustimmung der Wirtschaftslandesrätin in der Steiermark (Klasnic), aber auf vehemente Ablehnung bei der dortigen SPÖ (92/28). In Oberösterreich meldet sich der Vorsitzende der Metallergewerkschaft zu Wort mit der Forderung, die Krisenregionsregelung vorerst aufrecht zu erhalten und auch auszubauen, falls andere Maßnahmen nicht verwirklicht würden (92/26). Über die Abschaffung der Krisenregionen könne man erst dann reden, wenn es einen besseren Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer gebe und deren Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gewährleistet sei.

Die Diskussionen um eine Adaptierung der 1988 vereinbarten Regelungen laufen also sowohl auf Landesebene wie auch auf Bundesebene, wobei diesmal vor allem auf der SP-Seite durchaus unterschiedliche Positionen vertreten werden. AK-Präsident und Wirtschaftslandesrat einigen sich in Oberösterreich gegen den Widerstand der Metallergewerkschaft, der Sozialminister ist anderer Meinung als der ÖGB-Präsident. Die Meldung der Presse, dass sich der Parteien- und Sozialpartnerzwist an den "Krisenregionen" entzündet, ist also in gewisser Weise eine Vereinfachung. Denn die Positionen, wie auf die starke Zunahme der Frühpensionen beziehungsweise den vierjährigen Bezug von Arbeitslosengeld in den 22 Krisenregionen (Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten) zu reagieren sei, sind uneinheitlich. Um die Jahresmitte 1990 gab es 5 981 Bezieher von Altersarbeitslosengeld, ein Jahr später waren dies 9 205 und im Juni 1992 13 690. In Oberösterreich stieg die Zahl der Arbeitslosen über fünfzig von 2 087 im Jahre 1988 auf 7 552 im September 1992. Dem Wirtschaftslandesrat Oberösterreichs ist das alles zu teuer, bei seinem Besuch in der Stahl-stiftung im Juni 1992 bezeichnet er diese als das einzige wirkungsvolle arbeitsmarktpolitische Instrument, und die Abschaffung des ineffizienten Modells der Krisenregionen (92/19) als notwendig. Weil von den Möglichkeiten der Krisenregionsverordnung vor allem die staatlichen Betriebe Gebrauch gemacht haben, ist diese Norm auch als "Lex Verstaatlichte" bezeichnet worden (92/39). Das Landesarbeitsamt, das Land und die Arbeiterkammer Oberösterreichs haben sich vehement für die Aufhebung dieser Verordnung eingesetzt, die Voest-Betriebsräte jedoch bestehen auf ihrer weiteren Geltung. Deren Vorsitzender bezeichnet es als "paradox", wenn manche Unternehmer ihre Arbeitnehmer schon mit 45 oder 50 auf die Straße setzen und auf der anderen Seite eine Anhebung des Pensionsalters forderten (92/26).

Die Gewerkschaften kämpfen also allein gegen die Abschaffung einer Regelung, die älteren Arbeitnehmern einen vorzeitigen Übergang in eine Frühpension ermöglicht. In Oberösterreich hat die Zahl derartiger Übergänge in relativ kurzer Zeit rasch zugenommen. Gefragt wird nur, warum von den Älteren, die gekündigt werden, nur jeder Fünfte den Weg in die Stiftung findet, nicht aber, warum die Kündigung der Älteren plötzlich stark zugenommen hat. Die Gründe sind wohl einfach betriebswirtschaftlicher Natur: Wer jene entlässt, die sich dem Ende ihrer beruflichen Karriere nähern, in jüngeren Jahren billige Arbeitskräfte gewesen sind, um später dann mehr zu verdienen, der erspart sich am meisten. Die Krisenregionsregelung, die Ältere zweifellos begünstigt, lässt sich in etwa als Kompensation für die enttäuschten Erwartungen betrachten, dass die institutionalisierte Regelung, für gleiche Arbeit in jüngeren Jahren weniger und in älteren Jahren mehr zu verdienen, nun plötzlich nicht mehr respektiert wird. Eine andere Möglichkeit, am tradierten System ungleicher Entgelte für gleiche Arbeit in unterschiedlichen Lebensphasen festzuhalten, bestünde darin, dem Unternehmen für die Weiterbeschäftigung der Älteren bestimmt Prämien zu zahlen. Diesbezügliche Hoffnungen der Unternehmer, ein paar Tausender Prämie für die Beschäftigung Älterer zu bekommen, bleiben jedoch unerfüllt, wie die "Linzer Rundschau" Anfang September 1992 vermeldet (92/29). Gleichzeitig weiß dieses Blatt, dass die Krisenregionsverordnung zum nächsten Jänner auslaufen werde, da nun auch die Arbeiterkammer dafür sei. Deren Präsident teile nun nicht mehr die Meinung des Verstaatlichten-Betriebsrates (Koppler), Krisenregionslösungen nicht nur beizubehalten, sondern auch noch weiter auszubauen. Er habe nun seinen Widerstand aufgegeben. "Zusammen mit dem Wirtschaftslandesrat Leitl und dem Arbeitsamtchef Obrovski überzeugte Freischlag den Sozialminister. Dieser strebt aber einen parlamentarischen Segen für eine bundesweite Lösung an" (92/29). Sollte dieser nationale Konsens nicht erreichbar sein, so wolle Oberösterreich den Alleingang wählen.

Die Rechnung der treibenden Kraft in Oberösterreich (Leitl) ist folgende: Ein Frühpensionist kostet das Arbeitsamt zwar nur 150.000 Schilling pro Jahr, ein Umschulungskandidat jedoch ziemlich genau das Doppelte, doch: Die Verweildauer in den Arbeitsstiftungen liege gegenwärtig bei nur elf Monaten, während die Bezugsdauer des Arbeitslosenentgeltes jedoch vier Jahre wäre (92/29). Das Ansinnen, für die Beschäftigung Älterer eine Prämie zu zahlen, weist er mit der Begründung zurück: "Sonst müssten ja die Beschäftiger junger Arbeitskräfte was zahlen". Seiner Ansicht nach sollen die Unternehmen künftig die Jungen vor die Türe stellen und die Älteren behalten (a.a.O.). Gründe dafür, warum die Unternehmer gegen die betriebswirtschaftliche Logik, sich zuerst von den teueren Arbeitskräften zu trennen, verstoßen sollten, gibt er keine an. Seine ganze Argumentation läuft darauf hinaus, der ersten Rationalisierung, der betriebswirtschaftlichen, nun eine zweite auf der administrativen Ebene hinzuzufügen. Die öffentliche Verwaltung beziehungsweise Betreuung jener, die für die produzierenden Betriebe zu teuer gewesen sind, soll nun weniger teuer, das heißt billiger werden. Dabei sind Verwaltung und Betreuung nur zwei verschiedene Worte für die selbe Sache, die je nach Situation unterschiedlich verwendbar sind. Jene, die im Auftrag der Verwaltung aktiv sind, werden als Betreuer bezeichnet. Doch wenn sie betreuen, geschieht dies immer an der langen Leine der Verwaltung.

Dass einem ÖVP-Landesrat eine administrative Rationalisierung wichtig ist, lässt sich nachvollziehen. Weniger nachvollziehbar ist es, wenn sich ein Arbeiterkammer-Präsident und ein Leiter einer regionalen Arbeitsmarktverwaltung für eine solche Lösung gegen den Willen der Sozialistischen Gewerkschafter beim Sozialminister stark machen und ihn auf diesen Kurs einzuschwören versuchen. Doch heterogene Argumentationen gibt es nicht nur im SP-Lager, sondern auch bei der ÖVP. Denn im Neuen Volksblatt (92/22) wird "die hochgejubelte Stahl-stiftung" in die Nähe eines Flops gerückt, und zwar deswegen, weil immer weniger Voestler sich in dieses Auffangnetz fallen lassen, und vor allem ältere Arbeitnehmer diese Einrichtung nur ganz spärlich in Anspruch nehmen. Denn viele "Dienstnehmer, die bereits mehr als fünfzig Jahre auf dem Buckel haben, beschreiten lieber den Weg in die Langzeitarbeitslosigkeit" (a.a.O.). Hier ist auch vermerkt, dass dieses Modell "allerdings Ende 1995" ausläuft, dass es niemanden überrascht, wenn mehr als fünfzig Prozent der Mitarbeiter, die in die Stahlstiftung wandern, keine 25 Jahre sind. Die Salzburger Handelskammer-Präsidentin und stellvertretende Obfrau der ÖVP kritisiert Pläne in der ÖMV, in der nächsten Zeit die Zahl der Mitarbeiter um tausend zu reduzieren, dabei Ältere zu kündigen und ihnen bis zum Eintritt in die Pension Sonderunterstützung zu gewähren. Sie plädiert dafür, "junge Leute zu kündigen, von denen man Flexibilität erwarten kann" (92/21). Sie ist sich dessen bewusst, dass ältere Arbeitskräfte aus betriebswirtschaftlichen Gründen in die Arbeitslosigkeit geschickt werden und warnt vor Belastungen des Staates durch die Sonderunterstützungsregelung. Als kurzfristige Maßnahme schlägt die Vize-Chefin der ÖVP Subventionen von Lohnkosten für jene Unternehmer vor, die ältere Arbeitslose anstellen. Sie verlangt auch, dass langfristig Löhne und Gehälter mit dem Alter weniger stark steigen sollten als bisher, die Leute daher früher mehr verdienen müssen, das Lebenseinkommen jedenfalls konstant bleiben soll.

Es gibt also auch auf ÖVP-Seite die Einsicht, dass bei 50-jährigen Arbeitnehmern, die vor dreißig Jahren oder auch schon länger die Schule verlassen haben, eine ausgeprägte Bildungsdistanz weder schuldhaftes Versäumnis noch ein Zeichen der Ignoranz, sondern den Tatbestand gesunder Normalität darstellt. Bestenfalls bei jenen der älteren Arbeitnehmer, die bereits über längere Kontakte mit Bildungsinstitutionen verfügen, ist anzunehmen, dass Weiterbildungsangebote einigermaßen attraktiv sein können. Für alle anderen, bei denen jede Art von Erfahrung mit Schule weit zurückliegt und meist negativer Art ist, muß der Übergang in eine wie immer geartete Frühpensionsregelung das kleinere Übel bedeuten. Gewerkschafter scheinen sich dessen bewusst zu sein, dass mit der doppelten Rationalisierung, der betriebswirtschaftlichen und der administrativen, für viele der von ihnen Vertretenen eine erhebliche, wenn nicht dramatische Verschlechterung ihrer Situation verbunden sein muß. Daher ihr hartnäckiges Festhalten an der Krisenregionslösung auf der Betriebsratsebene bei der Voest und bei der Spitze der Metallergewerkschaft, an deren Veto bisher die Abschaffung der Krisenregionsregelung in Oberösterreich gescheitert ist. "Der Nürnberger sagt, dieses Instrument der Verstaatlichten-Sanierung lassen wir uns nicht nehmen, damit hat er den Verzetnitsch auf seiner Seite, und der Vranitzky wird gar nicht mehr gefragt, erklärte ein sichtlich ein verärgerter Leitl gestern in einer Pressekonferenz". So die Darstellung in den "Oberösterreichischen Nachrichten" (92/38), deren Interesse an den Arbeitsstiftungen offensichtlich mit den Bemühungen des Landesrates um eine Ausweitung des Modells angestiegen ist: 1992 acht Beiträge in den "Oberösterreichischen Nachrichten" von insgesamt 41 Presseberichten, 1988 neun Beiträge von deren insgesamt 120.

Wenn in der Bilanz des Landesrates zu seiner zweijährigen Tätigkeit in dieser Funktion die Tatsache, dass die Krisenregionen nicht wegzubringen waren, 'das Frustrationserlebnis des Jahres' gewesen ist (92/38), so lässt dies darauf schließen, dass er einerseits viel Energie in dieses Vorhaben investiert hat, andererseits aber die Widerstände gegen seine Absichten stark genug gewesen sind, um seine Realisierung, vorläufig noch, zu verhindern. In dieser Situation findet er nachhaltige Unterstützung bei den "Oberösterreichischen Nachrichten", die zwischen Ende Oktober und Ende Dezember 1992 gleich mit fünf längeren Beiträgen über seine landespolitischen Innovationsabsichten informieren und dafür Stimmung zu machen versuchen. Als Problem wird zunächst herausgestellt (92/35), dass Oberösterreich die Krisenregionsverordnung allein nicht aufheben könne. Es gehe also um eine "Bewusstseinserweiterung gegen die Altersarbeitslosigkeit". Darunter versteht der Landesrat das Bewusstsein "dass die Verordnung Nachteile schafft", ohne zu erwähnen, dass sie auch Vorteile mit sich bringt. Vor diesem "Forum für aktive Arbeitsmarkt-Politik", das sich zum Zweck der Beseitigung der Krisenregionsverordnung gebildet hat, kommen dann auch noch der AK-Präsident und der Leiter des Landesarbeitsamtes zu Wort. Der Arbeiterkammerpräsident verlangt die Förderung innerbetrieblicher Weiterbildung, die Verbesserung der Qualität der Fachausbildung und einen besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer. Den Einwand, Unternehmer würden aus humanitären Gründen wohl kaum auf betriebswirtschaftlich bedingte Kündigungen Älterer verzichten, versucht der Leiter des Arbeitsamtes mit dem Hinweis zu entkräften, dass die Diskussionen um die Abschaffung der Krisenregionsverordnung bereits zu einem Prozess des Umdenkens geführt hätten.

Einen Monat später greifen die "Oberösterreichischen Nachrichten" neuerdings den Streit um die Abschaffung der Krisenregionen auf, diesmal unter der Schlagzeile "Eine Überbeanspruchung des Solidaritätsbegriffs" (92/39). Der Beitrag ist in zwei Teile gegliedert: Zunächst eine Sachverhaltsdarstellung, dann ein Streitgespräch zwischen dem Zentralbetriebsrats-Obmann der Voest und dem Leiter des Landesarbeitsamtes. In der Sachverhaltsdarstellung heißt es, dass die Krisenregionsverordnung vor allem von staatlichen Betrieben in Anspruch genommen werde, das Landesarbeitsamt, das Land Oberösterreich und die Arbeiterkammer Oberösterreichs sich jedoch vehement für die Aufhebung dieser Verordnung eingesetzt hätten. Der Zentralbetriebsrat betont zwei Momente: Sein Festhalten an der Krisenregionsverordnung, weil sich Ältere nicht so leicht umschulen lassen - "ein Kokereiarbeiter, der dreißig Jahre lang dasselbe gemacht hat, wird nicht plötzlich einen Bleistift in die Hand nehmen" - und es bisher keine Alternative zur Absicherung älterer Arbeitsloser gibt. Zudem will er nur eine bundesweit gültige Lösung akzeptieren. Der Leiter des Landesarbeitsamtes beruft sich nicht nur auf die ursprüngliche Sorge um die Älteren, die zur Einführung der Krisenregionsverordnung geführt habe, sondern auch auf die Erfahrungen, die mit dieser Regelung gemacht worden sind. Er beruft sich auf Zahlen, die belegen sollen, dass die älteren Arbeitslosen in den Krisenregionen überproportional vertreten sind und führt dies darauf zurück, dass die Krisenregionsverordnung die Freisetzung älterer Arbeitskräfte begünstigt und ihre berufliche Wiedereingliederung behindert. In diesem Zusammenhang steht ebenfalls die Formulierung von der "Überbeanspruchung des Solidaritätsbegriffs", zu der sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer durch diese Regelung verleitet würden. Dem Zentralbetriebsrats-Obmann gesteht der Arbeitsamtsleiter zwar zu, dass es neben den aktivierenden Maßnahmen auch solche existenzsichernder Art geben muß, setzt dem aber ein gewichtiges "Aber" entgegen und verweist dann auf die bereits angesprochenen Erfahrungen. Für jene, die noch in Beschäftigung sind, verlangt er eine massive Ausweitung der betrieblichen Weiterbildung. "Für die anderen gilt: Die normale Vermittlung ist nicht so schlecht". Also ein Lob des eigenen Hauses mit der Unterstellung, dass eine bessere oder schlechtere Vermittlung einen erheblichen Einfluß auf das Ansteigen oder Sinken der Zahl der Arbeitslosen habe. Weiters fällt auf, dass er Arbeitnehmer und Arbeitgeber beim Vorwurf, dass Solidaritätsprinzip zu strapazieren, in den gleichen Topf wirft und dabei die Tatsache verwischt, dass die Unternehmen aus Kostengründen sich zuerst von den Älteren zu trennen suchen. Diese sind dann auch jene, welche die größten Bildungsbarrieren mit sich bringen. Zur Sicherung der Beschäftigung vermehrt betriebliche Weiterbildung zu fordern, heißt im Falle älterer Arbeitnehmer, eine vielfache Fiktion objektiver und subjektiver Art zu beschwören. Objektiv, weil seit Jahren bekannt ist, dass die Betriebe ihre Ausgaben für Weiterbildung, wenn sie solche überhaupt tätigen, vor allem den mittleren und höheren Ebenen in der Hierarchie der Beschäftigten zukommen lassen, nur in Ausnahmefällen auch jenen, die einfachere Tätigkeiten verrichten. Subjektiv, weil ausgeprägte Bildungsbarrieren gerade bei diesen eine leicht nachvollziehbare soziale Tatsache sind, die jedoch dem technokratischen Denken eines Arbeitsamtleiters unzugänglich zu sein scheinen. Auch die häufigere Verwendung der Kategorie der "Maßnahme" ist ein Ausdruck dieses Denkens, das meint, mit einem bestimmten Handeln bei einzelnen Adressaten eine bestimmte Wirkung zu erreichen, ohne in Rechnung zu stellen, dass diese ihre eigenen Interessen verfolgende Akteure sind und daher oft ganz anderes als angenommen reagieren. Wenn im genannten Bericht, der ohne Zweifel die Realisierung der Intentionen des Wirtschaftslandesrates unterstützen und beschleunigen soll, der Repräsentant des Landesarbeitsamtes richtig zitiert ist, so hält er die existenzsichernden "Maßnahmen" gegenüber aktivierenden für zweitrangig und plädiert für betriebliche Weiterbildung, Zeitarbeitsmodelle (wie in Holland), Ausweitung von Arbeitsstiftungen und Förderung von Einstellungshilfen.

Nur wenige Tage später greifen die "Oberösterreichischen Nach richten" das Thema der Arbeitsstiftungen in Oberösterreich neuerdings auf, diesmal mit der Schlagzeile: "Löschen, bevor es zu brennen anfängt" (92/40). Nach einhelliger Ansicht der Experten sei das beste Mittel gegen die Arbeitslosigkeit eine aktive Arbeitsmarkt-Politik, was vor allem die Förderung beruflicher Aus- und Weiterbildung bedeute. Besonders bewährt seien in diesem Zusammenhang "Einrichtungen mit der leicht irreführenden Bezeichnung ‚Arbeitsstiftung', von denen es derzeit fünf gebe, die gut vierhundert Arbeitslose betreuten." Im einzelnen geht es dann um die Summen, die in diesen fünf Arbeitsstiftungen pro Teilnehmer pro Jahr ausgegeben werden: In der Stahlstiftung 110 000, in der Alu-Stiftung Ranshofen 80 000 bis 100 000, bei der Kohlestiftung der Salzach-Kohlebergbau (SAKOG) 70 000 (ohne Verwaltungsaufwand), bei der Kohlestiftung WTK 80 000 (inklusive Verwaltung), und bei der eben erst gegründeten Frauenstiftung in Steyr würden 87 000 Schilling veranschlagt. Dieser Bericht schiebt das letzte Wort wieder dem Leiter des Landesarbeitsamtes zu: "Arbeitsstiftungen kommen der öffentlichen Hand billig". Grundlage dieser Behauptung ist der Vergleich von zwei Jahren Arbeitslosigkeitsentgelt (213 000 Schilling) mit einem Jahr Arbeitsstiftung (122 000 Schilling). Die Stiftungen seien deswegen billiger, weil die Arbeitsplatzchancen durch die Qualifikation in der Stiftung höher seien.

Vier Wochen später gibt es, wieder laut Bericht der "Oberösterreichischen Nachrichten" (92/41), bereits neun oberösterreichische Stiftungen, also: "Arbeitsstiftungen haben jetzt Hochkonjunktur". Zusätzlich zu den bereits genannten fünf Stiftungen werden jetzt erwähnt: Philips-Stiftung, Temic-Stiftung (Telefunken), Kretz in Zipf, die offene Arbeitsstiftung Steyr und (demnächst) die Hammer-Stiftung in Rohrbach. Dies ist die letzte Pressenotiz des Jahres 1992 von deren insgesamt 41. Das wichtigste Ereignis dieses Jahres sind wohl die nachdrücklichen Bemühungen von Seiten des Landes Oberösterreich, das Bollwerk der Krisenregionsverordnung zu schleifen. Die Feststellung der "Presse", dass sich an den "Krisenregionen" ein Parteien- und Sozialpartnerzwist entzündet habe (92/36), ist also nur sehr beschränkt zutreffend. Denn wenn der Arbeiterkammerpräsident von Oberösterreich und auch der Chef des Landesarbeitsamtes "vehement" die Position des Wirtschaftslandesrates vertreten, dann reduziert sich die Kontroverse auf eine Auseinandersetzung zwischen den sozialistischen Betriebsräten der Voest und der Metallergewerkschaft in Wien einerseits und dem Rest der Republik andererseits. Ende 1992 stehen sich also in einer strittigen Frage zwei ungleich starke Parteien gegenüber.

Wie 1988 ist auch 1993 in der Frage der Stiftungen ein Jahr intensiver Diskussionen, Ausdruck des Bemühens, der steigenden Arbeitslosigkeit neue Initiativen entgegenzusetzen. Den ersten Schritt sollte im Jänner ein Sozialpartnergipfel in Wien darstellen, über den zwei Berichte im "Standard" informieren. Als umstrittene Punkte der Tagesordnung werden dabei genannt: Der Vorschlag Hesouns, die Krisenregionsförderung auf ganz Österreich auszuweiten - nach dem Sozialsprecher der Grünen lediglich eine "Rausschmissprämie für Ältere" - , dann die Senkung der Gastarbeiterquote von neun auf acht Prozent, und die Verteilung der Strukturmilliarde (93/2). Einen Tag später berichtet wiederum "Der Standard" (93/3), dass beim Sozialgipfel (Teilnehmer: Sozialminister, Wirtschaftsminister, ÖGB-Präsident, Bundeskammerpräsident (Maderthaner) und dessen Generalsekretär) über das erste Arbeitslosenpaket Einigung erzielt worden sei: Kernstück der Vereinbarung sei die Strukturmilliarde und das Auslaufen der Regelung für Krisenregionen. Die Strukturmilliarde soll vorrangig für Schulungs- und Qualifikationsmaßnahmen älterer Arbeitnehmer sowie für die Errichtung von Arbeitsstiftungen verwendet werden, 100 Millionen davon für betriebsfördernde Maßnahmen. Noch keine Einigung wurde erzielt über die Senkung der Gastarbeiterquote und Entlastungsmaßnahmen für die Wirtschaft. Der Sozialminister hat also seine beiden Wünsche, Ausweitung der Krisenregionen und Senkung der Gastarbeiterquote nicht durchsetzen können. Neu in die Tagesordnung dieses Sozialgipfels scheint das zuletzt Genannte aufgenommen worden zu sein: Entlastungen für die Wirtschaft.

Zur Sonderregelung für Krisenregionen erklären Hesoun und Schüssel, dass diese zwar erst 1995 auslaufe, weil sie nicht mehr verlängert werde, dennoch werde es aber bereits ab heuer (1993) keine neuen Anspruchsberechtigten mehr geben. Die beiden Minister begründen das Auslaufen der Krisenregionsverordnung mit dem Hinweis auf mehr Gerechtigkeit: Es sei nicht einzusehen, dass Linz mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenrate von 6,5 Prozent zu den Krisenregionen zähle, Wien mit 7,5 Prozent jedoch nicht. Nach Aussagen Hesouns hätte die Krisenregionsverordnung jährlich mit 450 Millionen zu Buche geschlagen, die Mehrkosten der nun beschlossenen Regelung beliefen sich auf 35 Millionen Schilling.

Dieser Bericht lässt die Leser im Unklaren darüber, was es bedeutet zu sagen, die Krisenregionsverordnung laufe Ende 1995 aus, doch gebe es bereits heuer keine Anspruchsberechtigten mehr. Die "Oberösterreichischen Nachrichten" berichten im Juni, dass ursprünglich vorgesehen gewesen sei, die Regelung mit dem 1. März abzuschaffen, dann sei der erste Juli im Gespräch gewesen. "Mittlerweile weiß niemand mehr, wann es dazu kommt. Teile der Gewerkschaft wehren sich gegen eine Abschaffung" (93/37). Daher fordere Landesrat Leitl von der Bundesregierung eine rasche Entscheidung.

Wie oben erwähnt, verursacht die Krisenregionsverordnung nach Schätzungen des Sozialministers Kosten in der Höhe von 450 Millionen Schilling. Ganz anders kalkuliert der Landesrat für Wirtschaftsfragen, wenn er behauptet, dass die "Lex Verstaatlichte" die oberösterreichische Wirtschaft nach vorsichtigen Schätzungen mit 700 bis 800 Millionen Schilling belasten werde. Die starke Belastung der Arbeitslosenversicherung durch die Krisenregionsverordnung und das zweite Karenzjahr hätten dazu geführt, das die Versicherung pleite sei und daher erst zu Jahresbeginn die Beiträge um 0,4 Prozentpunkte erhöht worden seien, was die oberösterreichischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jährlich zusätzlich 450 Millionen Schilling koste (93/37). Die Ausgaben für das zweite Karenzjahr sind laut "Standard" (93/40) von 1987 bis 1992 von vier auf zehn Milliarden, das heißt um 170 Prozent gestiegen. Dort ist auch vermerkt, dass mit sechs Milliarden für Kindergärten und Tagesmütter mehr für die Frauen getan gewesen wäre.

Die Krisenregionsverordnung, die in Oberösterreich für acht Arbeitsamtsbezirke Geltung hat, scheint hier besonderen Nutzen zu stiften beziehungsweise besonders negative Auswirkungen mit sich zu bringen, je nachdem, welche Kriterien der Bewertung angewendet werden. Aus der Perspektive einer "aktiven Arbeitnehmerpolitik", wie sie der Vorsitzende des Zentralbetriebsrates der Voest vertritt und von der Belegschaft verlangt werde (93/35), ist sie so lange unverzichtbar, bis es eine Alternative zur Absicherung der Beschäftigung der Älteren gibt. Aus der Perspektive einer "aktiven Arbeitsmarktpolitik",(18) der sich der seltsame Triumvirat (Vertreter des Landes, der Arbeiterkammer und des Arbeitsamtes) aus dem Bundesland schon ´92 verschrieben hat, scheint das alles unerträglich teuer zu sein. Was mit "Arbeitsmarkt" gemeint ist, bringt wiederum der Chef des Landesarbeitsamtes auf den Punkt: "Wenn Arbeit zur Mangelware wird, dann ist es wie auf der freien Wildbahn.(19) Dann gilt das olympische Prinzip, höher und weiter zu springen als die anderen" (93/55). Ein solcher Standpunkt ist durchaus identisch mit dem, wie es auch die Unternehmen sehen: "Der einzelne kann sich nur bedingt vor Arbeitslosigkeit schützen. Er muß sich im Betrieb positionieren, dass er zu den Kräften gehört, die Priorität genießen" (93/55).

Die oberösterreichischen Protagonisten einer Liquidierung der Krisenregionsverordnung finden also Gehör und Unterstützung durch den Sozial- und den Wirtschaftsminister, doch die Argumentationen sind jeweils andere. Wollten die Vertreter jenes Bundeslandes, das sich rühmt, mit fünf Prozent neben Salzburg (4,6 Prozent) die zweitniedrigste Arbeitslosenquote Österreichs zu haben, bei der Existenzsicherung der Älteren unter den Arbeitslosen sparen, so steht bei den beiden Ministern in Wien mehr der Aspekt ausgleichender Gerechtigkeit im Vordergrund (93/3). Ähnlich lautende Begründungen wurden auch schon 1988 bei der Einführung der Krisenregionsverordnung vorgetragen. Damals haben ÖVP und Freiheitliche sie zu verhindern versucht, mit dem Hinweis darauf, dass damit zwei Klassen von Arbeitslosen geschaffen würden.

Mit den Besonderheiten der Arbeitslosigkeit in klassischen Industrieregionen befasst sich ein Beitrag in den Salzburger Nachrichten vom April 1993 (93/18). Typisch für derartige Regionen wie Linz, Steyr oder auch Braunau sei unter den Arbeitslosen die große Gruppe älterer, tendenziell überdurchschnittlich qualifizierter Fachkräfte, die als Beschäftigte in den traditionellen Großbetrieben ihrer Arbeit nachgegangen seien. Als Paradebeispiel wird hier auf die alte Eisenstadt Steyr verwiesen, die mit 7,3 Prozent Arbeitslosen der traurige Spitzenreiter im Land ob der Enns sei, gefolgt von Linz, wo allein in Voest und Chemie Linz zwischen 1986 und 1991 rund 11 000 Industriearbeitsplätze verloren gegangen seien. Diese besonderen Charakteristiken der Industriearbeitslosigkeit erschwerten nun die Bemühungen, diese qualifizierten, aber auch ehemals hochbezahlten Beschäftigungslosen wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern. Ein weiterer Grund für Komplikationen wird hier darin gesehen, dass die Großbetriebe in den Regionen gleichsam ein Monopol als Arbeitgeber gehabt hätten. Dies hätte zur Folge, dass die Menschen in der Krise ihre Hoffnungen darauf setzten, einen anderen Arbeitsplatz zu erhalten. Man warte eben, bis es mit "dem Betrieb" wieder aufwärts gehe.

Es gibt also durchaus Gründe, von einer besonderen Industriearbeitslosigkeit zu sprechen, um nicht alle Arbeitslosen in einen Topf werfen zu müssen. Das heißt dann aber auch, Arbeitsloser ist nicht gleich Arbeitsloser und Arbeitsplatz ist nicht gleich Arbeitsplatz. Dies geht auch daraus hervor, dass an jedem Arbeitsplatz in der Voest 1,6 andere Arbeitsplätze außerhalb der Voest hängen. Daher die Forderung des Betriebsratsvorsitzenden (Sulzbacher), die oberösterreichische Industrie nicht krank zu jammern, sondern zu fördern (93/4). Deren Krisen seien eine Folge der konjunkturellen Schwankungen, aber sehr oft auch Konsequenzen von Fehlern des Managements, nicht aber der Lohnnebenkosten und der Sozialleistungen. Er fordert eine überzeugendere Industriegesinnung und verurteilt die Meinung des Präsidenten der österreichischen Industriellen (Kessler), man sollte die Verstaatlichte besser an das Ausland verkaufen, weil man damit Probleme ins Ausland abschieben könne. Daher verlange die SPÖ seit Jahren schon mehr Mittel für Industrieförderung und Einsparungen bei den sinnlosen Mengenzuschüssen in der Landwirtschaft (93/4). In dieselbe Kerbe schlägt ein Bericht in der Juninummer der "Wahrheit": Der ÖVP-Obmann Busek spreche mit gespaltener Zunge, wenn es um staatliche Hilfe für verstaatlichte Betriebe gehe. "Einerseits meint er, die Verstaatlichte kann nicht auf Dauer Sachen produzieren, die keiner kauft, andererseits bekommt die Landwirtschaft regelmäßig jährlich Subventionen (im Jahre 1992: 47 Milliarden Schilling), um ihre Sachen verkaufen zu können. Und wenn er meint, man soll aus den verstaatlichten Betrieben ein Museum machen, dann weiß er als zuständiger Minister nicht, dass die Ausgaben des Bundes für die Museen jährlich 1, 351 Milliarden Schilling betragen" 893/54).

In der Frage, wie es mit der Verstaatlichten weitergehen soll, scheinen sich die Geister der Opposition zu scheiden. Während vieles darauf hinweist, bei den Diskussionen 1993 wie auch schon 1988, dass es der ÖVP wenig Schmerzen bereitet, wenn die Verstaatlichte Industrie in Schwierigkeiten kommt, Personalbestände reduzieren muß, schrumpft und eventuell auch ganz von der Bildfläche verschwinden würde, plädiert die SP für die Erhaltung und Absicherung der Arbeitsplätze in den exportorientierten Großbetrieben. Wenn beim Sozialgipfel im Jänner 1993 von der beschlossenen Strukturmilliarde lediglich zehn Prozent der Industrieförderung zugedacht worden sind, so deutet dies darauf hin, dass Industriepolitik in der Wirtschaftspolitik der damaligen Koalition eher einen nachgeordneten Stellenwert eingenommen hat. Im März berichtet "Der Standard" über die Wünsche der einzelnen Bundesländer an das Extrageld aus der Strukturmilliarde der Bundesregierung: Wien wünscht 196 Millionen, Oberöstereich 132 Millionen, die Steiermark 116 Millionen, Niederösterreich 75 Millionen, Kärnten 56 Millionen, Tirol 53 Millionen, Salzburg 16 Millionen, das Burgenland 24 Millionen und Vorarlberg 8 Millionen Schilling. Insgesamt soll es sich dabei um ein erstes, 653 Millionen schweres Paket handeln, das frühestens ab Mai vergeben wird. Inwiefern diese zusätzliche Milliarde eine neue Akzentsetzung in den Strukturen bedeutet, verrät der Untertitel des Berichtes: "Arbeitsstiftungen erleben Renaissance" (93/15). Im Text heißt es dann, die Strukturmilliarde zielt "primär auf Hilfestellung für marode Wirtschaftsregionen und Problemgruppen im Arbeitsmarkt". An Stelle von Krisenregionen ist nun von maroden Wirtschaftsregionen die Rede, Adressaten sind die Problemgruppen aus den jeweiligen regionalen Arbeitsmärkten, denen nach dem Modell der Arbeitsstiftungen nun Umschulung und Weiterbildung angeboten wird. Eine solche Weichenstellung entspricht ziemlich genau den Vorstellungen des oberösterreichischen Landesrates für Wirtschaftsfragen, für die er bereits Zustimmung beim Arbeiterkammerpräsidenten und beim Arbeitsamtsleiter finden konnte. Letzterer wiederholt sein Eintreten für die Abschaffung der Krisenregionen mit einer Aussendung, die wohl über diese Einschränkung "existenzsichernder Maßnahmen" hinweghelfen soll: "Arbeitsstiftungen sind nicht der Königsweg zur Lösung aller Probleme am Arbeitsmarkt. Sie erleichtern jedoch den Abschied von alten Lebenskonzepten, fördern Entwurf und Realisierung neuer Pläne und können als Brücken für die Zukunft dienen" (93/6). An die Stelle des Materiellen tritt also das Ideelle. Es lässt sich damit auch erahnen, auf welche strukturellen Innovationen die Strukturmilliarde hinausläuft: Ideelle Ersatzleistung für materielle Verluste, wobei das Ideelle darin besteht, aus einer neuen Wirtschaftsgesinnung (oder auch Wirtschaftsideologie) heraus seine Konkurrenten am Arbeitsmarkt übertrumpfen zu wollen.

Angesichts dieser Entwicklungen meldet sich auch der ÖGB-Bundesvorstand bei seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause zu Wort und verlangt größtmögliche Anstrengungen für die Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes und die Sicherung des Industriestandortes Österreich. Er verlangt deshalb eine offensive Umsetzung der "Arbeitsmarktmilliarde". Deutlicher wird dann der ÖGB-Präsident in seinem Vorwurf an die Wirtschaft, den Sozialstaat mit einem Steinbruch zu verwechseln: "Durch Sozialabbau und verschärfte Bestimmungen bei Sozialleistungen werden keine Arbeitsplätze geschaffen, sondern soziale Ungerechtigkeiten noch verschärft!" (92/43). Es vergehe kaum ein Tag, an dem die Unternehmensvertreter nicht zur Demontage des Sozialstaates aufriefen. Als Beispiel dafür die Verweise darauf, dass die Pflegevorsorge in Frage gestellt wird, das zweite Karenzjahr ausgesetzt werden soll, Freizeitunfälle nicht mehr mit Arbeitgeberbeiträgen finanziert und Feiertage auf Wochenenden verlegt werden sollen.

Hatte der ÖGB die Strukturmilliarde in eine Arbeitsmarktmilliarde umgetauft, so verwendet die "Oberösterreichische Rundschau" den Begriff einer "Bildungsmilliarde", die die Republik ausschütte und die bei den Bildungseinrichtungen der Kammern Hochsaison auslöse. Die Kurzfassung des Berichtes im erwähnten Blatt enthält zwei Schwerpunkte: Eine Tatsachenfeststellung und die Wiedergabe der Meinung der Arbeitsstiftungen. Die Tatsachenfeststellung: "Hunderte Oberösterreicher werden ins Blitzblaue hinein auf Staatskosten weitergebildet". Und das zweite, die Meinung der Arbeitsstiftungen: "Nur gezielte und regional abgestimmte Höherqualifizierung bringt etwas". Mit der Meinung der Arbeitsstiftungen ist eigentlich die Meinung des Arbeitsamtes angesprochen, das nun, dem dafür zuständigen Mitarbeiter dieses Amtes (Punz) zufolge, mit den Arbeitsstiftungen einen alternativen Kurs steuern will. Statt der Firmenstiftungen sollen verstärkt offene, regionalbezogene Stiftungen gefördert werden, deren Ziel bedarfsgerechte Weiterbildung auf Bezirksebene ist. Hinter diesem Kurswechsel steht eine bestimmte Einschätzung der Zukunft: "Es wird wieder eine Konjunktur kommen, aber nicht so sehr auf Arbeitsplätze bezogen. Das heißt, dass wir mit Qualifizierungsmaßnahmen nicht mehr überbrücken wollen, sondern dass wir wirtschaftliche Regionalentwicklung machen müssen, auch in Richtung Selbständigkeit" (92/53). Dann wird auch noch auf den zuständigen Landesrat verwiesen und sein Lob des sozialpartnerschaftlichen Werkes: Der Erfolg gebe recht: Von drei Leuten, die in die Stiftung eingetreten seien, hätten zwei wieder einen Job.

Also wieder der unzulässige Fehlschluss vom Kleinen auf das Große. Was unter optimalen Bedingungen im Mikrobereich funktioniert und zweifellos erfolgreich ist, muß noch kein Rezept für einen allgemeinen Notstand sein. Die weniger ÖVP-orientierte "Kronenzeitung" sieht diese Zusammenhänge anscheinend richtiger als der Landesrat und bringt daher Mitte Juni einen distanzierenden Bericht unter dem Titel: "Arbeitsstiftungen: Hoffnung nur für wenige Kündigungsopfer" (93/31). Die Einrichtungen von Arbeitsstiftungen à la Stahl- oder Alustiftung in Oberösterreich seien zweifellos lobenswerte Einrichtungen, doch "nur ein Tropfen auf den heißen Stein: 158 Leute werden derzeit in solchen Stiftungen umgeschult und neu orientiert, aber insgesamt 26.800 sind in unserem Bundesland arbeitslos". Umgelegt auf Prozentanteile handelt es sich um 2,3 Prozent, also eine reichlich schmale Basis, um darauf eine neue Arbeitsmarktpolitik aufbauen zu können, wie sie vom Land Oberösterreich und dem Arbeitsamt nun projektiert ist. Damit wird auch das Profil der Sozialpartnerschaft sichtbar, das hinter dieser neuen Politik steht. Die Konzeption der Ausweitung von Arbeitsstiftungen kommt vom Landesrat für Wirtschaftsfragen Oberösterreichs, die operative Umsetzung erfolgt über das Landesarbeitsamt, die Arbeiterkammer hält sich zurück, segnet das Vorhaben aber explizit ab. Der Landesrat hält es nicht für gescheit, arbeitslos Gewordene bloß materiell zu versorgen. Viel besser sei das Modell der Arbeitsstiftungen, "wo Personal abbauende Firmen ganz gezielt in die Schaffung neuer Chancen für ihre Ex-Arbeitnehmer eingebunden sind" (a.a.O.). Weiters sei es viel klüger, Jüngere umzuschulen, als Ältere einfach hinauszuwerfen. Der betriebswirtschaftlichen Rationalisierung, die eben darin besteht, sich gerade von den älteren Mitarbeitern zu trennen, weil diesen höhere Löhne zustehen, wird hier das Argument der Klugheit entgegengestellt und die administrative Rationalisierung als "eine viel gescheitere Lösung" propagiert. Realistischer scheint das Arbeitsamt die Dinge zu sehen, das sich zwar bemüht, die Stiftungsidee nun noch weiter zu verbreiten und zu diesem Zweck eine Broschüre auflegt. Doch das Hauptproblem sei der Mangel an Arbeitsplätzen, dem nur durch größere Aktivitäten der politisch Verantwortlichen beizukommen sei.

Über deren Ambitionen, diesbezügliche Initiativen zu ergreifen, informiert ein längerer Beitrag im 'Profil' unter dem Titel "Feuerprobe Arbeitslosigkeit" (93/14). Zunächst wird daran erinnert, dass der österreichische Finanzminister (Lacina) von der "International Financial Review" mit Pomp und Glorie als der "beste Finanzminister der Welt" geehrt worden sei, aber seine Feuerprobe noch vor ihm liege. Denn nach sechsjähriger Konjunktursonne verdüsterten sich die Perspektiven 1993, ein beträchtlicher Wachstumseinbruch sei prognostiziert, was ein Ansteigen der Arbeitslosenrate von 5,9 Prozent auf 6,5 Prozent zur Folge haben werde. Ein Prozentpunkt mehr Arbeitslose koste im Jahr 3,7 Milliarden Schilling. Im Vergleich zu den anderen EG-Ländern schneidet Österreich jedoch, so heißt es hier weiter, "noch immer brilliant ab". Denn dort liegt 1992 die Arbeitslosigkeit bei 10 Prozent. Mit seinem leidenschaftlichen Plädoyer, diesem Problem mehr Aufmerksamkeit zu schenken, habe der sozialdemokratische Finanzminister aus Österreich bei einem Treffen in Mai 1992 in Paris seine Ministerkollegen von der OECD verblüfft. Denn "bis dahin war dies im exklusiven Klub der 24 reichsten Industrienationen der Welt kein Thema gewesen, man sprach lieber von Budgetsanierung, Inflationsbekämpfung oder Wirtschaftswachstums" (a.a.O.). Diesbezüglich sei da, so Lacina, ein großes Umdenken zu beobachten gewesen. Die EG habe nur erstmals ein Konjunkturprogramm aufgelegt.

Hohe Zahlen an Arbeitslosen sind also in den Augen der für die Wirtschaft Verantwortlichen kein Drama. Die Spielräume österreichischer Politiker, an vom herrschenden Trend abweichenden Wege festzuhalten, dürften also nicht allzu groß sein. Innerhalb der Koalition werden die Lösungsverschläge dennoch unterschiedlich akzentuiert. Der ÖVP-Staatssekretär im Finanzministerium warnt davor, den Anstieg der Arbeitslosen überzudramatisieren. Ein Bündel von Maßnahmen mit zwei Stoßrichtungen könne hier als Gegensteuerung dienen: Erstens gelte es, das Wachstum zu beleben und die Erwartungshaltung der Unternehmer wieder ins Positive zu wenden und zweitens, für eine effizientere Arbeitsmarktverwaltung zu sorgen. Dazu habe man bereits die Mittel für aktive Arbeitsmarktförderung, also für Umschulungen und Beschäftigungsprogramme, von 4,6 auf 5,3 Milliarden Schilling erhöht. Explizit ist hier erwähnt, dass es in der Frage, wie die Wirtschaft zu beleben sei, zwischen dem Finanzminister und seinem Staatsekretär, der ganz auf der ÖVP-Linie liege, Differenzen gebe. Die Alternative zur ÖVP-Linie verdeutlicht das Krisenpaket des Kanzlers zu einer zielgerichteten Feinsteuerung mit folgenden Schwerpunkten: Fertige Projekte aus der Schublade zu holen, um verstärkt öffentliche Aufträge zu vergeben, Förderung von Exporten, Ankurbelung des Wohnbaues durch Steuerzuckerln, Einsatz einer Strukturmilliarde vor allem für Umschulungsmaßnahmen, Ausweitung der Arbeitsstiftungen als staatlich gesponserte "Troubleshooters" für Krisenregionen, und, nach dem Vorschlag Hesouns, eine Senkung der Ausländerquote auf acht Prozent. Denn ein Anstieg der Ausländerbeschäftigung in nur vier Jahren von fünf auf zehn Prozent sei überdurchschnittlich. Die ÖVP will anscheinend an diesen hohen Quoten festhalten, die SPÖ will sie senken. Doch trotz offensichtlicher Differenzen in der Wirtschaftspolitik zwischen den Sozialpartnern scheinen sie sich in einem Punkt einig zu sein: Die Arbeitsmarktverwaltung muß effizienter werden, was heißt, dasselbe mit weniger Mitteln oder mit weniger Mitteln die gleichen Resultate zu erzielen (ÖVP), was in der Form durch Ausweitungen der Arbeitsstiftungen für Krisenregionen geschehen soll (SPÖ). Die sprachliche Verwirrung ist beträchtlich, denn was die ÖVP zur Liquidierung der Krisenregionen im rechtlichen Sinne betreibt, hindert die SPÖ nicht daran, weiterhin von einer Ausweitung für Krisenregionen zu sprechen. In der hölzernen Sprache der Arbeitsmarktbürokratie wäre zu formulieren: Der Konsens zwischen den Sozialpartnern bezieht sich auf eine schrittweise Zurücknahme existenzsichernder Maßnahmen zugunsten aktivierender arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, womit hauptsächlich Umschulung und Weiterbildung gemeint sind. Die arbeitsmarktpolitische Rationalisierung, ursprünglich in Oberösterreich ausgedacht, wird nun zur bundesweit gültigen Richtlinie einer effizienteren Verwaltung der Arbeitslosigkeit.

Die Idee und organisatorische Umsetzung der Stahlstiftung ist konzipiert gewesen als aktive Reaktion auf die betriebswirtschaftliche Rationalisierung im Bereich der Verstaatlichten Industrie. Dass diese Antwort als einigermaßen akzeptable angesehen worden ist, hängt damit zusammen, dass rein quantitativ die Krisenregionsregelung zur sanften Bewältigung der Reduzierung der Personalstände wohl mehr beigetragen hat als die diversen Möglichkeiten, welche die Stahlstiftung darüber hinaus noch bereitstellte. Damals, bei der Absegnung dieser Regelung im Parlament im April 1988, ist sichtbar geworden, dass die ÖVP nur mit größtem Bauchweh dieser Lösung zugunsten der Verstaatlichten Industrie zuzustimmen vermochte. Bedingung der Zustimmung war eine so weite Formulierung der gesetzlichen Bestimmungen für Arbeitsstiftungen, dass diese nicht prinzipiell auf den Bereich der Verstaatlichten Industrie beschränkt bleiben mussten.

Diese flankierende Politik der Frühpensionierung der älteren Industriearbeiter schien nun der ÖVP zu hohe Kosten zu verursachen. Daher die Idee, dieses quantitativ bedeutsame, aber völlig im Stillen wirkende Moment der betrieblichen Stiftungen zu liquidieren und voll auf Stiftungen in einem anderen Sinne als allein seligmachenden Weg zu setzen, diesmal allerdings gegen den heftigen Widerstand von Teilen der SPÖ. In der Frage der Stiftungen ist es damit zu einem Rollenwechsel bei den beiden Großparteien gekommen: Zuerst nur halbherzig akzeptiert, um den Koalitionspartner nicht zu brüskieren, setzt die ÖVP nun alles daran, die Arbeitsstiftungen als neues Allheilmittel zu propagieren und bundesweit zu implementieren. Die arbeitsmarktpolitische Richtungsänderung lässt sich publikumswirksam verkaufen als Wende zu einer "aktiven Arbeitsmarktpolitik".(20) Genau besehen verbirgt sich dahinter nichts anderes als eine neue Arbeitmarktökonomie, denn sie ist das Ergebnis von Rechnungen, aus denen abgeleitet wird, die steigende Arbeitslosigkeit lasse sich durch die Installierung von Arbeitsstiftungen billiger administrieren.

Obwohl es im Frühjahr 1993 noch keinerlei definitive Beschlüsse über ein Auslaufen der Krisenregionsverordnung gibt, berichten die "Oberösterreichischen Nachrichten" im Mai 1993, dass es bis vergangenes Jahr nur Betrieben möglich gewesen sei, Stiftungen einzurichten. Mit dem Aufbau der Regionalstiftungen, wie z.B. in Braunau und Steyr, sei es aus mit dieser Monopolstellung, sei der Weg frei, diese bewährten "Weiterbildungsstätten" auch unter anderen Bedingungen einzurichten. Was in der Stahlstiftung gelungen sei, "dass nämlich drei Viertel der Betreuten wieder einen Job bekommen haben und zwei Drittel sogar besser verdienen als vorher" (93/3), soll als neues Zaubermittel nun auch anderswo zum Einsatz kommen. Eine solche Argumentation enthält jedoch einen Widerspruch. Denn als Hauptmotiv zur Ausweitung der Stiftungen ist das Bestreben wirksam, eine Alternative zur Krisenregionsverordnung zu etablieren. Diese Alternative wird als die bessere Lösung verkauft im Verweis auf die Erfolge der Stahlstiftung, wobei jedoch unter den Tisch fällt, was eine wichtige Begleitkomponente dieses Erfolges gewesen ist, dass nämlich die Älteren unter den Gekündigten eben gerade nicht den Weg in die Stiftung gegangen sind. Nahezu drei Viertel aller jener, die von der Stahlstiftung betreut worden sind, rekrutierten sich aus der Gruppe der 20 bis 40 Jährigen, von denen wiederum zwei Drittel zur Kategorie der 20 bis 30 Jährigen gehörten (Nigsch 1995, S. 32). Wer sich also auf die Stahlstiftung als besonders bewährtes Modell berufen will, muß berücksichtigen, dass dies besonders für jüngere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zutrifft, die zwar schon einen festen Platz in der Arbeitswelt gefunden hatten, sich aber nun völlig neu orientieren müssen, weil sie noch ein langes Arbeitsleben vor sich haben (a.a.O.).

Anfang November 1993 berichtet eine apa-Pressemeldung davon, dass in diesem Jahr bereits 15 neue Arbeitsstiftungen ins Leben gerufen worden sind und es derzeit 25 Arbeitsstiftungen in Österreich gebe (93/49). Dieser plötzliche Boom bei der Gründung von Arbeitstiftungen wird hier auf die wirtschaftliche Rezession zurückgeführt, die in vielen Betrieben Personalabbau notwendig mache und die Zahl der Insolvenzen auf Rekordhöhe treibe. Die hohe Vermittlungsrate der Arbeitsstiftungen von rund 90% führt ein Mitarbeiter der ÖSB (Natter) auf zwei Gründe zurück: Einmal auf die aktive Arbeitssuche (Berufsorientierungskurse, Bewerbungstrainings sowie Aus- und Weiterbildungskurse), dann aber auf die Tatsache, dass die Arbeitsstiftung ein Angebot der Unternehmer, also nicht von der Arbeitsmarktverwaltung verordnet sei und Teilnahme an der Stiftung auf freiwilliger Basis beruhe. Wo dieser Aspekt der Selbstorganisation in den Hintergrund trete - wie bei den stiftungsähnlichen Einrichtungen - sinke die Vermittlungsquote auf 50 - 70%.

Die oben erwähnte apa-Presseaussendung ist die Kurzfassung einer ausführlicheren Darstellung des "Boom bei Arbeitsstiftungen" in Heft 10 der "kontraste" 1993 von E. Natter, einem Mitarbeiter der ÖSB und wissenschaftlicher Beirat des Vereins "KONTRASTE" (93/47). Dabei handelt es nicht nur um einen Bericht über einen neuen Boom, sondern gleichzeitig um eine Bestimmung dessen, was unter "Arbeitsstiftung" zu verstehen ist. Im Anschluss an diese neue Standortbestimmung der Stiftungen ist eine Tagung im Adolf-Czettel-Bildungszentrum zum Thema "Arbeitsstiftungen und regionale Arbeitsinitiativen als Chancen für Qualifizierung und Beschäftigung" angekündigt. Das Programm dieser Tagung am 3. November 1993 enthält folgende vier Schwerpunkte: Um 8.00 gibt es eine Ausstellungseröffnung, von 9.00 - 11.00 diverse Referate über die Entwicklung des Arbeitsmarktes, von 11.30 - 16.00 Arbeitskreise und abschließend, von 16.00 - 16.30 Schlusskommentare. Die Ausstellung gibt Arbeitsstiftungen, Beratungs- und Weiterbildungsinstitutionen Gelegenheit, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren; die Referate befassen sich mit dem Arbeitsmarkt, die Diskussionen in den Arbeitskreisen und die Schlusskommentare vermutlich mit den Arbeitsstiftungen im Kontext der neueren Entwicklungen des Arbeitsmarktes.

Aus der Distanz betrachtet ist die Organisation dieser Tagung in mehrfacher Hinsicht höchst aufschlussreich. Denn sie ist offensichtlich ein Ritual, um den Abschluss einer Entwicklung zu zelebrieren, für die im Jänner der sogenannte Sozialgipfel in Wien (vgl. oben S. 115 f) eine wichtige Etappe darstellte. Die Tagung ist gleichzeitig die Inszenierung von Konsens in einer über lange Zeit kontroversen Angelegenheit und hat insofern auch realitätsstiftenden Charakter, als sie der Veröffentlichung eines neuen Verständnisses der Stiftungen dient. Sie ist gleichzeitig ein gut rekonstruierbares Beispiel dafür, wie soziale Veränderungen ablaufen bzw. durchgesetzt werden; sie zeigt auf, wie welche Akteure wann agieren, wie diese Akteure alle ihren eigenen Standpunkt verfechten und dann der Kompromiss als das für die breite Öffentlichkeit Beste, als "volonté general", als neuer allgemeiner Wille und vorteilhafteste Problemlösung für alle verkündet werden. Denn allzu offensichtlich stehen solche Veranstaltungen im Dienste der Veröffentlichung eines Konsenses, der jedoch, bereits vorausgehend, im Vorfeld solcher Tagungen hergestellt worden ist.

Es lohnt sich, auf einige Details dieser Veranstaltung besonders hinzuweisen. Zunächst einmal ein Vergleich der Teilnehmer am Sozialgipfel im Jänner und an dieser Tagung im November und der durch sie vertretenen Institutionen.



Sozialgipfel am 21. Jänner Tagung "Arbeitsstiftungen" am 3. Nov



Sozialminister Arbeiterkammer-Präsident

Wirtschaftsminister Sozialminister

ÖGB-Präsident ÖGB-Präsident

Wirtschaftskammer-Präsident Generalsekretär Wirtschaftskammer

und dessen Generalsekretär Arbeitsamtleiter Oberösterreich

Österr. Studien- und Beratungs-Ges.



Teilnehmer nach institutionellen Zugehörigkeiten



2 SPÖ 3 SPÖ

3 ÖVP 1 ÖVP

1 Arbeitsmarktverwaltung

1 Beratungsunternehmen



Vorrangiges Ziel des Sozialgipfels ist gewesen, die Krisenregionsverordnung zu beseitigen und dafür eine Ersatzlösung zu finden. Im Vordergrund stand zwar die sogenannte Struktur- bzw. Bildungsmilliarde, im Hintergrund jedoch das zunächst von Oberösterreich aus verfochtene Anliegen, den Abbau der Krisenregionsverordnung mit einer Ausweitung der Arbeitsstiftungen in der Form von Regionalstiftungen zu kompensieren. Dies war ein ursprünglich ausschließlich von der ÖVP vertretenes Anliegen, dem dann, nach anfänglichem Zögern, auch Teile der SP (Arbeiterkammer) und die Arbeitsmarktverwaltung zustimmten. Es ist daher verständlich, dass die ÖVP bei dem Gipfel im Jänner mit 3 Verhandlungspartnern stärker vertreten ist als die SPÖ mit nur zwei. Bei der Tagung im November, bei der schon klar ist, was geschehen soll und die ÖVP offensichtlich ihre inhaltlichen Ziele erreicht hat, überlässt sie das Podium gerne der SPÖ, die diesmal mit drei Exponenten vertreten ist, während die ÖVP sich damit begnügen kann, mit einem Mann aus der zweiten Reihe präsent zu sein. Der Ball ist also bei SPÖ, wenn es darum geht, eine Entwicklung in der Öffentlichkeit zu vertreten, die von der ÖVP vorangetrieben und ihren Interessen zweckdienlich ist. Zusätzlich noch vertreten sind der Leiter des Arbeitsamtes Oberösterreich und der Chef der Österreichischen Studien- und Beratungsgesellschaft (ÖSB), wohl beide in der Rolle von Experten, um der ganzen Angelegenheit einen sachlichen Anstrich zu geben. Der Arbeitsamtsleiter hat bereits wiederholt für billigere Lösungen in der Arbeitsmarktpolitik plädiert und dabei auf entsprechende Berechnungen verwiesen. Wer rechnet, der ist exakt und hat ein Recht, respektiert zu werden. Die ÖSB hat ebenfalls schon im Jahre 1990 eine erste Zweijahresbilanz zu den Arbeitsstiftungen vorgelegt und damit gleichzeitig eine Bestimmung mitgeliefert, womit man es dabei zu tun hat (vgl oben S. 89). Anlässlich dieser Tagung in Wien ist der Beitrag von E. Natter in "kontraste" als eine Adaptierung dieser Bestimmung von Stiftungen zu sehen, wenn hier im Kontext des "Boom bei Arbeitsstiftungen" (93/47) folgende Fragen aufgeworfen und beantwortet werden:



a) Was sind Arbeitsstiftungen eigentlich?

b) Was leistet eine Arbeitsstiftung?

c) Welche Typen von Arbeitsstiftungen gibt es?

d) Wer finanziert die Arbeitsstiftungen?



Den Antworten auf diese Fragen geht wie üblich ein kurzer historischer Vorspann voraus, wobei jeweils, wie in den Schöpfungsmythen, an die Ursprünge bei der Stahlstiftung erinnert wird. Hier heißt es auch, dass seit der Gründung der ersten Arbeitsstiftung, der Voest-Alpine Stahlstiftung 1987, weitere 25 Stiftungen errichtet worden sind, davon 13 in den ersten 10 Monaten des laufenden Jahres 1993. Die neuen Stiftungen seien überwiegend im privatwirtschaftlichen Bereich, während in den ersten Jahren "Arbeitsstiftungen fast ausschließlich auf den verstaatlichten Bereich beschränkt und dieses arbeitsmarktpolitische Instrument nur zögerlich angewendet" wurde (93/47). Die rasche Zunahme der Stiftungen wird als Konsequenz der massiven Strukturveränderungen dargestellt, denen sich die österreichische Wirtschaft ausgesetzt sehe. Da sich nicht die geringste Andeutung auf den Zusammenhang zwischen dem neuen Boom bei Arbeitsstiftungen und der Liquidierung der Krisenregionsverordnung findet, wird auch hier die Tatsache vernebelt, dass die neuen Stiftungen eine Funktion des Strebens nach einer effizienteren, d.h. billigeren Arbeitsmarktverwaltung sind. Geschichtsdarstellung ist also auch hier, wie so oft, auf die Bedürfnisse der Gegenwart abgestimmt. Im folgenden wird dann gesondert auf die vier gestellten Fragen eingegangen.



ad a) Die Frage nach der "Eigentlichkeit" der Stiftungen zielt darauf ab, deren Kern, das Wesen von Arbeitsstiftungen zu bestimmen. Dieses sei darin zu sehen, dass es sich dabei "um zeitlich befristete Organisationen handle, die bei größerem Personalabbau mit dem Ziel gegründet werden können, arbeitslos gewordene Arbeitskräfte durch Maßnahmen ... wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren".

ad b) Die Leistungen der Stiftung, aufgezählt in sechs Punkten:

1) Die Arbeitsstiftung bietet eine integrierte, individuell abgestimmte und offene Maßnahmenkombination an, die der Reintegration in den Arbeitsmarkt dient. Prinzipiell sei alles möglich.

2) Die Arbeitsstiftung unterstütze die gemeinsame Schicksalsbewältigung, d.h., sie setze bei der ganzen Belegschaft eines Unternehmens bzw. den Beschäftigten einer Branche oder einer Region an. So werde die gemeinsame Identität zunächst erhalten und auf die ganze Arbeitsstiftung übertragen.

3) Die Arbeitsstiftung gewährleiste einen nahtlosen Übergang zwischen Arbeitsplatzverlust, Arbeitsstiftung und neuem Arbeitsplatz, was aber auch heiße, dass bereits Arbeitslose nicht teilnehmen können. Die Teilnahme stünde nur jenen offen, die sich in der Phase zwischen der Ankündigung der Entlassung und dem Ausscheiden aus dem Unternehmen freiwillig für eine Teilnahme entschließen.

4) Die Arbeitsstiftung sei eine vor Ort erfolgende räumliche und ideelle Konkretisierung von Initiativen und Anstrengungen lokaler Akteure.

5) Die Regelung der Arbeitsstiftung im Arbeitslosenversicherungsgesetz impliziere einen Paradigmenwechsel in Richtung Selbsthilfe. Dies verändere auch die Rolle der Arbeitsmarktverwaltung von einer Anbieterin (oder gar Verordnerin) zu einer Anregerin. Gleichzeitig bedeute der Paradigmenwechsel, dass "passive Arbeitsmarktmittel" für aktive Maßnahmen eingesetzt würden.

6) Arbeitsstiftungen seien eine Sache der Selbstorganisation, außenstehende Akteure blieben in der Rolle der Anreger und Impulsgeber; mit sinkendem Grad der Selbstorganisation würden auch die Vermittlungszahlen sinken (von ca. 97% auf 50 - 70%).

ad c) Typen von Arbeitsstiftungen: In folgender Reihenfolge werden vier Typen aufgezählt: Unternehmensstiftung, Insolvenzstiftung, Branchenstiftung und Regionalstiftung. Die Unternehmensstiftung sei die Urform der Stiftung, sie erfülle als ausgereifteste Variante alle sechs oben skizzierten Qualitätsanforderungen am leichtesten. Das eben in den Punkten von 1 bis 6 beschriebene Leistungsprofil wird also nachträglich mit einem erwünschten Qualitätsprofil gleichgesetzt. Dies führt zu einer schwer durchschaubaren Vermengung deskriptiver und normativer Elemente. Als nächster Typ von Arbeitstiftungen wird dann die Insolvenzstiftung genannt, die z.B. in die BEST(21) - Förderrichtlinien der Steirischen Wirtschaftsförderung Eingang gefunden habe. Bei diesem Typ entfalle der Beitrag der Unternehmensseite und damit auch das sozialpartnerschaftliche Gegengewicht, was dazu führe, dass in aller Regel das Stiftungsmanagement durch externe Experten erfolgen müsse. Der dritte Typ, die Branchenstiftung, sei für Unternehmen einer ganzen Branche konzipiert und sei als Textilstiftung in Vorarlberg und als Druckerstiftung in Wien in der Konzeptionsphase. Der vierte Typ, die Regionalstiftungen, würden für ganze Regionen konzipiert und stellten deshalb sicherlich die komplexeste Form der Arbeitsstiftung das. Als Beispiel wird hier auf die Arbeitsinitiative Traisen-/Gölsental verwiesen und auf das obere Waldviertel, wo ähnliche Initiativen in Vorbereitung seien. Die knappen Erläuterungen zu den einzelnen Stiftungstypen schließen mit dem Hinweis, dass die Gründungen des Jahres 1993 einen Bedeutungsverlust der Unternehmensstiftungen mit sich gebracht hätten. Die vermehrte Gründung von Insolvenz- und Regionalstiftungen sei Ausdruck der tristen wirtschaftlichen Situation, was dazu führe, dass Gemeinden, Regionen und Bundesländer als Träger und Finanziers - neben der Arbeitsmarktverwaltung - zunehmend relevanter würden. Denn "die betriebliche Verantwortung verliert an Bedeutung".

ad d) Zur Finanzierung der Stiftungen ist angemerkt, dass es dafür je nach Stiftungstyp unterschiedliche Konzepte und Kombinationsmöglichkeiten gibt.

Dieser Darstellung ist hier deswegen so viel Raum gegeben worden, weil sie die wichtigsten Entwicklungen des Jahres 1993 aus einer anderen Perspektive zusammenfasst , nämlich jener der ÖSB, welche für sich die Rolle der Expertin in Sachen Arbeitsstiftung reklamiert und wohl auch in dieser Funktion durch ihren Leiter als Referent bei der Tagung in Wien vertreten ist. Es ist nicht anzunehmen, dass dessen mündlicher Beitrag wesentlich von der Darstellung in "kontraste" (93/47) abweicht. Diese Darstellung ist als ein Versuch zu interpretieren, ein Bild der Stiftungen zu entwerfen, das den neuen Entwicklungen gerecht wird und sämtliche an diesen Entwicklungen Beteiligten und Betroffenen zufriedenzustellen vermag. So werden vier wichtige Fragen klar formuliert, die darauf gegebenen Antworten sind nicht falsch, aber auch nur sehr begrenzt befriedigend. Die Frage, was Arbeitsstiftungen "eigentlich" sind, wird organisationstheoretisch beantwortet und stellt die Perspektive der Reintegration in den Arbeitsmarkt(22) in den Vordergrund. Die Frage, was Stiftungen leisten, ist, da sie nach der im Text vorgenommenen Einordnung identisch mit den generellen Qualitätsanforderungen an die Stiftung, gleichsam eine Beschreibung dessen, was Stiftungen im Idealfall leisten sollen. Daher auch die Unverbindlichkeit, die Appelle an Ideelles und Ideales, eine Serie von schönen Formulierungen, die nur auf Gutes im Dienste des Fortschrittes hindeuten. Die Gemeinsamkeiten von Arbeitsstiftungen sind in den sechs Qualitätsmerkmalen festgelegt, die jedoch in den vier Typen unterschiedlich zu realisieren sind, am besten in der Urform, der Unternehmensstiftung, am schwierigsten aber in der Regionalstiftung, welche die komplexeste Form der Arbeitsstiftung sei.

Im ÖSB-Info 1/93 finden sich ebenfalls allgemeine Aussagen zu den Arbeitsstiftungen. Dort (93/16) heißt es, dass nach den positiven Erfahrungen in den Pionierländern Oberösterreich und Steiermark die Arbeitsstiftungen als zielführende Lösung bei Personalabbau erkannt worden ist. Weil die erweiterten gesetzlichen Rahmenbedingungen auch die Gründung von Regional- und Branchenstiftungen ermöglichten, sei das Instrument auch für Regionen/Branchen mit einer kleinbetrieblichen Struktur zu einer wichtigen Option geworden. Die "Salzburger Nachrichten" vom Ende Jänner 1993 berichten von der Absicht, jetzt in allen Bundesländern den jeweiligen Erfordernissen angepasste Arbeitsstiftungen einzurichten, um regional bedeutsame Freisetzungen von Arbeitskräften zu bewältigen. "Ein Modell dafür, das den Mitarbeitern eine ‚schockfreie Abnabelung', den Unternehmen einen geordneten Rückzug aus bestimmten Produktionsbereichen und Regionen ermöglichen soll, wurde in Oberösterreich entwickelt" (93/5). Im Rahmen dieser Arbeitsstiftungen werde den Teilnehmern dann ein integriertes Leistungsangebot vermittelt.

Wenn man von verschiedenen Typen von Arbeitsstiftungen sprechen will, so steht jedenfalls fest, dass - in zeitlicher Reihenfolge - nach den Unternehmensstiftungen zuerst die sogenannten Regionalstiftungen forciert worden sind, wozu die entscheidenden Impulse wiederum, wie bei den Unternehmensstiftungen, von Oberösterreich ausgegangen sind. Regionalstiftungen sind für den Wirtschaftslandesrat in Oberösterreich der preisgünstigere Ersatz für die Krisenregionsverordnung gewesen. Die Anwendung der Stiftungen für ganzen Branchen findet sich erstmals im ÖSB-Info 1/93 eher beiläufig , als eine der Möglichkeiten, die Arbeitsstiftungen als "zielgerichtete Lösung bei Personalabbau auch für Regionen/Branchen mit einer kleinbetrieblichen Struktur einzusetzen" (93/16). In diesem Kontext stellt sich die ÖSB als Informationsvermittler für lokale/regionale Entscheidungsträger und für betriebliche und überbetriebliche Interessenvertretungen vor. Die zentrale Tätigkeit der ÖSB ist die Beratung zur Gründung von Arbeitsstiftungen, wobei die Hauptadressaten Unternehmensleitungen, Betriebsräte und Entscheidungsträger sind, wobei die Beratungskosten von der Arbeitsmarktverwaltung (und in der Steiermark vom Land) getragen werden (a.a.O.). Der vierte Typus von Stiftungen taucht erst gegen Ende des Jahres 1993 auf und ist somit von den vier erwähnten der zeitlich letzte gewesen, wenn man von den "stiftungsähnlichen Maßnahmen" absieht, von denen bereits im Zusammenhang mit der offenen Arbeitsstiftung Steyr und der Frauenstiftung die Rede gewesen ist. Wahrscheinlich sind die "stiftungsähnlichen Maßnahmen" ein früher Sammelbegriff für mehrere, noch nicht endgültig ausdifferenzierte Versuche, die in der Stahlstiftung entwickelten Arbeitsweisen und Finanzierungsmöglichkeiten in leicht modifizierter Form auf andere Konstellationen zu übertragen. Der Begriff der Insolvenzstiftung findet sich in der Presse erstmals in einem kürzeren Beitrag im "Kurier" vom 4.11., also einen Tag nach der Tagung im Adolf Czettel Haus in Wien, wo es heißt, dass Arbeiterkammer und Gewerkschaft eine Insolvenzstiftung für Wien fordern. Und im Untertitel: Arbeitnehmervertreter drängen auf eine rasche Freigabe der Strukturmilliarde (93/50). Auslösendes Moment der Forderung ist eine als dramatische bezeichnete Pleitewelle in Wien. Im ersten Halbjahr 1993 seien dort mehr als 300 Betriebe zahlungsunfähig geworden. Daher die Forderung der Präsidenten des ÖGB und der Arbeiterkammer, eine Arbeitsstiftung in Wien einzurichten. Für eine Kofinanzierung durch die Gemeinde Wien, die dafür erforderlich sei, gebe es allerdings noch keine konkreten Zusagen. Jedenfalls urgiert der ÖGB-Chef eine beschleunigte Freigabe der Mittel der Strukturmilliarde, die auch der Finanzierung von Arbeitsstiftungen dienten. Dafür seien 600 Mio. politisch bereits beschlossen, jedoch vom Finanzministerium erst 50 Mio. freigegeben worden.

Die Entwicklungen des Jahres 1993 lassen sich ohne größere Schwierigkeiten rekonstruieren, was dann zu einer klareren Antwort auf die Frage führt, was Stiftungen "eigentlich" sind. Beim Sozialgipfel im Jänner in Wien sind zwei Bundesländerinteressen im Vordergrund gestanden: Die Oberösterreicher wollten die Krisenregionsregelung aus der Welt schaffen, die Wiener wollten mehr Verteilungsgerechtigkeit. Der Realisierung dieser Intentionen sollte die Strukturmilliarde dienen. In der Folgezeit verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation, besonders spürbar auch in Wien, doch die Strukturmilliarde blieb weitgehend nur ein Versprechen. Dies führte dazu, dass bei der Tagung im November die Arbeitnehmervertreter (ÖGB und AK) nun mit Nachdruck die Forderung nach einer Insolvenzstiftung erhoben. Diese Insolvenzstiftung lässt sich als sprachliche Adaptierung des Konzepts der Regionalstiftung an die Wiener Verhältnisse betrachten, insofern leicht verständlich, als es bei einem städtischen Großraum nicht sinnvoll ist, von Region zu sprechen. Oberösterreich und Wien wollen nun dasselbe, frühere Gegensätze, bedingt durch unterschiedliche Positionen in der Frage der Krisenregionsverordnung, schienen nun plötzlich hinfällig geworden zu sein. Und die Experten vom Arbeitsamt und der ÖSB lieferten die Begründung dafür, warum eine Kehrtwende in der Frage der Arbeitsstiftungen notwendig sei und Alternativen eine bessere Lösung darstellten.

Im Bericht des "Kurier" vom 4. Nov. 1993, also unmittelbar nach der Tagung in Wien, wird auch ein Mitarbeiter des Landesarbeitsamtes Oberösterreich zitiert: "Eine Stiftung ist uns wesentlich lieber als etwa der schleichende Abbau von über 50jährigen". Dann wieder die Verweise auf die Erfolge der Stahlstiftung, wo ein ‚Großteil' der ausgeschiedenen Arbeitnehmer wieder einen, 57% der damals Betreuten sogar einen besser bezahlten Job erhalten hätten. Die Sache habe allerdings einen Haken, um den man sehr wohl wisse: "Die Verlierer in der Konkurrenz um adäquate Jobs blieben freilich auch da die älteren Arbeitskräfte" (93/50).

Das Jahr 1993 bringt also nicht nur einen "Boom bei Arbeitsstiftungen" mit sich, sondern auch eine Verschiebung des Horizontes, innerhalb dessen sich das Denken über die Stiftungen bewegt, die Vorstellungswelt, der imaginäre Raum, der ihre Legitimation sicherstellt. Es findet also in gewisser Weise wohl ein Paradigmenwechsel statt, doch in einem anderen Sinne, als er in der ÖSB-Stellungnahme registriert wird. Dort (93/47) wird ein prinzipieller Wandel bereits in die Gründungsphase der Stiftungen, also in die Frühphase der Stahlstiftung zurückverlegt. Die Verankerung der Arbeitsstiftung im Arbeitslosenversicherungsgesetz, nicht im Arbeitsmarktförderungsgesetz, markiere einen Paradigmenwechsel in Richtung Selbsthilfe. Eine solche Argumentation scheint wenig überzeugend zu sein. Zwar findet sich die Formel von der "Hilfe zur Selbsthilfe" schon in der ersten Formulierung des Konzeptes der Stahlstiftung, doch muß man sich dessen bewusst sein, dass es sich dabei um eine ambivalente Formel handelt, die sich auch in zynischer Weise verwenden lässt. In die Nähe des Zynismus gerät sie dann, wenn damit gemeint sein soll, den Betrieben sei freie Hand gegeben, im Personalsektor rücksichtslose, weil rein am Profit orientierte Rationalisierungen durchzusetzen, und deren Opfer dann auf Selbsthilfe und Selbstorganisation zu verweisen. Deswegen, weil dies gerade für Ältere ein für gewöhnlich hoffnungsloser Weg ist, ist anfänglich die Krisenregionsverordnung als das Stiftungskonzept ergänzendes Komplement eingerichtet worden. Wenn nun von einem Paradigmenwandel die Rede sein soll, so besteht das Neue offensichtlich in der Leugnung der Tatsache, dass Älteren im Normalfall mit Arbeitsstiftungen nicht gedient ist. Der Paradigmenwechsel ist also identisch mit dem, was oben als administrative Rationalisierung bereits sichtbar geworden ist: die Mittel, die für die Leidtragenden der betrieblichen Rationalisierung verfügbar sind, effizienter einsetzen zu wollen. Wenn damit gleichzeitig die Appelle an Selbsthilfe und Selbstorganisation verstärkt werden, so läuft dies auf eine zunehmende Privatisierung der Arbeitslosigkeit hinaus.

Dieser Stimmungswandel, der eine Relativierung der bisherigen Unternehmensstiftungen zur Folge hatte, zwingt diese dazu, sich neu zu positionieren und über ihre eigene Weiterentwicklung nachzudenken. Die "Wahrheit" berichtet in ihrer Nummer vom Februar (93/11), dass die Geschäftsführung der Stahlstiftung und Mitglieder der Belegschaftvertretung diesbezüglich bei einer Klausurbesprechung Vorschläge erarbeitet haben, die in folgende Richtung gehen:



- Unterstützung bei der Aus- und Weiterbildung/Höherqualifizierung von noch ungekündigten Mitarbeitern ("Vorsorgen statt kündigen")

- Beratung/Betreuung hinsichtlich Arbeitsplatzsuche schon vor Beendigung des Dienstverhältnisses

- Aufbau einer "Jobbörse"

- besondere Förderung von älteren und kranken Mitarbeitern

- verbesserte Möglichkeiten zu Unternehmensgründungen und Betriebsansiedelungen

- verstärkte Öffentlichkeitsarbeit.

Weiter heißt es dann zum Thema "Weiterentwicklung der Stiftung": Um die langjährigen Erfahrungen der Stiftungsarbeit auch den Beschäftigten zugute kommen zu lassen, wurde u.a. vorgeschlagen:

- Bildungsberatung für Aktive

- Berufsberatung für Kinder von Werksangehörigen etc.

Abschließend dann noch der Hinweis, dass allen Mitarbeitern/innen die Möglichkeit zur unverbindlichen, vertraulichen Einzel- oder auch Gruppenberatung in den Räumen der Stahlstiftung oder auch vor Ort in den einzelnen Betrieben oder Abteilungen offen stehe.

Mit dem Versuch, sich durch eine Erweiterung der Palette der Leistungsangebote neu zu positionieren, kommt es auch zu einigen konkreten Änderungen: Ab 1. Jänner 1993 haben von der Stahlstiftung betreute Mitarbeiter nur mehr 50%, maximal 100 000 Schilling der Abfertigung, vorübergehend auf dem Stiftungskonto zu deponieren (93/11).

Ein Informationsblatt der Sozialistischen Betriebsratsfraktion berichtet unter dem Titel "Dauerbrenner Stahlstiftung" (93/10), dass ab 1. Mai 1993 auf Grund der guten finanziellen Dotierung der Stahlstiftung eine Neuregelung der Ausbildungsstipendien vorgenommen werde. Ab diesem Datum gelten neue Höchstsätze, Alleinverdienern bzw. Alleinerhaltern wird für jedes unversorgte Kind ein zusätzliches Stipendium gewährt. Neben der Bekanntgabe der neuen konkreten Regelungen auch Prinzipielles: Bei der Stahlstiftungssitzung am 22. 6. 1993 sei von fast allen Teilnehmern ‚sehr vehement' gefordert worden, an der Stahlstiftung festzuhalten. Dies sei darum wichtig, weil in sehr großen Bereichen der Stahlindustrie (Donawitz) die Lage schwierig sei.

Über die Sitzung des Angestellten-Betriebsrates vom 19. 5. 1993, die sich mit der Situation der Verstaatlichten Industrie beschäftigt, liegen zwei Berichte vor. Im Blatt der sozialistischen Gewerkschafter wird über die Pläne der Austrian Industries berichtet und dass vom Staat eine Gleichbehandlung der Verstaatlichten mit den Privaten, wie z.B. Stundung von Krediten sowie Stabilisierungsmittel, verlangt werde (93/33). Das Blatt der FCG/ÖAAB Betriebsräte setzt die Akzente etwas anders: "Die Verstaatlichte Industrie befindet sich sicher in einer schwierigeren Situation wie die Privatwirtschaft, da sie nicht so wie Private einen Konkurs anmelden kann" (93/36). In beiden Berichten findet sich der Hinweis darauf, dass die neue Stipendienregelung neue Möglichkeiten schaffe bzw. die Stahlstiftung sich nicht zuletzt deswegen sehr gut entwickle. Vier Projekte stünden zu Ausarbeitung an:

1. Teilzeitbeschäftigte sollen leichter in die Stiftung wechseln können

2. Einrichtung einer Berufsbörse, von Stiftlingen unter Federführung eines Hauptamtlichen betreut, um Direktkontakte zu Firmen zu er-möglichen

3. Zugang zu dieser Berufsbörse für alle, egal ob der Arbeitsplatz gefährdet ist oder nicht.

4. Umschulung infolge Umstrukturierung (bei Aktiven: mit den Richtlinien der Stiftung nicht vereinbar, daher evtl. Förderungen durch die Arbeitsmarktverwaltung).

Diese Änderungen sind offensichtlich Versuche, sich an die neuen Bedingungen des Funktionierens von Stiftungen anzupassen. Fünf Jahre, von Ende 1987 bis Ende 1992, sind Stiftungen ausschließlich Unternehmensstiftungen gewesen. Die Rede von einem Monopol dieser Unternehmensstiftungen ist nur dann sinnvoll, wenn ein Interesse besteht, dazu eine oder mehrere Alternativen ins Spiel zu bringen, wie dies zunächst einmal in den stiftungsähnlichen Maßnahmen und dann in den Regionalstiftungen geschehen ist. Die rapide Vermehrung derartiger Stiftungen, wie sie das Jahr 1993 mit sich gebracht hat, zwingt die Stahlstiftung dazu, darauf zu reagieren und sich neu zu positionieren. Organisationsökologisch ist dies als ein durchaus normaler Vorgang anzusehen. Denn Organisationen als rationale Zweck-Mittel-Gebilde sind immer in einem sozialen Feld verankert, das die Bedingungen vorgibt, wie eine einzelne Organisation mit welchen Mitteln welche Ziele erreichen kann. Zunächst ist die organisatorische Umwelt der Stahlstiftung einmal auf der Ebene des Landes umdefiniert worden, und zwar von der bereits erwähnten Troika von Land, Arbeiterkammer und Arbeitsamt, welche alles daran setzte, die Krisenregionsverordnung zu liquidieren und letztere durch einen großzügigen Ausbau von Regionalstiftungen zu ersetzen. Auf der Ebene des Bundes ist es zu einer Änderung der Vorzeichen für das Funktionieren von Stiftungen dadurch gekommen, dass nun auch die Spitzen von ÖGB und Arbeiterkammer gemeinsam mit dem Sozialminister mit ihrer Forderung nach Insolvenzstiftungen für eine Lösung plädierten, die durchaus kompatibel gewesen ist mit den aus Oberösterreich vorgetragenen Wünschen. Die Argumentation auf Bundesebene ist eine andere als jene auf Landesebene, doch das Ergebnis ist dasselbe: als Hauptproblem werden nun nicht mehr wie 1987 und 1988 die Großbetriebe der Verstaatlichten Industrie angesehen. Die damals dafür gefundenen Lösungen, besser gesagt, die damals ausgehandelten Kompromisse, sind nun als überholt anzusehen, und die Arbeitsstiftungen werden in einer Art und Weise adaptiert, die zu einer starken Marginalisierung der Unternehmensstiftungen führen muß. Dies alles geschieht zunächst einmal auf der Ebene der sprachlich-symbolischen Prozesse: Änderung in der Definition des Problems, seiner Einordnung in einen neuen Bezugsrahmen, seiner Bewertung sowie die Verschiebung der Horizonte möglicher Problemlösungen. Was die Stahlstiftung nun macht, lässt sich in zwei Punkten zusammenfassen: Verbesserung der finanziellen Leistungen für jene, die bereits von der Stiftung betreut werden, und darüber hinaus noch die Suche nach einer neuen Klientel, wobei allerdings von den formalen Richtlinien der Stiftung her Grenzen gesetzt sind, die Operationsfelder der Stiftung materiell so auszuweiten, dass auch Voll- und Teilzeitbeschäftigte uneingeschränkt angesprochen und bedient werden können.

4.3 Modellgeneralisierung

Es zeigt sich also nachträglich, dass die auf der Basis der Häufigkeit der Medienberichte beruhende Annahme, das Jahr 1993 sei für die Entwicklung der Arbeitsstiftungen ein wichtiges Jahr, durchaus sinnvoll ist. Denn für dieses Jahr lassen sich wichtige Veränderungen im quantitativen Bereich feststellen, die, so ist weiter anzunehmen, auch Verän-derungen qualitativer Art mit sich bringen. Nach einer Zusammenstellung des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom Juni 1993 (93/32) gab es zu diesem Zeitpunkt in diesem Bundesland sieben Arbeitsstiftungen (Stahl-, Alu-, WTK-, SAKOG-, KTM-, Philips- und Kretz-Technik -Stiftung), zwei wurden als in der Phase der Umsetzung erwähnt (Offene Arbeitsstiftung Steyr und Telefunken Braunau) und zwei als stiftungsähnliche Maßnahmen (Braunau und Frauenstiftung Steyr) bezeichnet. Für die sieben damals bestehenden Stiftungen werden auch die Zahlen über den Stand der Mitglieder und die Gesamtheit der Eintritte angegeben.

Tabelle 1  Mitglieder

Eintritte Stand 15. 5. 93

Stahlstiftung insgesamt 1 209 372

Alu - Stiftung 247 147

WTK 185 20

SAKOG 107 57

KTM 40 7

Philips 52 32

Kretz - Technik 23 23

Summe 1863 658

Aus diesen Zahlen ergibt sich eine nach wie vor dominante Stellung der Stahlstiftung. Mehr als die Hälfte (56%) aller, die je in Oberösterreich in Stiftungen betreut worden sind, gehören zur Stahlstiftung, in die auch zwei Drittel (65%) jener eingetreten sind, die sich bisher für einen solchen Weg entschieden haben. Die "Kronenzeitung" kommentiert diese Situation folgendermaßen: "Hoffnung nur für wenige Kündigungs-Opfer! 658 Leute profitieren davon - 26 800 sind ohne Job" (93/38). Auf Prozente umgelegt sind dies knappe 2,5 Prozent. Zur selben Zeit beginnt die Stahlstiftung mit ihren Bemühungen, sich durch eine Veränderung ihrer Tätigkeiten für eine erweiterte Klientel auf die neue Situation einzustellen, die sich dadurch ergeben hat, dass an der Monopolstellung der Stiftungen im Bereich der Verstaatlichten Industrie bzw. der Unternehmensstiftungen gerüttelt wird. Anfang November 1993 gibt es bereits 25 Stiftungen, die insgesamt 1500 Personen betreuen (93/49). Ende November hatte die Stahlstiftung einen Bestand von 408 Personen. Dies bedeutet, dass sich innerhalb weniger Monate der Anteil der Personen in der Stahlstiftung an der Gesamtheit aller in Arbeitsstiftungen Betreuten von 56% auf 27% reduziert hat.

Möglicherweise ist diese Relativierung der Bedeutung der Stahlstiftung der Anlass dafür, in "Die Wahrheit" (94/1) zu betonen, dass die Stahlstiftung ein "Modell mit positivem Image ist", ein "hochwertig positiv besetztes Instrument für die wohl schwierigste Aufgabe der Personalarbeit". Die Stahlstiftung ist keine Einrichtung "nur für einen Tag, sondern Ausdruck der unangenehmen Wahrheit, dass der Wettbewerbs- und Rationalisierungsdruck in der Stahlwelt in absehbarer Zeit nicht beendet" sein werde. Dann nochmals die Hinweise auf die Verbesserung der finanziellen Bedingungen für Betreute und das Angebot eines dreitägigen Seminars als Serviceleistung für alle jene Mitarbeiter/-innen des Standortes Linz, die von Personalabbau betroffen sein könnten (94/1).

In einem Beitrag der "Oberösterreichischen Nachrichten" von Ende 1994 ist erstmals statt vom "Arbeitsamt" vom "neuen Arbeitsmarktservice" die Rede. Der Kontext ist die generell steigende Arbeitslosigkeit, insbesondere der über 50-Jährigen, von denen bereits jeder zehnte dieser Altersgruppe betroffen sei. Mit Unterstützung dieses neuen Arbeitsmarktservice soll nach Ansicht des Sozial- und auch des Finanzministers die Fortbildung insbesondere der älteren Arbeitslosen gefördert werden. Für nicht diskutabel hält der Sozialminister jedoch die Forderung des Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer, der Staat solle künftig die Beschäftigung von "Minderbegabten, Behinderten und Langzeitarbeitslosen" subventionieren (94/2).

Im Rahmen der stetig steigenden Arbeitslosigkeit gibt es also zusätzlich noch besondere Problemgruppen, die Älteren und die "Untüchtigen", womit die Minderbegabten, Behinderten und die Langzeitarbeitslosen gemeint sind. Als gemeinsamen Überbegriff für diese Problemgruppen könnte man getrost auch den Ausdruck der "unrentablen" Arbeitskräfte verwenden, für deren Beschäftigung die Wirtschaft eine Subventionen verlangt. Der Sozialminister lehnt diese Forderung zwar ab wie ebenso auch die Unterscheidung zwischen "Tüchtigen und Untüchtigen", die zwar etwas brutal zu sein scheint, aber lediglich die im angelsächsischen Sprachgebrauch übliche Unterscheidung zwischen "employable" und "unemployable" in den österreichischen Arbeitsmarktdiskurs transferiert.

Der Diskurs auf der Bundesebene ist offensichtlich mit anderen Akzenten versehen als jener auf der Landesebene. Der Sozialminister setzt auf Fortbildung zur Bekämpfung der (Alters-)Arbeitslosigkeit, der Finanzminister fordert eine großangelegte Reform des Bildungs- und des beruflichen Fortbildungswesens und stellt von seiten des Staates einen Teil der dafür nötigen Finanzmittel in Aussicht (94/1). In Oberösterreich wird die aktive Arbeitsmarktpolitik als der "oberösterreichische Weg" glorifiziert (94/3), wobei es jedoch Differenzen gibt zwischen den beiden Großparteien: Der SP-Landesrat für Soziales regt an, vermehrt Arbeitsplätze in den Dienstleistungsberufen zu schaffen (94/ 3), der AK-Präsident verlangt mehr Mittel vom Land, um das unter dem Bundesdurchschnitt liegende Wachstum der Zahl der produktiven Arbeitsplätze zu kompensieren. Das Land hingegen beruft sich auf seine "sehr gute aktive Arbeitsmarktpolitik", womit vorwiegend die Arbeitsstiftungen gemeint sind, bei denen Oberösterreich eine Vorreiterrolle zukomme (94/5). Am gleichen Ort heißt es auch, zur Erhöhung der Altersarbeitslosigkeit habe wesentlich die im Vorjahr abgeschaffte Krisenregionsverordnung beigetragen. Davon, wann und durch welche Beschlüsse diese spezielle Regelung für ältere Arbeitnehmer aus Krisenregionen liquidiert worden ist, finde sich in den Medienberichten des Jahres 1993 keinerlei Hinweise. 1994 gelten sie hingegen für als bereits im Vorjahr abgeschafft.

Dies bedeutet, dass die Medienberichte nicht als Chronik der wichtigen Ereignisse zu lesen sind, sondern als Hilfsmittel, eine solche Chronik nachträglich zu rekonstruieren. Ebenso wie von der Abschaffung der Krisenregionsverordnung erfährt ein/e die Medien verfolgende/r interessierte/r Leser/in erst mit einer großen zeitlichen Verspätung von der Gründung jenes Linzer Vereins, der sich auf die Betreuung Arbeitsloser in Arbeits- und Regionalstiftungen spezialisiert hat. Mitte Februar 1994 berichten die "Oberösterreichischen Nachrichten", dass bereits vor einem Jahr (also Anfang 1993) ehemalige Mitarbeiter des BFI Oberösterreich den Verein MENTOR gegründet hatten, wobei MENTOR eine Abkürzung für "Management, Entwicklung und Organisation" sei. Dieser Verein plant lt. Bericht (94/4) für 1994 mit 25 Mitarbeitern einen Umsatz von 30 Millionen S. Er orientiert sich an der Devise, "es reicht nicht aus, Leute zu qualifizieren und zu vermitteln. Man muss auch Arbeit (er-)finden, wo es noch keine gibt", wie es die Mentor-Chefs selbst vorgemacht hätten (a.a.O). Nach Ansicht der "Mentoren", die vor allem stiftungsähnliche Maßnahmen oder Regionalstiftungen für erfolgversprechend halten, seien Stiftungen natürlich kein Patentrezept für die Lösung der Arbeitslosenproblematik, hätten jedoch eine gewisse Signalwirkung. Was hier genauer signalisiert werden soll, ist nicht näher erläutert. Das konzeptionelle Gerüst dieses neuen Vereins zur Betreuung von Arbeitslosen ist mit den Stichworten "Implacement, Job-Selection und Job-Creation" umschrieben. "Implacement" ist für jene, die meist genau wissen, welchen Beruf sie ergreifen wollen und daher diesbezüglich speziell unterstützt werden. "Job-Selection" bezieht sich auf die Phase der Überlegung, welcher Beruf in Frage kommt und welche Aus- und Weiterbildung dafür erforderlich ist. "Job-Creation" wird alles genannt, was zu beruflicher Selbständigkeit führen soll. Also drei neue Begriffe für bereits bekannte Betreuungsaktivitäten, die schon im ursprünglichen Konzept der Stahlstiftung enthalten gewesen sind. Job-Creation wurde dort als Projektentwicklung und Unternehmensgründung bezeichnet, Implacement entspricht anscheinend dem früheren Outplacement (intensive Arbeitssuche(23)) und die Job-Selection der Phase der Berufsfindung mit nachfolgender Ausbildung (kurz-, mittel- und langfristig).

Dieser Verein MENTOR ist anscheinend zu einer Zeit gegründet worden, als das Land Oberösterreich alle Energien mobilisierte, die Krisenregionsverordnung zu Fall zu bringen und durch ein Netz von Regionalstiftungen zu ersetzen. Mit diesem Verein entsteht im Land selbst eine neue Einrichtung, welche mit unterschiedlichen Bezeichnungen dieselben Funktionen ausübt und Aufgaben übernimmt wie der Verein ÖSB, der in Linz wohl ein Büro unterhält, ansonsten aber seinen Hauptsitz außerhalb des Landes hat. So gesehen ist MENTOR eine im Land angesiedelte Konkurrenz der ÖSB, die möglicherweise mit Standortvorteilen rechnen kann. Gleichzeitig bedeutet dies, dass es bei der Arbeit mit Arbeitslosen bzw. dem Umgang mit Freisetzungen eine Konkurrenz um Marktanteile geben wird. Damit entsteht ein permanenter Druck, effizienter zu sein als die Konkurrenz, d.h. ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis offerieren zu können, es sei denn, die Konkurrenten einigten sich auf Preisabsprachen. Wenn diese Interpretation richtig ist, so kommt es mit der Vermehrung der Arbeitsstiftungen, die auch eine Vermehrung der Vereine bzw. Firmen zur Folge hat, die sich mit deren Organisation und Management befassen, zu einer neuerlichen (dritten) Rationalisierung, die man als "operative Rationalisierung" bezeichnen könnte.

Derartige Überlegungen sind insofern nicht abwegig, als Vergleiche mit den öffentlichen Ausgaben in Österreich mit jenen in anderen Ländern angestellt werden. "Die Presse" berichtet, dass der allgemeine Belastungsdruck in Österreich zu hoch sei (94/16). Denn nach der jüngsten Untersuchung der OECD über die Steuer- und Belastungsquote sei dieser mit 43,3% genau um 2% über dem Durchschnitt der EU-Staaten. Was den Anteil der öffentlichen Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik betreffe, liege Österreich mit 1,6% etwa im OECD-Durchschnitt (94/ 22). Eine Verdreifachung der Ausgaben, wie von der EU im Weißbuch vorgeschlagen, sei angesichts der gegenwärtigen Budgetbeschränkungen schwer vorstellbar. Andererseits wird aber auch schon darüber nachgedacht, wieviel Österreich nach einem EU-Beitritt wieder aus dem Sozialtopf der Gemeinschaft herausholen kann. Soferne gute Projekte eingereicht würden, schätzt der Leiter des oberösterreichischen Arbeitsamtes diese Möglichkeiten, Maßnahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik durch zusätzliches EU-Geld zu unterstützen, auf 1,5 Mrd. S., von denen 200 nach Oberösterreich fließen könnten, wo die strukturelle Arbeitslosigkeit ein ernstzunehmendes Problem sei (94/7). Als strukturell bedingt gilt die Arbeitslosigkeit dann, wenn "ein anhaltendes Missverhältnis zwischen einer großen Zahl von Arbeitssuchenden und einem Rückgang der Beschäftigungsmöglichkeiten besteht". Ein weiteres Indiz für eine strukturelle Krise sei die zunehmende Ausgrenzung älterer Arbeitsloser vom Arbeitsmarkt und die Zahl der Langzeitarbeitslosen. Damals, im April 1994, wurde die Arbeitslosigkeit mit 5,7 Prozent angegeben, was rund 29 000 Arbeitslose bedeutete. Nach als vorsichtig bezeichneten Schätzungen des Chefs des Landesarbeitsamtes Oberösterreichs seien in diesem Bundesland 12 000 bis 15 000 Arbeitslose "strukturbedingt" ohne Job (94/7).

Nur wenige Tage später greifen die "Oberösterreichischen Nachrichten" mit dem Beitrag "Mehr Bildung gegen Arbeitslosigkeit" dasselbe Thema neuerdings auf (94/8). Die Wirtschaft wachse zwar wieder, damit gleichzeitig aber auch die Sockelarbeitslosigkeit. Für den Fall eines Beitritts zur EU wird bis 1998 ein jährliches Wachstum der Wirtschaft von 2,3 Prozent erwartet, wobei, das sei der bittere Beigeschmack, die Beschäftigung nur um 0,6 Prozent pro Jahr zulegen werde. Gleichzeitig vermittelt hier eine Skizze anschaulich die Veränderungen in der Struktur der unselbständig Beschäftigten. Wurden 1970 noch 62% der Kategorie der Arbeiter zugerechnet und 38% zu den Angestellten, so rechnete man 1993 bereits 52% zu den Angestellten und nur mehr 48% zu den Arbeitern. Mit jeweils 50% war das Verhältnis zwischen diesen beiden Gruppen im Jahre 1990 ausgeglichen. In dieser Situation hofft Oberösterreich bei der Weiterbildung auf finanzielle Unterstützung durch die EU. Die Rechnung ist einfach: im produzierenden Sektor sind die Unternehmen gezwungen, "einfache Tätigkeiten in Billiglohnländer auszulagern und insgesamt bei den Personalkosten zu sparen, wo es nur geht". Auf der anderen Seite sieht der Landesrat für Wirtschaft aber noch Möglichkeiten, im Bereich Tourismus, bei industrienahen Dienstleistungen und im Sozialbereich zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Auch im Bereich der Altenpflege und der Spitäler bestehe ein Versorgungsdefizit, hier bestehe in den nächsten zwei bis drei Jahren ein Bedarf von 2 000 zusätzlichen Mitarbeitern.

Aus der Sicht der Politiker scheint der Fall klar zu sein: im produzierenden Sektor sind die Personalkosten zu senken, was zu einer Verringerung der Zahl der Arbeitsplätze führt. Im Dienstleistungsbereich gibt es hingegen Ausbaumöglichkeiten. Also, so die einfache Rechnung, wird durch Weiterbildung der Prozess der Umschichtung von den Arbeitern zu den Angestellten beschleunigt voranzutreiben versucht. Mit dieser einfachen Rechnung ist das Institut für Wirtschaftsforschung nicht einverstanden. Den "Oberösterreichischen Nachrichten" zufolge geht dessen Leiter "mit den heimischen Politikern hart ins Gericht. Da werde von der Politik zwar viel über Bildungsoffensive, Qualifikationsprogramme geredet, doch ich sehe nicht viel davon", lautet die Kritik des WIFO-Chefs (94/8). Nach seiner Ansicht braucht es neben der Höherqualifizierung der Beschäftigten mehr Patente, einen geänderten Industriebegriff und eine bessere Vermarktung der bestehenden Produkte.

Eine derartige Kritik trifft die oberösterreichische Landespolitik zu einem Zeitpunkt, an dem sie jene Ziele erreicht hat, für die sie sich noch ein Jahr zuvor mit allen ihr verfügbaren Kräften eingesetzt hatte. Damals ist es darum gegangen, die Krisenregionsverordnung abzuschaffen und an deren Stelle ein Netz von Arbeitsstiftungen einzurichten, die der Regionalentwicklung dienen sollten. Beide Ziele sind 1994 erreicht, wobei anzumerken ist, dass der Gedanke der Regionalentwicklung sich bereits wieder verflüchtig hat und nun an deren Stelle die "Weiterbildung" tritt, deren Ausbau das Land nun fördern will. Für diese Zwecke in Aussicht gestelltes Geld aus den EU-Töpfen sollte das ganze Vorhaben erleichtern. Die Arbeitnehmervertretung, Gewerkschaften und Betriebsräte, halten sich in dieser Phase der Entwicklung weitgehend aus den Diskussionen heraus.

Anfang September schreibt der "Kurier" (94/12), dass Arbeitsstiftungen gerade in den letzten Monaten ins Gespräch gekommen sind. In diesem Bericht wird unterschieden zwischen Verfechtern der Idee (der Stiftungen) und ihren Kritikern. Als Verfechter wird der Leiter des AMS Oberösterreichs mit der Feststellung zitiert, dass "die Abgänger zu 90 Prozent eine neue Arbeit finden oder ihre Studien fertig machen". Für die Kritiker der Arbeitsstiftungen seien diese jedoch nicht mehr als ein "Parkdeck für Arbeitslose".

In einem anderen Bericht, der Arbeitstiftungen als die neue Wunderwaffe gegen Arbeitslosigkeit bezeichnet, wird der Ausdruck "Parkdeck für Arbeitslose" den Liebhabern von Sozialschmarotzer-Debatten zugeordnet (94/13). Etwas weniger aggressiv wird hier die Arbeitsstiftung als ein "arbeitsmarktpolitischer Stoßdämpfer" mit einem breit gefächerten Zielbündel bezeichnet: den Arbeitslosen bei der Postensuche zu helfen, ihnen neue berufliche Perspektiven aufzeigen, sanften Strukturwandel zu beschleunigen und zukunftsweisende Regionalentwicklung zu fördern. So sehe der Stiftungsvater im Sozialministerium (Weinberger) die Stiftungen, für die der Sozialminister seine Taschen freilich nur dann öffne, wenn auch andere mitzahlten: vor allem das kündigende Unternehmen, Land und Gemeinden (94/13). Damit fällt hinsichtlich der Stiftungen der "feine Unterschied", auf den der Beitrag im "Kurier" aufmerksam gemacht hatte, unter den Tisch: "Bei den "Echten" finanziert das kündigende Unternehmen mit, bei den "Ähnlichen" trägt allein die öffentliche Hand die Kosten" (94/12).

Die Bandbreite möglicher Äußerungen über die Arbeitsstiftungen ist demnach außerordentlich groß: einmal ist sie für jene, die von Kündigungen bedroht sind, dann wieder für die Arbeitslosen, insbesondere die Langzeitarbeitslosen. Einmal steht die Regionalentwicklung im Vordergrund, dann aber die Weiterbildung. Für die einen sind die Stiftungen ein Allerweltsheilmittel, eine Wunderwaffe, für andere hingegen lediglich ein arbeitsmarktpolitischer Stoßdämpfer, also eine Einrichtung, die Erschütterungen nicht verhindert, aber sie auf sanfte Weise abzufangen vermag, oder gar nur ein Parkdeck für Arbeitslose. Letzteres sind Aussagen über den Ist-Zustand, meistens beziehen sich Aussagen über die Stiftungen jedoch darauf, was sie für die Zukunft leisten sollen, haben also den Wert von ungedeckten Schecks für kommende bessere Zeiten. Die Breite dessen, was sich über Stiftungen sagen lässt, führt dazu, dass nahezu alles, was jemand dazu sagt, richtig ist, und niemand etwas Falsches sagen kann, solange er sich zum Glauben bekennt, die Stiftungen seien ein vortreffliches Instrument, Arbeitslosigkeit zu verhindern und zu verringern.(24)

Ein Beitrag in der Zeitbühne 1994/4 stellt sich der Aufgabe, dem Glauben an das "Wundermittel gegen die Arbeitslosigkeit" eine kritische Bestandsaufnahme entgegenzustellen (94/11). Die Arbeitsstiftungen, die "sprießen wie die Schwammerl, (wobei) die Konjunkturkrise ihr Wachstum beschleunigt, ist für viele - Politiker wie Unternehmer - fast ein Allheilmittel". Insgesamt handle es sich dabei um positive Einrichtungen, vor allem das Selbsthilfeprinzip sei lobenswert, doch keineswegs über jede Kritik erhaben, die sich dann - aus der Perspektive der Wirtschaft gesehen - auf folgende Punkte konzentriert:



- Keine klare Zielvorstellung hinsichtlich einer Wiedereingliederung (Replacement) in den regulären Arbeitsmarkt

- Umschulungen älterer Arbeitnehmer liefen Gefahr, zur Alibiaktion zu verkommen

- Vierjährige Ausbildungen vor dem Übergang in die Pension wären nur eine Fortschreibung der Krisenregionsverordnung mit anderer Bezeichnung, also ein Etikettenschwindel zu Lasten jener, die in die Stiftung einzahlten

- Eine genaue Kalkulation bzw. Kostentransparenz sei nur schwer zu erstellen

- In vielen Fällen würden die Stiftungen jene Arbeit erledigen, die ursprünglich von der Arbeitsmarktverwaltung bewältigt werden sollten; es handle sich um ein Outsourcing von Leistungen, die, erweitert durch Schulungsmaßnahmen und Bewerbungstrainings, in selbständige Rechtsträger ausgelagert würden

- Die Arbeitsmarktverwaltung kooperiere mit mehreren in diesen Bereichen tätigen Firmen, wobei Effizienz und Transparenz sowie Kostenkontrolle der Arbeitsmarktverwaltung kaum noch feststellbar sei

- Mit dem Begriff des Outplacement gebe es immer wieder Unklarheiten; er passe überdies gar nicht zu den Stiftungen, weil Outplacement den gesamten Begriff der Trennung und die ganzheitliche Sicht von Möglichkeiten beinhalte, die zu einem neuen Job führen könnten, auch zur Gründung eines Unternehmens oder den gleitenden Übergang in den Ruhestand, etwa in der Form einer Teilzeitbeschäftigung. Outplacement wird hier begriffen als Personalentwicklungsmaßnahme für den Fall, dass eine berufliche Neuorientierung außerhalb des Unternehmens gesucht wird. Dafür externe Beratung und Unterstützung bereitzustellen sei besser als die Dinge treiben zu lassen oder Sozialpläne zu verhandeln, wie dies meist im Vorfeld der Stiftungen der Fall sei.



Aus der Perspektive der Wirtschaft wird hier der Nutzen von Stiftungen im Vergleich zu den Leistungen privater Unternehmen also stark relativiert. Individuelle Programme, angeboten von privatwirtschaftlich agierenden Outplacement-Spezialisten, würden sich ebenfalls rechnen, wenn von einer durchschnittlich halbjährigen Suchdauer und einer Erfolgsquote von 95% ausgegangen werde. An diesem Idealbild privatwirtschaftlicher Vermittlungsleistungen wird auch das Maß für die Arbeitsmarktverwaltung genommen: Es sei zu hoffen, dass mit dem neuen AM-Service eine Einrichtung komme, in welcher der Verwaltungsgedanke ebenso aufgegeben werde wie das Feindbild marktwirtschaftlich orientierter Bemühungen. Im Hintergrund dieses Plädoyers für einen verstärkt marktwirtschaftlich orientierten Umgang mit der Arbeitslosigkeit steht die keineswegs unbekannte Behauptung, das Sozialsystem sei an die Grenzen der Finanzierbarkeit gestoßen. Daher sei, um eine Explosion der Sozialkosten zu vermeiden, dringend ein Umbau des Sozialsystems anzustreben (94/11).

Im Jahr 1994 ist die Presseintensität, verglichen mit dem Vorjahr, spürbar zurückgegangen. Damit zeigt sich ein Muster, das ähnlich dem von 1988 ist: stehen Entscheidungen an, so melden sich die daran Interessierten öfter zu Wort. Sind die Entscheidungen dann gefallen, so wird es vorübergehend wieder ruhiger, da nicht permanent in derselben Sache entschieden werden kann. 1988 ist es darum gegangen, dem Stiftungsmodell samt Krisenregionsverordnung als flankierender Maßnahme, zunächst als Instrument zur Lösung der Krisen in der Verstaatlichten Industrie, den parlamentarischen Segen zu besorgen und damit bereits bestehende und auch bewährte Praktiken auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. In weiser Voraussicht hat die ÖVP diesem Ansinnen des Koalitionspartners nur unter der Bedingung einer sehr weit gefassten sprachlichen Formulierung zugestimmt, die spätere allfällige Veränderungen und andere Interpretationen ohne größere Schwierigkeiten möglich machen sollte. Als sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Krisenregionen spürbar verstärkte, regte sich, wieder zuerst in den Reihen der ÖVP, Widerstand gegen die 1988 ausgehandelte Lösung. Um die Krisenregionsverordnung zu Fall bringen zu können, wurde in den Regionalstiftungen eine Variante des ursprünglichen Modells als die neue Wunderwaffe gegen die Arbeitslosigkeit in Oberösterreich propagiert, welche die Akzente deutlich anders setzte, aber problemlos unter den weiten Oberbegriff "Arbeitsstiftungen" subsumiert werden konnte. Die Stahlstiftung wurde zwar gelobt, nach wie vor als Vorzeigemodell (95/6) gehandelt und als exemplarisch auf dem Präsentierteller herumgereicht, aber insgesamt wird das Konzept der Unternehmensstiftungen nachhaltig relativiert, um Platz zu machen für etwas Neues, eben die Regionalstiftungen. Kaum sind diese durchgesetzt, spricht schon niemand mehr ernsthaft von Regionalentwicklung durch Stiftungsgründungen. Die nun an deren Stelle tretende Propagierung der Weiterbildung als Herzstück einer aktiven Arbeitsmarktpolitik entsprach auch mehr den Bedürfnissen und Interessen jener, die sich für Stiftungsähnliche Maßnahmen, Insolvenz- und Branchenstiften stark machten und so als Bündnispartner bei der Durchsetzung des Anliegens, die Unternehmenstiftungen zu relativieren, anzusehen waren.

Damit ist der Unterschied zwischen Arbeitslosen in der verstaatlichten Großindustrie und anderen Arbeitslosen, der auch schon früher Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen gewesen ist, endgültig vom Tisch. Der "Kurier" berichtet zwar im April 1995 - unter Bezugnahme auf eine neue Studie des Instituts für Gesellschaftspolitik der Universität Linz - dass nach wie vor ein solcher Unterschied gegeben ist. "Ein Beschäftigter der Voest-Alpine sichert durch sein Einkommen und über die indirekten Effekte durch Aufträge an Zulieferbetriebe 1,6 weitere Arbeitsplätze in Oberösterreich ... Durch die regionale Auftragsvergabe - allein 1993 wurden Waren im Wert von fast einer Milliarde S zugekauft - sind diese Betriebe eine wertvolle Stütze für die oberösterreichische Wirtschaft" (94/3). Das "Neue Volksblatt" und die "Oberösterreichischen Nachrichten" berichten ebenfalls über die Studie und fügen der knappen Notiz im "Kurier" noch einige nicht unwichtige Detailinformationen hinzu. Im "Volksblatt" heißt es, dass rund 35 000 Menschen mittelbar oder unmittelbar von der Voest leben. Folgende vier "eindeutige" Befunde der oben erwähnten Studie werden besonders hervorgehoben:



a) Die Voest, das heißt in diesem Fall die STAHL-AG, kauft bei 1 000 Betrieben in der Region Produkte und Leistungen um eine Milliarde S pro Jahr ein.

b) Aus der ehemaligen Voest sind 40 Firmen hervorgegangen, die sehr viele Voestler beschäftigen.

c) Die Belastung der Arbeitsmarktes durch die Reduzierung der Belegschaft der Voest um die Hälfte ist sehr gering gewesen, weil die Arbeitsstiftung mustergültig funktionierte und

d) die Voest durch den hohen Pendleranteil für einen Ausgleich regionaler Ungleichgewichte sorgt. Denn der Einkommensanteil der STAHL-Linz-Mitarbeiter am Arbeitereinkommen betrage im Bezirk Freistadt 13,5%, in Bezirk Perg 19%, und im Bezirk Rohrbach fast 10%. Unter dem Titel "Die große Krise fand nicht statt" bringen die "Oberösterreichischen Nachrichten" einen nahezu gleichlautenden Bericht mit einigen präzisierenden Zahlenangaben: Die Nachfolgefirmen der alten Voest-Alpine AG stellten 45% der Linzer Arbeitsplätze, 65% der STAHL-Mitarbeiter seien Pendler, was zum Ausgleich des interregionalen Gesamteinkommens beitrage und die im Vergleich zur Konkurrenz bessere Bewältigung der internationalen Stahlkrise sei der konsequenten Produktivitätssteigerung zwischen 1988 und 1993 zu verdanken: diese liege bei Rohstahl in Österreich bei 45%, in Deutschland hingegen nur bei 3% (95/5).



Diese Berichte könnten durchaus dazu herangezogen werden zu argumentieren, dass Personalreduktionen in der verstaatlichten Großindustrie und damit verbundene Arbeitslosigkeit von anderen Formen von Arbeitslosigkeit durchaus zu unterscheiden ist. Demnach wäre dann Arbeitslosigkeit nicht gleich Arbeitslosigkeit. Doch für solche Argumentationen ist es zu spät, die Entwicklung hat begonnen, in eine andere Richtung zu tendieren. Aus der Sicht des Arbeitsmarktservice Oberösterreich sind die Arbeitsstiftungen vor allem ein arbeitsmarktpolitisches Instrument der Strukturanpassung, bei dem das Arbeitsmarktservice 70% der Gesamtkosten übernimmt (95/12). Rückblickend handle es sich dabei um eine oberösterreichische Erfolgs-Story, denn innerhalb von zehn Jahren habe das oberösterreichische AMS 34 Stiftungen finanziert und dabei pro Teilnehmer jedes Jahr 169 000 S ausgegeben.

39% aller Stiftungsplätze seien in Oberösterreich, wo künftighin mit weniger Umstrukturierungen zu rechnen sei, was auch zu einem Rückgang der Zahl der Stiftungsteilnehmer führen werde. Neben dem Rückblick auf eine erfolgreiche Geschichte steht auch ein Ausblick auf die Zukunft der Stiftungen, der eher aus einer etwas skeptischeren Grundhaltung heraus abgegeben worden sein dürfte. Der Stiftungskoordinator des AMS Oberösterreich sucht jedenfalls jene Erwartungen zu dämpfen, welche sich von Arbeitsstiftungen zu viel erhoffen. "In Wirklichkeit sind sie nur in bestimmten, regional-bedeutsamen Personal-Abbausituationen ein Erfolgsinstrument", keineswegs aber ein Allerwelts- oder gar Wundermittel für arbeitsmarktpolitische Probleme. Die großen Umstrukturierungen im Produktionssektor seien vorbei, die Arbeitsstiftungen hätten ihren Beitrag dazu geleistet, diesen Strukturwandel erträglich zu gestalten. Bei künftigen Veränderungen der Arbeitsgesellschaft würden Arbeitsstiftungen noch eine gewisse Rolle spielen, doch "wichtiger wäre es freilich, der beruflichen Weiterbildung einen höheren Stellenwert einzuräumen, um Anpassungsprozesse zu erleichtern. Man sollte das Instrument der Arbeitsstiftung nicht überstrapazieren" (95/ 13).

Welche Umstände zur Änderung der Einstellung des AMS zu den Arbeitsstiftungen geführt haben, ist nicht unmittelbar ersichtlich. Möglicherweise sind es Schwierigkeiten mit der Finanzierung weiterer Stiftungen. Versuche im Bezirk Perg, eine Arbeitsstiftung für Frauen, die im Textilbereich ihre Beschäftigung verloren hatten, ins Leben zu rufen, scheiterten vorerst an den dafür erforderlichen finanziellen Mitteln (95/9). Als das "Aus" für die Schifabrik Hagan in Antiesenhofen absehbar war, schlug das AMS Ried folgende Lösung vor: "Gibt es nach einem Unternehmenszusammenbruch keine Nachfolgefirma, die für freigesetzte Arbeitnehmer in eine Stiftung einzahlt, sollen die Gemeinden dafür aufkommen. Und zwar in dem Verhältnis, in dem aus verschiedenen Kommunen Menschen in der betroffenen Firma beschäftigt gewesen sind. Den Bürgermeistern schwant nichts Gutes" (95/16). Die geringe Begeisterung der Bürgermeister resultiert daraus, dass den meisten Gemeinden schon jetzt das Wasser bis zum Hals steht, da ihnen immer mehr Aufgaben, die früher Sache der Länder und des Bundes waren, aufgehalst werden (a.a.O.).

Wenige Tage später bezeichnet ein neuerlicher Kommentar in den "Oberösterreichischen Nachrichten" die Absicht, die Gemeinden in Arbeitsstiftungen einzubinden, als ein "Modell mit Tücken" (95/18), und zwar in mehrerer Hinsicht. Denn vielen Gemeinden stehe das Wasser (finanziell) schon bis zum Hals, ihr Finanzkorsett werde immer enger geschnürt. Rechtlich könne man die Gemeinden nicht zu Einzahlungen in Arbeitsstiftungen zwingen, doch jeder Bürgermeister, der dies verweigere, stehe dann sicher schlecht da. Darüber hinaus würde ein solches Modell eine Mehrklassen-Gesellschaft bei den Arbeitslosen zementieren. Denn jene, die einfach aus Rationalisierungsgründen ihren Job verloren hätten, deren Firma aber weiterbestehe, könnten von stiftungsähnlichen Soforthilfen nur träumen. "Sie sind in der Regel dazu verdammt, sich selbst zu helfen" (a.a.O.).

Versuche, die Gemeinden als Quellen einer zusätzlichen Finanzierung für regionale Arbeitsstiftungen anzuzapfen, scheinen also wenig zielführend zu sein. Dies mag mit einer der Gründe sein dafür, dass der Gedanke der Regionalstiftungen, noch vor zwei Jahren vehement propagiert vom Wirtschaftslandesrat Oberösterreichs, wieder in den Hintergrund tritt. Warum dieser ÖVP-Politiker zum eifrigsten Stiftungsverfechter dieser Zeit geworden ist, geht aus seinem neuen Motto "Stiften statt stempeln" hervor, das er nun für die erfolgreichen Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen verwendet. Im wesentlichen geht es, wie schon früher ersichtlich geworden, um die Krisenregionsverordnung. "Mit vereinten Kräften ist es gelungen, diesen Unsinn zu beenden... Diesem teuren, wirtschaftlich unsinnigen und menschlich brutalen Hinausdrängen älterer Arbeitnehmer aus dem Arbeitsprozess setzt Landeshauptmann-Stellvertreter Christoph Leitl seit damals die aktive Arbeitsmarktpolitik des Landes Oberösterreich entgegen" (95/17). Die mitgelieferten Zahlen illustrieren die damit erreichte Kehrtwendung: Von 1989 bis 1993 hat sich die Zahl der Arbeitslosen über 50 verdoppelt, seit 1993 hat sich deren Zahl von 8 727 auf heute (Sept. 1995) auf nur noch 5 583 verringert. Also ein Drittel weniger, wobei die Tendenz weiter fallend ist, wie Leitl glaubt: "Denn jedes Unternehmen ist gut beraten, auf die Erfahrung der Älteren nicht zu verzichten" (a.a.O.). Diesen Rat zu beherzigen ist für die Unternehmen schwierig. Denn der Zwang, an den Personalkosten zu sparen, wo es nur möglich ist, muss zur Entlassung vor allem der Älteren führen, die in der Lohnskala am höchsten stehen, deren Erfahrungen, mögen sie auch als höchst wertvoll bezeichnet werden, sich jedoch der ökonomischen Quantifizierbarkeit entziehen. Statt in die Altersarbeitslosigkeit werden Ältere nun in Arbeitsstiftungen zu Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen geschickt, wobei das Land Oberösterreich bis zu 25 Prozent der Ausbildungskosten pro Arbeitnehmer übernimmt. Dass dies der richtige Weg ist, wird mit dem Verweis auf die hohe Erfolgsquote früherer Stiftungen untermauert.

Die Schwierigkeiten bei den Textilbetrieben im Bezirk Perg Ende 1994 bedeuteten, dass sich die Zahl der dort bereits als arbeitslos registrierten 514 Frauen um weitere 100 erhöhen würde. Dazu meinte damals die Pressereferentin der ÖVP-Bezirksleitung Perg: "Die Arbeitslosigkeit ist zum Großteil eine Folge des niedrigen Bildungsniveaus. 49 Prozent der Frauen ohne Job haben nur einen Pflichtschulabschluss" (95/9). Die Hauptursache von Arbeitslosigkeit scheint hier im Mangel an Bildung gesehen zu werden. Überträgt man diese verbreitete Sichtweise auf größere Zusammenhänge, in den nationalen Kontext Österreichs oder den internationalen der Europäischen Gemeinschaft, so würde daraus folgen, dass sich Arbeitslosigkeit durch mehr Bildung bekämpfen lässt. An der Richtigkeit einer solchen Vorstellung sind begründete Zweifel anzumelden, wenn auch in Einzelfällen Zusammenhänge zwischen Bildungsniveau und Arbeitslosigkeit offensichtlich bestehen. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich konjunkturelle und strukturelle Arbeitslosigkeit durch Bildung in einem signifikanten Ausmaß reduzieren lassen. Wegen dieser Ambivalenz des Zusammenhanges von Bildung und Beschäftigung hören sich Ankündigungen, durch Umschulung und Weiterbildung Arbeitslosigkeit bekämpfen zu wollen, immer gut an, aufs Ganze gesehen werden die damit verbundenen Effekte immer sehr beschränkt bleiben. Wenn der ÖVP-Landesrat nun verkündet, "Bildung und Weiterbildung sind der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit" (95/17), so ist dies nicht besonders ernst zu nehmen. Es erhält erst dann seine Bedeutung, wenn man diese Aufwertung von Schulungen im Kontext der aktiven Arbeitsmarktpolitik anders interpretiert. Denn diese ist nur ein Anwendungsfall jener prinzipiellen Umorientierung, die der Leiter des AMS Oberösterreichs auf die schöne Formel des "beschäftigungswirksamen Einsatzes von Transferleistungen" bringt (95/21). Er illustriert diese Formel mit einigen Beispielen. "Wir zahlen 20 Milliarden Schilling Pflegegeld als Geldleistung. Das wandert zu zwei Dritteln auf die Sparbücher der Betroffenen oder Angehörigen. Wenn wir diesen Betrag als Sachleistung anbieten, schaffen wir Jobs". Bei den Saisonarbeitslosen könnte, demselben Prinzip folgend, das überdurchschnittlich ausbezahlte Geld zum Teil für verpflichtende Weiterbildung außerhalb der Saison eingesetzt werden. Dass dies effizient sei, habe sich schon am Beispiel der Arbeitsstiftungen gezeigt: "Dort zahlen wir ja auch Arbeitslosengeld, nur ist es mit einer Weiterbildungsaktivität verbunden" (a.a.O.). Oberösterreich ist das bei der Erfindung und Applikation der Arbeitsstiftungen führende Bundesland. Nach den Aussagen des Leiters des AMS ist dasselbe Bundesland auch der Vorreiter einer selektiven Vergabe von Arbeitslosengeld.(25) "Wer einen zumutbaren Job nicht annimmt, dem wird für vier Wochen das Geld gestrichen. In Oberösterreich sind wir bundesweit am restriktivsten" (a.a.O.).

Das Jahr 1995 ist, zwar in geringerem, aber doch wahrnehmbaren Ausmaß, wieder ein Jahr der intensiveren Auseinandersetzung. Ging es 1993 um die Beseitigung der Krisenregionsregelung, an deren Stelle ein breit gefächertes Netz von Regionalstiftungen treten sollte, so lassen sich die Diskussionen von 1995 als Suche nach einem neuen Weg charakterisieren, nachdem die Krisenregionsregelung erfolgreich abgeschafft, die Idee der Regionalstiftungen wieder über Bord geworfen und überdies die Unternehmensstiftungen in ihrer Bedeutung stark relativiert worden waren. Es ist die Suche nach einem erfolgversprechenden Weg, die nun insofern schwieriger geworden ist, als bestimmte Optionen bereits ausgeschlossen bzw. stark in den Hintergrund getreten sind. Es sind tastende Versuche, vernünftige Lösungen zu suchen, wo es keine allgemeine Vernunft mehr gibt. Mit dieser Situation setzt sich im Juni 1995 eine Tagung in Graz auseinander, deren Thema die "Pathologien der Arbeitswelt und Paradoxien der Intervention" gewesen sind. Als Veranstalter genannt werden das AMS Steiermark, die Akademie und die Denkwerkstätte Graz, als durchführende Organisation die ÖSB. Dieser Tagung ging eine aufwendige Vorbereitung voraus, sie mobilisierte 30 Referenten/-innen aus Österreich, Deutschland und Großbritannien und 100 Personen als Teilnehmer. Das Ziel der Veranstaltung war darauf gerichtet, Praktiker und Theoretiker zusammenzubringen und "das vorhandene Theoriedefizit im Zusammenhang mit Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsweltfragen abbauen zu helfen" (95/7).

Mit den pathologischen Aspekten der Arbeitswelt befassten sich, wie einem Kurzbericht zu entnehmen ist, vier Beiträge unter den Stichwor-ten: "Internationalisierung der Ökonomie als soziale Pathologie", "Arbeitsgesellschaft in der Krise", "Das angenehme Leben ist vorbei" und "Lean production - Schattenseiten sehen". Während die Beschreibung der Pathologien der Arbeitswelt mehr Sache der "Theoretiker" ist, also jener, die dem universitären Raum zugehörig sind, kommen bei der Aufzählung der Paradoxien mehr die Vertreter der Praxis zu Wort, wobei auf die Schwierigkeiten hinzuweisen ist, zwischen Theoretikern und Praktikern eine klare Trennlinie zu ziehen. Ein Vertreter des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO) stellt drei Paradoxien heraus: Eine erste besteht darin, dass man heute den Rückzug des Staates aus der Wirtschaft fordert, gleichzeitig aber der Arbeitsmarktpolitik die Schuld an der hohen Arbeitslosigkeit anlastet. Eine zweite darin, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Arbeitsmarktpolitik auf unterschiedliche Ziele gerichtet sehen, also gegensätzliche Erwartungen hegen. Und ein drittes Paradox bezieht sich auf die Frage der Arbeitszeitverkürzung: die Arbeitgeber hätten deshalb die in Österreich favorisierte Variante der Frühpensionierung einer wöchentlichen Verkürzung der Arbeitszeit vorgezogen, weil letztere zu teuer sei. De facto würden jedoch die Unternehmen für Frühpensionierung und sonstige Instrumente mehr zahlen als eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich gekostet hätte. Frühpensionierung sei auch unter dem Gesichtspunkt des gesellschaftlichen Nutzens wenig sinnvoll, denn mit den dafür derzeit aufgewendeten Mitteln wäre es möglich, allen Beschäftigten alle fünf Jahre einen halbjährigen Bildungsurlaub (bei Fortbezug der Lohnleistungen) zu gewähren. Ein anderer Referent weist auf den wachsenden Widerspruch von zunehmender Spezifizierung der Qualifikationen und der abnehmenden Beweglichkeit der Arbeitnehmer hin. Verbesserte Informationsmöglichkeiten und effizientere Vermittlungsmechanismen garantierten also keineswegs ein besseres Funktionieren der Arbeitsmärkte. Etwas abgeschwächt behauptet der stellvertretende Leiter des AMS Steiermark dasselbe: Arbeitsmarktausbildung(26) sei nicht geeignet, Beschäftigungsprobleme generell zu lösen. Denn Ausbildung allein schaffe noch keine Arbeitsplätze. Sie würde überdies die Selektionsmechanismen am Arbeitsmarkt weder beim Eintritt noch beim Austritt außer Kraft setzen. Mit den Selektionsmechanismen sind jene Zuschreibungen (Alter, Geschlecht, soziale Herkunft, Dauer der Arbeitslosigkeit etc.) gemeint, die auch durch aufwendige Qualifizierungsprozesse nicht außer Kraft gesetzt würden.

Bei dieser Tagung wird also an vielen Glaubenssätzen gerüttelt, auf die sich die österreichische Arbeitsmarktpolitik mehr implizit als explizit stützt und immer wieder beruft. Einen den Kurs korrigierenden Einfluss üben solche Tagungen jedoch nicht aus. Denn die "Praktiker" suchen nach kurzfristigen Lösungen, für die sich Zustimmung mobilisieren lässt, wobei die Abschätzung langfristiger Konsequenzen eine inferiore Rolle spielt. Ein Bericht im "Standard" vom Febr.1996 verstärkt nachhaltig das positive Image der Arbeitsstiftungen als "arbeitsmarktpolitisches Instrument, das mittlerweile europaweit auf großes Interesse stößt und vielfach kopiert wird" (96/1). Aus dem Interview mit dem Geschäftsführer der ÖSB ("die viele Stiftungen betreut"), das Grundlage jenes Berichtes gewesen ist, geht hervor, dass es Anfang 1996 43 Stiftungen mit rund 2 000 Teilnehmern gegeben hat. Im November 1996 ist dann in der "Linzer Rundschau" zu lesen, dass sich die Zahl der Stiftungen seit 1994 auf 66 verdoppelt hat (96/9). Die große Bereitschaft, dieses Modell zu imitieren, führt der ÖSB-Chef darauf zurück, dass es allen Interessen entgegenkommt: die Unternehmer ersparen sich bei massiven Kündigungswellen den Imageschaden und können die Gekündigten bei besserer Auftragslage wieder leicht reaktivieren. Die Stiftungsteilnehmer bleiben im sozialen Verbund und vermeiden damit den Schock des Alleingelassen-Seins (96/1). Die Erfolgsquote der Stiftungen sei beeindruckend, denn die Reintegrationsrate liege bei mindestens 80 Prozent bei einer 10 bis 12 monatigen Verweildauer in der Stiftung. Zur selben Zeit verlangt der ÖGB einen weiteren Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik, Intensivierung von Beratung und Vermittlung durch das AMS sowie zielgruppenorientierte Förderprogramme für Frauen, ältere Arbeitnehmer und Behinderte (96/2). Beim Bericht des "Kurier" über die Hochkonjunktur der Stiftung der Nahrungs- und Genussmittelindustrie werden noch einige Zahlen mitgeliefert zu den Arbeitsstiftungen, die "als Tropfen auf den heißen Stein" bezeichnet werden: 44 Stiftungen kosteten das AMS 1995 330 Millionen S, dabei seien 370 Personen betreut worden, die Quote der Reintegration auf dem Arbeitsmarkt liege bei 70 Prozent. Bei der Linzer Stahlstiftung seien fast 54 Prozent der Stiftlinge bei ihrem Eintritt noch keine 30 Jahre alt, ein Viertel sei zwischen 30 und 40 Jahren und der Rest darüber (a.a.O.).

Die Stahlstiftung selbst hält im Juni 1996 einen Informationstag für Betriebsräte mit den beiden Schwerpunkten "finanzielle Situation" und "Arbeitsmarktsituation in Österreich" ab (96/3). Dabei wird auch auf das erweiterte Angebot für Kinder von Voest-Mitarbeitern und invalide Stiftungsteilnehmer berichtet. Im Hauptreferat des Assistenten des Betriebsratsvorsitzenden wird betont, dass die versprochenen Arbeitsplätze auf sich warten lassen, aber am sozialen Netz kräftig gerüttelt werde. Warum dies so ist, geht aus einer Unternehmenspräsentation der VA-Tech-Special hervor, über die am gleichen Ort (96/4) berichtet wird: es sei gelungen, auch 1995 das Ziel, die Wertsteigerung des Konzerns, zu erreichen. Dass zwischen Redimensionierungen der Sozialleistungen und den Steigerungen des Wertes der Unternehmen ein enger Zusammenhang besteht, ist offensichtlich und scheint niemanden zu stören. Meist wird die Tatsache, dass nun alles der Wertsteigerung des Konzerns untergeordnet ist, nicht so unverblümt ausgesprochen. Sie ist aber präsent in den permanenten Forderungen, die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen zu müssen. In diesem Zusammenhang ist es aufschlussreich, dass der Direktor des Europäischen Zentrums für Wohlfahrt in Wien für flexible Teilzeitarbeit höchste Priorität verlangt, weil damit "die Produktivität um zwanzig bis dreißig Prozent gesteigert werden kann", der Generaldirektor des Edelstahlkonzerns Boehler-Uddeholm jedoch verlangt, "die Flexibilisierung dürfe nicht als Instrument des Stärkeren gegen den Schwächeren eingesetzt werden. Momentan sehe er die Gefahr, dass Arbeitszeit und Einkommen dort flexibilisiert würden, wo die eine Seite stark sei" (96/8). Es hat den Anschein, als hätten Wohlfahrtstheoretiker und Konzernchef hier einen Rollentausch vorgenommen: denn jeder der beiden spricht aus, was jeweils eher vom anderen erwartet worden wäre.

Im August 1996 bringen die "Oberösterreichischen Nachrichten" gleich zwei Berichte über Arbeitsstiftungen. Der eine trägt den Titel "Arbeitsstiftungen bewähren sich im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit", der andere ist überschrieben mit: "In 19 Monaten zum neuen Arbeitsplatz" (96/6). Sachinformation und Bewertung sind auch hier wieder eng miteinander verbunden. Die Arbeitsstiftungen werden hier als Einrichtungen dargestellt, um die Oberösterreich in ganz Europa beneidet wird. Denn über diese haben in den vergangenen acht Jahren mehr als 3 000 Personen wieder eine Beschäftigung gefunden. In 25 oberösterreichischen Stiftungen, die vor allem in den vergangenen drei Jahren gegründet worden seien, würden derzeit 1 429 Arbeitslose betreut: ein Drittel von ihnen mache dabei eine Lehre, ein Drittel absolviere eine Ausbildung, und der Rest finde über Weiterbildungsprogramme einen neuen Job. Die Vermittlungsquote der Stiftungen liege bei über 90 Prozent. Im Anschluss an eine ausführlichere Berichterstattung über die Offene Arbeitsstiftung Steyr und die Branchenstiftung der Speditionsarbeiter (AUSPED) kommt dann die Bemerkung, dass in Oberösterreich die Stiftungs-Geschäftsführer unterschiedlich bewertet werden. Dann wieder in unverbindlicherem Konjunktiv: "Vor allem im ehemaligen verstaatlichten Bereich hätte sich eine Stiftungsbürokratie breitgemacht. Während etwa die Offene Arbeitsstiftung Steyr mit einer Betreuungskraft pro 100 Teilnehmer auskomme, setze die Stahlstiftung mehr als drei Mitarbeiter ein, sagt ein Arbeitsmarktexperte" (96/6). Die Angaben sind diffus, die Kriterien der Bewertung unklar, und dennoch der Vorwurf gravierend: eine Bürokratie hat sich breit gemacht. Die Berufung auf einen ungenannt bleibenden angeblichen Experten soll wohl Zuverlässigkeit der Aussage signalisieren. Ob es sich dabei um die Wiedergabe eines Vorurteils handelt oder um eine diffamierende Unterstellung, lässt sich nicht überprüfen. Genaue Angaben über die Anzahl der von einem Lehrer unterrichteten Kinder sagen ebensowenig aus über seine Qualitäten als Lehrer wie Zahlen über die von einem Arzt behandelten Patienten über die Qualität des Arztes Aufschluss zu geben vermögen. Auf den in der Stahlstiftung Tätigen lastet nun jedenfalls der Verdacht, mit wenig Effizienz am Werk zu sein. Auf diesem Hintergrund ist jedenfalls sehr wohl verständlich, dass nun Schritte unternommen werden mussten, um sich von diesem Odium der bürokratischen Minderleister wieder zu befreien. So gesehen ist die ISO-Zertifizierung, deren Prozeduren dann im Jahre 1997 abgeschlossen wurden, höchst verständlich, obwohl sich darin ein weiterer Schritt der Rationalisierung erkennen lässt, den man als technokratische Selbstorganisation bezeichnen könnte. Anlässlich der 10-Jahresfeier der Stahlstiftung konnte dieser dann eine neue Vorreiterrolle in der Abwicklung der Stiftungsagenda öffentlich bestätigt und eine höhere Effizienz ihrer Leistungen bescheinigt werden (97/5).

Im November 1996 diskutierten im ORF-Zentrum Linz Stiftungsexperten mit 200 Interessierten vor allem über folgende Fragen: "Identifizieren sich freisetzende Unternehmen noch mit Branchenstiftungen, oder gleiten solche Institutionen in die Anonymität willkommener Auffangbecken für nicht mehr benötigte Mitarbeiter ab?" (96/9). Wie zu erwarten, gibt es dazu unterschiedliche Meinungen: der AMS-Chef bringt seine Präferenzen für Unternehmensstiftungen zum Ausdruck, der Chef der AUFLEB sieht in seiner Stiftung ein Instrument, einer gesam-ten, unverschuldet unter Druck geratenen Branche zu helfen. Gleich-zeitig macht hier die Berichterstattung auf den Unterschied zwischen "Stiftlingen" und "Normalarbeitslosen" aufmerksam. Stiftlinge kosten rund 170 000 S pro Jahr, Normal-Arbeitslose hingegen nur 130 000 S. Stiftlinge bleiben durchschnittlich 18 Monate im Umschulungsprogramm, "normale" Arbeitslose werden bereits am ersten Tag vermittelt. Stiftlingen ist im Regelfall bis zu 80 Prozent des Letztbezuges vier Jahre lang sicher, Normal-Arbeitslose fallen hingegen rasch dem "Notstand" anheim. Angesichts dieser bevorzugten Position der Stiftlinge - derzeit (Nov. 1996) in Oberösterreich 1 264, bundesweit 2 742 - hält der Bericht folgende Tatsache für unverständlich: "Nur wenig Arbeitslose sind an umfassenden Schulungsmaßnahmen interessiert. Dabei ermöglichen Stiftungen Neuorientierungen bis hin zum Besuch von Fachschulen/Universitäten, Stiftungen bieten Starthilfe in die Selbständigkeit und sogar psychologische Betreuung" ( a.a.O.). Dieses Unverständnis beruht darauf, dass eine einfache, aber wichtige Unterscheidung übersehen wird: Die Differenz zwischen dem objektiv und dem subjektiv Möglichen. Subjektiv ist nicht alles möglich, was auf dem Papier objektiv möglich ist, aber eine Fiktion bleiben muss, da es dem subjektiven Vermögen nicht angemessen ist.

Auf dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen Stiftlingen und Normal-Arbeitslosen ist es durchaus plausibel, einem Bericht "Über Arbeitsstiftungen zu einem neuen Job" einen zusätzlichen Akzent zu geben: "Die Seilschaft für gekündigte Mitarbeiter" (96/10). Der Begriff "Seilschaft" wird hier in durchaus positivem Sinne verwendet und die Vorteile der Arbeitsstiftung - dabei handle es sich um einen irreführenden, aber eingebürgerten Begriff - sehr wohl gesehen. Es handle sich dabei um ein gelungenes, in Österreich entwickeltes Konzept, um gerade arbeitslos gewordene Arbeitnehmer - meist besser qualifiziert - in neue Jobs zu hieven. Damit habe Österreich zumindest bei der Wiedereingliederung von frisch Gekündigten Innovationskraft und Initiative unter Beweis gestellt - "was man von der Erhaltung und Neuschaffung von Arbeitsplätzen nicht gerade behaupten kann" (a.a.O.).

Voest-intern weist die "Mitarbeiterzeitung des Produktionsbereiches Kaltband" (96/11) erneut auf die Vorteile der Stahlstiftung hin und wiederholt damit Bekanntes für jene, die es vergessen haben oder mit diesbezüglichen Informationen noch zu wenig versorgt sind. Kritischere Töne schlägt hingegen ein Bericht in der "Wahrheit" vom April 1997 an. Dort heißt es, dass seit fast einem Jahr die Beraterfirma Neuwaldegg "in unserem Betrieb tätig ist". Dabei werde unter dem Motto Erfolgsfaktor Zusammenarbeit in verschiedenen Projektgruppen auf eine neue Kultur der Zusammenarbeit im Unternehmen hingearbeitet. Grundsätzlich sei der Arbeiterbetriebsrat bereit, den Weg, den hier der Vorstand gewählt habe, zu unterstützen. Doch nicht bedingungslos, da Theorie und Praxis nicht dasselbe seien. In der Praxis "verpufft die Theorie in Schall und Rauch. Der Hierarchieabbau wird anscheinend so verstanden, dass er nur in der untersten Ebene (Vorarbeiter) rigoros betrieben wird, jedoch die sogenannte Pappschicht sich noch mehr verhärtet". Es sei nun die Zeit gekommen, endlich auch bei den Führungskräften Konsequenzen durchzusetzen. Sonst könnte schnell die Situation entstehen, dass die Arbeiter zu ihren Vorgesetzten sagen: "Produziert doch eure Tonnen selbst, wir wollen und können dies nicht mehr" (97/2). Derartige Reaktionen auf Vorschläge von oben sind selten zu registrieren, scheinen bereits unzeitgemäß geworden zu sein. Wenn sie hier dennoch geäußert werden, so vielleicht deswegen, weil die Beschäftigten inzwischen gelernt haben, sich den heute wirksamen Sachzwängen zu fügen, aber es vehement ablehnen, bei der Errichtung eines offensichtlich irreführenden ideologischen Überbaus aktiv beteiligt zu sein.

Die Medienpräsenz der Stiftungen ist seit 1995 wieder stark rückläufig, 1997 findet sich zu diesem Thema noch weniger als 1996. Im August 1997 reiten die "Oberösterreichischen Nachrichten" neuerlich eine Attacke gegen die Frühpensionen, weitgehend mit denselben Argumenten, mit denen der Wirtschaftslandesrat 1993 gegen die Krisenregionsregelung zu Felde gezogen ist. Anlass dazu ist wieder der Öffentliche Dienst, der neuerdings mit schlechtem Beispiel vorangehe. Die Post wolle über 9 000 Mitarbeiter über ein selbstfinanziertes Frühpensionsmodell loswerden. Und auch die Unterrichtsministerin denke laut über ein Frühpensionsmodell für Lehrer nach, um beschäftigungslosen Junglehrern Platz zu schaffen (97/3). Das besondere Anliegen dieses Berichtes dürfte darauf gerichtet sein, Barrieren gegen die Bereitschaft zu errichten, Frühpensionierungen "als Hintertürl gegen mehr Arbeitslosigkeit" (a.a.O.) zu tolerieren.

Anfang Oktober 1997 berichtet "Der Standard" davon, dass die Europäische Union Leitlinien für die Beschäftigungspolitik vorgelegt hat. Auf der Suche nach zielführenden Praktiken habe sie (EU) aus 46 Vorschlägen elf "beste Wege" - best practices - ausgewählt, die nach ihrer Ansicht mehr Menschen zu einem Job verhelfen können. Für Österreich werden das duale Ausbildungssystem und die Arbeitsstiftungen als "beispielhaft" für ganz Europa herausgehoben (97/4). Nur wenige Tage später, Mitte Oktober, berichtet die Sozialministerin bei der 10-Jahresfeier der Stahlstiftung von der Auszeichnung der Arbeitsstiftung als "best practice" und gibt bekannt, dass zum damaligen Zeitpunkt (September 1997) in allen Bundesländern Österreichs 80 Stiftungen aktiv gewesen sind. Gleichzeitig wird hier hervorgehoben, dass die Stahlstiftung trotz verschärfter Rahmenbedingungen ihr hohes Erfolgsniveau von 95 Prozent halten konnte, dass in den vergangenen 10 Jahren Stiftungsteilnehmer an die 40 Unternehmen mit 120 Beschäftigten gegründet hätten, und die Stahlstiftung nun als erste Stiftung ISO-zertifiziert sei (97/5), was für alle von der Stiftung Betreuten Vorteile bringe.

Im Sommer 1998 informiert "Der Standard" darüber, dass der neue nationale Beschäftigungsplan der Regierung das Instrument der Arbeitsstiftungen auf neue Gruppen und Branchen auszudehnen beabsichtige (98/1). Bei einer Podiumsdiskussion, organisiert von der ÖSB, vertrat diesbezüglich der AMS-Chef Oberösterreichs die Ansicht, dass bei einer derartigen Ausweitung dafür andere und weitere Kostenträger gefunden werden müssten als das AMS. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Österreich 86 anerkannte Arbeitsstiftungen, davon 39% in Oberösterreich, 22% in der Steiermark und 12% in Wien. Im vergangenen Jahr seien für 5 283 Menschen in Stiftungen 414 Millionen S ausgegeben worden. Sind diese Zahlen richtig, so bedeutet dies, dass pro Teilnehmer/-in an einer Stiftung durchschnittlich etwas mehr als 78 000 S aufgewendet worden sind. Leute in Stiftungen zu schicken ist also im Lauf der Zeit wesentlich billiger geworden.

4.4 Zusammenfassende Thesen

1. Die Stahlstiftung ist eine Reaktion auf die Tatsache, dass im Bereich des eisenverarbeitenden Teiles der Verstaatlichten Industrie in relativ kurzen Zeiträumen Personalreduktionen in großem Umfang vorgenommen worden sind.

2. Diese Zwangsreaktion ergibt sich aus einem doppelten Imperativ: einem politischen und einem moralischen. Unternehmenspolitisch ging es darum, zu erwartenden sozialen Unruhen den Boden zu entziehen, moralisch jedoch darum, Solidarität zu demonstrieren und massenhaften Kündigungen nicht tatenlos zuzusehen.

3. Diese doppelte Vermeidungsstrategie auf betrieblicher Ebene musste in der Frühphase der Stahlstiftung zu einer engen materialen Kooperation der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung führen, wenn auch aus formal unterschiedlichen Interessen.

4. Die Stahlstiftung ist die neue Form eines dynamisierten Sozialplanes, wobei kollektiv bereitgestellte Ressourcen zur Realisierung heterogener Ziele eingesetzt wurden.

5. Ein unrealistisch hoch eingeschätzter Ressourcenbedarf bringt andere Akteure ins Spiel und gibt ihnen entscheidende Mitsprache- und Mitgestaltungsrechte.

6. Der Zielkonflikt auf betrieblicher Ebene wird dadurch auch auf eine höhere Ebene verlagert und dort reproduziert. Dies bedeutet, dass die Lösung betrieblicher Schwierigkeiten auch von allgemeinen Entscheidungen sozialpolitischer Art abhängig gemacht werden.

7. So führt der Wunsch, material nach ausländischen Vorbildern in Österreich Stiftungen für den Stahlbereich zu etablieren, formal schließlich zur ursprünglich von niemandem intendierten Einrichtung von Arbeitsstiftungen.

8. Damit wird der Mechanismus der Ressourcenbereitstellung generalisiert und flexibilisiert und zusätzlich der Katalog der Ziele, auf den diese Mittel gerichtet sein sollen, immer weniger deutlich erkennbar.

9. Auf betrieblicher Ebene führt dies zu einer Modifikation der Funktionsrolle der beteiligten Hauptakteure: die Arbeitgeberseite hat ihr unternehmenspolitisches Ziel, die Personalstände in Ruhe und zu günstigen Kosten reduzieren zu können, erreicht, und kann sich zunehmend aus den Auseinandersetzungen zurücknehmen, die Arbeitnehmerseite ist hingegen auf Dauer mit ihrem schwer zu realisierenden Ziel konfrontiert, Solidaritäten mobilisieren und sicherstellen zu müssen.

10. Die Stahlstiftung ist daher eine Organisation, die in ihrem Tun sowohl den polit-ökonomischen Interessen der Unternehmensleitung wie auch den normativ-moralischen Ansprüchen der Arbeitnehmerseite zu entsprechen hat.

11. Die gesamtgesellschaftlichen Verschiebungen im Verständnis des ökonomisch Notwendigen und der damit verbundenen Legitimationsstrukturen stützen tendenziell den Diskurs der Arbeitgeberseite, nehmen jedoch jenem der Arbeitnehmer seine Plausibilität.

12. Bereits die erste Zielformulierung der Stahlstiftung in der Wiedereingliederung der ehemaligen Voest-Mitarbeiter in den Arbeitsprozess durch Ausbildung, Firmengründung und Outplacement kommt mehr den politisch-ökonomischen Vorstellungen der Arbeitgeberseite als den sozialpolitischen Ambitionen der Arbeitnehmerseite entgegen.

13. Diese Orientierung an den dominanten Interessen findet ihren Niederschlag auch in der Verwendung der von ihr bevorzugten sprachlichen Werkzeuge, welche Ausdruck einer auf das einzelne Individuum zentrierten Perspektive sind: Arbeitsmarkt, Arbeitsmarktverwaltung, Umschulung, Aus- und Weiterbildung, Selbsthilfe.

14. Der Kompromiss zwischen gegensätzlichen Interessen, den die Stahlstiftung verkörpert, wird ermöglicht und gleichzeitig in seinen Konturen verwischt durch die Etablierung einer Sprachregelung mit vielen Unschärfen, die es ermöglicht, Konflikte zu vermeiden, es aber auch verhindert, Verbindlichkeiten im Sinne des normativen Imperativs der Arbeitnehmerseite festzuschreiben.

15. Solange die Krisenregionsverordnung in Geltung ist, kann sich die Arbeitnehmerseite mit dem dadurch und durch die Stahlstiftung realisierten Sozialplan identifizieren. Mit der Abschaffung dieser Verordnung ist dies nicht mehr notwendigerweise der Fall.

16. Hinter der deklarierten Absicht, Regionalstiftungen fördern zu wollen, stand die nicht deklarierte Absicht, die Unternehmensstiftungen in ihrer Bedeutung zu relativieren.

17. Organisationen, die im Sinne der konkreten Umsetzung der Ziele der Stiftungen aktiv werden oder diesem Umstand ihre Entstehung verdanken, entwickeln nach und nach auch mit der Existenzerhaltung dieser Hilfsorganisationen verbundenen Ziele.

18. Im analysierten Zeitraum von 1987 bis 1998 lässt sich ein vierfacher Rationalisierungsprozess feststellen

- betriebwirtschaftlicher Art: Senkung der Personalkosten

- administrativer Art: Senkung der Kosten der Arbeitslosenverwaltung

- operativer Art: Senkung der Kosten der Betreuungsorganisationen (Wettbewerbspreise)

- selbstreferentieller Art: Zertifizierung als Zusatzlegitimierung

19. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Kategorien "Arbeitsmarkt", "Arbeitsmarktservice", "aktive Arbeitsmarktpolitik", "arbeitsmarktbezogene Aus- und Weiterbildung" durchgesetzt haben, ist ein Indiz dafür, dass die arbeitgeberbedingte Sichtweise der Beschäftigungsprobleme zur allgemein verbindlichen Sichtweise geworden ist.

20. Die Durchsetzung der neoliberalen Sichtweise sowie die damit verbundene Sprachregelung negiert implizit die legitimen Interessen der Beschäftigten und muss eine an demokratischen Prämissen festhaltende Arbeitnehmervertretung auf Distanz zu allem bringen, was sich lediglich an einer besseren Funktionsweise des Arbeitsmarktes orientiert.



5. Institutionalisierung und Bürokratisierung der Arbeitsstiftungen



5.1 Der Expansionskurs und die Frage seiner Grenzen

In Anbetracht dessen, dass es heute in Österreich eine große Zahl von Arbeitsstiftungen gibt, könnte man mit Befriedigung feststellen, dass im Sinne des Titels der Gründungsbroschüre(27) der Stahlstiftung diese Idee heute an sehr vielen Orten bereits Wirklichkeit geworden ist. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass dieser Diffusionsprozess des Stiftungsmodells zu einem baldigen Ende kommen wird. Denn die Ursachen des Entstehens von Stiftungen werden auch in den kommenden Jahren spürbar sein: Zwänge zu Personalabbau bei einzelnen Betrieben, Unternehmensschließungen, regionalspezifische Arbeitsplatzverknappungen und auf einzelne Gemeinden bezogene besondere Beschäftigungsdefizite.

Von den in Österreich bestehenden Arbeitsstiftungen sind im Jahre 1995 drei Viertel in nur zwei Bundesländern, in Oberösterreich und der Steiermark, angesiedelt gewesen. Handelt es sich bei den Stiftungen um eine gute Sache, so gibt es keinerlei Gründe dafür, dass die anderen Bundesländer nicht mehr oder weniger rasch, aber sicher nachziehen sollten. Ähnliches wird für die diversen Berufsbranchen gelten: was den Spediteuren und den in der Lebensmittelbranche Beschäftigten von Nutzen ist, das nützt auch Handelsangestellten, Elektrikern und in der Bekleidungsindustrie Beschäftigten.

Damit ist ein Prozess in Gang gekommen, der so von niemandem geplant gewesen ist und dessen Implikationen vorerst schwer abschätzbar sind. Ausgehend von der allgemeinen Prämisse, dass sich mit der Zunahme von Quantitäten auch die Qualitäten verändern, ist mit unerwarteten Phänomenen und Überraschungseffekten zu rechnen, die sowohl positiver wie auch negativer Art sein können. Inwiefern dies bereits bei der bisherigen Diffundierung des Stiftungsmodells der Fall gewesen ist, diesbezüglich steht keinerlei gesicherte Information(28) zur Verfügung, sodass für die Artikulation von Vermutungen, Hypothesen, Vorurteilen, Befürchtungen und Hoffnungen ein breiter Raum der Beliebigkeit offensteht. In Anbetracht der Informationslücken über das Stiftungsgeschehen scheint es mit einigen Risiken verbunden zu sein, den Expansionskurs bedenkenlos voranzutreiben, ohne diesen Prozess gleichzeitig mit einem kritischen Auge zu verfolgen. Andererseits, dies ist auch anzumerken, gibt es bislang aber auch keine überzeugenden Argumente, diese Expansion zu stoppen und in der Berufung auf klar definierte Kriterien dem Wunsch nach weiteren Errichtungen von Stiftungen nicht nachzukommen.

5.2 Effizient organisiert ist nicht institutionalisiert

Weiter oben im Text wurde versucht, derzeit erkennbare Konturen der Verbreitung des österreichischen Modells der Arbeitsstiftungen nachzuziehen. Dabei wurde betont, dass ursprünglich bewusst zwei Komponenten bzw. Pole ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt worden sind: eine ideell-ideologische und eine technisch-praktische, und dass erst deren Zusammenspiel die Basis für Hoffnungen auf erfolgreiches Gelingen darstellen kann. Man könnte zu Vergleichszwecken auch auf das notwendige Zusammenpassen von Hardware und Software verweisen, wobei der technisch-praktische Aspekt, die Modi der Organisation, der Hardware entspricht, der ideell-ideologische hingegen der Software, womit die institutionelle Komponente sozialer Prozesse angesprochen ist. Die Hardware ist das Sichtbare, Greifbare, Handhabbare, die Software mehr das, was sich der Anschaulichkeit entzieht, weniger gegenständlich ist und sich dementsprechend auch einer einfachen sprachlichen Benennbarkeit verschließt. Doch Hardware und Software sind zwei Pole einer Einheit. Es ist müßig, darüber nachzudenken, welcher der wichtigere sei. Denn beide sind unverzichtbar. Fehlt einer, so kommt es nicht zur Konstitution einer Realität; ist einer unterentwickelt, so zeigt sich die Realität in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt.

Die bekannte Feststellung, dass "alle Vergleiche hinken", gilt der Tatsache, dass mit Vergleichen wohl etwas, aber nicht alles getroffen wird. Vergleiche erlauben es dennoch, etwas hervorzuheben, was sich ohne Vergleich nicht so deutlich darstellen lässt. Sie sind und bleiben deshalb ein wichtiges Mittel der gegenseitigen Information und Verständigung.

Das angesprochene Verhältnis von Hardware und Software soll den Blick schärfen dafür, jenseits des eigentlichen Bereiches des Organisierbaren einen ihn ergänzenden Bereich sehen zu können, der in der sozialwissenschaftlichen Terminologie mit dem Begriff der "Institutionen" bzw. des "Institutionellen" angesprochen ist. Eine einfache Übertragung dieses in den Sozialwissenschaften zentralen Fachausdruckes in die verständlichere Umgangssprache mit "Einrichtung" und dem "Eingerichteten" deutet darauf hin, dass der Mensch in einer Welt lebt, die er sich selbst eingerichtet hat. Diese Einrichtungen bzw. Institutionen sind gleichsam die zweite Natur des Menschen, über die normalerweise genauso wenig nachgedacht wird wie über die erste Natur, solange sie widerstandslos funktionieren. Der Bereich des Institutionellen ist somit der Bereich des Selbstverständlichen, das für gewöhnlich gar nicht zur Kenntnis genommen wird, aber doch die unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen des absichtlich Gewollten ist. Wenn beispielsweise zwei Partner einen Vertrag abschließen wollen, so ist dies nur möglich, wenn zwischen ihnen ein stillschweigender Konsens besteht über eine Reihe von Voraussetzungen: Ein Konsens über die Bedeutung der verwendeten sprachlichen Symbole, die gemeinsame Bereitschaft, die gegenseitig eingegangenen Verpflichtungen auch einhalten zu wollen, das gegenseitige Vertrauen, dass der Partner sich an das Vereinbarte auch halten wird etc . Über all dies wird bei Vertragsabschluss nicht ge-sprochen, ja nicht einmal nachgedacht, weil es zu den Voraussetzungen gehört, die als selbstverständlich betrachtet werden.

Dieser Kosmos des Ein-Gerichteten, des Instituierten, variiert zwischen verschiedenen Gesellschaften und Kulturen ebenso wie innerhalb einer einzelnen Gesellschaft im Verlauf ihrer zeitlichen Entwicklung. Er entzieht sich der direkten Wahrnehmung ebenso wie der klaren und eindeutigen Benennbarkeit.

Ein Vergleich diverser theoretischer Explikationen zum Komplex des Institutionellen(29) erlaubt folgende Umschreibung: es handelt sich dabei um eine leitbildorientierte Normierung menschlicher Bedürfnisbefriedigung. Damit ist keine exakte Beschreibung des Institutionellen gewonnen, sondern eine Gesprächsgrundlage, um sich verständigen zu können, wovon inhaltlich die Rede ist.

Nun zu den einzelnen Elementen Leitbildorientierung, Normen und Bedürfnisse. Das einfachste Element scheinen dabei die Bedürfnisse zu sein, womit gemeint sein kann, dass der Mensch ein Mängelwesen ist, dass er ständig etwas braucht, um seine Existenz aufrechtzuerhalten. Anders formuliert wäre auch zu sagen, dass die Existenz des Menschen daran hängt, dass er in stetige Austauschprozesse mit seiner Umwelt involviert ist. Primäre Bedürfnisse sind kulturell überformt, sekundäre Bedürfnisse sind gesellschaftlich induzierte Bedürfnisse, in Abhängigkeit vom jeweiligen Entwicklungsstand einer Gesellschaft.

Ein flüchtiger Blick auf die tägliche Lebenspraxis verrät, dass die Art und Weise, wie Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen, durch die Beachtung mehr oder weniger strenger Vorschriften geregelt ist. Diese Vorschriften sind nirgends explizit formuliert, doch jede/r weiß, was er/sie zu tun hat, wenn er/sie irgendwo dazugehören will. Die Unterordnung unter gemeinsam anerkannte Regeln konstituiert soziale Einheiten. Verlieren Regeln ihre Verbindlichkeit, so gehen Gemeinschaften in Brüche.

Das dritte Element, die Leitbildorientierung, trägt der Tatsache Rechnung, dass der Mensch sowohl als einzelner wie im Kollektiv eine Ganzheit, eine Totalität ist. Statt Leitbildorientierung könnte man durchaus auch von der Summe der Wertorientierungen sprechen, ein ebenfalls nur beschränkt brauchbarer Ausdruck, wie die Diskussionen der vergangenen Jahre um den Wertewandel gezeigt haben. Andere wieder bevorzugen den Begriff der Weltanschauung, um diese Verwiesenheit auf einen letzten Bezugspunkt anzusprechen. Es handelt sich dabei jedoch weniger um eindeutig fixierbare Punkte, sondern um Horizonte, die trotz ihrer prinzipiellen Offenheit als Verweisungszusammenhänge identifizierbar und vergleichbar sind. Die Bedeutung dieser Horizonte zeigt sich daran, dass mit ihnen die Grenzen des gesellschaftlich Möglichen, Akzeptierbaren und Legitimierbaren abgesteckt sind.

Mit dem - zumindest partiellen - Niedergang des Taylorismus haben auch die Theoretiker des betrieblichen Managements die Dimension des Institutionellen als ein unverzichtbares Moment jeder Unternehmensentwicklung entdeckt: Die Ausarbeitung von Leitbildern wird empfohlen, was die Wege zum Wachstum einer "Corporate Identity" ebnen soll. Verbesserungen des Betriebsklimas werden angeregt wie auch Maßnahmen zur Entfaltung der Unternehmenskultur. In der Nationalökonomie setzt sich anscheinend langsam die Einsicht durch, dass die mit dem homo oeconomicus verbundenen Annahmen weder ein vertretbares Maß an Realitätsnähe sicherstellen noch das Ende der Denk-möglichkeiten bedeuten müssen. Ansonsten wäre schlecht zu erklären, dass die seit einigen Jahren sich artikulierende "institutionelle Ökonomie"(30) oder "Institutionenökonomik" zunehmend Aufmerksamkeit findet und dem orthodoxen mainstream gegenüber an Boden gewinnt.

Nochmals zurück zum Vergleich von Hardware und Software, oder auch zu dem von Kern und Ring (Horizont), wie andere formulieren. Damit sollte darauf hingewiesen werden, dass eine Betrachtungsweise, die sich lediglich auf die organisatorischen Belange konzentriert, zu kurz greift. Organisation, verstanden als Allokation von Ressourcen zur Erreichung bestimmter Ziele, ist zweifellos eine notwendige, aber keineswegs eine hinreichende Bedingung des Gelingens. In der etwas ausführlicheren Thematisierung der institutionellen Einflüsse und Ab-hängigkeiten sollte die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des Umfeldes beziehungsweise der Umfelder gelenkt werden, dem oder denen die jeweiligen Stiftungen ihre Bausteine zu entnehmen haben.

Eine zunehmende Ausbreitung des Stiftungsgedankens, wie er sich in der wachsenden Zahl von Stiftungsgründungen manifestiert, führt wohl unvermeidlich zu einer Institutionalisierung des Stiftungsmodells, zu einer Ein-Richtung auf Dauer, deren Erfolg davon abhängig sein wird, dass ein Optimum an Organisation in einem entsprechenden Umfeld ergänzender und unterstützender Selbstverständlichkeiten verankert ist.

5.3 Die Mehrdimensionalität der Zielbestimmungen

Organisatorische Arrangements werden jeweils inszeniert, um bestimmte Ziele auf kürzestem Wege zu erreichen. Dabei gilt das Prinzip der Ressourcenoptimierung, dessen Druck besonders in der Gegenwart spürbar stärker wird: ein bestimmtes Ziel mit möglichst wenig Mitteln zu erreichen bzw. mit einem Bestand an gegebenen Mittel ein Maximum an Zielrealisierung sicherzustellen.

In der englischsprachigen Literatur findet sich hinsichtlich der zu verfolgenden Ziele die Unterscheidung in "goals" und "objectives",(31) wobei letztere die operationell verfolgten und der Kontrolle leicht zugänglichen Ziele bedeuten, also die Ziele im engeren Sinne, während die goals die Zielsetzungen im weiteren Sinne repräsentieren, womit die Zielperspektive in Raum und Zeit erweitert wird. Die goals sind die verallgemeinerten Ziele innerhalb eines weit gespannten Horizonts, der einzubeziehen ist, wenn es um die Bestimmung der Sinnhaftigkeit von Einzelzielen geht.

Der Unterscheidung von goals und objectives steht im Deutschen in etwa das Begriffspaar von Ziel und Zweck gegenüber, doch in der prak-tischen Verwendungsweise scheinen die beiden Ausdrücke für gegenseitig austauschbar gehalten zu werden.

So definiert die AUFLEB in § 2 ihrer Statuten ihren Zweck:

"...die Förderung der Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes, insbesondere durch Berufsorientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für ehemalige Mitarbeiter der Nahrungs- und Genussmittelbranche, welche in den Betreuungsbereich des Vereins aufgenommen werden."

In der Stiftungsordnung der AUSPED ist unter Pkt. 1 formuliert:

"Die Stiftung hat es sich zum Ziel gesetzt, Angestellte von Unternehmen der Speditionsbranche, die ihren Arbeitsplatz aus betriebsbedingten Gründen vor allem im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt Österreichs verlieren, bei der Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes zu unterstützen".

Im Feinkonzept der AUSPED wird das Ziel, "die TeilnehmerInnen bei der Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes zu unterstützen", genauer präzisiert bzw. operationalisiert: Es soll eine Erfolgsquote von 90% angestrebt werden.

Weiters heißt es hier, fettgedruckt, dass das Ziel der Stiftung nicht darauf gerichtet ist, Wartepositionen oder soziale Absicherungsmöglichkeiten zu schaffen, sondern zu reintegrieren und damit in Humankapital ... zu investieren.

Die Ziele von Reintegration und Investition in Humankapital stellen zweifellos eine Zielerweiterung dar.

Die Zielsetzung der Stahlstiftung ist im Jahre 1987 folgendermaßen formuliert worden:

"Wiedereingliederung der von der Stiftung betreuten Personen (ehemalige Mitarbeiter der Voest-Alpine AG) in den Arbeitsprozess".

Dem vorausgehend ist als für diese Zielsetzung verbindliche Leitlinie fixiert worden:(32)

- Alles auf einmal und klar durchdacht (stringent) - in voller Komplexität das Einzelne skizzieren, aber einfach beginnen

- Gegen das Skeptische ankämpfen; auf die Fallen achten, die da so am Rande der Piste lauern, das Leben erschweren und keinen Übermut aufkommen lassen

- Hilfe zur Selbsthilfe

- Prinzip der Freiwilligkeit, der Parität und des solidarischen Ausgleichs

In diesem Ziel- und Zweckvergleich zeigt sich deutlich das unvermeidliche Nebeneinander exakter und weniger exakter Ziele: Einerseits die belegbare Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, z.T. mit einer quantifizierten Erfolgsquote von 90%, andererseits aber auch Integration, Investition in Humankapital, Freiwilligkeit, Selbsthilfe, solidarischer Ausgleich, Orientierung aufs Ganze in einer Atmosphäre des Optimismus.

Es besteht also offensichtlich ein Symbiose von goals und objectives, von Zielen und Zwecken, die in unterschiedlicher Weise gewichtet und berücksichtigt werden können, was keineswegs belanglos für die operationellen Vollzüge im Stiftungsalltag sein wird.

Wird der Erfolg einer Stiftung lediglich im Nachweis einer hohen Rate der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess gesehen, so ist den Betreibern der jeweiligen Stiftung zweifellos ein gutes Zeugnis auszustellen, wenn eine solche vorliegt. Doch daraus den Schluss zu ziehen, dass Stiftungen ein effizientes Mittel seien, die Arbeitslosigkeit generell zu bekämpfen, wäre wohl etwas voreilig. Er wäre erst dann zu ziehen, wenn sich zeigen ließe, dass sich mit der Vermehrung der Stiftungen die Rate der Arbeitslosigkeit insgesamt sukzessive verringern lässt, was wohl wenig wahrscheinlich ist. Denn mit Stiftungen werden nur über Projektrealisierungen, die zu Unternehmensgründungen führen, neue Arbeitsplätze geschaffen. Dies ist bekanntlich jedoch nur in einem geringen Ausmaß der Fall, am Gesamtausmaß der Arbeitslosigkeit ändert sich wenig, denn eine geglückte Wiedereingliederung bedeutet nicht eine Vergrößerung des verfügbaren Arbeitsvolumens.

Dies führt zur Folgerung, dass eine hohe Erfolgsquote der Wiedervermittlung für sich allein betrachtet keine ausreichend stabile Grundlage für eine Institutionalisierung des Stiftungsmodells im oben erläuterten Sinne sein kann: ein auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse abgestimmtes Regelsystem, in dem sich das Selbstverständnis der Gesellschaft und ihre Weiterentwicklungsvorstellungen manifestieren.

5.4 Administrative Gestikulationen

Im Rückblick auf das Jahrhundert, das nun zu Ende geht, unterscheidet E. Hobbsbawn drei deutlich voneinander unterscheidbare Epochen dieses Zeitabschnittes: Die Zeit vom Beginn des ersten bis zum Ende des zweiten Weltkrieges, dann die Jahre des Wiederaufbaus, eine ökonomisch - gesellschaftliche Blütezeit von 1945 bis 1973, dem Jahr der ersten Ölkrise, und schließlich den Abschnitt von der Mitte der 70er Jahre bis zur Gegenwart. Zumindest was den zweiten und dritten Abschnitt dieser Periodisierung betrifft, so scheint diese heute allgemeine Voraussetzung der Interpretation der gesellschaftlichen Veränderungen der jüngeren Vergangenheit zu sein. Die dreißig Jahre nach dem zweiten Weltkrieg gelten weithin als die "trente glorieuses", als die dreißig goldenen Jahre. Deren Ende bildeten die 68er Jahre mit den lautstarken Rufen nach einer besseren und anderen Gesellschaft. Doch es sollte völlig anders kommen. Die großen Visionen von damals, das Programm der sozialliberalen Koalition unter Willi Brandt in Deutschland und ähnliche Vorstellungen in Österreich in der Ära Kreisky, über den Ausbau der Bildungseinrichtungen einen neuen Menschen zu produzieren und eine humanere Gesellschaft anzusteuern, das alles hat heute den Stellenwert eines flüchtigen Traumes von gestern.

Wie allgemein bekannt, hat sich mit den beiden Erdölkrisen der 70er Jahre der Wind zu drehen begonnen. In Großbritannien hat M. Thatcher 1975 die Führung der konservativen Partei übernommen, 1979 dann das höchste Regierungsamt, das ihr über lange Jahre Gelegenheit geben sollte, in enger Kooperation mit R. Reagan, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, einen völlig neuen Wirtschaftskurs durchzusetzen.

Was sich damals im angelsächsischen Raum etablierte, sollte mit einigen Jahren zeitlicher Verzögerung zum verbindlichen Vorbild für die anderen Industrienationen werden. In den angelsächsischen Ländern ist es damals gelungen, den Einfluß der Gewerkschaften radikal zu beschneiden, als wichtigste Hürde dazu, jene Regeln und Vereinbarungen zu beseitigen, welche der unbegrenzten Freiheit der Wirtschaft entgegenstanden.(33)

Das Wissen um diese Entwicklungen ist weit verbreitet und kaum kontrovers. Was weniger ins allgemeine Bewusstsein gesickert ist, das ist die Tatsache, dass diesem liberalen bzw. neoliberalen Programm seit dem Zusammenbruch der sozialistischen Länder 1989 kein überzeugendes ideologisches Alternativkonzept mehr gegenübersteht. Dies zeigt sich schon daran, dass die sozialdemokratisch regierten Länder ausnahmslos von ihren alten Prinzipien abrücken. Es wird zwar verkündet, dass an den traditionellen Werten unbeirrt festzuhalten sei, dies aber kein Hindernis sein dürfe, auf dem Weg der Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft Fortschritte zu machen. Was Modernisierung bedeutet, das wird im Klartext immer wieder von der OECD und den anderen internationalen Organisationen wie Weltbank, Internationaler Währungsfonds, Welthandelsorganisation und auch der Europäischen Kommission betont: Eindämmung der Inflation, Verringerung der öffentlichen Schulden, Privatisierung der Wirtschaft, Reduzierung des Öffentlichen Dienstes, Flexibilisierung der Arbeitskräfte und Spreizung der Löhne. Diese Programmatik hat in den europäischen Ländern die Zahlen der Arbeitslosen rasch in die Höhe getrieben, wo sie sich auf Dauer stabilisiert zu haben scheinen.

Standen am Ende der "Dreißig glorreichen Jahre" noch Vorstellungen von einer humaneren Gesellschaft, so haben sich derartige Ambitionen inzwischen vollständig verflüchtigt. Die Zukunft ist wenig vielversprechend, vor allem für jene, deren Brauchbarkeit im Verwertungsprozess des Kapitals für inferior eingestuft wird: Junge, Ältere, Frauen, Unterqualifizierte und Behinderte. Diese Kategorien von Bürgerinnen und Bürgern werden an den Rand der Gesellschaft gedrängt, wer nicht wettbewerbsfähig ist, fällt durch den Rost. Langzeitarbeitslose vegetieren dahin, Teilzeitbeschäftigte kämpfen ums Überleben, die Zahl der Armen wird kontinuierlich größer.

Wenn Sozialpolitik die Kehrseite der Wirtschaftspolitik ist, was wohl niemand in Abrede stellen wird, so dürfte klar sein, dass sozialpolitischen Initiativen zur Behebung der Misere enge Grenzen gezogen sind. Stehen irgendwelche Wahlen an, so wird von allen Parteien die Vollbeschäftigung als oberstes politisches Ziel ihrer Bemühungen kundgetan. Und zwischen den Wahlen wird dann dieses und jenes versucht, mit diversen "Maßnahmen" von der passiven auf die aktive Arbeitsmarktpolitik umgestellt und dann von Erfolgen an der arbeitsmarktpolitischen Front berichtet. Derartige Maßnahmen, die in wechselnder Folge den guten Willen der Behörden und die Innovationskraft der Verwaltungsinstanzen dokumentieren sollen, werden in ausländischen Berichten wiederholt als "bürokratische Gestikulationen" eingestuft. Die "bürokratische Gestikulation"(34) ist eine technische Umschreibung dessen, wofür in Österreich der bekannte Imperativ steht: "Es muß was gschehn!". Es geschieht auch oft etwas im Umgang mit Arbeitslosen. Aber geschieht wirklich etwas?

In der Rekonstruktion der Geschichte der Stahlstiftung und deren Einbettung in den größeren Kontext der Arbeitsstiftungen spiegelt sich sehr deutlich auch die übergeordnete sozioökonomische Entwicklung: Fragen der betrieblichen Wettbewerbsfähigkeit haben absolute Priorität, der Einfluß der Arbeitnehmervertretungen schwindet, die Forderungen an die berufliche Leistungsfähigkeit tendieren nach oben und die Löhne nach unten. Diese Entwicklungen zum Gegenstand der Reflexion zu machen könnte für die Stahlstiftung und auch andere Stiftungen eine Möglichkeit sein, der Frage kollektiver Überlebensmöglichkeiten mehr Platz einzuräumen und von der Fixierung auf "Arbeitsmarktbildung" etwas abzurücken. In der Berufung auf genossenschaftliche Traditionen sind derartige Elemente am Beginn der Stahlstiftung zweifellos vorhanden gewesen. Der Zeitgeist macht es schwer, an ihnen festzuhalten. Doch es ist wahrscheinlich eine Möglichkeit, der Stiftungsidee eine zusätzliche Attraktivität zu geben.



6. Die Stiftungsteilnehmer 1994 - 1997

6.1 Verweis auf die beiden früheren Auswertungen

Eine Geschichte der Stahlstiftung hat offensichtlich mehrere Aspekte, die sich wohl getrennt betrachten lassen, aber letztlich doch zusammengehören und ein einheitliches Ganzes bilden. Eine solche Geschichte ist ein Stück Organisationsgeschichte, daneben aber auch ein Stück Geschichte des österreichischen Umgangs mit der Arbeitslosigkeit, die sich aus den Veränderungen im ökonomischen Sektor nahezu zwangsläufig ergibt.

Neben dem Verhältnis von System und Umwelt, das in einer solchen Betrachtungsweise sich niederschlägt und zu einer Erweiterung des Blickhorizontes zwingt, steht die Geschichte der Stahlstiftung unter einem weiteren widersprüchlichen doppelten Vorzeichen: sie ist eine Geschichte von Freiheit und Zwang. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können nur freiwillig in die Stiftung eintreten. Gleichzeitig begibt sich normalerweise niemand in die Obhut der Stiftung, der nicht auf Grund seiner beruflichen Situation dazu gezwungen wäre.

Das Geschehen innerhalb der Stahlstiftung lässt sich also verstehen als ein Zusammenspiel von Freiwilligkeit und Zwang, das oberflächlicher Betrachtungsweise ein Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage zu sein scheint, wobei sowohl das Angebot wie auch die Nachfrage sich als Reaktion auf eine doppelt unerträgliche Situation einordnen lassen. Auf der strukturellen Seite die Unerträglichkeit, einem dramatischen Personalabbau tatenlos zusehen zu müssen, auf der Seite des subjektiven Erlebens aber die Unerträglichkeit einer Situation, die markiert ist durch den Bruch, der durch den Verlust der gewohnten beruflichen Beschäftigung und des damit verbundenen monatlichen Einkommens verbunden ist. Dies führt dann logischerweise zu einer etwas eigenartigen Situation jener, die sich hilfesuchend an die Stahlstiftung wenden: sie sind freiwillig dort, gleichzeitig aber auch gezwungen. Dieser Widerspruch kann nur für jene überraschend sein, die von einem völlig unrealistischen Konzept der Freiheit ausgehen. Unrealistisch sind alle Vorstellungen, die darauf hinauslaufen, der Mensch könne tun, was er wolle. Ein realitätsbezogener Freiheitsbegriff hat davon auszugehen, dass es wohl Freiräume gibt, aber nur innerhalb bestimmter Grenzen, die sich aus den ökonomischen, rechtlichen, politischen, sozialen, kulturellen und psychischen Konstellationen ergeben. Rechtlich hat der Mensch, wie es schon bei Montesquieu in klassischer Weise vorformuliert ist, die Möglichkeit, alles zu tun, was die Gesetze erlauben. Die ökonomischen Freiheiten sind heute begrenzt oder eher entgrenzt, je nach Sichtweise, durch die Normen der Märkte, die sozialen Freiheiten limitiert durch die vorgegebenen verbindlichen Regeln und ungeschriebenen Gesetze. Wer kostspielige soziale Sanktionen vermeiden will, hat das bereits vorausgehend im ungeschriebenen Konsens der sozialen Kollektive Geregelte zu respektieren.

Dass es auch enge psychische Grenzen gibt, ist der Kern der psychoanalytischen Sichtweise in ihren verschiedenen Varianten. S. Freud macht darauf aufmerksam, dass selbst das, was der Mensch träumt, noch der Selbstzensur unterliegt. Die Kontrolle von innen ergänzt und stützt die vielfältigen Kontrollen von außen, Freiheit ist nur möglich bei gleichzeitiger Anerkennung einer Vielfalt von Zwängen. Dennoch kann alles, was mit Vorstellungen von Freiheit verbunden ist, wirksam werden im Sinne des Bemühens der Erweiterung der gegebenen Grenzziehungen. Die paradoxe Situation der Stiftlinge ist also lediglich als Sonderfall von etwas Allgemeinerem zu sehen: die Möglichkeiten, etwas zu tun, sind vielfach beschränkt, was aber nicht bedeutet, dass es keine Spielräume des Handelns gibt und Bemühungen, diese Räume zu erweitern, sinnlos wären.

Von ihrer Gründung her ist die Stahlstiftung darauf ausgerichtet gewesen, die Handlungsmöglichkeiten ihrer Klientel zu erweitern. Ver-suche, Erfolge der Stahlstiftung zu belegen, konzentrierten sich vorwiegend auf zahlenmäßig belegte Nachweise, wie vielen Betreuten es in welcher Zeit gelungen ist, wieder eine Beschäftigung zu finden, unter welchen positionellen und einkommensrelevanten Bedingungen. Es handelt sich dabei also um eine Optimierung der Bedingungen für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Die diesbezüglich wiederholt bestätigte hohe Effizienz der Stahlstiftung hat dazu geführt, die als Modell bezeichneten Grundstrukturen auf andere Situationen übertragen zu wollen, um dort ebenso beeindruckende Resultate erzielen zu können. Dies ist insbesondere bei der Propagierung der Regionalstiftungen der Fall gewesen und hat sich, wie oben ersichtlich geworden ist, als glatte Fehlsspekulation erwiesen, worüber allerdings nie laut nachgedacht worden ist. Das heißt, dass die Erfolge der Stahlstiftung sich also nicht beliebig reproduzieren lassen. wenn völlig andere Ausgangsbedingungen gegeben sind. Und noch auf etwas weiteres ist hinzuweisen. Die unbestrittenen Erfolgsausweise der Stahlstiftung haben ihren betriebsinternen Stellenwert keineswegs spürbar verändert. Akzeptanz und Image dürften über die Jahre gleich geblieben sein, zu keinem Zeitpunkt im Verlauf der Jahre lässt sich eine zunehmende Tendenz erkennen, sich vermehrt freiwillig darum zu bemühen, in dieser so erfolgreichen Einrichtung Aufnahme zu finden. Die Balance zwischen dem Angebot der Leistungen von seiten der Stahlstiftung und der Nachfrage nach ihnen von seiten der Belegschaft bleibt labil, d.h. die Nachfrage ist eine nur bedingte, durch besondere Konstellationen erzwungene.

Auf diesem Hintergrund ist ein konstantes Interesse der Stahlstiftung an Informationen über die besonderen Charakteristika ihrer Klientel nichts anderes als selbstverständlich. Daher auch der Aufbau einer stiftungsinternen Statistik, die fortlaufend fortgeschrieben wird und über folgende Variablen Auskunft gibt:



Anzahl der Stiftungsangehörigen

durchschnittlicher Betreuungsstand

Geschlecht

Qualifikation bei Stiftungseintritt

Alter

Ausbildungsziele aller Stiftungsangehörigen / auch in Lehrberufen

Ausbildungsziele der Aktiven / auch in Lehrberufen

Ausbildungsziele in der VA - Lehrwerkstätte

Ausbildungen an Schulen und Akademien

Ausbildungen an Universitäten und Hochschulen

Unternehmensgründungen

Austrittsgründe

Wiedereinstellungen in Voest - Alpine

Betreuungszeit vom Eintritt bis zum Austritt



Der Großteil der verfügbaren Zahlenangaben bezieht sich dabei auf die Gesamtheit der Stiftungsangehörigen seit 1987. Auf die Aktiven eines bestimmten Stichtages beziehen sich: Anzahl der Betreuten, ihre Ausbildungsziele generell, Ausbildungsziele in Lehrberufen speziell. Mit dem verfügbaren Zahlenmaterial lassen sich einige Veränderungen in der Zeit darstellen, die Rückschlüsse auf relevante strukturelle Verschiebungen in einigen Hauptmerkmalen der Klientel erlauben.

Eine zusätzliche Quelle an Informationen über die Stiftungs-teilnehmer/-innen sind die Angaben in Fragebögen, mit welchen die Neuankömmlinge seit den ersten Anfängen, also schon seit 1987, konfrontiert werden. Die Auswertung erfolgte bisher in Intervallen, welche die Zeiträume 1987 - 1990, 1991 - 1993 und 1994 - 1997 umfassten. Es liegen also bereits zwei Berichte vor, der dritte ist der vorliegende Text. Zwischen diesen Berichten gibt es allerdings beträchtliche Unterschiede, bedingt durch die Tatsache, dass nach der ersten Auswertung, die unter dem Titel "Stiftungseintritte" (Nigsch 1991) vorliegt, der damals verwendete Fragebogen umgearbeitet worden ist. Dies deswegen, weil er auswertungstechnisch gewisse Nachteile mit sich brachte. Denn die 19 Fragen, die er enthalten hat, waren alle offene, sehr allgemein gehaltene Fragen, die in einigen Formulierungen bei genauerem Hinsehen z.T. mehr als nur eine als getrennt zu behandelnde Messgröße enthalten haben. Dieser durchgehend qualitative Charakter des zuerst verwendeten Fragebogens führte zu erheblichen Codierungsproblemen, sodass es naheliegend war, ein inhaltlich ähnliches, doch insgesamt auswertungsfreundlicheres Erhebungsinstrument zu konstruieren. In der Anlage des ersten Fragebogens deutete vieles darauf hin, dass seine Hauptfunktion eher darin bestanden hat, die Neueintretenden daran zu erinnern. dass sie unter ihre frühere Welt einen Strich zu ziehen und sich auf eine gänzlich neue Situation einzustellen hatten. Diese Orientierung des Fragebogens an einer Animationsaufgabe ist nicht zu tadeln, solange man sich dessen bewusst ist, dass dies den weitgehenden Verzicht darauf impliziert, nach herkömmlichen Methoden analysierbare Daten gewinnen zu können.

So war es naheliegend, diesen Mangel des Fragebogens zu beheben und einige Korrekturen anzubringen. Dabei ging es vor allem darum, Mehrdeutigkeiten in den Frageformulierungen zu beseitigen und zumindest bei einigen Fragen die Bandbreite der möglichen Antworten einzuengen. Einige offene Fragen wurden so formuliert, dass eine zumindest in einigen Punkten gegebene Vergleichbarkeit der Ergebnisse erhalten bleiben konnte. Ähnlich wie bei der ersten Erhebungsphase galt auch für die zweite als Zeitpunkt der Erhebung die Zeit des Eintrittes in die Stiftung. Es hätte durchaus auch die Möglichkeit gegeben, für die Datenerhebung einen anderen Zeitpunkt zu wählen, eventuell nach dreimonatiger Stiftungszugehörigkeit oder ganz an deren Ende. Mit der Entscheidung für die Erhebung in der Eintrittsphase liegt der Akzent darauf, Informationen darüber zu erhalten, unter welchen Umständen in ihrer beruflichen Position gefährdete oder vom Schicksal der Kündigung bedrohte Mitarbeiter/-innen den Weg in die Stahlstiftung finden und welche Erwartungen dabei im Vordergrund stehen. Eine solche Vorgangsweise erlaubt es den für die Stahlstiftung Verantwortlichen, schon auf der Basis einer unsystematischen Durchsicht der Ergebnisse und der Beobachtung anderer Reaktionen im Kontext der Datenerhebung, Veränderungen in der sozio-professionellen Struktur der Klientel frühzeitig intuitiv zu erfassen. Dies eröffnet Möglichkeiten, auf vermutliche Veränderungen rasch reagieren zu können. Manchmal lassen sich Veränderungstrends intuitiv erkennen, und vieles von dem, was in einem Feld ohne rigide Strukturen möglich ist, kann ohnehin nur versuchsweise, auf der dünnen Grundlage von trial and error, von Versuch und Irrtum, geschehen.

Eine erste systematische Auswertung der in den drei Jahren 1991 - 1993 erhobenen Daten erfolgte im Jahre 1994. Der die Analyse zusammenfassende Bericht trägt den Titel "Effekte der Stahlstiftung, beabsichtigte und nicht beabsichtigte" (Nigsch 1995). Er ist gegliedert in fünf Kapitel, wobei die Kapitel 2 - 4 schwerpunktmäßig der Analyse der gesammelten Daten gewidmet sind. Das Einleitungskapitel stellt einen knappen Rückblick auf die damals siebenjährige Geschichte der Stahlstiftung dar. Es enthält im Sinne einer Zwischenbilanz einige Überlegungen zum sozioökonomischen Hintergrund der Stahlstiftung und der variablen Artikulation ihrer Zielsetzung. Die Tatsache, dass damals von der Gesamtheit der ehemaligen Stiftungsangehörigen mehr als drei Viertel (908 von 1153 Personen) wieder den Weg ins Berufsleben gefunden hatten, und von diesen wiederum 37 Prozent (327 Personen) in Voest-Alpine - Gesellschaften eine neue Beschäftigung finden konnten, hat zur Frage nach den Beziehungen zwischen diesen Voest-Alpine - Betrieben und der Stahlstiftung geführt: Handelt es sich dabei um eine Einbahnstraße, auf der überflüssiges Personal abgeschoben wird, oder handelt es sich dabei eher um einen Weg mit Verkehrsbewegungen in beiden Richtungen? In Ermangelung entsprechender Unterlagen hat sich diese wichtige Frage nicht direkt beantworten lassen. Dennoch enthält bereits das Einleitungskapitel einige Reflexionen zu möglichen Rückkoppelungsprozessen zwischen der Stahlstiftung und den Voest-Alpine - Betrieben. Das fünfte Kapitel entwickelt diese Reflexionen weiter und thematisiert den Einfluß der Stiftung auf das Lern- und Weiterbildungsklima in den Betrieben, auf deren kollektive Lernpotentiale und die Entwicklung der Unternehmenskultur, ganz abgesehen davon, dass die Existenz der Stiftung die Dispositionsspielräume der Betriebe erheblich erweitert. Wenn diese durchaus plausible Vermutung richtig ist, so handelt es sich dabei zweifellos um eine nicht intendierte, zumindest nicht explizit formulierte Konsequenz aus der Existenz der Stahlstiftung. Daher dann auch der Titel des Berichtes "Effekte der Stahlstiftung", sowohl "beabsichtigte" wie auch "unbeabsichtigte". Eine solche Formulierung ist sowohl These wie auch Hypothese, kann sich trotz des geringen Grades an direkter Beweisbarkeit jedenfalls darauf berufen, dass das Gegenteil im Gegensatz stünde zu jeder Logik des sozialen Geschehens, wo absichtlich Gewolltes und unabsichtlich Bewirktes immer engstens miteinander verbunden sind. An diesen Zusammenhängen ändert auch die Tatsache nichts, dass der moderne Blick nur auf Zweck-Mittel Relationen - die Selbstverständlichkeit, mit der von zu ergreifenden Maßnahmen gesprochen wird, beweist es - fixiert ist, nur einfache Ursache-Wirkung-Konstellationen sucht und hinter allem, was schief läuft, einen absichtlich handelnden Bösewicht sucht.

Es zeigt sich also, dass erhobene Daten bei der Interpretation jeweils eines Rahmens bedürfen, der nicht in den Daten selbst enthalten ist. Bei der ersten Untersuchung diente die Frage nach den nationalen und internationalen Entwicklungen des Arbeitsmarktes als Rahmen zur Standortbestimmung der Stahlstiftung. Die Stiftung schien damals, 1991, eine lokale Problemlösung für ein global unlösbares Problem zu sein: die Arbeitslosigkeit. Das nachweislich große Problemlösungspotential der Stahlstiftung hat inzwischen dazu geführt, eine konstruierte Grundstruktur, als Modell bezeichnet, zunächst in anderen lokalen Kontexten zu imitieren. Mit als geringfügig eingestuften Modifikationen dieses Modells kam es dann rasch zur Gründung einiger Stiftungen in anderen Unternehmen. Abhängig von der Geeignetheit der Voraussetzungen haben sich diese Versuche, die am Ende der ersten Berichtsperiode noch an einer Hand haben abzuzählen gewesen sind, meistens erfolgreich erwiesen.

Das Ende der zweiten Berichtsperiode im Jahre 1993 ist gekennzeichnet durch die hartnäckigen Bemühungen - wiederum ausgehend von Oberösterreich -, die Krisenregionsverordnung zu Fall zu bringen. Damit ist nicht nur eine Ausweitung des Modells auf neue lokale Kontexte verbunden gewesen, sondern auch eine Relativierung des Modells der Unternehmensstiftungen. Denn sie bedeutete die Aufhebung der speziellen Regelungen für ältere Arbeitnehmer/-innen in Krisenregionen. So implizierten die damals als neues Heilmittel propagierten Regionalstiftungen eine doppelte Konsequenz: Sie beseitigten die spezifischen Regional- und Lokalbezüge der Unternehmensstiftungen. Gleichzeitig bedeutete die neue Akzentsetzung im Verständnis der Arbeitsstiftungen, dass sie nun nicht mehr als ein musterhaftes Modell galten, um massenhafte Personalreduktionen in Großbetrieben in geordneten Bahnen, d.h. ohne lästigen sozialpolitischen Wirbel, abwickeln zu können, sondern in die Rolle eines Instrumentes zum Kampf gegen Arbeitslosigkeit generell geschoben worden sind. Damit fallen auch die Unterschiede weg zwischen der "spektakulären", weil in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregenden Arbeitslosigkeit in Großbetrieben und der "banalen" Normal-Arbeitslosigkeit, die sich langsam, aber beharrlich und ohne Lärm, gleichsam als Folge von unausweichlichen Notwendigkeiten, an vielen Orten ausbreitet. Während die Adressaten im ersten Fall, bei den Unternehmensstiftungen, Beschäftigte sind, die aus dem primären Arbeitsmarkt hinausfallen, sind im zweiten Fall, bei der Ausweitung des Stiftungsmodells durch Regional- und Insolvenzstiftungen sowie bei stiftungsähnlichen Maßnahmen, mehr und mehr auch solche Personen anvisiert, die dem sekundären Arbeitsmarkt zuzurechnen sind.

So markieren die drei Berichtsphasen über die Stahlstiftung völlig unterschiedliche Stiftungsumwelten. Gab es Ende 1990 nur einige wenige Unternehmensstiftungen, die sich alle am Modell der Stahlstiftung orientierten, so gibt es Ende 1993 bereits zwischen 20 - 30 Stiftungen, und Ende 1997 dürfte sich deren Zahl dann auf mehr als 80 erhöht haben. Dass damit der Stellenwert der Stahlstiftung ein weitgehend anderer geworden ist, dürfte klar sein. Sie ist eine unter vielen Arbeitsstiftungen geworden, mit denen sie durch widersprüchliche Beziehungen verbunden ist: einerseits ist sie das Maß aller Dinge für die anderen, das Musterbeispiel für die Leistungsfähigkeit des Stiftungsmodells generell, andererseits aber wird sie selbst in ihrer Funktionsweise an den neu entstandenen Stiftungen gemessen. Auf diesem Hintergrund schien es wenig zielführend zu sein, einen dritten Bericht über die folgenden vier Jahre der Entwicklung der Stahlstiftung ähnlich anzulegen wie den Bericht über die Jahre 1990 - 1993. Die besondere Herausforderung des dritten Berichtes besteht also darin, eine gleich gebliebene Datenbasis auf einem weitgehend veränderten organisationsökologischen Hintergrund adaequat zu interpretieren. Adaequat interpretieren heißt, die Daten in ihrem jeweiligen Kontext, der im Laufe der Zeit ein anderer geworden ist, zu sehen: Informationen über die Stahlstiftung als Teil des übergeordneten Konzeptes der Arbeitsstiftungen, die Arbeitsstiftungen wiederum als Teil der in Österreich verfolgten Sozialpolitik, die in Österreich verfolgte Sozialpolitik jedoch, wie anderorts ebenfalls, als Komplementärfunktion einer globalisierten Wirtschaftspolitik. Zwischen den erhobenen Daten über die neuen Stiftlinge und den Zielen, auf welche die Wirtschaft ausgerichtet ist, besteht mehrere große Lücken, die sich nicht problemlos schließen lassen. Doch ist es etwas anderes, diese Lücken als hier nicht genauer bestimmte Komponente im Auge zu behalten als sie völlig auszublenden. Dies ist bei der Analyse und Interpretation der Daten über die neuen Stiftlinge im Zeitraum zwischen 1994 - 1997 zu berücksichtigen. Aus Gründen der Vergleichbarkeit übernimmt diese Analyse das Gliederungsprinzip der Analyse des Zeitraumes 1990 - 1993.

6.2 Zur Situation der Neueintretenden

Unmittelbarer Anlass der Gründung der Stahlstiftung ist bekanntlich die Tatsache gewesen, dass sich in den 80er Jahren die Wettbewerbsfähigkeit der Voest-Alpine, damals ein Teil der Verstaatlichten Industrie, in besorgniserregender Weise verschlechtert hatte. Zu Hilfe gerufene Beratungsfirmen empfahlen drastische Reduzierungen der Personalstände, um in kurzen Fristen die Kosten wirksam senken zu können. Auf diesem Hintergrund wäre zu erwarten gewesen, dass der Zulauf zur Stahlstiftung in den ersten Jahren ihres Bestehens hoch sein muß, sich später aber verringern würde, da ja nicht permanent Personal in großem Umfang abgebaut werden kann. Von daher gesehen ist es nicht uninteressant, sich die Veränderung der Anzahl jener anzusehen, die in die Stahlstiftung eintreten.

Tabelle 2  Eintritte im Zeitvergleich

Berichtsphase 1 Berichtsphase 2 Berichtsphase 3

1987 - 1990 1991 - 1993 1994 - 1997

Monate 38 36 48

Gesamteintritte 473 337 605

Eintritte pro Monat 12,5 9,4 12,6

Bei einem Vergleich der Berichtsphasen ist zu berücksichtigen, dass diese nur ungefähr gleich sind. Die erste Phase umfasst die drei Jahre 1988 - 1990 plus die zwei letzten Monate des Jahres 1987, die zweite Phase die drei Jahre 1991 - 1993, die dritte Phase hingegen die vier Jahre von 1994 - 1997. Um diese Unterschiede berücksichtigen zu können, ist es sinnvoll, die Gesamtzahl der Eintritte in den jeweiligen Phasen auf der Basis der Anzahl der Monate zu vergleichen. Dabei zeigt sich, dass die Zahl der Eintritte in der dritten Berichtsphase zwar nur geringfügig, aber doch höher ist als jene in der ersten. Wie zu erwarten, sind die entsprechenden Zahlen für die zweite Berichtsphase im Vergleich zur ersten rückläufig gewesen ist. Wenn den Jahren 1994 - 1997 anteilsmäßig ebenso viele Eintritte in die Stahlstiftung zu verzeichnen sind wie in den Jahren der großen Personalreduktionen zwischen 1987 - 1990, so hängt dies damit zusammen, dass inzwischen aus dem früheren Großbetrieb zahlreiche selbständige Untereinheiten entstanden sind, in denen es wieder z.T. zu drastischen Personalreduktionen(35) gekommen ist

Diese Zusammenhänge ließen sich besser verstehen, stünden Zahlenreihen zur Verfügung, welche über die Anzahl der Kündigungen bzw. der Freisetzungen in den einzelnen Jahren Aufschluss geben. Derartige Zahlen gibt es vielleicht, doch sind sie nicht veröffentlicht worden. Bekannt ist lediglich, dass sich während der ersten Berichtsphase, in den Jahren 1988 -1990, die konjunkturelle Situation für die stahlverarbeitende Industrie spürbar verbessert hat. Dies dürfte den Druck, aus Gründen des Überlebens des (oder der) Betriebe/s die Personalkosten nach unten hin korrigieren zu müssen, vermindert haben. Zudem hat man sich die weit hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Zahlen der Stiftungseintritte damals damit erklärt, dass für die Älteren die Möglichkeiten der Krisenregionsverordnung einen gangbaren Ausweg darstellten, die Jüngeren hingegen im Großteil der Fälle ohne größere Schwierigkeit wieder eine Beschäftigung finden konnten. Dass die Zahlen der Neueintritte in der zweiten Berichtsperiode rückläufig sind, bringt keine größeren Erklärungsprobleme mit sich. Solche entstehen allerdings, wenn die entsprechenden Zahlen für die dritte Berichtsperiode wieder ansteigend sind. Es lassen sich hier lediglich einige Fragen aufwerfen, die Richtungen andeuten, in denen Antworten zu finden sein könnten. Warum wird weiterhin in welchem Umfang und aus welchen Gründen Personal freigesetzt? Hat sich der im zweiten Bericht (Nigsch 1995, S. 8) bereits festgestellte Sachverhalt, dass trotz verbesserter Betriebsergebnisse weitere Rationalisierungsprogramme Einsparungen in Milliardenhöhe bringen sollen, in eine längerfristig verfolgte Unternehmenspolitik verwandelt? Suchen ehemals in Voest-Alpine - Betrieben Beschäftigte deswegen vermehrt den Weg in die Stiftung, weil der Ausweg in die Krisenregionsverordnung verschlossen ist und die Chancen, auf dem Arbeitsmarkt problemlos eine den Wünschen entsprechende Stelle finden zu können, sich inzwischen spürbar verringert haben? Wenn es so wäre, dass Personalfreisetzungen lediglich aus Gründen der Wertsteigerung des Unternehmens erfolgten, so würde dies wohl eine Verschiebung in den Hauptfunktionen der Stahlstiftung bedeuten. Auf alle diese Fragen lassen sich keine definitiven Antworten geben. Sie sind dennoch im Anschluss an die oben angeführten Zahlen über die Stiftungseintritte im Verlauf der Jahre zu stellen.

Bei der Beschreibung der Situation der neuen Stiftlinge geht es auch um die einfache Frage, ob sich bei jenen, die neu in die Stahlstiftung eintreten, in wichtigen sozialen Merkmalen auffällige Unterschiede feststellen lassen. Wenn es solche Unterschiede gibt, so heißt dies, dass heute ein anderer Typ von Mensch den Weg in die Stahlstiftung sucht als noch vor einigen Jahren. Eine solche Beschreibung der Situation der neuen Stiftlinge ist hier insofern wichtig, weil der Zeitpunkt der Erhebung von Daten zu Beginn der Stiftungszugehörigkeit gerade hier zu aufschlussreichen Einsichten führen kann. So ist denn auch bereits in den früheren beiden Auswertungen dieser Aspekt mit einiger Deutlichkeit angesprochen worden. In der ersten Auswertung (Nigsch 1991, S. 44) wurde bereits betont, dass eine Beschreibung sowohl aus der Außenperspektive wie auch aus der Innenperspektive erfolgen kann und welche Implikationen dieser Wechsel von "außen" nach "innen" mit sich bringt. Folgt dem Ende der Betriebszugehörigkeit zu einem der Voest-Alpine - Betriebe ein Eintritt in die Stahlstiftung, so ist damit ein Wechsel des sozialen Feldes verbunden, der die Leute dazu zwingt, in einer zunächst weitgehend unbestimmten Rolle mit vielen Unsicherheiten agieren zu müssen.

Auch die zweite Auswertung hat auf die Mehrdimensionalität einer Situationsbeschreibung hingewiesen: Einmal steht mehr im Vordergrund, was von außen zu sehen ist, dann aber das, was von den Akteuren selbst erlebt und empfunden wird (Nigsch 1995, S. 27). Neben diesen Unterschieden in der Wahrnehmungsweise bestimmter Situationen sind diese auch wichtig im Hinblick auf das, was Menschen tun. Denn das Tun der Handelnden geschieht immer in Situationen, die durch die Handelnden selbst mitbestimmt werden. Bei dieser Mitbestimmung der Situation durch die daran Beteiligten sind frühere Erfahrungen, erworbenes Wissen und angelernte Gewohnheiten eine notwendige, aber keineswegs hinreichende Grundlage für die Gestaltung der Situation. Was hier noch zusätzlich zu berücksichtigen ist, das sind die überkommenen Regeln, die in sozialen Situationen Anwendung finden. Soziale Regeln, die zu etwas verpflichten, aber auch gleichzeitig entlastend wirken, ergeben sich aus Routinisierungen des Alltagshandelns, die sich in einem bestimmten sozialen Milieu und dessen Alltagskultur niederschlagen. G. Peters (1997, S. 13) weist darauf hin, dass derartige Typisierungen sehr stabil, gleichzeitig aber auch durch eine geringe Reflexivität gekennzeichnet sind.

Der Eintritt in die Stahlstiftung ist für die Neuankömmlinge eine neue Situation in verschiedener Hinsicht. Neue Alltagspflichten, neue Aufgaben, neue Kooperationsbedingungen, neue Abhängigkeiten, neue Risiken, vielleicht auch neue Chancen. Es ist anzunehmen, dass bei diesen Umstellungsprozessen auf die neue Situation verschiedenen Größen eine wichtige Rolle zukommen wird: dem Alter, der früheren Dauer einer Zugehörigkeit zu einem der Voest-Alpine - Betriebe, aus denen die Neuen kommen, das Niveau der früheren Bildungsabschlüsse. Jüngere, die nur wenige Jahre in einem dieser Betriebe beschäftigt gewesen sind, werden sich vermutlich leichter auf die neue Situation einstellen können, weil betriebsspezifische Sozialisationseffekte weniger ausgeprägt wirksam sind. Dies bedeutet aber auch, dass sich in der Stahlstiftung ein Regelsystem ausbildet, das von den in den Betrieben geltenden verbindlichen Regelsystemen sich deutlich unterscheidet. Derartige Vorüberlegungen mögen den Eindruck erwecken, überflüssig zu sein. Doch nur auf ihrem Hintergrund lassen sich Argumente dafür finden, dass Unternehmensstiftungen, die sich um das Schicksal im Betrieb nicht mehr erforderlicher Arbeitskräfte kümmern, von günstigeren Ausgangsbedingungen her aktiv werden können als andere Arbeitsstiftungen, in denen sich Gekündigte treffen, denen dieser gemeinsame unternehmenskulturelle Hintergrund abgeht. Um derartige Fragen beantworten zu können, müssten zusätzliche und andersartige Forschungen angestellt werden. Auch wenn derartigen Frage hier nicht befriedigend zu beantworten sind, so sind sie doch bei der Interpretation der vorliegenden Daten zu berücksichtigen.

Tabelle 3  Alter der Neueintretenden

Auswertung 3 Auswertung 2 Veränderung

1994 - 1997 1991 - 1993

abs.         rel.                 rel.

     - 20 29 4,8 4,2

21 - 25 120 19,9 31,8 -11,9

26 - 30 95 15,8 16,9 -1,0

31 - 35 94 15,6 15,4

36 - 40 68 11,3 12,8 -1,5

41 - 45 77 12,8 9,8 +3,0

46 - 50 56 9,3 5,3 +4,0

51 - 55 50 8,3 2,1 +6,2

56 + 13 2,2 0,9 +1,3

602 100,0% 100,0%



Die zahlenmäßig am stärksten vom Arbeitsplatzverlust betroffene Kategorie sind die 20 - 25-jährigen. Rechnet man die unter 30-jährigen zusammen, so ergeben sich für die Jahre 1994-1997 40,5 Prozent, während dies für die Jahre 1991 - 1993 52,9 Prozent gewesen sind. Das heißt, tendenziell wird im dritten Berichtsraum mehr gekündigt, und das Alter der Gekündigten erhöht sich. Diese Feststellung wird untermauert durch die Zahlen in den höheren Alterskategorien. Rechnet man hier die über 40-jährigen zusammen, also jene, denen man heute bereits große Schwierigkeiten prognostiziert, wieder auf dem Arbeitsmarkt unterkommen zu können, so zeigen sich auch hier entsprechende Verschiebungen. Sind in der dritten Auswertungsphase 32,5 Prozent bereits über 40, so sind dies in den Jahren 1991 - 1993 erst 18,1 Prozent gewesen. Diese Veränderungen können unterschiedliche Ursachen haben. Es könnte sein, dass wegen der vielen bereits erfolgten Kündigungen jüngerer Mitarbeiter nun das Durchschnittsalter der Beschäftigten gestiegen ist und zu einem höheren Durchschnittsalter auch bei den Beschäftigten geführt hat. Eine andere Interpretation wäre, dass nun vermehrt auch ältere Mitarbeiter/-innen von Kündigungen betroffen sind, weil hier das Kostenreduzierungspotential am größten ist. Wäre letzteres der Fall, so müsste man von einer Kurskorrektur in der in der Freisetzungspolitik der verschiedenen Voest-Alpine - Betriebe sprechen.

Tabelle 4  Dienstjahre bei Stiftungseintritt

Auswertung 3 Auswertung 2 Differenz

abs.        rel.        rel.

weniger als 3 62 10,3 11,9 -1,6

3 - 6 134 22,4 20,5 +2,1

6 - 10 89 14,7 19,3 -5,5

10 - 20 189 31,2 35,6 -4,2

mehr als 20 130 21,5 12,5 +9,0

604 100,0% 100,0%



Bei der Auswertung 3 zeigt sich, dass 198 Personen weniger als 6 Jahre in einem der Voest-Alpine - Betriebe beschäftigt gewesen sind, 319 hingegen mehr als 10 Jahre. Ein Vergleich in den jeweiligen prozentuellen Veränderungsraten zeigt, dass nun in den letzten Jahren, also zwischen 1994 - 1997, vermehrt auch Beschäftigte mit mehr als 20-jähriger Betriebszugehörigkeit ins Freisetzungsdispositiv miteinbezogen worden sind. Ob mehr aus Gründen höherer Kostenersparnis oder mehr deswegen, weil die berufliche Qualifikation sich auf Grund der technologischen Veränderungen als nicht mehr zeitgemäß erwiesen hat oder aus anderen Gründen, muß hier offen gelassen werden.

Tabelle 5  Geschlecht

Auswertung 3 Auswertung 2

abs.       rel.        rel.

männlich 511 84,7 87,0

weiblich 90 15,3 13,0

601 100,0% 100,0%

Wie kaum anders zu erwarten, ist der Männeranteil stark dominant. In der neueren Auswertungsphase ist der Frauenanteil um gut 2% höher, was möglicherweise auch mit der immer noch gültigen Dienstnehmerkategorie Arbeiter oder Angestellte zu tun haben kann.

Tabelle 6  Dienststatus

Auswertung 3 Auswertung 2 Differenz

abs.         rel.        rel.

Arbeiter 348 57,7 61,5 -4,2

Angestellte 254 42,3 38,5 +4,2

601 100,0% 100,0%

Es gibt also eine Tendenz dahingehend, dass in der jüngeren Zeit in vermehrtem Maße auch Beschäftigte im Angestelltenverhältnis freigesetzt werden. Dies dürfte auch für den vermehrten Frauenanteil in der Stahlstiftung verantwortlich sein, da Frauen in den VA-Betrieben vorwiegend im Angestelltenverhältnis beschäftigt sind, wie aus folgender Tabelle hervorgeht.

Tabelle 7  Dienststatus und Geschlecht

Arbeiter Angestellte

rel. rel.

männlich 97,7 68,1

weiblich 2,3 31,9

100,0% 100,0%
(346) (254)

Es bestätigt sich also die Vermutung, dass die Frauen, die in die Stahlstiftung kommen, mit geringen Ausnahmen im Angestelltenverhältnis beschäftigt gewesen sind. Dadurch, dass nun auch Angestellte mehr und mehr ihre privilegierte Stellung gegenüber jenen, die im Arbeiterverhältnis beschäftigt sind, verlieren, erhöht sich auch der Anteil der Frauen in der Stahlstiftung. Bei einer früheren Auswertung der stiftungsinternen Statistik ist der Anteil der Frauen insgesamt (seit 1987: 193 von 1519) bei 12,7 gelegen. Es zeigt sich also in der jüngeren Zeit eine kontinuierliche Erhöhung des Frauenanteils, der jedoch nicht so auffällig ist, da der Frauenanteil insgesamt nieder ist.

Tabelle 8  Bildungsstatus

3. Auswertung 2. Auswertung Differenz

rel. rel.

Volks-/Hauptschule 11,7 8,6 +3,0

Berufs-/Handelsschule 60,8 73,0 -13,0

Mittelschule (HTL/AHS) 21,2 13,1 +8,0

Hochschule 6,8 3,9 +3,0

100,0% 100,0%
(604) (337)



Es lassen sich aus diesen Zahlen einige bemerkenswerte Verschiebungen herauslesen. Der prozentuale Anteil jener, die in etwa der Gruppe der qualifizierten Facharbeiter zuzurechnen sind, ist rückläufig. Größer ist der Druck hingegen auf die Gruppe jener, die keine Qualifikationen mit einem klaren Profil vorweisen (Hilfsarbeiterstatus) und auf die Gruppe jener, die über Matura- und Hochschulabschlüsse verfügen.

Als besonders gefährdet sind jene älteren Mitarbeiter zu betrachten, die entweder am unteren oder am oberen Ende der Bildungspyramide angesiedelt sind. Wenn das Alter der Stiftungsneulinge auf der Facharbeiterebene nicht so stark ins Gewicht zu fallen scheint, so kann dies verschiedene Gründe haben: Entweder sie finden leichter wieder eine neue Stelle, oder aber, dass die Älteren in dieser Beschäftigungskategorie schon von früheren Kündigungswellen in stärkerem Maße betroffen gewesen sind.

Die Beschreibung einiger wichtiger sozialkategorieller Merkmale der neuen Stiftlinge in den Jahren 1994 - 1997 hat also im Vergleich zu den früheren Jahren auf verschiedene Tendenzen zu verweisen: es kommen vermehrt Ältere in die Stiftung, auch solche mit langjährigen Dienstzeiten in einem der Voest-Alpine - Betriebe. Es steigt zudem der Anteil der Angestellten und auch jener der Frauen, und es steigt auch der Anteil jener, die über höhere Bildungsabschlüsse verfügen. Diese Veränderungen beeinflussen zweifellos auch die Betreuungskonzepte in der Stahlstiftung und sind auch nicht ohne Konsequenzen für die Chancen einer raschen Wiedereingliederung ins Beschäftigungssystem.

6.3 Bedingungen des Ausscheidens aus den Betrieben

Situationen entstehen, darauf wurde oben hingewiesen, durch das Zusammenspiel von subjektiven und objektiven Komponenten. Die zahlenmäßig belegten Aussagen des vorigen Abschnittes beziehen sich auf von außen beschreibbare Komponenten der Situation der neuen Stiftlinge. Diese Aussagen sind nun zu ergänzen durch einige Angaben dazu, wie die Neuen ihre Situation erleben, beurteilen und in ihr zu handeln beginnen. Gemeinsam an Situationen beteiligte Akteure bestimmen die Situation durch das, was sie bewusst oder unbewusst tun. Was immer sie tun, auch wenn sie nicht handeln wollen, hat bestimmende Konsequenzen für das, was geschieht. So gesehen, sind auch Beschlüsse, nichts oder nur wenig tun zu wollen, ebenfalls Handlungen mit ganz konkreten Folgen auf das, was andere an der Situation beteiligte Akteure tun können und tun müssen. Für jene, die innerhalb der Stahlstiftung haupt- oder nebenberuflich Betreuungsarbeit verrichten, ist es ganz entscheidend, mit welcher Art von Leuten sie es zu tun haben, wie diese die Stiftung und die Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse einschätzen. Denn davon hängt es ab, wie sie ihre Chancen beurteilen, durch die Stiftung wieder eine Position in dieser Gesellschaft zu bekommen, welche seit einigen Jahren im Begriffe ist, die Karten völlig neu zu mischen, indem sie die Anforderungen an die beruflichen Leistungen spürbar erhöht und die Entgelte für diese Leistungen, den Lohn in seinen verschiedenen Erscheinungsformen reduziert (Boltanski/-Chiapello 1999, S. 291). Daher einige Informationen dazu, wie die einzelnen Stiftlinge ihre Situation sehen und erleben, wenn auch notwendigerweise darauf hinzuweisen ist, dass der Befragungsmethode hier Grenzen gesetzt sind, um zu den gewünschten Informationen zu kommen. Dennoch lassen sich einige Einsichten gewinnen, vor allem auf der Frage nach der gefühlsmäßigen Grundstimmung während der früheren Arbeit im Betrieb.

Tabelle 9  Identifikation mit dem Betrieb

Auswertung 3 Auswertung 2 Differenz

abs. rel rel.

geblieben, weil nichts Besseres 89 14,7 8,6 +6,0

es war gerade noch erträglich 229 37,9 28,5 +9,4

ein Platz wie jeder andere 142 23,5 30,6 -7,1

im Betrieb daheim, wohlgefühlt 52 8,6 10,1 -3,5

stolz auf VA-Zugehörigkeit 48 7,9 14,0 -6,1



Die Frage, "Wie haben Sie sich im Betrieb gefühlt"?, wurde unmittelbar im Anschluss an die Frage der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestellt. Hinter den Antworten stehen zunächst einmal unterschiedlich lange Zugehörigkeitszeiten in einem Betrieb, der sich seit mehr als 10 Jahren in einem Prozess permanenter Umstrukturierung befindet, der noch keineswegs abgeschlossen ist. Die Antwortvorgaben sind so angeordnet, dass am einen Ende der Skala eine sehr niedere, am anderen jedoch eine hohe Identifikation mit der früheren Arbeitsstätte zu finden ist. Nimmt man die ersten beiden Antworten zusammen, die auf schlechte Erfahrungen mit einem Voest-Alpine - Betrieb hindeuten, so sind dies mehr als die Hälfte der Befragten. Am anderen Ende der Skala, wieder die letzten zwei Zahlen zusammengefasst, stehen lediglich 16,5 Prozent, während die mittlere Kategorie, die Einschätzung, dass die Arbeit in der Voest-Alpine eine Arbeit wie jede andere ist, von nicht ganz einem Viertel geteilt wird. Bei der vorangehenden Auswertung (1991-1993) waren dies, wie die Berechnung der Differenzen zeigt, noch gut 30 Prozent. Aus dem Differenzvergleich geht weiter hervor, dass sich die Zahl jener, die den (oder die ) Betrieb(e) in guter Erinnerung behält, spürbar verringert hat, während sich die Zahl derer, die in der früheren Beschäftigung nichts Positives zu sehen vermag, deutlich gestiegen ist. Diesen Zahlen ist daher zu entnehmen, dass die Beschäftigten die Umstrukturierungen als spürbare Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in den Voest-Alpine - Betrieben wahrnehmen.

Bei der früheren Analyse hat sich ebenfalls schon gezeigt, dass die guten Erinnerungen an bessere frühere Zeiten vor allem bei den (Fach-) Arbeitern vorhanden gewesen sind. Das ist auch bei dieser neuerlichen Auswertung so, wobei hinzuzufügen ist, dass diese positive Besetzung der Vergangenheit tendenziell mit einem gewissen Ausbildungsimmobilismus verbunden ist, während jenen, welche die früheren Arbeitsbedingungen als schwer und unerträglich empfunden haben, eher dem Angestelltensektor zuzurechnen sind, wo erfolgversprechende Ausbildungsaktivitäten durchaus zum Bereich der realistischen Möglichkeiten gehören.

Tabelle 10  Relative Nachteile durch Arbeitsplatzverlust

Total R1 R2 R3 GS PA R

keine Nachteile 101 74 10 17 259 8,2 6

finanzielle Nachteile 382 243 93 46 951 30,2 1

berufliche Nachteile 179 91 43 45 304 9,7 4

gesellschaftliche Nachteile 126 46 29 51 247 7,9 7

familiäre Nachteile 48 23 11 14 105 3,3 8

psychische Nachteile 125 55 37 33 272 8,7 5

Verlust sozialer Sicherheit 201 92 56 53 441 14,0 3

Verlust der Kollegen 265 105 90 70 565 18,0 2



Bei dieser Frage handelt es sich um ein Erhebungsinstrument, das in einer einfacheren Version bereits in der ersten Auswertung (1987-1990) verwendet worden ist. Es erlaubt also einen Rückblick auf Veränderungen in einem längeren Zeitraum. Im Vergleich der zweiten mit der ersten Messung (Nigsch 1995, S. 60) stellte sich heraus, dass einige Resultate gleich geblieben sind, einige sich jedoch spürbar verändert haben. Unverändert geblieben ist die dominante Stellung der Gewichtung finanzieller Nachteile bei Verlust des Arbeitsplatzes in der Voest-Alpine. Stand in der ersten Berichtsperiode die Ansicht, mit einem solchen Arbeitsplatzverlust seien überhaupt keine Nachteile verbunden, noch an zweiter Stelle, so ist diese Einschätzung drei Jahre später auf die 5. Stelle der Rangordnung zurückgestuft worden, und bei der folgenden Auswertung auf die 6. Stelle. Mehr Bedeutung wird in der zweiten Auswertung dem Verlust des Kontaktes mit Arbeitskollegen, und dem Verlust an sozialer Sicherheit zugemessen. Zwischen der zweiten und dritten Auswertung, die nach denselben rechnerischen Operationen vorgenommen wurden und daher problemlos vergleichbar sind, lassen sich wieder einige Verschiebungen feststellen.

Tabelle 11  Die Nachteilswahrnehmung im Vergleich

3. Auswertung 2. Auswertung Differenz PA

PA R PA R

keine Nachteile 8,2 6 8,2 5 -1,0

finanzielle Nachteile 30,2 1 32,2 1 -2,0

berufliche Nachteile 9,7 4 9,9 4 -0,2

gesellschaftliche Nachteile 7,9 7 6,9 7 +1,0

familiäre Nachteile 3,3 8 2,9 8 +0,4

psychische Nachteile 8,7 5 7,7 6 +1,0

Verlust der sozialen Sicherheit 14,0 3 11,4 3 +3,0

Verlust der Kollegen 18,0 2 20,9 2 -2,9

Ein Vergleich in den Positionen der Rangordnungen zeigt, dass diese im Großen und Ganzen überraschend stabil geblieben sind. Lediglich bei den Positionen 5 und 6 ist es zu einem Stellenwechsel gekommen, der bedeutet, dass die Einschätzung, der Arbeitsplatzverlust sei mit zunehmender psychischen Belastungen verbunden, an Boden gewonnen hat. Ein Vergleich der prozentualen Anteile (PA) lässt Rückschlüsse auf noch einige zusätzliche Veränderungen zu, auch wenn die Rangordnungspositionen völlig gleich geblieben sind. Das Gewicht des an zweiter Stelle stehenden Nachteils, der sich aus dem Verlust der Kontakte zu früheren Arbeitskollegen ergibt, verringert sich, während der Aspekt des Verlustes an sozialer Sicherheit am stärksten an Bedeutung gewinnt im Vergleich mit den früheren Jahren 1990-1993. Wenn in der Phase 1994-1997 die Nennung gesellschaftlicher, familiärer und psychischer Nachteile sowie der Verlust der sozialen Sicherheit mehr Gewicht erhält, so deutet dies darauf hin, dass die Einschätzung der Benachteiligungen, die sich aus der Kündigung ergeben, vor allem den Bereich der sozialen Beziehungen betreffen. Die etwas geringere Betonung der finanziellen Belange und die Aufwertung der mit sozialer Sicherheit verbundenen Aspekte deutet auf einen Gesinnungswandel hin, der sich etwa so umschreiben lässt: Lieber etwas weniger Geld, dafür aber eine etwas besser abgesicherte (berufliche) Position. Die Zahl derer, die in der Kündigung ein wenig dramatisches Ereignis sehen, nimmt weiter ab. Oder anders formuliert: die mit einer Kündigung verbundenen Schrecken sind heute schwerer zu verarbeiten als früher.

6.4 Nutzung der Stiftungsangebote

Zum Zeitpunkt der Erhebung (1994 - 1997) der Daten, die hier Gegenstand der Analyse sind, hatte die Stahlstiftung bereits mehrere Jahre ihre Betreuungs- und Vermittlungsfunktionen ausgeübt. Dies könnte die Vermutung stützen, dass ein minimales Wissen über die Existenz der Stahlstiftung und ihr Leistungsprofil bei allen Belegschaftmitgliedern vorhanden sein müsste. Die Auswertungen der Daten über den Informationsgrad in Sachen Stiftung sind deshalb eventuell von geringerer Bedeutung als früher, aber dennoch aufschlussreich, wenn man sie als Veränderungen des Stellenwertes der Stahlstiftung im öffentlichen Bewusstsein interpretiert.

Tabelle 12  Erstinformation über die Stahlstiftung

3. Auswertung 2. Auswertung Differenz

abs. rel. rel.

von Arbeitskollegen 242 40,0 49,0 -9,0

aus einer Betriebszeitung 92 15,2 10,7 +4,5

vom Betriebsrat 172 28,4 24,3 +4,1

vom Arbeitsamt 3 0,5 0,3

von außerhalb des Betriebes 22 3,6 3,9

anderes 39 6,5 5,9

keine Antwort 33 5,5 5,9

Die Information über die Stahlstiftung kommt vorwiegend aus drei Quellen: von den Arbeitskollegen, aus einer der verschiedenen Betriebszeitungen oder vom Betriebsrat. Im Vergleich zur früheren Auswertung haben sich die Gewichte verschoben: Schriftliche Informationen und Betriebsrat gewinnen an Bedeutung, Gespräche mit Kollegen werden spürbar weniger wichtig. Lässt sich dies dahingehend interpretieren, dass die Existenz einer Einrichtung, deren Ziel es ist, sich um das Wohlergehen von gekündigten Mitarbeiter zu kümmern, nicht mehr gerne zur Kenntnis genommen, also verdrängt wird? Eine solche Sichtweise kann sich auf die Tatsache stützen, dass die Zahl der Stiftungseintritte in der dritten Erhebungsphase leicht steigt, die Bedeutung der Arbeitskollegen als Informationsquelle über die Stahlstiftung jedoch rückläufig ist. Weitere Analysen deuten darauf hin, dass diese generelle Vermutung nicht falsch sein muß, aber es bei den Stiftungsneulingen deutlich unterscheidbare Gruppen gibt: Für jüngere Personen mit nur wenigen Jahren Betriebszugehörigkeit und höheren Bildungsabschlüssen (HTL/ AHS) sind die Gespräche mit Arbeitskollegen nach wie vor am wichtigsten. Anders ist dies bei den Älteren mit niedrigeren formalen Qualifikationen, für die vor allem der Betriebsrat eine wichtige Informationsquelle darstellt. Weitere Unterschiede sind festzustellen bei Älteren aus dem Angestelltenbereich, die ihren Wissensstand über die Stahlstiftung mehr auf die Lektüre von Betriebszeitungen zurückführen. Diese Verschiebungen in der Gewichtung der Informationsquellen auf die Veränderungen in der Klientel der Stahlstiftung zurückzuführen scheint nicht unplausibel zu sein. Dies schließt die andere Vermutung jedoch nicht aus, dass die Stahlstiftung kein bevorzugtes Thema für Gespräche unter den Beschäftigten der Voest-Alpine-Betriebe ist.

Tabelle 13  Bewertung der Erstinformation

3. Auswertung 2. Auswertung Differenz

abs. rel. rel.

ausgezeichnete Möglichkeit 349 57,7 55,5 +2,2

zuerst einmal anschauen 195 32,2 36,8 -4,6

nur wenn nötig 48 7,9 5,9 +2,0

kommt nicht in Frage 5 0,8 1,2 -0,4

keine Antwort 6 1,0 0,6

603 100,0% 100,0%



Hier sind die Ergebnisse für beide Auswertungen nahezu dieselben. Es gilt also das bereits früher Formulierte: Jene, die neu in die Stiftung eintreten, sind der Ansicht, auf einem guten Wege zu sein. Dahingehende Schlussfolgerungen, die Stahlstiftung habe sich ein ungetrübt positives Image geschaffen, müssten jedoch auch die Meinung jener berücksichtigen, die nach der Kündigung umgehend einen anderen Arbeitsplatz finden konnten.

Tabelle 14  Gründe des Stiftungseintrittes

3. Auswertung 2. Auswertung Differenz

abs. rel. rel.

betriebsbedingte Gründe 88 14,6 19,3 -5,3

Weiterbildung 121 20,0 30,9 -10,9

Umschulung 89 14,7 9,2 +5,5

berufliche Besserstellung 14 2,3 7,7 -5,4

gesundheitliche Gründe 154 25,5 11,6 +13,9

Entlassung 13 2,2 2,7

Besuch der HTL 32 5,3 7,7

Absicherung, finanz. Gründe 34 5,6 3,3

andere Gründe 17 3,1 2,1

603 100,0% 100,0%

Bei diesen Zahlen handelt es sich um Angaben auf eine offene Frage, die dann nachträglich nach einem Schema, das Erst- und Zeitnennungen berücksichtigt, kategorisiert worden sind. Sowohl bei der Erst- wie bei der Zweitnennung gibt es zwei dominante Kategorien: "Entlassung" und der "Wunsch, sich beruflich weiterzubilden". An dritter und vierter Stelle stehen die Kategorien "Umschulung" und "betriebsbedingte Gründe", womit wahrscheinlich technisch-organisatorische Innovationen gemeint sind, die mit Steigerungen der Produktivität zusammenhängen und zu Personalüberhängen führen. Im vorliegenden Fall ist der Vergleich mit den Ergebnissen der früheren Erhebungsphase aufschlussreich, vor allem bei Berücksichtigung der Differenzen in den Hauptkategorien "Entlassung" und "Weiterbildung". 1991-1993 ist "Weiterbildung" die weitaus am stärksten besetzte Kategorie gewesen. Deren Wert hat sich nun deutlich um ein Drittel verringert. Die Angabe des Grundes "Entlassung" stand damals mit 11,6 Prozent an dritter Stelle, nun aber im Zeitraum 1994-1997 an erster Stelle, hat sich also mehr als verdoppelt und ist nun zum wichtigsten Grund geworden, in die Stiftung einzutreten. Gleichzeitig reduziert sich die Zahl für "betriebsbedingte Gründe". Dies bedeutet, dass die häufiger gewordenen Kündigungen weniger im Zusammenhang mit betrieblichen Notwendigkeiten stehen oder zumindest nicht in diesem Zusammenhang gesehen werden. Auffällig ist auch die gegenläufige Veränderung der Werte für "Weiterbildung" und "Umschulung". Die Bedeutung der "Weiterbildung" sinkt, jene für "Umschulung" steigt. Betrachtet man erstere, die "Weiterbildung", als die ambitioniertere Größe, so führt dies zum Schluss, dass in Ausbildungsfragen, die für die Stahlstiftung immer wichtig gewesen sind, das Anspruchsniveau der Stiftlinge als sinkend zu bezeichnen ist. Die Werte für "beruflichen Aufstieg" sind ebenfalls rückläufig. Die Informationen, die sich diesen Zahlen entnehmen lassen, deuten alle darauf hin, dass sich die Fronten am Arbeitsmarkt verhärtet haben und damit die Ansprüche an die Stahlstiftung und die damit verbundenen Möglichkeiten zurückgenommen werden.



Tabelle 15  Erwartungen an die Stahlstiftung



3. Auswertung 2. Auswertung Differenz

abs. rel rel.

Hilfe, Unterstützung in berufl. Angelegenheiten 172 28,4 25,5 +2,9

Unterstützung bzgl.Aus- und Weiterbildung 174 28,8 34,4 -5,6

Höherqualifizierung, Neubeginn 66 10,9 11,3

Information 60 9,9 10,4

Beratung 17 2,8 9,2 -6,4

Kontakte, Teamwork 3 0,5 2,7 -2,2

finanzielle Absicherung 16 2,6 2,4

unklare Antwort 62 10,3 3,0 +7,3

keine Antwort 33 5,6 1,2 +4,4

603 100,0% 100,0%

Die oben angesprochene Verdüsterung der Horizonte findet hier ihre Bestätigung, wobei wiederum der Vergleich der dritten mit der zweiten Auswertungsphase besonders aufschlussreich ist. Generell steigt das Bedürfnis, sich helfen zu lassen, doch gehen die Erwartungen zurück, speziell in Aus- und Weiterbildungsangelegenheiten Unterstützung zu finden. Diesbezügliche Erwartungen gibt es vor allem bei den Jüngeren, die bereits über höhere Bildungsabschlüsse (HTL/HAK/AHS) verfügen. Generell gehen auch die Erwartungen hinsichtlich der Beratungsleistungen der Stahlstiftung zurück. Bei Berücksichtigung der Zweitnennungen auf diese ebenfalls offen gestellte Frage ergibt sich, dass auch dem Aspekt der finanziellen Absicherung insgesamt eine vorrangige Bedeutung beigemessen wird. Nicht zu übersehen ist der deutliche An-stieg in den beiden Kategorien "unklare" oder "keine Antwort". Dies bestätigt den aus den anderen Zahlen gewonnenen Eindruck, dass sich in den Erwartungshaltungen bei Neueintritten beträchtliche Verschiebungen ergeben haben. Die Leute sind wohl skeptischer geworden, im Vergleich zu früher weniger in der Lage, einigermaßen klar zu formulieren, was sie von der Stiftung realistischerweise erwarten können.

Tabelle 16  Berufliche Bildungsbereitschaft

3. Auswertung 2. Auswertung

abs. rel. rel.

nein, kommt nicht in Frage 25 4,1 3,3

nur wenn es sein muß 80 13,2 10,1

das ist durchaus möglich 189 31,2 32,6

je, das ist eine große Chance 302 49,9 52,8

keine Antwort 7 1,1 1,2

603 100,0% 100,0%

Bei dieser Tabelle gibt es kaum Unterschiede zwischen den Ergebnissen der zweiten und dritten Auswertung. Rein verbal ist die Bereitschaft, sich auf berufliche Weiterbildungsprozesse einzulassen, recht hoch. Es mag hier die Orientierung an der sozialen Wünschbarkeit(36) eine beträchtliche Rolle spielen. Eine Analyse nach den verschiedenen Altersklassen ergibt auch hier wieder, dass die Lernbereitschaft bei den 20-25-jährigen besonders hoch, aber auch bei den 25-35-jährigen noch recht ausgeprägt ist. Eine Kontrolle der Abhängigkeit der Bildungsbereitschaft vom Schulbesuchsniveau und vom Einfluß des Beschäftigtenstatus (Arbeiter-Angestellter) führt zu ähnlichen Ergebnissen wie bei der 2. Auswertung (dort TAB 26 und 27, S. 88)

Eine Frage eher fiktiver Natur bezog sich auf den Vorstellungsraum der Leute. Sie richtete sich darauf zu eruieren, was sie heute anders machen würden, wenn sie nochmals die Chance hätten, neu ins berufliche Leben einzusteigen. Mehr als 40 Prozent, gleichviel wie bei der vorangegangen Auswertung, würden mehr tun für eine bessere Ausbildung, sich anstrengen, um einen höheren Bildungsabschluss zu erwerben. Derartige rückwärts gerichtete Projektionen werden vor allem von jenen artikuliert, die eine Berufsschule oder lediglich die Volks- und Hauptschule abgeschlossen haben. Dies lässt darauf schließen, dass allgemein die Überzeugung verbreitet ist, mehr Bildung wäre eine wirksamer Schutz vor der Gefahr, die Arbeit zu verlieren. Im Einzelfall mag die wohl richtig sein. Doch gesamtgesellschaftlich ist es irreführend zu glauben, Arbeitslosigkeit sei die Folge unzulänglicher Ausbildung und durch Bildungsanstrengungen ließe sich die Arbeitslosigkeit spürbar reduzieren und so wirksam bekämpfen.



7. Abschließende Bemerkungen, neue Fragen

Am Ende des Zeitraumes, auf den sich dieser Bericht erstreckt, konnte die Stahlstiftung auf einen zehnjährigen Bestand zurückblicken. Zu diesem Zeitpunkt konnte keine Rede davon sein, sie wäre inzwischen eine überflüssige Einrichtung geworden, weil es keine oder nur noch eine reduzierte Nachfrage nach ihren Angeboten gegeben hätte. Ganz im Gegenteil dazu sind die Zahlen über die Neueintritte in der dritten Berichtsphase von 1994 - 1997 ähnlich hoch wie in der ersten von 1997 - 1990. Es zeigen sich jedoch einige bemerkenswerte Veränderungen in den sozialen Merkmalen und den Grundorientierungen der Klientel dieser Einrichtung, sich auf die neue Situation einzustellen.

Es kommen nun vermehrt ältere Belegschaftsmitglieder aus diversen Betrieben der ehemaligen Voest-Alpine in die Stahlstiftung. Im Vergleich zu früher steigt der Anteil jener, die auf längere Dienstzeiten verweisen können, über höhere Bildungsabschlüsse verfügen und im Status der Angestellten beschäftigt gewesen sind. Das Schicksal, nicht mehr gebraucht zu werden, überflüssig zu sein, trifft nun also auch solche Teile der Belegschaft, die in früheren Jahren eher zu den geschützten Bereichen gerechnet worden sind.

Im Rückblick auf ihre frühere Situation als Beschäftigte in einem der Voest-Alpine Betriebe sehen die neuen Stiftlinge ihren Betrieb nicht mehr in einem so rosigen Licht wie ihre Vorgänger in den früheren Jahren. Dies deutet darauf hin, dass die Arbeitsbedingungen härter, das Klima im Betrieb rauher geworden ist. Dies deswegen, weil den Aspekten der Verwertung der Ware Arbeitskraft eine höhere Bedeutung zukommt. Hohe Rentabilität der Arbeitskräfte insgesamt und der einzelnen Beschäftigten ist tendenziell die Bedingung der Möglichkeit des Weiterverbleibs. Die alte Voest und die besondere Atmosphäre eines gemeinwirtschaftlichen Unternehmens gehören der Geschichte an. Jene, die heute dort beschäftigt sind, haben wenig Grund, ihre Arbeitsplätze als etwas Besonderes anzusehen, wie dies früher der Fall gewesen ist. Dementsprechend sind auch die Erwartungen an die Stiftung, nach einer "einvernehmlichen" Lösung des Dienstverhältnisses, der eleganten Umschreibung der Tatsache der Kündigung, im Vergleich zu früher nüchterner geworden. Vieles deutet darauf hin, dass die mit der Kündigung verbundenen Folgen heute schwerer zu bewältigen sind als den frühen Jahren der Stahlstiftung.

Derartige Veränderungen lassen sich auf Grund der vorliegenden Daten mit einiger Zuverlässigkeit feststellen. Etwas völlig anderes ist es hingegen, Erklärungen dafür zu suchen, aus welchen Gründen die Entwicklung eben diesen und nicht einen anderen Verlauf genommen hat. Das Bedürfnis, die Entwicklung der Stahlstiftung besser verstehen zu können, hat im Verlauf einer routinemäßigen Auswertung von vorliegenden Daten dazu geführt, den Bedingungen der Entstehung dieser Einrichtung genauer nachzugehen. Denn einmal geschaffene Einrichtungen entfalten notwendigerweise ein gewisses Eigenleben, und sind gleichzeitig gezwungen, auf Anforderungen aus der Umwelt angemessen zu reagieren. Was in der Stiftung geschieht, ist so immer Resultante dieser eigenartigen Mischung aus dem Bemühen um organisatorische Kontinuitäten und flexiblem Eingehen auf Forderungen von außen, die sich ändern. Im Verlauf der historischen Rekonstruktion des Werdeganges der Stahlstiftung hat sich gezeigt, dass diese sich nach außen hin mit einem dreifachen Gestaltungsinteresse zu arrangieren hatte: Dem Interesse des Betriebes an optimalen Personalstrukturen, dem Interesse der Arbeitsmarktverwaltung an optimalen Vermittlungsstrukturen, und dem Interesse des Staates an optimalen Strukturen der sozioökonomischen Entwicklung Österreichs. Es handelt sich also um einen Optimierungsprozess auf mehreren Ebenen, der gewisse Probleme löst, gleichzeitig auch wieder andere erzeugt und überdies die Frage offen lässt, wie die jeweiligen Optima definiert sind.

Das Erstgenannte, die gleichzeitige Lösung und Erzeugung von Problemen, lässt sich illustrieren mit dem Hinweis auf die Urszene der Stahlstiftung. Das damals zu lösende Problem ist betriebswirtschaftlicher Art gewesen, eine große Diskrepanz zwischen den Einnahmen und den Ausgaben des Unternehmens. Diese Diskrepanz hat zu Schuldenständen in beträchtlichem Ausmaß und zu unausgeglichenen Bilanzen geführt, die einer gründlichen Sanierung bedurften. Die Kündigung eines erheblichen Teiles der Belegschaft lässt sich als eine überaus einfache und auch sicher zielführende Reaktion bezeichnen, wobei jedoch zu beachten ist, dass diese Formulierung bereits eine nicht mehr zu diskutierende Definition dessen mitliefert, was als zielführend zu betrachten ist. Wenn die Lösung des Problems damals darin gesehen wurde, die Bilanzen über die Kürzung der Aufwendungen für Löhne und Gehälter sanieren zu müssen, so hätte es, zumindest im Spiel der Gedanken, auch andere Möglichkeiten gegeben. Man hätte mit einem solchen Vorhaben verbundene Einschränkungen gleichmäßig auf alle verteilen können, sei es durch Kürzung der Arbeitszeiten für alle oder durch entsprechende vorübergehende Lohn- und Gehaltskürzungen, ebenfalls für alle. Die damals bevorzugte Lösung war dagegen darauf ausgerichtet, einem kleineren Teil der Belegschaft die Hauptlasten aufzubürden, damit für den größeren Teil der Belegschaft die Möglichkeit geschaffen wurde, das Leben wie bisher, ohne nennenswerte Einschränkung, fortführen zu können.(37) Auf diesem Hintergrund ist es durchaus verständlich, dass damals ein Solidaritätsbeitrag aller Weiterbeschäftigen mehrheitlich als sinnvoll akzeptiert werden konnte. Denn damit wurde in Aussicht gestellt, mehreren Tausenden, die zur Kündigung anstanden, weiterhelfen zu können. Dass dann nur wenige Hunderte den Weg in die Stahlstiftung wählten, war nicht vorauszusehen, hinderte diese aber nicht im geringsten daran, den von ihr Betreuten von Nutzen zu sein und überdies ihr Know How im Umgang mit Kündigungen anderen Großfirmen, die mit ähnlichen Schwierigkeiten konfrontiert waren, bereitwillig zur Verfügung zu stellen.

Der öffentliche Beitrag zur Sanierung dieser Großbetriebe ist über eine Modifikation des Arbeitslosenversicherungsgesetzes geregelt worden. Daher ist bei der Abwicklung der Stiftungsangelegenheiten seit den Anfängen des gesetzlich geregelten Funktionierens dieser als Arbeitsstiftungen bezeichneten Einrichtungen auch die Arbeitsmarktverwaltung mit ins Spiel gekommen. Dieser bislang schwerpunktmäßig mit Stellenvermittlung und Verwaltung von arbeitsmarktbedingtem Unheil befassten Stelle konnte es nur Recht sein, dass hier etwas qualitativ völlig Neues zur Handhabung der mit Kündigungen verbundenen Probleme geschaffen worden war. Das Bemühen der oberösterreichischen Regionalstelle, sich mehr und mehr aktiv am Stiftungsgeschehen zu beteiligen, ist auf diesem Hintergrund, sich an der Weiterentwicklung vielversprechender Innovationen beteiligen zu können, durchaus verständlich. Die Art und Weise, wie es mit Hilfe der Unternehmensstiftungen möglich gewesen ist, Personalreduktionen ohne größere Widerstände durchzuziehen und die Gekündigten weitgehend problemlos wieder in neue Beschäftigungen überzuleiten, musste nahezu zwangsläufig dazu führen, die zu einem Modell umfunktionierte Konstruktion auch auf andere Situationen anwenden zu wollen. Mit diesem Instrument schien nun ein Mittel zur Verfügung zu stehen, mit dem das Arbeitsamt hoffte, zunächst die steigende Arbeitslosigkeit, und später dann wenigstens die statistischen Ziffern der Arbeitslosigkeit reduzieren zu können. Die Tatsache, dass sich inzwischen etwas an der Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes geändert haben könnte, wurde nicht in die Erwägungen miteinbezogen.(38) Dem Trend der Zeit entsprechend begann auch die Arbeitsmarktverwaltung, sich am ökonomischen Prinzip auszurichten. So kamen also hier ebenfalls Optimierungsüberlegungen zum Zuge, mit allerdings deutlich anderer Akzentsetzung als auf der Ebene der einzelnen Betriebe: Arbeitsstiftungen neuen Typs sollten nun ein generelles Instrument der Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt sein. Damit einhergehende Bemühungen um eine sogenannte Aktivierung der arbeitsmarktpolitisch bedingten Ausgaben führten schließlich dazu, dass die Arbeitsmarktverwaltung das Spektrum ihrer Tätigkeiten durch Übernahme neuer Funktionen bereichern konnte. Im Endeffekt gewinnt die Kontrolle der Arbeitslosen an Bedeutung.

Was die sozioökonomische Entwicklung Österreichs betrifft, so ging es in der zweiten Hälfte der 80er Jahre darum, sich mit jenen Entwicklungen auseinanderzusetzen, die in anderen europäischen Ländern bereits weit vorangetrieben worden waren. Es handelt sich dabei um den langsamen Abschied von einer sozialen Marktwirtschaft und den Übergang zu einer Marktwirtschaft nach den Vorstellungen des Neoliberalismus, wobei die beiden Koalitionspartner mit unterschiedlicher Schrittlänge zu marschieren suchten. Wo die ÖVP unter dem Druck der Wirtschaftsinteressen zu beschleunigen suchte, ging es der SPÖ darum, nach den Wünschen des Österreichischen Gewerkschaftsbundes gelegentlich die Bremsen zu betätigen. Dem Wechsel im Kanzleramt 1986 folgten einige wichtige Änderungen: Die Umbenennung der "Sozialistischen Partei" in "Sozialdemokratische Partei" und der Verzicht auf die Weiterführung der "Neuen Arbeiterzeitung", die Privatisierung etlicher Staatsbetriebe, die Abschaffung der Vermögenssteuer und die Vorbereitung der Sparpakete, außerdem ein dubioser Gang des genossenschaftlich organisierten Konsums in den Ausgleich,(39) dies alles sind unzweideutige Hinweise, dass auch in Österreich die Weichen in Richtung Modernisierung umgestellt worden sind. Was sich hinter diesem vielschillerenden Ausdruck einer "Modernisierung" verbirgt, kommt in den ständig wiederholten stereotypen Forderungen der OECD und anderer internationaler Instanzen zum Ausdruck: Privatisierung der Wirtschaft, Deregulierung der Arbeitsbeziehungen und Flexibilisierung der der Produktionsprozesse nach innen und außen. Die Vorbereitungen für den EU-Beitritt taten ein übriges, um den schmerzhaften Veränderungen den Mantel des Unumgänglichen und Selbstverständlichen umzuhängen. Man kann sich hinterher die Frage stellen, ob und wie es überhaupt möglich gewesen wäre, sich in Österreich diesen großen Verschiebungen der Gewichte von der Seite der Arbeit auf die Seite des Kapitals zu widersetzen und wie groß der Unterschied heute zu jenen Ländern ist, welche die Marktorientierung zum dominanten Organisationsprinzip eines neuen gesellschaftlichen Projektes erhoben haben, und nun unter Vorspiegelung eines "Dritten Weges" Zustimmung zu den neuen Verhältnissen zu mobilisieren versuchen.

Aus diesen wenigen Hinweisen auf die Entwicklungen im Großen ergibt sich, dass zwischen betrieblichen Rationalisierungsstrategien und überbetrieblichen Ordnungsvorstellungen ein nicht zu übersehender Zusammenhang besteht. Die Gründung der Stahlstiftung fällt in die Zeit der einsetzenden Neuformulierung der Ordnungsvorstellungen, die auf eine Neufassung des Sozialvertrages hinauslaufen.. Die ersten konzeptionellen Entwürfe zur Stiftung sind gleichzeitig dem Alten verpflichtet und respektieren Moderneres: Alt sind die Appelle an die Solidarität aller und der Versuch, frühere genossenschaftliche Traditionen wieder aufleben zu lassen, modern hingegen die Versuche, Umschulungen und Weiterbildung zu fördern, den Gedanken der Selbsthilfe aufzuwerten, die Notwendigkeit der Gründung von neuen Unternehmen zu propagieren und das Outplacement zu perfektionieren. Es hat den Anschein, dass bei den Transfers des ursprünglichen Modells der Stahlstiftung auf andere Situationen dessen frühere Doppelorientieurng, der gleichzeitige Respekt vor den Traditionen der Arbeiterbewegung und den neuen Zwängen des Arbeitsmarktes, weitgehend abhanden gekommen ist.



Verzeichnis der Medienberichte

1987

Nr. Datum Medium Titel

1 15. 7. Die Presse Neue Sozialpläne in der "Verstaatlichten". Aktive und Pensionisten sollen mitzahlen

2 16. 7. Kronenzeitung Gewerkschaft will um Jobs in Verstaatlich ter kämpfen

3 19. 7. Kurier Hoffnung

4 20. 7. Die Presse Neue Sozialpläne stoßen auf finanzielle Hürden

5 August Der Unternehmer Lange Schatten auf den Arbeitsmärkten

6 16.10. Neues Volksblatt Die Stiftung - eine Finte

7 16.10. Kronenzeitung Heftiges Tauziehen um Voest-Stahlstiftung

8 20.10. OÖ-Nachrichten Landesregierung will bei der Stahlstiftung mitzahlen

9 28.10. Ö-Regional Medienstammtisch

10 29.10. Süddeutsche Zeitung Keine Massenentlassungen beim Stahl

11 30.10. Die Presse Arbeit: Hilfe zur Selbsthilfe ÖIAG plant, mit US-Modell Kündigungen zu lindern

12 31.10. Die Presse Handelskammer gegen Voest-Stahlstiftung

13 31.10. Neues Volksblatt Präsident Trauner zu EG, zur Ladenfrage, zur Stahlstiftung und zum Waffenexport

14 3.11. Die Presse Frühpensionisten sollen für Stahlstiftung zahlen

15 3.11. Volksstimme Das Leben nach der Voest

16 11.11. OÖ-Tagblatt VEW: Stahlstiftung zur Abfederung sozialer Härten

17 12.11. Volksstimme Die Stahlstiftung stiftet Verwirrung im Stahlkonzern

18 12.11. OÖ-Tagblatt Stahlstiftung: Jeder Voest-Standort autonom

19 12.11. Neues Volksblatt Stahlstiftung: Noch keine Einigung erzielt

20 12.11. Kronenzeitung Stahlstiftung für Kündigungsopfer der Voest ist fix

21 13.11. Wiener Zeitung "Geplante Stahlstiftung" Verhandlungen sind im Laufen

22 13.11. Süddeutsche Zeitung Stahlstiftung soll Härten bei Voest lindern helfen

23 Nov. Blick Mit- Interview aktuell arbeiterzeitung VA

24 3.12. Kronenzeitung Ratzenböck gegen Stahlstiftung

25 3.12. apa Landtag / Maxhütte Jaumann lehnt Stiftung für Maxhütte ab

26 3.12. Volksstimme Blechen müssen die Kollegen

27 Dez. Die Wahrheit Schreckgespenst Stahlstiftung? Solidaritätsbeitrag e. StSti. abgeschlossen

Stahlstiftung - eine neue Chance Niemand darf ein Statist werden

28 Dez. Werksspiegel Gewerkschaftlicher Linksblock: Zur Stahlstiftung

29 Dez. Der parteifreie Notprogramm für die Verstaatlichte: Gewerkschafter Stahlstiftung



1988

1 9. 1. Salzburger Nachr. "Stahlstiftung" zur Vermeidung von Stiftungshärten

2 13.1. apa Doch Chance für Donawitz-Finanzierung aus Technologietopf

3 Jän. Wiener Turrini. Kampf aus dem Kloster

4 18. 1. Profil

5 18. 1. Profil Das Erbe der Stahlkocher

6 31. 1. Chronik Beschäftigunspolitische Strategien zur Krisenbewältigung in der Stahlindustrie

7 23. 2. Die Presse Arbeitsamt überlastet Zwist um "Problemfälle"

8 Die Presse Stahlstiftungsmodell auch für andere Krisenbranchen

9 Febr. Die Wahrheit Eine Idee wird Wirklichkeit Abfindung und SUG-Pensionisten. Übergang in neue Strukturen. Die Zukunft hat schon begonnen

10 3. 2. Die Presse Bundeskammer gegen Arbeitsstiftungen

11 16. 3. Apa "Arbeitsstiftung" ist wichtige soziale Einrichtung

12 16. 3. Apa Dallinger/Arbeitsstiftung

13 16. 3. Apa Dallinger, Strahammer, Koppler präsentieren Stahlstiftung

14 16. 3. Apa Hutterer: Dallinger hilft den Stahlarbeitern

15 16. 3. Apa Stahlstiftung/Arbeitsstiftung

16 16. 3. Ö-Regional Stahlstiftung

17 16. 3. Apa Voest-Stahlstiftung ist fix

18 17. 3. OÖ-Tagblatt Voest-Arbeitsstiftung für 3000 Gekündigte jetzt fix

19 17. 3. OÖ-Nachrichten Voest-Stahlstiftung fixiert Schulung für 3000 Gekündigte

20 17. 3. Apa Schaffung von zwei Klassen von Arbeitslosen bedenklich

21 17. 3. Salzburger Nachr. Stahlstiftung für Voest nun fix Stahlstiftung nun auch für andere Branchen

22 17. 3. Wiener Zeitung Voest-Stahlstiftung nun fix

23 17. 3. Die Presse Modell für "Arbeitsstiftung" steht

24 17. 3. Neues Volksblatt Voest-Stahlstiftung ist fix

25 17. 3. OÖ-Tagblatt Grünner: "Als Hauptstandort muß Linz absoluten Vorrang haben"

26 18. 3. Salzburger Nachr. Vollendete Tatsachen

27 18. 3. Die Presse Stahlstiftung

28 18. 3. Apa fauland und parnigoni: unsachliche Polemik der Wirtschaftskammer gegen Arbeitsstiftung

29 24. 3. Apa Voest-Betriebsrat: "Verhalten der ÖVP einer staatstragenden Partei unwürdig

30 25. 3. Die Presse Koalitionspartner streiten um die Stahlstiftung

31 25. 3. Apa Burgstaller drängt auf "Stahlstiftung" und "Sonder-Pension". "Junktim mit der Steuerreform ist Erfindung der SPÖ"

32 25. 3. Salzburger Nachr. Streit um "Stahlstiftung"

33 25. 3. Kleine Zeitung VP: Kein Junktim bei Arbeitsstiftung

34 25. 3. Neue Zeit Stahlstiftung wackelt

35 25. 3. Rathaus Pressedienst Arbeitsstiftung darf nicht gefährdet werden

36 25. 3. Apa Rechberger: "Stahlstiftung durch VP-Erpressung in Gefahr"

37 25. 3. Kammer Nachrichten Zählen 50jährige schon zum "alten Eisen"?

38 25. 3. apa Hoeger: Protest gegen Blockierung der arbeitsstiftung durch ÖVP

39 26. 3. Neue Zeit "Stahlstiftungs-Haltung ist eine Erpressung

40 26. 3. Kurier Koalitionsstreitigkeiten ohne Ende SP-VP-Konflikt um Steuerreform und Geplante Stahlstiftung

41 26. 3. OÖ-Tagblatt Arbeitsstiftung nicht gefährden!

42 29. 3. Obersteirische Zeitung Burgstaller: Arbeitsstiftung und Regelung für ältere Dienstnehmer
über 50 Jahre kommt

43 30. 3. Die Presse Nun keine Besteuerung der Arbeitslosen geplant

44 30. 3. Neues Volksblatt Arbeitsstiftung nicht an Steuerreform gebunden

45 31. 3. Wiener Zeitung Stummvoll zur Diskussion um die Arbeitsstiftung: Kein Junktim. "Reform nicht in Frage gestellt"

46 2. 4. Obersteirische Zeitung Rechberger kämpft um Stahlstiftung: Neue Einrichtung durch VP-gefährdet

47 2. 4. OÖ-Nachrichten Leserforum: Wo sind die Arbeitslosen?

48 11. 4. Apa Stahlstiftung: Fischer-Appell an Koalitionspartner

49 11. 4. Die Presse Industrie-Kritik an der "Arbeitsstiftung"

50 13. 4. Pressedienst Schulung, jedoch wofür? der Industrie "Arbeitsstiftung" fehlt das klare Konzept

51 15. 4. Apa Frischenschlager: Dallinger will Arbeitsstiftung in Nacht- und Nebelaktion durchziehen

52 17. 4. Wiener Zeitung Arbeitsstiftung

53 17. 4. OÖ-Tagblatt Voest-Lehrwerkstäten bleiben erhalten: Dallinger hilft aus

54 17. 4. Volksstimme Dallinger: Nur eine Notlösung für die Lehrlinge der ÖIAG

55 18. 4. Apa NRAbg. Flicker: Die ÖVP hat Einbeziehung von Problemregionen in die Arbeitsstiftung durchgesetzt

56 18. 4. Apa Negierung des Parlaments in der Frage der Stahlstiftung. Verfassungsbruch durch Bundeskanzler und Regierung

57 18. 4. Apa Stahlstiftung: Haider kritisiert Übergehen des Parlaments. FPÖ-Chef: Verfassungsbruch

58 18. 4. OÖ-Nachrichten Stahlstiftung: Haider ortet Verfassungsbruch

59 18. 4. Neues Volksblatt Haider: Bruch der Verfassung

60 19. 4. Apa Hesoun: "Haider lässt bei Arbeitsstiftung die Maske fallen"

61 19. 4. Kurier FP-Attacke wegen "Ausschaltung des Parlaments" durch Koalition. SP/VP: Arbeitsstiftung nur Übergangslösung

62 19. 4. Wiener Zeitung Arbeitsstiftung

63 19. 4. Kurier "Arbeitsstiftung": FP will sich querlegen

64 19. 4. OÖ-Tagblatt Hilfe für Krisenregionen auch ohne Arbeitslosenbesteuerung. ÖVP lenkte ein: Arbeitsstiftung kann wie geplant in Kraft treten

65 20. 4. Apa Dallinger: Arbeitsstiftung bringt Verbesserung für Arbeitnehmer in Krisenregionen

66 21. 4. Volksstimme Arbeitsstiftung: "Abfederung für Krisenregionen" Verwirrspiel um Arbeitsstiftung

67 21. 4. Salzburger Nachr. Arbeitsstiftung rasch über die Bühne

68 21. 4. Kronenzeitung FPÖ-Chef Haider

69 21. 4. Neues Volksblatt Schwere Kontroverse wegen Arbeitsstiftung

70 21. 4. Wiener Zeitung Dallinger, Schwimmer: Nun doch Arbeits-Stiftung - FP-Kritik. Hilfe
für Krisenregionen

71 21. 4. OÖ Tagblatt Arbeitstiftung: Jetzt Konflikt mit Haider

72 21. 4. OÖ Nachrichten Heftiger Streit mit der FP um die Arbeitsstiftung

73 21. 4. Vorarlberger Nachr. Haider kündigt Anfechtung vor Höchstgericht an. Gekündigen in Krisenregionen soll "Arbeitsstiftung" helfen

74 21. 4. Die Presse Die Chance nützen

75 21. 4. Die Presse Arbeitsstiftung wird heute fixiert Haider will Höchstgericht befassen

76 22. 4. Neue AZ Grundsatzdebatte Opposition - Regierung Arbeitsstiftung, "Dringliche" der FPÖ und Kanzler-Referat im Nationalrat

77 22. 4. Kammer-Nachrichten Der "Arbeitsstiftung" fehlt das klare Konzept

78 22. 4. Vorarlberger Nachr. Verbesserungen für die zweite Gastarbeiter-generation.
Dallinger: Arbeitsstiftung vorerst ein Modell

79 22. 4. OÖ-Nachrichten Jetzt beginnt der Streit, Was eine Krisenregion ist

80 23. 4. Der Obersteirer Böhler-Gerwerkschaftsfraktion Wehrt sich gegen die "Pläne" McKinseys!

81 2. 5. ÖGB-Nachrichten Arbeitsstiftung tritt rückwirkend dienst mit 1. Jänner 1988 in Kraft

82 4. 5. Ö-Regional Stahlstiftung

83 4. 5. Kronenzeitung In Zeltweg drohen Freisetzungen, FPÖ fordert für Rottenmann:
Auch die AHT-Gekündigten sollen von Arbeitsstiftungen profitieren

84 14. 5. Die Presse Arbeitsstiftung in Niederösterreich fixiert

85 27. 5. Die Presse Neue "Arbeitsstiftung" kostet eine Milliarde S

86 Mai Der Privat- angestellte Von der Stahl- zur Arbeitsstiftung Ein Modell macht Schule

87 o.D. ohne Angabe Arbeitsstiftung. Gelebte Solidarität

88 6. 6. Die Presse Wenn "der Berg" zur Schule wird

89 13. 6. OÖ-Nachrichten Das erste Unternehmen aus der Stahlstiftung Auf Erde bauen

90 13. 6. OÖ-Nachrichten Das erste Unternehmen aus dem Schoß Der Stahlstiftung. Auf Erde bauen.

91 13. 6. OÖ-Tagblatt Stahlstiftung als "Geburtshelfer" Für neue Unternehmen erfolgreich

92 23. 6. Apa Stahlstiftung als "Geburtshelfer" für Neue Unternehmen. Derzeit werden 200 Gekündigte Voestler betreut und geschult

93 23. 6. Ö-Regional Innovametall

94 23. 6. Kronenzeitung In Linz wurden 5000 Mitarbeiter abgebaut. Voest: Das Schlimmste ist jetzt überstanden

95 28. 6. Österr. Wirtschaft VA-Stahlstiftung leistete bisher in 300 Fällen Hilfestellung.
Großes Interesse von Anderen Unternehmen

96 29. 6. OÖ-Nachrichten Erfolg der Stahlstiftung

97 Juni Blick Innovative Metallverarbeitung

98 2. 7. Der Obersteirer Mehr Lehrlinge bei Edelstahlkochern Arbeitsstiftung wird gut angenommen

99 Ju./Aug. Blick Am Wort: Ein Betreuer

100 19. 8. Wiener Zeitung Voest

100 15. 8. Volksstimme Gartenerde statt Stahl

101 19. 8. Apa Voestler erzeugen Gartenerde statt Stahl

102 19. 8. Kurier Linzer Firma macht aus dem "Mist" Bares Geld

103 19. 8. OÖ Tagblatt Stahlstiftung: Ex-Voestler erzeugen

Erde statt Stahl

104 19. 8. OÖ Nachrichten Stahlstiftung: Humus für Pflanzenwerk

105 19. 8. Kronenzeitung Neue Jobs durch Stahlstiftung

106 19. 8. Neues Volksblatt Voest-Stahlstiftung: Statt Stahl Gibt es Gartenerde

107 19. 8. Die Presse Erde statt Stahl: Chance für Voest-Beschäftigte

108 22. 8. Apa Erzbergwerk als Fremdenverkehrsattraktion Wiederbelebt. Stahlstiftung startet neues Projekt

109 Sept. Die Wahrheit Stahlstiftung: Ex-Voestler Erzeugen Erde statt Stahl

110 Sept. Der Privat- Angestellte Stahlstiftung als "Geburtshelfer" für neue Unternehmen

111 22. 9. WdA Arbeitsstiftung in der Praxis Hilfe zur Selbsthilfe

112 Okt. VZ Arbeitsstiftung sorgt für Kärnten Osttirol parlamentarische Debatte

113 19.10. Standard Stahlstiftung: Wenig Bedarf und übervolle Finanztöpfe

114 3.11. OÖ Rundschau Ex-Voestler: Karriere mit der Kraft der Erde

115 24.11. Volksstimme Eisenerz: Schaustollen im Erzberg

116 Nov. Die Presse Neue Wege gehen

117 12.12. AZ/Tagblatt Arbeitssuchende: Richtige Selbstdarstellung finden

118 Dez. Wahrheit Ein Jahr Arbeitsstiftung Finanzielle Situation besser als erwartet
Stahlstiftung - brauchen wir sie noch?

119 Dez. Rundschau Rundbrief der Stahlstiftung: "Finanzielle Situation der Stahlstiftung"

Gute Stahlkonjunktur entlastet "Stahlstiftung"

120 15.12. OÖ Nachrichten OKA rettet WTK-Gruben Land gibt Dreijahresgarantie



1989

1 14. 1. Die Presse Bildungsurlaub statt Aussteigerprämie? Arbeitslose sollen Betriebslücken füllen

2 16. 2. Vöcklabrucker Rundschau Kohlestiftung als Lichtblick für die gekündigten Kumpel

3 23. 2. Die Presse Neues Selbstvertrauen

4 23. 2. Die Presse Aus den "Arbeitsstiftungen" sind schon zahlreich Betriebe hervorgegangen

5 14. 3. Profil Dallingers Kinder

6 Mai Die Wahrheit Besserer Kündigungsschutz

7 Mai VA-Betriebskurier Bericht aus der Stahlstiftung

8 2. 6. Kurier Die Stahlstiftung födert Eigeninitiativen Wie sich Ex-Voestler optimal verkaufen

9 2. 6. Kronenzeitung Hütte Linz will die Gemeinkosten senken: Voest prüft 2500 Jobs auf Sparmöglichkeiten

10 Juni Die Wahrheit Es muß einmal gesagt werden: Personal-abbau u. seine unmenschlichen Folgen

11 8. 6. Die Presse Vergebene Chance, Unternehmer zu werden

12 29. 9. OÖ-Nachrichten In Ampflwang soll das größte Reiterdorf Europas entstehen

13 29. 9. Kurier Voestler reduzieren Solidaritätsopfer Stahlstiftung hat 75-Millionen- Polster

14 Sept. Die Wahrheit Stahlstiftung aktuell

15 Sept. Rundschau UnD noch einmal die Stahlstiftung

16 1.10. Kurier ÖAAB schießt sich auf Chef der Stahlstiftung ein: Ein Firmenmulti Mit vieln Nebenjobs

17 Okt. Die Wahrheit Stahlstiftung Liabe Spezln

18 4.11. Obersteirische Zeitung Ausbildungserfolg der Voest-Alpine-Stahlstiftung Eisenerz

19 Nov. Die Wahrheit Solidarität auf dem Prüfstand

20 Nov. Rundschau Stahl Linz Ges.mb.H.: Aus der Angestelltenbetriebsratssitzung

21 10.11. Obersteirische Zeitung Aufwärtstrend bei Erzbergführungen
Zahl der Besucher stieg um mehr als 40%

22 14.11. Die Presse "Stahlstiftungs"-Firma meldet Ausgleich an

23 Nov. Rundschau Stahlstiftung Es gefällt uns...

24 24.11. Die Presse Nicht nur stählernes Konzept Die steirischen Stahlstiftungs-Alternativen funktionieren

25 7.12. korrekt: Rundschau Linzer Stahlstiftung bleibt Puffer und soll "öffentlich" werden

26 Dez. Rundschau Noch einmal: Stahlstiftung

1990

1 10. 1. Die Presse Arbeitsstiftung für Steyr-Gekündigte?
Qualifizierungseinrichtung macht Schule

2 Jän. ÖSB-Informationen Zwei Jahre Stahlstiftung

3 Jän. Stahl intern Auszug

4 Jän. Mitbestimmung Beratung in Arbeitsstiftungen

5 16. 2. Die Wirtschaft "Arbeitsstiftungen" als AMAG- und Steyr-Patent-Problemlöser

6 Broschüre Arbeitsstiftung Instrumente aktiver Arbeitmarktpolitik Qualifizierung im Rahmen der Stahlst. Unternehmensgründung in der Stahlst.
Einrichtung von Arbeitsstiftung Stahlstiftung, Kohlestiftung und

Aluminiumstiftung in OÖ. Die Stahlstiftung in der Steiermark

7 28. 5. OÖ Nachrichten Drehscheibe für Gründer

8 13.10. Linzer Rundschau Stahlstiftung im Zwielicht Bald wieder Kündigungen

9 Okt. IPW Förderung beruflicher Wieder- Eingliederung bei der Voest-Alpine

10 22.11. Volksstimme Stahlstiftung hortet 160 Mio. S.

11 Nov. Rundschau Aus der Angestellten-Betriebsrats-sitzung v. 29. Okt. 1990 Aussetzung der Solidaritätsabgabe für Stahlstiftung?

12 Nov. Die Wahrheit Stahlstiftung - wir wehren uns gegen die Leichtfertige Aufgabe einer Einmaligen Errungenschaft

13 Dez. Berufsbildung Die Stahlstiftung - ein Modell zur Ver-hinderung von Arbeitslosigkeit

14 7.12. Kurier Stahlstiftung hortet 160 Mio.

15 13.12. OÖ Rundschau Stahlstiftung im Zwielicht Bald wieder Kündigungen?

16 Dez. Der parteifreie Gewerkschafter Stahlstiftung Gesunde Arbeit - Soziale Sicherheit

17 Dez. Werkspiegel Stahlstiftung nicht zweckentfremden ! Bei Umstrukturierungen



1991

1 16. 1. Volksstimme Stahlstiftungsgelder für Wellness-Center

2 Jän. STAHL Mitarbeiterzeitung Schwerpunkte und Strategien
Der Schilling rollt zum besseren Wirt. Seinen Erfolg planen. Stahlstiftung hat sich bewährt

3 Jän. Die Wahrheit Aus der Luft gegriffen

4 14. 2. Linzer Rundschau Stahlstiftung wird Beitrag nicht senken

5 Febr. Die Wahrheit Keine Kündigungen ! So gehts wirklich nicht. Koppler gegen Verunsicherung der Belegschaft. Drei Jahre Stahlstiftung. Eine Idee wurde Wirklichkeit

6 13. 3. Kronenzeitung Altes Eisen

7 19. 3. Neue Zeit "Große Probleme für den Erzberg"

8 März Die Wahrheit Zur Stahlstiftung

9 März Rundschau Stahlstiftung

10 März Rundschau Aus der VAI-Betriebsratssitzung Trainerausbildung

11 März Der parteifreie Gewerkschafter Stahlstiftung in der Endphase

12 6. 6. OÖ Nachrichten Stahlstiftung: Mehr Kontrolle und Abbau der Millionen-Reserven.
Es wird niemand in die Stiftung Abgeschoben

13 14. 6. Handelsblatt Ehrgeizige Ziele nach der knapp vermiedenen Pleite: Aufstieg in die Spitze der europäischen Hersteller

14 Juli kontraste Stahlstiftung. Solidargemeinschaft Mit unterschiedlichem Nutzen

15 7. 8. Der Standard Neue Ideen für Arbeitsstiftungen

16 29. 9. Kronenzeitung Wieder Streit um die Voest-Stiftung !

17 19.10. AZ Tagblatt Das Überleben im Stahl-Gewitter

18 24.10. Linzer Rundschau Voest-Räte nicht gestutzt: Wir rackern Tag und Nacht

19 Nov. a3eco Kabarettreife Stahlstiftung: Mehr fürs Sparbuch als für Jobs

20 Nov. Angestellten- journal Alternative Stiftung?

21 22.11. Kronenzeitung Voest-Stahlstiftung: Geldpolster ist wieder ein wenig gewachsen

22 25.11. Kronenzeitung Kontrolle für die "Stahl-Stiftung"

23 6.12. Apa Stahlstiftung für Voest-Mitarbeiter Bewährt sich

24 7.12. Kronenzeitung Stahlstiftung

25 15.12. OÖ Nachrichten Leitl: Statt Frühpension Jobs für Arbeitslose



1992

1 9. 1. Linzer Rundschau SP fordert: Erschwerte Kündigung Ab 45 Jahren

2 9. 1. OÖ Nachrichten SP: Kündigungsschutz für Ja zu Arbeitsstiftung

3 15. 1. Kurier Land will Steyr und Braunau Für neue Betriebe vermarkten

4 25. 1. Neues Volksblatt SP für Kündigungsschutz ab 45 Leitl: Arbeitsstiftung in Gefahr

5 Febr. Kontraste Arbeitsstiftungen

6 Febr. Die Wahrheit Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser

7 Febr. ÖSB-Informationen Arbeitsstiftung unter der Lupe

8 14. 2. Salzburger Nachr. ÖAAB schlägt Alarm wegen Arbeitslosigkeit bei Älteren

9 18. 2. Der Standard Neue Krisenhilfe für Betriebe Widerspruch zu Protokoll

10 29. 2. Der Standard ÖGB kritisiert Hesouns Pensionspläne

11 5. 3. Presse-aussendung Schutz älterer Arbeitnehmer darf kein Lippenbekenntnis bleiben

12 21. 5. Wiener Zeitung Gegen Langzeitarbeitslosigkeit

13 Mai aktuell 195 Mio S in der Stahlstiftung

14 Mai Arbeitslosigkeit/Schrecken ohne Ende

15 Mai Menschen&Momente Erfolgreiche Stahlstiftung

16 24. 5. Kronenzeitung Nur jeder 5. Geht in Stahlstiftung

17 28. 5. Linzer Rundschau Stahlstiftung stiftet Arbeitergeld Den Banken

18 23. 6. Neues Volksblatt Stahlstiftung erfolgreich: Drei Viertel haben schon neuen Job

19 25. 6. Rundschau Stolz auf die Stahlstiftung

20 14. 8. Salzburger Nachr. ÖMV: Personalabbau nicht zu Lasten der Älteren

21 22. 8. Neues Volksblatt Die Stahlstiftung hortet Millionen

22 2. 9. OÖL Nachrichten Oberösterreich will seine Krisenregionen auslösen

23 3. 9. Neues Volksblatt Hesoun-Ja zu Arbeitsstiftung Oö. Krisenregionen fallen

24 3. 9. OÖ Nachrichten Krisenregion-Lösung naht

25 4. 9. Apa OÖ. Metallergewerkschaft: Krisenregionen nicht abschaffen. Zuerst ältere Arbeitnehmer schützen

26 4. 9. Kurier Modell "Krisenregion" wird abgeschafft

27 8. 9. Neues Volksblatt Diskussion um Krisenregionen: Verzetnitsch für Sonderförderung

28 10. 9. Linzer Rundschau Frühpension nur noch heuer Alleingang bei Krisenregionen

29 30. 9. Kurier Stahlstiftung senkt Beitrag

30 Sept. ÖSB-Informationen Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit

31 15.10. Linzer Rundschau Stahlopfer für 20.00 Voestler umstritten

32 23.10. Salzburger Nachr. Stiftungen statt Krisenregionen

33 23.10. OÖ Nachrichten Bewusstseinerweiterung gegen Altersarbeitslosigkeit

34 31.10. Die Presse Boom bei Altersarbeitslosen

35 Okt. Die Wahrheit ZBRV Erhard Koppler: Schutz für Verdiente Mitarbeiter muß bleiben

36 Nov. Die Wahrheit Industriepolitik kontra Subventionspolitik

37 7.11. OÖ Nachrichten Auch Landesgeld für Arbeitsstiftungen Krisenregionen nicht wegzubringen

38 21.11. OÖ Nachrichten Eine Überbeanspruchung des Solidaritätsbegriffs

39 26.11. OÖ Nachrichten Arbeitsstiftungen in Oberösterreich Löschen, bevor es zu brennen anfängt

40 20.12. OÖ Nachrichten Arbeitsstiftungen haben jetzt Hochkonjunktur



1993

1 14. 1. OÖ Nachrichten Priester, Nonne und Sträflinge. Über die Stahlstiftung eine junge Frau ins Unternehmerkostüm

2 21. 1. Der Standard Grüne Attacke auf Hesoun

3 22. 1. Der Standard Einig über erstes Arbeitslosen-Paket

4 26. 1. Salzburger Nachr. In jedem Bundesland soll eine Arbeitsstiftung entstehen

5 27. 1. Kurier Arbeitsstiftung als Brücke in die Zukunft

6 Jän. Die Wahrheit Oberösterreichische Industrie nicht krankjammern, sondern fördern

7 Jän. OSB-Informationen Arbeitsstiftungen: Beratung und Information

8 6. 2. OÖ Nachrichten Koppler: Flucht in Altersarbeitslosigkeit

9 21. 2. Apa Strategien zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit

10 Febr. Info BR-VA Dauerbrenner Stahlstiftung

11 Febr. Die Wahrheit Ausgezeichnete Arbeit der Stahlstiftung

12 Febr. ÖSB-Informationen Arbeitsstiftungen: Stark nachgefragt

13 10. 3. Salzburger Nachr. Breites Spektrum an Hilfsmaßnahmen Verzetnitsch: Arbeitsplätze erhalten

14 10. 3. Tages Anzeiger Hilfe für Arbeitslose? Von Österreich lernen

15 17. 3. Presse FPÖ fällt Voest Alpine Beschäftigten aussendung in den Rücken

16 18. 3. Profil Feuerprobe Arbeitslosigkeit

17 24. 3. Der Standard Wünsche an Strukturmilliarde nun konkret

18 1.4. Linzer Rundschau Statistik verschleiert es: So viele Arbeitslose wie 1930

19 6. 4. Salzburger Nachr. Ein Hochofen schafft keine Mobilität In OÖ bewährten sich die Arbeitsstiftungen

20 April Rundschau Stahlstiftung

21 7. 5. HK Nachrichten "Arbeitsstiftung" von Steyrer Großbetrieben

22 12. 5. Apa VA-Stahlstiftung wieder mit erhöhtem Zulauf

23 13. 5. OÖ Nachrichten Stahlstiftung

24 13. 5. Wiener Zeitung Stahlstiftung hat mehr Zulauf

25 13. 5. Neues Volksblatt VA: Zulauf bei Stahlstiftung

26 13. 5. Kurier Stahlstiftung: Der Andrang wächst

27 13. 5. OÖ Nachrichten Stahlstiftung

28 13. 5. Wiener Zeitung Stahlstiftung hat mehr Zulauf

29 25. 5. OÖ Nachrichten Bildung gegen Arbeitslosigkeit

30 25. 5. OÖ Nachrichten "Monopol" bei Arbeitsstiftungen

31 Mai Linzer Rundschau Wenn due den Job verlierst, Fühlst dich wie im Mistkübel

32 17. 6. Kronenzeitung Arbeitsstiftungen: Hoffnung nur Für wenige Kündigungs-Opfer

33 17. 6. OÖ Nachrichten Krisenregionsverordnung kostet heuer in Oberösterreich fast 800 Millionen

34 Juni Info des LAA Arbeitsstiftungen in Oberösterreich

35 Juni Die Wahrheit Gleiches Recht für alle Neuregelung des Ausbildungsstipendiums der Stahlstiftung ab 1. Mai 1993. Die AI haben sich positiv entwickelt. E. Koppler am SPÖ-Bundesparteitag 1993

36 Juni Rundschau VA Aus der Angestellten-BR-Sitzg. V. 19.5.93 Stahlstiftung

37 14. 7. Der Standard Arbeitsstiftung besser als Arbeitsamt

38 Juli Mitarbeitermagazin Stahlstiftung in Zahlen und Fakten

39 17. 9. OÖ Nachrichten Die Resignation löst den Zorn ab

40 Sept. Solidarität Offensive Umsetzung der Arbeitsmarktmilliarde

41 Sept. Heute u. Morgen Verstaatlichte verliert Beschäftigte

42 7.10. Linzer Rundschau Chemie Stiftung nach Voest-Modell

43 14.10. Wochenpresse Stiften statt stempeln

44 Okt. Kontraste Wer finanziert Arbeitsstiftungen?

45 28.10. Apa "Öffnungsklausel" bei Chemie Linz sehr wahrscheinlich

46 2.11. Apa Boom bei Arbeitsstiftungen

47 4.11. Kurier Arbeiterkammer und Gewerkschaft fordern Insolvenzstiftung in Wien

48 9.12. Linzer Rundschau Stiftungen wollen Menschen und Regionen retten

49 17.12. OÖ Nachrichten Stiftungen ermutigen Leitl

50 20.12. OÖ Nachrichten "Es sind 30.00 Arbeitslose zuviel in Oberösterreich"

51 Dez. Angestellten-journal Voest Unter Druck. Linz im Blickpunkt



1994

1 22. 1. OÖ Nachrichten Schon jeder zehnte Österreicher Über 50 Jahre hat keine Arbeit

2 Jän. Die Wahrheit Stahlstiftung zieht Bilanz Modell mit positivem Image

3 11. 2. OÖ Nachrichten OÖ: Gemeinsame Initiativen gegen Arbeitslosigkeit

4 14. 2. OÖ Nachrichten Regionalpolitik durch Stiftungen

5 1. 4. Neues Volksblatt Freyschlag beklagt Arbeitslosigkeit Leitl kontert mit
Verstaatlichten-Politik

6 April ÖSB-Informationen Erste Slowakische Arbeitsstiftung

7 19. 4. OÖ Nachrichten Aktive Arbeitsmarktpolitik profitiert von EU-Beitritt

8 20. 4. OÖ Nachrichten Mehr Bildung gegen Arbeitslosigkeit

2 5. 4. OÖ Nachrichten Arbeitsstiftungen erleichtern den Weg in die Selbständigkeit

9 1. 8. OÖ Nachrichten Streit um die Arbeitsstiftungen

10 Aug. Zeitbühne Arbeitsstiftungen - Wundermittel gegen Arbeitslosigkeit

11 5. 9. Kurier Die zweite Chance. Arbeitsstiftungen sind modern geworden

12 Sept. Die zweite Chance. Arbeitsstiftungen, die neue Wunderwaffe

13 Sept. Kompetenz Oberösterreich: Land der Arbeitsstiftungen

14 21.10. Mitarbeiter-magazin Hilfe zur Selbsthilfe Die Stahlstiftung am Standort Donawitz

15 4.11. Die Presse Arbeitsstiftungen mit hohen Erfolgsquoten

16 Nov. Linz aktuell Vom Dreher zum Werbeagentur-Boß

17 Dez. Kurzfassung d. Studie Bedeutung der Linzer Betriebe der VA für.die.
Entwicklung des oö. Zentralraums



1995

1 13. 1. OÖ Nachrichten Wenn aus Technikern Pharmazeuten werden

2 22. 4. OÖ Nachrichten Arbeitslose sollen Unternehmer werden

3 22. 4. Kurier Ein "Stahl-Beschäftigter" sichert 1,6 Arbeitsplätze

4 22. 4. Neues Volksblatt Voest weiterhin Wirtschaftsmotor

5 22. 4. OÖ Nachrichten Die große Krise fand nicht statt

6 17. 6. OÖ Nachrichten Wir löschen, bevor es richtig zu brennen beginnt

7 Sept. ÖSB Informationen Arbeitsweltpuzzle

8 Sept. Missbrauchte Rahmenbedingungen

9 Sept. OÖ Nachrichten Textilfirmen vor dem Aus 100 Frauen verlieren Job

10 Sept. Österreichischer Studienzirkel Verteilung der Arbeit

11 Sept. Österreichischer Studienzirkel Von Arbeitslosigkeit besonders betroffene Personengruppen

12 Dez. Ams-direkt Hilfe zur Selbsthilfe Arbeitsstiftungen in Oberösterreich

13 Dez. Ams-direkt Eine oö. Erfolgsstory Arbeitsstiftungen helfen gezielt

13 19.10. OÖ Nachrichten "Schnee von gestern" AMS: Transferleistungen mit Jobs verbinden

15 Sept. Aktuell Die Stahlstiftung einmal näher betrachtet

16 14. 9. OÖ Nachrichten Gemeinden befürchten finanziellen Aderlass nach Firmenpleiten

17 Sept. Arbeitsmarkt Stiften statt stempeln

18 21. 9. OÖ Nachrichten Modell mit Tücken

19 30.11. AK Report Erfolg bedeutet nur eine Atempause

20 Dez. Werksspiegel GLB Stahlstiftung. 200 Mio. S Vermögen

21 19. 10. OÖ Nachrichten "Schnee von gestern"



1996

1 17. 2. Der Standard Es begann in Linz: Die "gestiftete"Arbeit

2 Feb. Rundschau Drei aktuelle Schwerpunkte des ÖGB:
Konzertiert gegen Arbeitslosigkeit

3 18. 5. Kurier Umlernen für den Neuanfang Stahlstiftung erfolgreich in Jobvermittlung

4 19. 6. Rundschau Info-Tag VA-Stahlstiftung

5 Juli Die Wahrheit Stahlstiftung

6 19. 8. OÖ Nachrichten Arbeitsstiftungen bewähren sich im Kampf gegen Arbeitslosigkeit

7 20. 9. OÖ Nachrichten Das Dorf im Osten: Schienen wie im Westen

8 Sept. Meeting Seminarraum statt Hochofen

9 21.10. Der Standard Auf der Suche nach der Neuverteilung von Arbeit

10 27.11. Linzer Rundschau Wenn die Arbeit stiften geht: Eine Chance für vier Jahre

11 Nov. Gewinn Über Arbeitsstiftungen zum neuen Job

12 Nov. Mitarbeiterzeitung Die Stahlstiftung Ihr Vorteil !

13 Dez. Kompetenz Auch Kärnten setzt voll auf die Aufgabe von Arbeitsstiftungen



1997

1 17. 2. Profil Flucht nach vorne

2 April Die Wahrheit Einsam oder gemeinsam?

3 18. 9. OÖ Nachrichten Frühpensionen sind teuer Und nützen wenig

4 2.10. Der Standard Elf Wege zur Arbeit in Europa

5 15.10. Medieninformation 10 Jahre Stahlstiftung



1998

1 Juli Der Standard Arbeitsstiftungen als bewährtes Instrument für die Zukunft
In Linz beginnts: Vom Pilotmodell Zum Vorbild für ganz Europa





Literatur



Andreß, Hans-Jürgen, Lipsmeier, Gero, Salentin, Kurt (1995): Soziale Isolation und mangelnde Unterstützung im unteren Einkommensbereich, in: Zeitschrift für Soziologie 24, 300-315

Barbier, Jean-Claude, Gautié, Jérome (1998): Les politiques de l'emploi en Europe et aux Etats-Unis, Paris

Binder, Martin (1998): Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Errichtung und das Funktionieren von Arbeitsstiftungen, in: Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht 33 (1998), 6, 161 - 172

Bltanski, Luc, Chiapello, Ève (1999): Le nouvel esprit du capitalisme, Paris

Castoriadis, Cornelius (1975): Die Gesellschaft als imaginäre Institution, Frankfurt

Demazière, Didier (1995): La sociologie du chomage, Paris

Dixon, Keith (1998): Les évangélistes du marché, Paris

Douglas, Mary (1999): Comment pensent les institutions, Paris

Freyssinet, Jacques (1998), Le chomage, Paris

Hayek, v. Friedrich (1959): Missbrauch und Verfall der Vernunft, Frankfurt/M

Lesourne, Jaques (1995): Vérités et Mensonges sur le Chomage, Paris

Nigsch, Otto (1990): Von der Stahlstiftung zur Kohlestiftung, Linz

Nigsch, Otto (1991): Stiftungseintritte. Brüche und Brücken, Linz (Eigenverlag)

Nigsch, Otto (1995): Effekte der Stahlstiftung., Linz (Eigenverlag)

Peter, Gerd (1997): Theorie und Praxis der Arbeitsforschung, Franfurt/New-York

Rossi, Peter et al. (1988): Programm - Evaluation, Stuttgart

Röttger, Bernd (1997): Globalisierung und eurokapitalistische Regulation. Die politische Konstitution des Marktes, Münster

Schelsky, Helmut (1970): Zur Theorie der Institutionen, Düsseldorf

Thurnher, Armin (1999): Das Trauma, ein Leben, Wien

Voss, Günter G., Pongratz, Hans J. (1998): Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft?, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 50, H. 1, S. 131 - 157

Zilian, Hans G., Flecker, Jörg (Hg.) (1998): Flexibilisierung - Problem oder Lösung?, Berlin



























1. Zur Illustration: Nach Angaben des St. Galler Zentrums für Zukunftsforschung waren in der Schweiz 1980 noch 38% der Arbeitskräfte im zweiten Sektor tätig; vierzehn Jahre später lag dieser Anteil nur noch bei 29%, doch der Beitrag zur Wertschöpfung ist nur von 35% auf 33% gesunken (NZZ Nr. 206 v. 5. Sept. 1996, S. 27).

2. Neben dem Stiftungsmodell ist von den Instanzen der EG als zweite österreichische "best practice" das duale Ausbildungssystem als besonders nachahmenswert hervorgehoben worden.

3. Der Ausdruck "Ressourcen" lässt sich verdeutlichen durch den Hinweis auf die Tatsache, dass verschiedene Einzelpersonen (Individuen) unterschiedlich gut ausgestattet sind, um sich in Szene zu setzen. Wer jung, stark, schön, reich, gut gebildet ist, sich gut auszudrücken vermag und darüber hinaus noch über gute soziale Beziehungen verfügt, der ist ressourcenmäßig besser gestellt als jemand, der/die alt, arm, unattraktiv, ungebildet und ungeschickt ist und darüber hinaus niemand kennt, der ihm leicht helfen kann. Empirische Belege zur unzulänglichen Ausstattung mit Ressourcen sozial schwächerer Gruppen und Schichten bei H.J. Andreß u.a. (1995, S. 300 f).

4. Österreichische Studien-und Beratungsgesellschaft (ÖSB)

5. so im Vorwort des Berichtes

6. der modische Jargon spricht in diesem Sinne heute von "Problemlösungskompetenz"

7. Die Sammlung, die bei der Stahlstiftung im Laufe der Jahre entstanden ist, umfasst zwei Aktenordner. Die Beiträge sind nach dem Prinzip der zeitlichen Abfolge des Publikationsdatums geordnet.

8. Der "Österreichische Arbeiter- und Angestelltenbund" (ÖAAB) ist neben dem Wirtschaftsbund und dem Bauernbund eine der tragenden Säulen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP).

9. Sonderunterstützungsgesetz (SUG)

10. vgl. Voss / Pongratz (1998), Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft?

11. einige Tage vorher ist noch von einem Mitspracherecht der Landeshauptleute die Rede gewesen, vgl. oben S. 57

12. In dieser Sichtweise ist die heutige Massenarbeitslosigkeit nicht das Problem, sondern die Lösung eines Problems. Denn diese Lösung gestattet der großen Mehrheit, ihren bisherigen Interessen nachzugehen und am Modell festzuhalten, das sich nach dem Krieg unter weitgehend anderen ökonomischen, sozialen, technologischen und geopolitischen Voraussetzungen herausgebildet hat (vgl. J. Lesourne 1995, S. 153)

13. Auch das Blair-Schröder-Papier vom Juni 1999 über den sogenannten " Dritten Weg" weist der "Selbsthilfe" einen wichtigen Stellenwert zu.

14. M. Binder (1998, S. 172) stellt zwar fest, dass aus juridischer Perspektive das Institut der Arbeitsstiftung eine zu dünne normative Regelung aufweist, hält es aber für möglich, dass sie (die Stiftungen) sich gerade wegen der geringen rechtlichen Fesseln so vielfältig entfalten konnten. Hält man mit M. Foucould jedes Recht lediglich für die Kodifizierung eines gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses, so wird auch verständlich, warum es im April 1988 zu dieser Art von Kompromiss gekommen ist, der dann im Sinne jener Kräfte uminterpretiert worden ist, deren Einfluß im heute herrschenden Denken seinen Niederschlag gefunden hat.

15. Eine solche Argumentation läuft darauf hinaus, zu unterstellen, dass nie asozial sein kann, was sich aus betriebswirtschaftlicher Perspektive rechtfertigen lässt.

16. Zur Unterscheidung von mikroökonomischer und makroökonomischer Evaluierung von Beschäftigungspolitik vgl. Ch. Erhel, in: Barbier/Gautié 1998, S. 257 f

17. Vgl. "Wahrheit" vom Febr. 92: "Anschließend bedankte sich der Vorsitzende des Kuratoriums, Herr VD Dr. Peter Strahammer, bei BRV Anton Lintner für die wertvolle Arbeit..." (92/6)

18. Man beachte, dass es hier wieder um die Durchsetzung einer Sprachregelung bzw. um einen Klassifikationskonflikt geht. Der Ausdruck "aktive Arbeitnehmerpolitik" setzt die Akzente anders als jener einer "aktiven Arbeitsmarktpolitik". Darüber hinaus ist es bemerkenswert, warum es überhaupt eines neuen Begriffes für eine alte Tatsache bedarf: einziges Ziel und Existenzgrund der Arbeiterbewegung ist immer eine "aktive Arbeitnehmerpolitik" gewesen. Wenn eine solche nun eigens angesprochen werden muß, ist dies ein Indiz dafür, dass die Arbeiterbewegung (vorübergehend oder für immer) friedlich eingeschlummert ist oder definitiv ihr Leben ausgehaucht hat?

19. Damit wird in unmissverständlicher Weise ein platter Sozialdarwinismus zu einem der Leitprinzipien der oberösterreichischen Arbeitsmarktverwaltung erklärt.

20. In den hier analysierten Berichten gibt es keinerlei Hinweise auf Ansätze zu einer Kritik dieser Unterscheidung, die auch im sprachlichen Repertoire der EG-Behörden eine wichtige Rolle spielt. Zur Zweideutigkeit dieser Unterscheidung vg. J. Freyssinet (1998, S. 106 f), der darauf aufmerksam macht, dass die Qualifizierung einer Maßnahme als "aktiv" oder "passiv" eine Bewertung der damit angestrebten Ziele enthält. Diese Ziele werden jedoch unterschiedlich akzentuiert: In Schweden beispielsweise diente die aktive Arbeitsmarktpolitik nach dem 2. Weltkrieg auf der Grundlage der Anerkennung des Rechtes auf Arbeit der Unterstützung der professionellen und der geographischen Mobilität. Im Gegensatz dazu ist die aktive Arbeitsmarktpolitik der OECD darauf ausgerichtet, die Arbeitslosen bei ihrer Suche nach Beschäftigung in Bewegung zu setzen, sie zu kontrollieren und zur Annahme der auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Angebote zu bringen, auch wenn diese wenig attraktiv sind. Das heißt, außerhalb des Rahmens, in dem einzelne "Maßnahmen" stehen, ist es nicht möglich, diese als aktive oder als passive einzuordnen.

21. BEST steht für Betriebsentwicklungsstiftung

22. allerdings unter dem Vorzeichen erhöhter Konkurrenzfähigkeit der einzelnen und ihrer Bereitschaft, auch deutlich schlechtere Arbeits- und Entlohnungsbedingungen zu akzeptieren.

23. Eine Idee wird Wirklichkeit, Linz 1988, S. 52

24. Informationstheoretisch bedeutet dies, dass Aussagen, die nichts ausschließen, einen geringen Informationswert haben.

25. Die "Gewerkschaftlichen Informationen" (GLB) Nr. 99/1, S. 3 dazu: "Oberösterreich kann den traurigen Ruhm in Anspruch nehmen, Spitzenreiter bei der Streichung der Anspruchsberechtigung zu sein und weist zwar bundesweit nur 14.5 Prozent der Arbeitslosen aus, jedoch 22.2 Prozent der Streichungen der Anspruchsberechtigung. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten, die nicht mehr als 3.740 S monatlich verdienen und nicht kranken-, arbeitslosen- und pensionsversichert sind, ist in Oberösterreich von 22.720 (1995) auf 27.530 (Juni 1997) - davon 21.113 Frauen - gestiegen. Bereits 1997 lag der Anteil an der Gesamtbeschäftigtenzahl mit 5 Prozent deutlich über dem Bundesanteil von 4 Prozent".

26. Dieser wichtige neue Begriff bringt auf den Punkt, was mit Umschulung, Aus- und Weiterbildung im Kontext der Arbeitsmarktpolitik gemeint ist: Vermittlung dessen, was für Unternehmen eventuell von Nutzen sein und einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt bedeuten könnte. Mit "Bildung" im herkömmlichen Sinne hat dies alles kaum mehr etwas zu tun.

27. Die Stahlstiftung, Eine Idee wird Wirklichkeit, Linz 1988

28. Bisher vorliegende Forschungen in evaluierender Absicht beschränken sich auf die Mikroebene, d.h. die Vermittlungsrate einzelner Stiftungen, die Zufriedenheit der Beteiligten mit den verordneten Maßnahmen etc. Insgesamt gilt sicher auch für Österreich, dass mehr experimentiert als in umfassender Weise evaluiert wird (vgl. dazu Barbier/Gautié).

29. Dabei handelt es sich, wie selbst F.v. Hayek (vgl. oben S. 17) erkennen musste, um einen zentralen, allerdings auch kontrovers interpretierten Sachverhalt (siehe dazu Schelsky 1970, Castoriadis 1975, Douglas 1999, um nur einige der wichtigen Autoren zu nennen).

30. Dieser Thematik widmete erst unlängst das Journal of Economic Issues ein ganzes Heft: s. Vol. XXXIII, 1999/2

31. vgl. dazu die klare Darstellung bei P. Rossi et al., 1988, S. 36

32. vgl. Die Stahlstiftung. Eine Idee wird Wirklichkeit, Linz 1988, S. 41

33. vgl. dazu K. Dixon, Les évangélistes du Marché

34. Durch permanente Ankündigung stets neuer Massnahmen - im militärischen Jargon Gestikulationen genannt - gelingt es der politischen Klasse, die öffentliche Meinung in Atem zu halten und zumindest teilweise von der Aufrichtigkeit ihres Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit zu überzeugen (Lesourne 1995, S. 173). Ähnlich auch J. Généreux (in: Le Monde v. 24. 2. 1998, S. II), der diese Strategie, viel Lärm um Nichts zu machen, als gouvernementale Gestikulationen bezeichnet, die niemals den Kern des Problems treffen.

35. Die Schließung der Fa. Steinel Ende 1993/Anfang 1994 führte führte zum Eintritt von 200 ehemaligen Mitarbeitern/-innen dieser Firma in die Stahlstiftung

36. Soziale Wünschbarkeit (social desirability) trägt dem Umstand Rechnung, dass bei Antworten auf bestimmte Fragen im Sinne jener allgemein verbreiteten Standards reagiert wird, aus denen sich ergibt, was generell als wünschenswert anzusehen ist.

37. J. Lesourne erinnert in diesem Kontext an eine Szene aus dem ersten Weltkrieg, wo ein General einen gefallenen Soldaten mit den Worten umarmte: "Kleiner, Du stirbst für uns". In Analogie dazu stellt er sich einen Langzeitarbeitslosen der 80er Jahre vor, den vier Personen, ein Gewerkschafter, ein Unternehmer, ein Minister und ein hoher Beamter mit den Worten umarmen: "Kleiner, Du leidest, damit wir wie bisher weiter machen können" (Lesourne 1995, S. 152)

38. Die "employability", wohl besser mit "Verwendbarkeit" als mit dem schwerfälligen "Beschäftigbarkeit" zu übersetzen, ist mindestens ebenso sehr von der Struktur des Arbeitsmarktes abhängig wie von den beruflichen und persönlichen Fähigkeiten der einzelnen Personen (vgl. Demazière 1995, S. 60)

39. vgl. dazu A. Thurnher (1999, S. 71): "Der Konsum ging pleite, die unantastbar scheinende Lebensmittelgenossenschaft wurde von den Banken in den Ausgleich geschickt; noch heute erscheint es erklärungsbedürftig, wieso ein Unternehmen zahlungsunfähig gemacht wurde, das nach einer flotten Abwicklung seine Gläubiger immerhin mit mehr als einer Quote von 60-Prozent zufriedenstellte."