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Domestizierte Gewerkschaften

2 Ein außerordentlich feindseliges Terrain (S. 41 - 80)

Während eines Großteils des 19. Jhdts. gab es keine großen Unterschiede zwischen der Arbeitswelt der Vereinigten Staaten und der von England und Frankreich mit einem ähnlichen Niveau der kapitalistischen Entwicklung. Die Gewerkschaften setzten sich aus qualifizierten Arbeitern zusammen, deren Sprache und Praktiken in den USA und England/Frankreich weitgehend ähnlich gewesen sind. Diese Situation änderte sich im letzten Viertel des 19. Jhdts., als sich in überraschender Weise in den USA eine radikalere Gewerkschaft etablierte, auf breiterer Basis, und so die Entwicklung in anderen Ländern vorwegnahm. Im Verlauf der Jahre 1880 hielten viele Analytiker die amerikanische Arbeiterklasse für die in Begriffen der Organisation, des Militantismus und des kollektiven Bewußtseins am weitesten fortgeschrittene. Doch diese Entwicklung sollte nicht von Dauer sein. Denn Werner Sombart, als er um die Jahrhundertwende die USA besuchte, sprach bereits davon, daß sich die amerikanischen Gewerkschaften von den europäischen unterscheiden durch ihre Schwäche und ihren politischen Konservativismus. Das schmale gewerkschaftliche Aktionsfeld erhielt sich auch in den folgenden Jahrzehnten, und erst Ende der dreißiger-Jahre gelang es den Arbeiter, wieder mächtige Gewerkschaften zu etablieren, mit ökonomischem Gewicht und wirklichem politischen Einfluß in der Gesellschaft. Doch im Verlauf seiner Entwicklung blieb der amerikanische Syndikalismus stets geprägt von den konstitutiven Kräfteverhältnissen seiner ersten Jahre.

Für zahlreiche Kommentatoren ist die Gewerkschaft immer schwach und konservativ gewesen. Dies deswegen, weil es der amerikanischen Arbeiterklasse immer an Solidarität und Kampfbereitschaft gefehlt hat (wegen des Reichtums, den vielen Aufstiegsmöglichkeiten, der Verfügbarkeit von noch unbesetztem Land). Doch ist eine solche Sichtweise nicht nur unhistorisch, sie übersieht auch die Periode, während der sich die amerikanische Gewerkschaftsbewegung durch nichts von anderen unterschieden hatte. Vor allem bleiben unberücksichtigt die gegenseitig konstitutiven Beziehungen, welche das Kapital und die Arbeit miteinander verbinden, wozu auch die Politik des Staates gehört und deren Einfluß auf die Gestaltung dieser Beziehungen Dennoch sind es in den Vereinigten Staaten die Unternehmer (Patrone) gewesen, denen eine außerordentliche Macht zugestanden worden ist, den Gewerkschaften gegenüber ein extrem feindliches Klima zu schaffen, wobei sich der Staat offen auf die Seite der Unternehmer gestellt hat.

Wie ein Fossil in altem Gestein sind die großen Züge des amerikanischen Syndikalismus, die seinen außerordentlichen Charakter begründen, auch heute noch sichtbar, denn sie sind in die ersten Kämpfe einer Organisation Ende des 19. Jhdts. tief eingeschrieben, den "Knights of Labor" (Ritter der Arbeit). Zuerst konzipiert wie eine geheime Gesellschaft, von den in der Konfektion in Philadelphia tätigen Arbeitern 1869 gegründet, ist der "Noble and Holy Order of the Knights of Labor" (Der edle und heilige Orden der Ritter der Arbeit) eine bemerkenswert egalitäre Organisation gewesen, der alle Arbeiter in der Gewerkschaft zusammenzuführen suchte, ohne Ansehen der Qualifikation, der Rasse oder des Geschlechts. Seine explosive Entwicklung zu Beginn der 80er Jahre wurde begünstigt durch eine Reihe von Streiks gegen den Finanzier (Geldgeber) Jay Gould, eine Figur nationaler Verachtung, welche die "satanische" Macht der großen Monopolkonzerne personifizierte und symbolisierte. 1886, dem Jahr äußerst heftigen Widerstandes der Arbeiter, schufen die Knights in jedem Staat lokale Vereinigungen, erfaßten mit als 700.000 Mitglieder (nahezu 10% der industriellen Arbeitskraft), und schlugen in Dutzenden von Städten ihre Mitglieder für politische Ämter vor. Diesem erstaunlichen Erfolg war jedoch bald ein ebenso spektakulärer Niedergang beschieden: in fünf Jahren fiel die Organisation wieder auseinander, und verhinderte somit die politische Mobilisierung der Arbeiterklasse der USA für mehrere Jahrzehnte.

Der Niedergang der Knights hat für die weitere Entwicklung der amerikanischen Gewerkschaften im 20. Jhdt. eine entscheidende Rolle gespielt. Ihr Niedergang hat nicht nur die außerordentliche Macht der Unternehmer aufgezeigt, sondern gleichzeitig auch dem Gewerkschafts-Management den Weg geebnet, das viel konservativer gewesen und mit der sozial egalitären Gewerkschaft des Widerstandes (die Knights) rivalisierte. Oder genauer: die Niederlage der Knights wurde von des Anhängern eines gemäßigten und pragmatischen Syndikalismus, und Samuel Gompers, der Präsident der American Federation of Labor(AFL), denunzierte sie kontinuierlich als ein Schreckgespenst. Eine konservative Politik wurde als zielführender ausgegeben. Gleichzeitig wurde der Syndikalismus in der Art von AFL auf der institutionellen Ebene gestärkt, was die Schwierigkeiten für die folgenden Generationen vergrößerte: wie sollte unter solchen Umständen ein industrieller Syndikalismus das Risiko auf sich nehmen, breitere soziale Gruppen zu repräsentieren?

Der Lektion, welche die Niederlage der Knights darstellte, war unmißverständlich: jede Organisation auf der Grundlage einer breiten sozialer Rekrutierung und einer radikalen Politik wird zertrümmert. Dies zeigt sich deutlich auch beim Pullmann Eisenbahnerstreik 1894, der von einer für alle offenen Gewerkschaft ausgerufen worden war, der American Railway Union, unter der Führung des renommierten Sozialisten Eugene V. Debs. Es gelang, das ganze Einsbahnnetz lahmzulegen, weil alle Eisenbahner die Waggons von der Firma Pullmann boykottierten. Doch diese Gewerkschaft (American Railway Union) wurde völlig aufgelöst, weil es einer mächtigen Gruppe von Unternehmern gelungen war, die nationalen Garden zur Niederschlagung dieses Streiks zu mobilisieren. Dabei wurden 13 Arbeiter getötet, 705 gefangengenommen, darunter alle Führungskräfte der Gewerkschaft. Zu dieser Zeit griff man immer öfter auf die Truppen zurück: nach offiziellen Berichten kam es zwischen 1886 und 1895 zu 118 Militäreinsätzen, um die Agitation der Arbeiter zu unterdrücken und die Streikbrecher zu schützen. Der Pullmann - Streik stärkte die Mitglieder der AFL gegenüber den radikalen und nicht-korporatistischen Organisationen. Manche Führer der AFL bezeichneten die American Railway Union als eine Neuauflage der Knights of Labor, um daraus den Schluß abzuleiten, das in einem gewerkschaftsfeindlichen Land nur korporatistische Gewerkschaften mit einer pragmatischen Politik überleben können.

So wurde um die amerikanischen Gewerkschaften eine Schutzmauer errichtet, und dies in einem Moment größerer Transformationen der Arbeiterschaft mit erhöhten Organisationsbedürfnissen. Nach 1895 beschleunigte sich der Rhythmus der Immigration und im erste Jahrzehnt des 20. Jhdts. kam mehr Neue als je zuvor. Die Arbeiter, vorwiegend aus dem Süden und Osten Europas, wurden verschiedenen Sektoren zugeteilt. Der ethnischen Segmentation folgten große Disparitäten der Löhne zwischen qualifizierten und nichtqualifizierten Arbeitern und auch eine räumliche Segmentation zwischen den Edel-Arbeitern, die in den Vorstädten wohnten, und der ärmlichen Proleten, die in urbanen Ghettos hausen mußten. hausen mußten.

Obwohl der "einfache Syndikalismus" der AFL in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jhdts. die mächtigste institutionelle Stütze der Gewerkschaften gewesen ist, so provozierte er doch in Bewegungen wie denIndustrial Workers of the World (IWW), den Wobblies, eine symbolische Opposition. Die IWW waren alles, was die AFL nicht sein wollte. Wo sich die AFL als Vertretung der Arbeiteraristokratie präsentierte und einen pragmatischen Kurs verfolgte, praktizierten die IWW einen revolutionären Syndikalismus und wiesen jede Art von "sozialer Partnerschaft" zurück. Stolz auf ihre marginale Position wie ihr Lied: Halleluja, I'm a Bum! (Alleluja, ich bin ein Sandler!) zeigt, stürmten sie von einer Auseinandersetzung zur anderen, und bereiteten so die marginalisierten Teile der Arbeiterschaft (Immigrierte, Nicht-qualifizierte, Saisonarbeiter in der Landwirtschaft) auf die sozialen Kämpfe vor, indem sie auf das Recht der freien Rede verwiesen, obwohl als Preis dafür eine Auffüllung der Gefängnisse zu zahlen war. Die Wobblies hatten keine systematische Beitragserhebung, keine Solidaritätsfonds für die Streikenden, ihre Führungskräfte wurden häufig ausgewechselt, damit keine Hierarchien entstehen (eine ihrer Losungen: "wir sind alle Präsidenten") und sie weigerten sich, gewerkschaftliche Vereinbarungen zu unterschreiben, die Grundlage der kollektiven Verhandlungen sind. Oder anders formuliert: die Wobblies lassen sich ohne Einschränkungen als das Gegenprodukt zum Verwaltungssyndikalismus der AFL einordnen.

Das kurze Bestehen der Wobblies wie vor ihnen der Knights of Labor wurde als Beweis dafür herangezogen, daß ein revolutionärer Syndikalismus in den Vereinigten Staaten nicht von längerer Dauer sein konnte. Seit dem Ende des ersten Weltkrieges - als auch eine Streikwelle abebbte, in der mehr als vier Millionen Arbeiter sich auflehnten - führten die Unternehmerverbände, unter der Führung der American Legion, einer Gruppe von Quasi-Faschisten und Rassisten vom Ku Klux Klan und auch dem AFL eine heftige Kampagne, um die Streiks der Wobblies zu brechen, ihre Führer und ihre Militanten zu attackieren. Diese Kampagne gegen "die rote Gefahr" wurde zu einer mächtigen Waffe zur Verteidigung der sozialen Ordnung. Die mythische Aura der Wobblies wirkte noch lange nach, doch dieser Typ von Widerstands-Syndikalismus hatte in der nun folgenden langen Nacht politischer Reaktion und ökonomischer Depression (20er Jahre) keine praktischen Chancen mehr.

Aus dieser Finsternis erhob sich in den Jahren 1930 der CIO, (Congress of Industrial Organisations), eine mächtige gewerkschaftliche Bewegung, welche die Gewerkschaft als ganze transformierte. Der CIO, der in der ganzen Massenindustrie permanente lokale Vertretungen hatte, verdreifachte zwischen 1932 und 1939 den Mitgliederstand und organisierte Hunderttausende, Qualifizierte und Nichtqualifizierte. Am Ende des 2. Weltkrieges war nahezu ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung gewerkschaftlich organisiert, besonders in der Industrie der Massengüter, dem zentralen Bereich der nationalen Wirtschaft.

Die Schaffung des CIO hat nicht nur zu höheren Mitgliedszahlen geführt, sondern auch zu einer Änderung des symbolischen Stellenwertes, den die Gewerkschaften im Imaginären der Öffentlichkeit einnahmen. Früher Organisationen, die eifersüchtig die Privilegien der Qualifizierten behüteten, wandelten sie sich zu einer Bewegung des Protestes, deren Ziel die Suche nach sozialer Gerechtigkeit war. Dabei ging es nicht um die Durchsetzung einer linken Parteilinie, sondern um Taktiken zur Stärkung der sozialen Solidarität. Die Generalstreiks, welche die Städte San Francisco, Minneapolis und Toledo 1934 lahmlegten, bestätigten in verblüffender Weise die Analysen in Begriffen des Klassenkampfes, wie sie Kommunisten, Trotzkisten und andere Radikale an der Spitze dieser Bewegung anstellten. Darüber hinaus traten 1936/1937 hunderttausende Arbeiter in einen Streik der Solidarität oder streikten aus besonderem lokalen Anlaß, "um jene zu organisieren, die es noch nicht sind"!. So gelang es ihnen, Einfluß auf das Imaginäre der Öffentlichkeit zu erlangen, in dem sie aufzeigten, wie verletzbar die Unternehmer auf taktischen Druck der Arbeiter hin sind. (1)Dies war auch ein Beweis, daß es nach einem halben Jahrhundert der Taktik des Streikbrechens möglich ist, über die Unternehmer zu triumphieren. Da die Produktionsbänder mehr und mehr integriert waren, konnte schon eine kleine disziplinierte oppositionelle Gruppe eine ganze Fabrik stillegen. Dies umso leichter, als Tausende mit den Streikenden sympathisierten und die Kenntnis der Maschinen bei den Arbeitern größer war als bei den Unternehmern.

Der politische Charakter des CIO zeigte sich ebensosehr in der Form der Mobilisierung wie in der ideologischen und politischen Ausrichtung ihrer Führung: über diese Reihe von Streiks, sei es aus Gründen der Solidarität oder aus einem bestimmten Anlaß, wurden deutlich die Unterschiede zur AFL sichtbar. Damit war eine Kultur der Solidarität entstanden, um bestimmte Ziele durchzusetzen, wobei es um einen unzweideutigen Positionsbezug gegen die bestehende Ordnung ging, mit dem gleichzeitig auch die Bedingungen eines symbolischen Kampfes gegen den Kapitalismus geschaffen wurden. In einer Gesellschaft, in der die antikapitalistischen Kräfte keine wirkliche Anerkennung fanden, bedeutete dies einen großen politischen Erfolg. Doch im Vergleich mit dem, was sich in den 30er Jahren auch anderswo ereignete, was die Bewegung des CIO keineswegs etwas Außergewöhnliches.

Die Geschichte der Arbeitswelt der Nachkriegsjahre ergibt sich direkt aus dem 2. Weltkrieg. Der "Kriegszustand" war in gleicher Weise Kontext und Prätext (Vorwand), den Militantismus der amerikanischen Arbeiter und die solidarischen Industriegewerkschaften abzuwürgen. Die Teilnahme am globalen Konflikt verlangte eine Erhöhung der Produktion. Appelle an den Patriotismus und an nationale Einheit waren wichtige ideologische Stützen zur Durchsetzung institutioneller Reformen, auf deren Grundlage dann das System der sozialen Partnerschaft der Nachkriegsjahre sich entwickelte.

Während des Krieges ergriffene Maßnahmen hatten einen großen Einfluß auf den Syndikalismus der Nachkriegszeit. Zunächst wurde ein bürokratisches System zur Lösung von Konflikten eingerichtet: eine "industrielle Jurisprudenz" (Rechtsordnung), begleitet von Verpflichtungen zur Aufrechterhaltung der Produktion zugunsten des Patronates. In der Folge dienten die Kriegsmaßnahmen in der Industrie dazu, den Graben zwischen gewerkschaftlicher Basis und Führung zu vertiefen, die sich den Unternehmern annäherte und mit der neuen institutionellen Legitimität äußerst zufrieden war. Die Konsequenzen dieses Prozesses zeigten sich nicht unmittelbar, sondern erst später.

Die Domestizierung der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung (S. 52 - 61)

Am Ende des Krieges befanden sich die Vereinigten Staaten in einer beneidenswerten Lage: sie befanden auf dem Höhepunkt ihrer Produktionsfähigkeit, während ihre europäischen Konkurrenten ruiniert waren und von vielen Schulden belastet. Die Idee eines "amerikanischen Jahrhunderts" - eine Prophezeiung von vor dem Kriege - war nicht mehr zurückzuweisen, alle Bedingungen dafür waren gegeben. Der amerikanische Kapitalismus hatte dennoch zwei schwere Probleme zu lösen, wie Charles F. Wilson, der Präsident derGeneral Electric Corporation formuliert, als er Mitglied des Kabinetts von Truman wurde: "Rußland im Außenbereich, die Gewerkschaften bei uns". Das erste Problem hing mit dem Respekt zusammen, den sich die Russen im Krieg gegen Hitler erworben hatten. Dies bedeutete langfristig eine Gefahr für den amerikanischen Kapitalismus und seine Absichten, die internationalen Märkte zu dominieren. Das zweite bestand im Verlust der Kontrolle, welche die Unternehmer über die Industrie ausübten. Dieser Prozess hatte begonnen mit dem Militantismus der CIO, sich in wilden Streiks während des Krieges fortgesetzt, nach dem Krieg eine neue Schärfe erhalten, um an die neue Situation der Arbeiter zu erinnern Die Mehrheit der Unternehmer sah sich längerfristig im neuen Militantismus unter dem Banner der CIO einer neuen Gefahr gegenüber.

Der Antikommunismus der Nachkriegszeit ist in vieler Hinsicht der Schlüssel zur Lösung beider Probleme gewesen. Der Maccarthiismus zielte auf die verschiedenen Segmente der Gesellschaft, auf Militärs und Beamte, auf Universitätspersonal und Künstler, doch die schwersten Konsequenzen hatte er für die Gewerkschaftsbewegung. Die besonders darauf ausgerichtete Waffe war ein Gesetz, der Taft-Hartley Act, über den 1947 abgestimmt worden ist. Entworfen von einer Gruppe von Unternehmens-Juristen, unterstützt von einem willfährigen Kongress, zielt dieses Gesetz nicht nur auf die Elimination von Kommunisten aus der Gewerkschaft, sondern auch auf die Beseitigung der Bestimmungen eines früheren Gesetzes, des National Labor Relations Act, das im vorangehenden Jahrzehnt die Gewerkschaftsbewegung begünstigt hatte.

Die Konsequenzen des Taft-Hartley Gesetzes waren verheerend. Denn es erlaubte, die "Garantie der Rechte der Gewerkschaft" spürbar zu schwächen, und dies auf dreifache Art und Weise.

Erstens dadurch, daß es die "closed shop" - Regelung für illegal erklärte. Dadurch erhielten die Unternehmer die Kontrolle über den Arbeitsmarkt. Zweitens dadurch, daß es jedem Staat erlaubt, Gesetze zu erlassen, welche auf ihrem Territorium die Rechte der Gewerkschaften noch zusätzlich einschränken. So entstanden auf legaler Basis Territorien, in denen es Gewerkschaften gab oder nicht. Seit 1947 gibt es in 20 Staaten, meistens im Süden oder Mittleren Westen, diese Gesetzte des "Rechts auf Arbeit", welche die Weiterexistenz von Gewerkschaften sehr erschweren. Daher haben sich die großen amerikanischen Firmen schon seit langem in diesen Staaten etabliert, eine Art interner "Bananenrepubliken", die heute einen wichtigen Teil des amerikanischen Territoriums abdecken. Die dritte Art, die Gewerkschaften zu schwächen, bestand darin, die Schaffung und Erhaltung einer gewerkschaftlichen Organisation in einem Unternehmen von einem Wahlprozedere abhängig zu machen, das von der Regierung überwacht wurde. D.h., die Gewerkschaften hatten ihre Existenz außerhalb ihres unmittelbaren Kontextes der sozialen Forderungen zu begründen: bei der offiziellen Bürokratie des Staates. Damit erschöpfte sich alle kollektive Energie in Reglementierungen, Individualismus und Atomisierung. Die Autorität wurde damit immer an die oberen Stellen der Hierarchie delegiert, während die Vorarbeiter nicht mehr das Recht hatten, eine Gewerkschaft zu gründen oder Mitglied einer solchen zu sein.

Eine der wichtigsten Konsequenzen dieses Gesetzes, das die einseitige Entwaffnung der Arbeiter bedeutete, bestand in der Einschränkung des Rechtes, zum Streik aufzurufen, so daß dieses Mittel der kollektiven Aktion einen Großteil seiner Wirkung verlor. Solidaritätsstreiks und Boykotte, zwei in der Vergangenheit wirksame Aktionsformen, wurden verboten und der Präsident der Vereinigten Staaten konnte sich nun jederzeit in einen Streik einschalten und eine 80-tägige Unterbrechung des Streiks verordnen, womit er offen die Sache der Streikbrecher unterstützte. Die Position der Unternehmer wurde auch dadurch gestärkt, daß die Streikbrecher einen Wahlvorgang verlangen konnten, um die Existenzbewilligung der bestehenden Gewerkschaft in Frage stellen zu können. Es gab so praktisch keine Möglichkeiten mehr, gegen die Streikbrecher irgend etwas zu unternehmen.

Der Text des Gesetzes verpflichtete die Spitzen der Gewerkschaft, sich wilden (spontanen, oft kurzen, durch die Basis organisierten) Streiks entgegenzustellen. Sie konnten festgenommen oder zu einer Geldstrafe verurteilt werden, wenn es ihnen nicht gelang, ihre Autorität durchzusetzen, was der Distanz zwischen Spitze und Basis nun noch eine offizielle Begründung brachte. Damit wurde das Ziel verfolgt, den weniger Militanten alle Macht zu übertragen und müde, ineffiziente Formen gewerkschaftlicher Betätigung vom Gesetz her zu begünstigen.

Die antikommunistischen Klauseln des Gesetzes richteten sich direkt gegen den Radikalismus, der bei der Gründung der CIO und der gewerkschaftlichen Arbeit im Inneren der Betriebe eine so große Rolle gespielt hatte. Alle Funktionäre der Gewerkschaft hatten einen antikommunistischen "Schwur der Loyalität" zu leisten. Diese Klausel trieb eine ganze Generation von Gewerkschaftsverantwortlichen in die Defensive, weil ihren Aktivitäten in den 30er Jahren eine Nähe zum Kommunismus unterstellt werden konnte.

Obwohl die Kommunisten und andere Radikale bei der Gründung der CIO eine zentrale Rolle spielten und auch später mustergültige Gewerkschafter geblieben sind, funktionierten die Gewerkschaften kommunistischer Zugehörigkeit auf sehr konformistische Art und Weise. Sie hielten sich an ihr Versprechen, während des Krieges nicht zu streiken, so daß Business Week 1944 schreiben konnte: sie sind die zuverlässigsten.

In der ersten Zeit haben die Gewerkschaften zum Ungehorsam gegen das Gesetz Taft-Hartley aufgefordert. John L. Lewis, der große Führer der Bergarbeiter, verurteilte es als "die erste schreckliche Bedrohung des Faschismus in Amerika", und einige große Demonstrationen fanden statt. Wenn die Führung des CIO auch die Unterschrift verweigerte, so erkannte sie doch die verheerenden Konsequenzen dieses Gesetzes für ihre Organisation. Denn eine solche Verweigerung bedeutete, daß es keinerlei Schutz mehr für die gewerkschaftlichen Rechte gab und die Gewerkschaften somit den Unternehmern ausgeliefert waren. Außerdem konnte, wer nicht unterschrieb, nicht mehr für Wahlen kandidieren.

Auch gewerkschaftsinterne Zwistigkeiten schwächten den Widerstand gegen das Gesetz, als die Gemäßigten begriffen, daß sie sich mit den antikommunistischen Klauseln dieses Gesetzes der radikalen Elemente entledigen konnten. In einer Periode nationaler Hysterie wurden elf rote Gewerkschaften aus dem CIO ausgeschlossen.

Rückblickend kann man sich nur schwer einen verhängnisvolleren Angriff als dieses Gesetz vorstellen. Denn es reduzierte nicht nur die Präsenz der Gewerkschaften in der Gesellschaft, sondern limitierte auch die Möglichkeiten, wie Gewerkschaften aktiv sein konnten. Nach dem Gesetz war die Waffe des Streiks praktisch wirkungslos, die Militanten waren vom Ausschluß bedroht. Das Gesetz diente dem alten Ziel der Unternehmer: die gewerkschaftlichen Organisationen von allen radikalen Elementen zu säubern. Institutionell konnten die Gewerkschaften überleben, solange sie den kommerziellen Interessen nicht im Wege standen.

Das Gesetz war nützlich für die Unternehmer, wurde aber auch von einem Teil der Gewerkschaften selbst verteidigt. Denn die Gewerkschaften hatten als Gegenleistung für Verzicht auf ihre wirksamsten Waffen eine bestimmte Stabilität erlangt, die ein bescheidenes Wachstum ermöglichte. Dieser "Knopfdruck-Syndikalismus", gekennzeichnet durch bürokratische Prozeduren, routinisierte Konfliktregelung und automatische Beitragserhebungen war attraktiv für jene Gewerkschafter, die den sozialen Kampf nie wollten, dafür hohe Löhne bekamen, Sozialleistungen und den Titel eines "labor statesman" (Arbeits-Staatsmann). Diese alle weinten wenig dem nach, was das Taft-Hartley-Gesetz unterdrückt hatte.

Die entstandene Ruhe in den Arbeitsbeziehungen wurde nun von manchen Intellektuellen als neuer "contract social" (Sozialvertrag) interpretiert. Diese Schönwetter-Soziologie verkündete einen neuen sozialen Konsens, das Ende von Ideologie und Klassenkampf in einer postindustriellen Gesellschaft, in welcher der Konsument den Produzenten in der Rolle des höchsten symbolischen Subjektes verdrängt hatte. Das Gesetz Taft-Hartley, obwohl offensichtlich ein Ausdruck des Klassenkampfes, wurde als Vereinbarung zu seiner Überwindung ausgegeben.

In der Welt der Intellektuellen der Nachkriegszeit bedingten sich soziale Fakten und soziale Fiktionen gegenseitig in einer Art, daß sich eine Sicht der Gesellschaft einbürgerte, die mit den Interessen der Mächtigen konform ging. Sowohl ideologisch wie auch praktisch ist die Domestizierung der Gewerkschaften eine Vorbedingung sowohl für die Ausweitung des Kalten Krieges wie auch der diesen begleitenden Konsumexplosion gewesen. Diese beiden Phänomene verlangten nach einer gelehrigen Gewerkschaft, um die industrielle Ordnung abzusichern (Waffen- und Konsumgüterproduktion) und eine Grundlage für den kompetitiven Individualismus zu schaffen, der gleichzeitig die Sichtweise einer klassenlosen Gesellschaft stärkte. Während des Maccarthiismus war das Wort vom Klassenkampf verpönt, und nach den Jahren der Entbehrung schien der Massenkonsum mehr die Realisierung des "amerikanischen Traumes" zu sein als der Ausdruck der sozialen Differenzierung. Es ist eine Ironie der Geschichte, daß im Imaginären, das der amerikanische Kapitalismus in der Zeit nach dem Kriege errichtete, die Mittelklasse die universelle Klasse zu sein schien: eine leicht zugängliche Position, mit dem Erwerb von Konsumgütern (Auto, Haus, Geräte für den Haushalt). Während die Rede vom souveränen Konsumenten dominierte, verschwand die Armut nahezu völlig aus dem Diskurs und dem öffentlichen Bewußtsein, obwohl 25% der Bevölkerung unterhalb der Armutsschwelle lebten.

Die Praktiken des Gewerkschaftsmanagements (S. 61-68)

Im Gegensatz zur AFL, die immer den amerikanischen Imperialismus unterstützt hatte, schien der CIO für eine gewisse Zeit eine institutionelle Opposition zu dieser Politik zu bilden. Doch nach dem Gesetz Taft-Hartley verflüchtigte sich jede Hoffnung auf ideologische Unabhängigkeit, und 1955, im Augenblick der Fusion der beiden Verbände, bestand Übereinstimmung über die Rolle der USA in der Welt. In der Folgezeit unterstützten AFL-CIO nicht nur die amerikanische Außenpolitik (d.h. die Interessen der amerikanischen Firmen), sondern auch die Suprematie der USA in der Welt.

Auf Grund des Einflusses des American Institute for Free Labor Developpement (AIFLD), einer Scheinorganisation, welche Verbindungen der Gewerkschaft zur CIA, zum Außenministerium und den amerikanischen Firmen herstellte, wurden die amerikanischen Gewerkschaften zum Komplizen einer weltweiten Eliminierung des radikalen Syndikalismus, besonders in Lateinamerika, wo die Konterrevolution die Etablierung neuer Beziehungen zwischen US-Firmen und Großgrundbesitzern etc. ermöglichte. Die Ausdehnung der "freien Gewerkschaften" war ein Ausdehnung der von allen linken Elementen gesäuberten Gewerkschaften, und AFL-CIO waren enthusiastische Kämpfer im Kalten Krieg.

Gleichzeitig gab es in dieser Zeit wichtige Konflikte zwischen Gewerkschafsführung und der Basis. Denn während die Zahl der Streiks in den Jahren 1960 und 1970 zunahm, verringerte sich wegen des Taft-Hartley-Gesetzes ihre Wirksamkeit. Dies schloß jedes Moment der Überraschung aus und sicherte den Unternehmern die Produktion ab und gab ihnen alle Möglichkeiten, sich für künftige Streiks vorzubereiten. Neben und gegen die "offiziellen Streiks" organisierte die Basis aber auch "wilde Streiks" zur Lösung unmittelbar anstehender Probleme (erhöhte Kadenzen, Belästigung durch die Hierarchie, Kündigungen, Gefährdungen am Arbeitsplatz etc). Derartige wilde Streiks wurden weder von der Spitze der Gewerkschaften noch von den Unternehmern kontrolliert und brachten beide in Schwierigkeiten: die einen, weil sie vertraglich verpflichtet waren, gegen Streiks zu sein, die anderen wegen Ausfällen in der Produktion.

Zu solchen wilden Streiks kam es in den Jahrzehnten nach dem Kriege häufig in verschiedenen Bereichen der Industrie, besonders oft bei den Bergarbeitern, den Metallarbeitern und in der Autoindustrie. Sie waren eine Art "praktische Kritik" des "Sozialvertrages", ein alternativer Weg der Konfliktlösung, wenn die bürokratischen Wege nicht zielführend waren.

An einem gewerkschaftlich organisierten Arbeitsplatz ist ein Streit eine offiziell eingebrachte Klage gegen eine Verletzung der gewerkschaftlichen Vereinbarungen. Der Streit wird geregelt in einer pyramidalen Anordnung von Instanzen. Er beginnt mit einer Auseinandersetzung zwischen Arbeiter und Vorarbeiter, und wenn sich keine Lösung findet, geht er auf eine höhere Ebene. Oft sind alle fünf Ebenen involviert, was dann Jahre dauern kann. Dieser Prozess ist soziologisch bedeutsam, weil der Streit umso entpersonalisierter ist, je höher die Ebene ist, auf der verhandelt wird. Obwohl dieses System den Anschein der Effizienz hat, verschiebt es die Auseinandersetzungen auf die Ebene der Bürokraten, was von den Arbeitern als "Klassenkampf mit anderen Mittel" empfunden wird. Probleme werden nicht rasch an Ort und Stelle gelöst, sondern anderswohin verlagert.

Wilde Streiks sind das Gegenteil bürokratischer Konfliktlösungen. Militante Gruppen haben diese Streiks organisiert, die gleichzeitig auch Anlaß waren, daß sich militante Gruppen bildeten. In den 70er Jahren waren diese Streiks, lokal organisiert, eine große Herausforderung für die Gewerkschaftsführungen und fanden oft auch ein nationales Echo. Denn sie repräsentierten jene Teile der Bewegung, welche die Gewerkschaften selbst eliminierten, um eine dem Kapitalismus zweckdienliche Position einzunehmen.

Trotz dieser Umstände ist das Gewerkschaftsmanagement in dieser Zeit nicht völlig nutzlos gewesen, besonders zur Zeit der ökonomischen Expansion. Denn in der Beschränkung auf die Frage der Löhne und gewisser sozialer Rechte leisteten die Gewerkschaften einen Beitrag zur inneren Stabilität der Unternehmen. So lange das Wirtschaftswachstum dauerte, wuchsen auch die Löhne. So erhöhten sich in der Periode zwischen 1950 - 1965 die durchschnittlichen Stundenlöhne in der Industrie um 81% (wobei anzumerken ist, daß der real verfügbare Wochenlohn eines Arbeiters in dieser Periode um 31% gestiegen ist), während die nicht-monetären Anteile des Lohnes (Sozial- und Altersversicherung, Urlaub, Krankenstand etc.) eines Arbeiters von 17% im Jahre 1951 sich ebenfalls erhöhten, in einigen großen Industriebetrieben im Jahre 1981 bis auf mehr als 50%.

Ende der 60er Jahre begannen sich die Dinge zu ändern. Die für einen ganzen Industriezweig geltenden Vereinbarungen wurden seltener, der Anstieg der Löhne erreichte seinen Plafond und die Löhne begannen wieder zu sinken. Die 70er Jahre brachten eine ständige Erosion der Kaufkraft mit sich, so daß es nötig wurde, länger zu arbeiten, mit dem Einkommen anderer Familienmitglieder zu rechnen und Kredite aufzunehmen, um nicht den Lebensstandard senken zu müssen. (2)

Die Zerschlagung des "Sozialvertrages" (S.68-75)

Die Nachkriegsjahre erwiesen sich für die Geschäftswelt als äußerst günstig. Eine blühende Wirtschaft und eine gelehrige Gewerkschaft, die dafür sorgte, daß es keinen inneren Widerstand gegen die kapitalistischen Ziele gab. Dies begünstigte die weltweite Ausbreitung der großen Unternehmen. Mit dem Beginn der Rezession blieb den Gewerkschaften nichts anderes übrig, als die Argumente des Patronates (der Unternehmerschaft) zur Kenntnis zu nehmen.

Es ist daran zu erinnern, daß sich in den 70er Jahren in den höheren Sphären der amerikanischen Gesellschaft ein ungutes Gefühl auszubreiten begann: Vietnam zerstörte den Mythos der Unbesiegbarkeit der US-Armee, die erste Ölkrise 1973 deckte die Verletzlichkeit der kapitalistischen Wirtschaft auf, und im Ausland erzeugte Produkte stellten die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie in Frage. Die fordistische Utopie, ein perfekter Kreislauf von Produktion und Konsumation, verlor ihre Glaubwürdigkeit. So beschlossen die Unternehmer, die Kräfteverhältnisse zu transformieren. Daher das Magazin Business Week 1974: "....viele Amerikaner haben Mühe, die Pille zu schlucken - zu akzeptieren, mit weniger auszukommen, damit der großen Industrie mehr bleibe.....In der neueren Geschichte der Wirtschaft gibt es keine der jetzigen vergleichbaren Aufgabe, die Leute dahin zu bringen, sich der neuen Realität anzupassen".

Im Verlauf der 80er Jahre kam es zu gravierenden Änderungen der Regeln für die kollektiven Verhandlungen. Denn die Unternehmer begannen, in früheren Kämpfen erfochtene Garantien und Vorteile der Arbeiter wieder zurückzunehmen. Die Unternehmer begriffen recht rasch, wie wirksam die Drohung mit der Schließung des Betriebes war. Mit der Revision der ehemals soliden gewerkschaftlichen Verträge wurde auch die Erwartungshaltung der Arbeiter nach unten gedrückt. Während der Rezession 1980-1983 nützte das Patronat die steigende Arbeitslosigkeit dazu aus, bestehende gewerkschaftliche Verträge außer Kraft zu setzen. Am Ende der Rezession war das traditionelle System der für ganze Branchen geltenden Verhandlungen zerschlagen. Damit hatten die Unternehmer die Hände frei, die Schraube noch weiter anzuziehen, und die Arbeiter gegeneinander auszuspielen.

Die Führungen der Gewerkschaften verwiesen auf den schlechten ökonomischen Zyklus. Ihre traditionell eingenommene Position der Komplizität erlaubte es ihnen nicht zu begreifen, daß sich die Unternehmer auf einen letzten Kampf eingestellt hatten: die vollständige Zerschlagung der Gewerkschaften.

Ein besonders markanter Punkt in diesen Bestrebungen ist 1981 der heftige Angriff von Präsident Reagan

gegen die Gewerkschaft der Luftraum-Kontrolleure (Professional Air Traffic Controllers Organization, PATCO) gewesen. Obwohl diese Gewerkschaft seine Wahl unterstützt hatte, ordnete er bei einem Streik die Entlassung der 11345 streikenden Kontrolleure an und deren unmittelbare Ersetzung durch andere. In der Folge wurde auch die Zulassung der Gewerkschaft aufgehoben, die damit aufhörte, ein legaler Gesprächspartner bei Verhandlungen zu sein.

Damit war ein totales Debakel entstanden. Der Präsident der AFL-CIO beteiligte sich symbolischerweise bei der Streikwache der PATCO und mehrere Gewerkschaftsführer von Luftlinien drohten mit der Stillegung von Flughäfen, doch de facto zeigte sich keinerlei spürbare Solidarität. Gesamthaft bedeutete dies eine spektakuläre Demütigung der Gewerkschaftsbewegung, die gleichzeitig auch den Grad an ökonomischer Gewalt aufzeigte, welche der Staat entfalten kann, wenn er auch den Schein der Neutralität nicht mehr wahren will.

In der Folge nahm die Schärfe der Kampagnen von seiten des Patronates noch zu. Die offiziell autorisierten Streiks, bereits entschärft durch das Taft-Hartley-Gesetz, wurden fortan als Gelegenheit betrachtet, sich der Gewerkschaften völlig zu entledigen. So schürten die Unternehmer die Streikbereitschaft, um dann die Gewerkschaften durch ein Programm von vier Punkten zu zerstören:

1/ die Verhandlungen in eine Sackgasse führen: lediglich über Banalitäten, aber nicht über die eigentlichen Probleme zu sprechen

2/ den Streik zu provozieren: bei Verweigerung jeder Kompromißbereitschaft das Datum des Auslaufens des Gewerkschaftsvertrages vorzuverlegen. Damit muß die Gewerkschaft entweder die Bedingungen des Patronates akzeptieren oder den Streik ausrufen, wobei die Lohnabhängigen selber meistens dem Streik den Vorzug geben

3/ "Ersatzarbeiter" einstellen: wenn die Gewerkschaften in die Streikfalle tappen, wird sofort anderes Personal angeheuert, damit die Produktion weiterläuft (in den USA besteht zwar ein vermeintliches Recht auf Streik, doch hat das Patronat das Recht, die Streikenden auf Dauer durch andere zu ersetzen)

4/ den Streik zu brechen (und auch die Gewerkschaften zu zerstören): die Ersatzarbeiter werden diskret dazu aufgefordert, eine Wahl zur Zurücknahme der Akkreditierung der Gewerkschaft zu verlangen. Wenn der Streik ein Jahr gedauert hat, sind nur noch die Ersatzarbeiter wahlberechtigt.

Die Zahl derartiger Streiks läßt sich nicht genau angeben, doch steht fest, das die Zahl der jährlichen Wahlen zur Zurücknahme der Akkreditierung der Gewerkschaften von 200 am Ende der 60er Jahre auf jährlich mehr als 800 in den 80er Jahren gestiegen ist. Von oben angeregte Streiks gab es vor allem bei kleineren Unternehmen, deren Betriebe in einer einzigen Region angesiedelt gewesen sind.

Gesetzeswidrige Gewerkschaften (S. 75-79)

Mitte der 80er Jahre ist eine seltsam blühende Industrie entstanden. Es geht dabei um juridische Beratung: Gruppen der Unternehmensberatung, private Sicherheitsdienstleistungen, um Seminare und Handbücher, die sich mit dem neuen Problem der Unternehmer beschäftigen: "wie kann man die Gewerkschaften einschränken". Ihre Arbeit hat zu einer gigantischen Spirale der Gewalt und sozialen Unruhe geführt: in ganz Amerika sind Tausende von Gewerkschaftern in lange und aussichtslose "Kämpfe bis zum Tod" verwickelt worden, auf die sie vom Gewerkschaftsmanagement schlecht vorbereitet worden sind. Zwar gezwungen, die Gewerkschaft zu verteidigen, weil dies ihr Arbeitgeber war, hat diese Führung Gewerkschaften geleitet, die kaum diesen Namen verdienten. Die Streiks, zu denen die neue Politik führte (in den Kupferbergwerken von Arizona, den Kohlebergwerken von Virginia, den Aluminiumfabriken in Westvirginia, den Papierfabriken von Maine und Wisconsin, den Zeitungen in New York und Detroit, bei den Bus-Chauffeuren und den bei der Flug-Gesellschaften Beschäftigten), war besonders gekennzeichnet durch die Solidarität und den Militantismus, besonders dann, wenn die Ersatzarbeiter schon eingestellt waren und die Möglichkeiten eines kollektiven Rückzugs nicht mehr gegeben waren.

Aus den verfügbaren Statistiken geht klar hervor, daß die Gewerkschaften große Verluste erlitten haben. Doch hat es den Anschein, daß selbst die Statistiken als Waffe mißbraucht worden sind. So hat zwischen 1979 und 1982, der Zeit der schärften Offensive des Patronates, das Amt für Statistik die Angaben über die Streiks in signifikanter Weise nach unten revidiert.

Eine der wichtigsten Waffen des Patronats, deren es sich auch heute noch bedient, ist die systematische und präventive Strategie, die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft zu verbieten. Dabei profitiert das Patronat von einer Prozedur, an deren Etablierung es selbst beteiligt gewesen ist, nämlich lächerlich kleine Strafen für Entlassungen und Einschüchterungen zu riskieren. Sie haben lediglich den geschuldeten Lohn zu zahlen, was das Ganze zu einer guten Investition werden läßt. Daher werden jedes Jahr zehntausend militante Gewerkschafter gekündigt, wobei es überdies noch 20.000 Fälle von "Praktiken deloyaler Arbeit" gibt, in denen das Patronat in illegaler Weise die gewerkschaftliche Vertretung behindert.

Trotz diesen illegalen Aktivitäten haben es die Unternehmer gar nicht nötig, die Gesetze zu verletzen. Denn es gibt zahlreiche andere Mittel, jede gewerkschaftliche Vertretung des Personals zu verhindern. So wissen die Berater in Sachen Anti-Syndikalismus sehr wohl darum Bescheid, daß je später die Wahlen angesetzt sind, das Patronat umso eher Zeit dazu hat, die Resultate zu beeinflussen, sei es durch Drohungen, Versprechen, plötzliche Lohnerhöhungen, Überwachung der Einstellung neuer Mitarbeiter im Hinblick auf ihre Nähe zu den Gewerkschaften. Und selbst dann, wenn Wahlen stattgefunden haben, kann es Jahre dauern, bis ein offizielles Verhandlungsergebnis publiziert wird.

Eine andere, weit subtilere Taktik der Unternehmen: sie investieren mehr und mehr in Betriebe ohne gewerkschaftliche Vertretung, die zur gleichen Gesellschaft gehören und in gewerkschaftsfeindlichen Staaten ihren Sitz haben. Da das Arbeitsrecht in die Kompetenz der Einzelstaaten fällt, gibt es in mehreren Staaten des Südens und Westens Regelungen, welche das Recht auf gewerkschaftliche Vertretung keineswegs garantieren. Daher verlagert eine große Zahl von Unternehmen ihre Aktivitäten in diese Staaten mit der Folge, daß die Staaten des Nordens und mittleren Westens, wo die Gewerkschaften präsent sind, 1,5 Millionen Arbeitsplätze und 40 Milliarden $ an Löhnen verloren haben, zum Vorteil der anderen Staaten.

Diese nicht offizielle Politik wird auch noch heute nach wie vor verfolgt, was zur Folge hat, das die nicht gewerkschaftlich organisierten Betriebe technologisch besser ausgestattet sind, und jene mit gewerkschaftlicher Vertretung hingegen geraten in Rückstand. Die Konsequenzen dieser Manöver des Patronates sind für die Gewerkschaften katastrophal gewesen: im Jahre 1995 betrug der Grad der Syndikalisierung kaum mehr 10%, also niedriger als 1935, vor der Schaffung des NLRB. In absoluten Zahlen: zwischen 1978 und 1995 verringerte sich die Zahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter um 4 Millionen. Der Rückgang war besonders stark bei der Industriearbeiterschaft, dem früher aktivsten Milieu. Die UAW (United Auto Workers), mit 1,4 Mio. Mitgliedern vor dem Krieg, hatte 1995 nur noch 751.000, in der Metallurgie veränderten sich die Zahlen von 1.069.900 auf 403.000, und die Bergarbeitergewerkschaft, von der aus John L. Lewis die CIO gegründet hatte, war nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Warum verweigerte das amerikanische Patronat die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, während in Europa eine Kooperation zwischen Patronat und Gewerkschaft möglich gewesen ist? Eine der Erklärungen dieses Phänomens ist im Unterschied des institutionellen Kontextes zu sehen - also in der Logik des Profites. In Europa ist die soziale Sicherheit eine öffentliche Angelegenheit, vom Gesetz her garantiert und finanziert von der Gesamtheit der Unternehmer und der Steuerpflichtigen. Darüber hinaus gibt es einen zentralisierten Verhandlungsprozess, und die für die Arbeit zuständigen Minister suchen oft nach sektoriell gültigen Regelungen. Das europäische Patronat hat also bei einer Zerstörung der Gewerkschaften oder bei Verweigerung der Kooperation sehr viel weniger zu gewinnen. Im Gegensatz dazu bringt in den Vereinigten Staaten, wo die soziale Sicherheit privat geregelt ist (und nur für gewerkschaftlich organisierte Arbeiter gilt), die Zerstörung der Gewerkschaften den Unternehmern große Profite.

Darüber hinaus sind in den Vereinigten Staaten die Möglichkeiten der Opposition gegen die Gewerkschaften immer schon viel größer gewesen. Auch wenn das europäische Patronat den Gewerkschaften gegenüber feindselig eingestellt ist, so hat es doch weniger gesetzliche Mittel, gegen sie anzugehen. In den US hingegen gibt es dazu zahlreiche Möglichkeiten.

Am Rande des Untergangs (S. 80)

Alles deutet darauf hin, daß der amerikanische Syndikalismus strauchelt, wegen der Schläge wankt, die daß Patronat ihm seit zwei Jahrzehnten verabreicht. Im Jahre 2001 sind im Privatsektor nur noch 9% der Arbeiter gewerkschaftlich organisiert, (im öffentlichen Sektor, der jedoch weit weniger wichtig ist, sind es noch 37%). Das Ziel der Unternehmer, eine "von den Gewerkschaften befreite Umwelt", ist noch nicht erreicht, doch die amerikanische Gesellschaft ist einerseits mit einer offensichtlichen Umverteilung des Geldes (von unten nach oben) und der institutionellen Macht der Arbeiterklasse (von oben nach unten) andererseits konfrontiert. Der Niedergang der Gewerkschaftsbewegung ist dabei gleichzeitig Ursache und Wirkung.

In dieser gefährlichen Situation des eigenen Untergangs hat sich die etablierte Gewerkschaftsbürokratie recht ruhig verhalten. In diesem Vakuum haben sich nun neue Kräfte formiert und einen neuen Raum der politischen Aktivität für gewerkschaftliche Ansprüche gefunden. Diese Tendenzen sind sehr vielversprechend.