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  Arbeit und Arbeitslosigkeit - Beschäftigungspolitik

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Beschäftigungspolitik

Das Folgende ist die nur leicht gekürzte Übersetzung der Einleitung zu J.C. Barbier / J. Gautié (Les politiques de l'emploi en Europe et aux Etats-Unis, Paris 1998), die gleichzeitig die Funktion einer Zusammenfassung des Sammelbandes hat.

Obwohl die staatliche Beschäftigungspolitiken (BP) in vielen europäischen Ländern seit der 90er Jahren eine enorme Ausweitung erfahren haben, gibt es dazu paradoxerweise nur eine beschränkte Anzahl theoretischer und empirischer Arbeiten. Dies gilt besonders für den Bereich der Wirtschaftswissenschaften, wenn man die Arbeiten vergleicht, die sich in den letzten fünfzig Jahren mit der Politik der makroökonomischen Regulierungen befassen und auch heute noch im Vordergrund des Interesses stehen. Dies ist umso erstaunlicher im Fall der europäischen Länder, als sich hier seit den 80er Jahren die Rolle der Budget- und Geldpolitik verringert hat und somit mehr Raum gelassen hat für andere Typen von Interventionen, wobei an erster Stelle jene stehen die der Beschäftigung gelten.

Dieses Paradox ergibt sich vor allem aus den Schwierigkeiten, ein eindeutig klares Objekt zu erkennen: denn die BP verweisen auf eine Vielzahl von Instrumenten und unterschiedliche Ziele. Eine einfache Definition könnte davon ausgehen, dass die BP die Gesamtheit der öffentlichen Interventionen auf dem Arbeitsmarkt sind, deren Ziel es ist, eventuelle Ungleichgewichte zu korrigieren, und/oder deren negative Konsequenzen einzudämmen. Eine solche Begrenzung des Operationsfeldes ist jedoch zu weitläufig und kann Anlass zu vielen Kontroversen sein. Eine solche Bestimmung führt dann rasch zur üblichen Unterscheidung (in Anlehnung an die Besonderheiten der OECD-Sprachregelung) von aktiven (Subvention von Beschäftigung, Ausbildung, Hilfen zur Arbeitssuche...) und passiven BP oder auch Einkommensgarantien (Frühpension, Arbeitslosengeld). Die Kritik dieser Unterscheidung hat eine lange Tradition: sie führt dazu, sich auf jene Maßnahmen zu konzentrieren, die mit öffentlichen Ausgaben verbunden sind und dabei Interventionen iuridischer Art und/oder andere Regulierungen zu übersehen, aber auch die allgemeine Politik, wie z.B. die Behandlung der indirekten Kosten der Arbeit zu ignorieren; auf der anderen Seite ist sie in Begriffen, die keineswegs frei von normativen Konnotationen sind, auf Maßnahmen fixiert, denen recht unterschiedliche Funktionen zukommen können. So kann auch der Arbeitslosenentschädigung beim Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage von Arbeit eine ^Äaktive" Rolle zukommen, soferne sie die Bedingungen der Suche nach Arbeit verbessert, ganz abgesehen von den Auswirkungen für die Aufrechterhaltung der Kaufkraft der Haushalte.

Vor allem gestattet eine solche Kategorisierung, ein keineswegs von Interessen freies sprachliches Werkzeug, sich der Unterschiede und Besonderheiten der nationalen BP klar zu werden. Dies betrifft vor allem Vergleiche zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, aber auch Vergleiche zwischen den verschiedenen europäischen Ländern, die großteils mit demselben enormen Problem konfrontiert sind: der Massenarbeitslosigkeit. Oder anders formuliert: die Wahrnehmung der BP als länderbezogene Aktualisierungen einer universellen Kategorie hat es mit grundlegend verschiedenen Realitäten zu tun.

Daher kann man die BP ohne Berücksichtigung der anderen Formen der politischen Intervention nicht analysieren, wobei an erster Stelle die Politik der makroökonomischen Steuerung zu nennen ist. Während diese, besonders die Geldpolitik, in den Vereinigten Staaten seit Anfang der 80er Jahre eine dominante Rolle gespielt haben, sind diese in einer Reihe von europäischen Ländern neutralisiert worden. Abgesehen von den Strategien des Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit lassen sich die verschiedenen BP der einzelnen Ländern nicht vergleichen ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Systeme der sozialen Wohlfahrt, die sie vertreten. Die Suche nach einem universellen Modell, welches das wirksamste und effizienteste wäre, ist also vergeblich. Die derzeitigen Merkmale, aber auch in gewisser Weise die Potentiale künftiger Entwicklungen der BP sind insbesondere das Resultat einer Wahl aus einem zweipoligen Spektrum von Möglichkeiten: Auf der einen Seite Anleihen bei einer Logik der Produktion komplexer Dienstleistungen und kollektiver Investitionen in die Organisation der Märkte, auf der anderen hingegen Anleihen bei einer Logik einfacher Vermittlungsaktivitäten und der Begrenzung der Dispositive der sozialen Sicherheit. Im Hintergrund dieser Wahl steht der Gegensatz zwischen einem liberalen Modell und anderen in Europa praktizierten Modellen, die sich als konservativ-korporatistische und sozialdemokratische bezeichnen lassen. Die Konsequenzen dieser Alternative zeigen sich besonders bei einem Vergleich der bestehenden Regulierungen von Aktivität und Beschäftigung, von welchen dann Niveau und Verteilung der Beschäftigung zwischen unterschiedlichen sozio-demographischen Kategorien in einem bestimmten Land (Jugendliche, Frauen, Arbeiter, Ältere, etc.) abhängig sind.

Ausgehend von der Prämisse, dass sich die BP nur in ihrem jeweilen größeren Kontext analysieren lassen, folgen dann zunächst Studien zu einzelnen Ländern, in einem 2. Kapitel dann Themen, die alle betreffen (Evaluation, Umverteilung von Arbeit, neue Dienstleistungen, Konturen einer europäischen Beschäftigungspolitik etc).