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  Arbeit und Arbeitslosigkeit - Christian Topf: Beitrag zum Seminar "Arbeitssoziologie"

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Christian Topf: Beitrag zum Seminar "Arbeitssoziologie"

Die Idee des Grundeinkommens
Die Geschichte eines (vorläufigen?) ScheiternsExkurs:
Recht auf Einkommen: Speenhamland 1795 - 1834

Das erste aus der Geschichte bekannte System einer Einkommensgarantie stammt aus dem England zur Zeit der Industrialisierung.
Im Jahre 1795 wurde von den Friedensrichtern von Berkshire für die von ihrem Land vertriebenen Armen das Speenhamland-Gesetz beschlossen. Die Unterstützung richtete sich nach dem geltenden Brotpreis.

Kostet ein Vier-Kilo-Laib Brot von bestimmter Qualität einen Shilling, dann soll jeder Arme und arbeitssame Mann zu seiner Unterstützung drei Shilling wöchentlich bekommen, die er sich entweder durch eigene Arbeit oder die seiner Familie erwirbt, oder einen Zuschuß aus dem Armenfonds, und für den Unterhalt seines Weibes und jedes weiteren Familienmitgliedes 1 Shilling und Sixpence, wenn der Brotlaib 1 Shilling und Sixpence kostet, dann 4 Shilling wöchentlich, plus...1"

Dieses Recht auf Lebensunterhalt entwickelte sich bald zum Nachteil derer, denen es helfen sollte. Durch die hohe Arbeitslosigkeit im ländlichen Raum und die 1799/1800 beschlossenen Antikoalitionsgesetze - sie verboten den Arbeitern, sich zusammenzuschließen - sanken die Löhne unter das normale Niveau. Den Arbeitgebern eröffnete sich ein breites Angebot an billigen Arbeitskräften. Für die Arbeiter wiederum gab es vor dem Hintergrund der finanziellen Mindestabsicherung wenig Grund, sich besonders zu mühen. Die Löhne sanken tiefer und die Abhängigkeit von der Armenhilfe stieg.
Das "Recht auf Einkommen" wurde schließlich 1834 aufgehoben.
"Im Speenhamlandsystem wurde die Gesellschaft von zwei entgegengesetzten Einflüssen zerrissen: der eine kam aus dem Paternalismus und schützte die Arbeiter vor den Gefahren des Marktsystems; der andere faßte die Produktionsfaktoren, einschließlich des Bodens, in einem Marksystem zusammen, beraubte dadurch die einfachen Menschen ihres früheren Status und zwang sie, sich ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft zu verdienen, während er gleichzeitig ihre Arbeitskraft ihres Marktwertes beraubte...2"

1) Zum "Garantierten Einkommen" in den USA:

Ein Recht auf materielle Grundsicherung wurde nirgends sonst so lange und mit so weitreichenden praktischen und politischen Folgerungen wie in den Vereinigten Staaten in den sechziger und siebziger Jahren diskutiert.

Im Dezember 1966 hielt der Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King vor amerikanischen Senatoren einen Vortrag, in dem er für ein garantiertes Einkommen eintrat. Ebenfalls im Dezember 1966 veranstaltete die amerikanische Handelskammer ein Symposion zur Frage eines garantierten Einkommens. Neben hochrangigen Persönlichkeiten des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens nahmen der Ökonom Robert Theobald, in seinem Buch "Free men, free markets" tritt er für die Idee eines Basiseinkommens ein, sowie die späteren Nobelpreis-träger Milton Friedman und James Tobin teil.

Als Argumentationsbeispiel zur aktuellen Diskussion seien hier der Politiker Thomas B. Curtis, er trat eher für das Recht auf eine Arbeitsgelegenheit, also die Vollbeschäftigung ein, und der Wirtschaftsjournalist Hernry Hazlitt erwähnt. Hazlitt fürchtete, "daß der Sozialstaat außer Kontrolle geraten würde, wenn nicht nur jenen geholfen wird, die sich nicht selbst helfen können, sondern auch die Faulheit von Trunkenbolden, Nichtsnutzen und Müßiggängern unterstützt würde. Und wer sollte wohl die schmutzige und schlechtbezahlte Arbeit tun, wenn man auch ohne Anstrengung Geld bekommen konnte?"3

Zur Lösung des Armutsproblems schlug Friedman bereits 1962 in seinem Buch "Capitalism and Freedom" ein garantiertes Einkommen in Form einer negativen Einkommenssteuer vor.
Diese sollte alle anderen Formen der Sozialhilfe ersetzen. Zudem würde sie, bei möglichst wenigen Staatseingriffen, die höchstmögliche Freiheit des Individuums garantieren.
Als weitere Vorteile sieht Friedman die Vereinfachung und Verbilligung der Administration und den Wegfall der entwürdigenden Bevormundung und Überwachung der Wohlfahrtsempfänger.
Zur Senkung der hohen Arbeitslosenrate (besonders bei den farbigen Jugendlichen), die er u.a. auf die hohen gesetzlichen Löhne zurückführte, würde die negative Einkommenssteuer beitragen, da z.B. wenig qualifizierte Arbeitssuchende es einfacher haben würden, zusätzlich Arbeit zu finden, um ihr unter dem Existenzminimum festgesetztes Mindesteinkommen aufzubessern.
Tobin stimmte, was die Vereinfachung der Verwaltung und die Einführung einer Negativsteuer betrifft, Friedman zu.
Einen gänzlich anderen Zugang zu dem Thema hat Robert Theobald. "We are living in an age of dreams come true". Dieser Einleitungssatz in seinem Sammelband
4 über das Basiseinkommen zeigt, daß es Theobald auf mehr als auf die Beseitigung des Armutsproblems ankommt. Er beschreibt in dem 1966 erschienenem Band ein Zeitalter des Computers, der automatisierten Fabriken, der Überproduktion und der nutzlos gewordenen Arbeitskräfte.

Er meinte vor dem Handelskammerauditorium, daß es immer schwieriger werde, durch Wachstum Vollbeschäftigung (was damals in den USA eine Arbeitslosenrate von 4 % bedeutete) aufrechtzuerhalten. Statt nun als oberstes Ziel (unnötiges) Wirtschaftswachstum zum Zwecke der Arbeitsplatzschaffung zu fördern, sei es sinnvoller, den Arbeitslosen ein direktes Einkommen in Höhe der amtlich definierten Armutsgrenze zu geben. Daneben sollte ein Zusatzprogramm ("Commited Spending"), eine Art Arbeitslosenbezug im Verhältnis zum früheren Einkommen, geschaffen werden. Diese Programm war vor allem für die zu dieser Zeit zahlreich entlassenen leitenden Angestellten gedacht. Sie sollten ihren Lebensstandard durch eine Art Pension aufrechterhalten können und dafür ihr Wissen der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.

Weiters denkt Theobald an Initiativgruppen ("Consentives"), die auf freier Basis zusammenarbeiten und ihre Produkte und Dienste auch auf dem Markt - nicht unbedingt kostendeckend - anbieten. Sollte eine Initiativgruppe erfolgreich sein, ginge sie in den offiziellen Sektor über. Umgekehrt könnte sich ein kleiner Handwerks- oder Dienstleistungsbetrieb, der nicht kostendeckend arbeiten kann, in eine "Consentive" verwandeln.
Die langfristige Strategie Theobalds zielt allerdings auf eine vollständige Abkoppelung des Einkommens von der Arbeit.

2) Garantiertes Einkommen als Thema der US-Politik

Um die politische Auseinandersetzung um ein Basiseinkommen auf eine solide Grundlage zu stellen, wurde eine Reihe von Untersuchungen zur heiß debattierten Frage, "Wie stark wird die Arbeitswilligkeit der Armen durch ein garantiertes Einkommen gedämpft werden", durchgeführt.
Ein Experiment mit Sozialhilfeempfängern, das über drei Jahre hindurch in New Jersey durchgeführt wurde, erfaßte einige hundert Haushalte, denen Einkommen zwischen 50% unter der Armutsgrenze bis zu 25% über der Armutsgrenze garantiert wurden. Die Teilnehmer mußten für häufige Befragungen zur Verfügung stehen und regelmäßig Formulare ausfüllen.

Die intensive Betreuung und das Wissen um die zeitliche Begrenzung erzeugte eine Ausnahmesituation, die es letztlich nicht erlaubte, aus den Ergebnissen Schlüsse auf die Auswirkungen einer Einkommensgarantie auf breiter Basis zu ziehen.

Umfassender angelegt war das "Seattle and Denver Income Experiment".
Untersucht wurde die Veränderung der Arbeitsbemühungen von alleinstehenden Frauen mit Kindern, von Hausfrauen und von Familienvätern. Auch hier wurden Beschränkungen in der Arbeitsleistung festgestellt, jedoch in unterschiedlichen Ausmaß, je nach Höhe des gewährten Einkommens und nach Gestaltung der Begleitmaßnahmen.
Im Schlußbericht heißt es: "Die empirischen Ergebnisse lassen darauf schließen, daß sowohl das zur Verfügung stehende Einkommen als auch Veränderungen in den Nettolöhnen Ehemänner, Ehefrauen und weibliche Familienoberhäupter dazu veranlassen, ihre Arbeitsleistung einzuschränken ... sie weisen darauf hin, daß das Verhalten den Anreizen entsprechend motiviert wird
5".
Die mehr als 15 Jahre währende Debatte in der amerikanischen Öffentlichkeit über ein garantiertes Einkommen, begleitet von praktischen Experimenten, Computersimulationen im großen Stil und zahllosen wissenschaftlichen Studien blieb ohne Folgen. Die Einführung scheiterte am politischen Widerstand. Man war zwar bereit, Waisen, Blinde und Behinderte zu unterstützen, nicht jedoch arbeitsfähige Erwachsene mit "Steuerdollars" zu fördern.
Mit der Wahl Reagans und seiner Politik der Steuererleichterung für die Reichen bei gleichzeitiger Kürzung der Wohlfahrtsprogramme fand die Diskussion ihr rasches Ende.

3) Das Thema "Grundeinkommen" in Europa

Über die Einführung eines Grundeinkommens ist Mitte der 80er Jahre in vielen europäischen Ländern diskutiert worden. Die Zielsetzungen mit den unterschiedlichen Modellen reichten von bloßen Einsparungen des Sozialstaates bei gleichzeitiger Vereinfachung der Verwaltung bis zur völligen Neugestaltung der Gesellschaft.
Prinzipiell waren alle Modelle auf zwei Grundtypen rückführbar.

Entweder handelte es sich um einen bestimmtem Betrag, der jedem Bürger eines Landes zustehen würde, oder aber um eine Verlängerung des Steuersystems nach rückwärts. Das bedeutet, daß jeder Steuerpflichtige, der zu wenig verdient um Steuer zu zahlen, statt dessen über das Finanzamt die "Negative Steuer" ausbezahlt bekommt.
In der Praxis sind vielerlei Mischformen dieser Grundtypen denkbar und in Ansätzen auch gegenwärtig vorzufinden. So etwa könnte man bei der Familienbeihilfe von einer Art Bürgergehalt sprechen. Diese Unterstützung steht jedem Kind in Österreich zu, gleichgültig, ob seine Eltern arm sind oder ein hohes Einkommen haben.
Wie es auch in den Bezeichnungen "Bürgergeld" oder "Sozialdividende" zum Ausdruck kommt, stehen hinter diesen Varianten die Idee einer Beteiligung aller Bürger eines Landes am gesellschaftlichen Reichtum. Diese Idee wurde erstmals in England (dem Vorreiterland der Grundeinkommensidee) während des Zweiten Weltkriegs von Lady Rhys - Williams vorgeschlagen. Die Auszahlung an alle Bürger sollte in einfacher Weise über die Finanzämter erfolgen. Der gewichtige Nachteil: Ohne gleichzeitige Veränderung des Steuersystems und der Sozialleistung wäre die Umsetzung dieser Idee kaum finanzierbar gewesen.
Die internationale Grundeinkommensdiskussion wesentlich beeinflußt hat auch Andrè Gorz.

Eigentlich setzen seine Vorstellungen von einer gerechten Verteilung von Einkommen und Arbeit bei einer radikalen Arbeitszeitverkürzung an. Den Begriff "Grundeinkommen" lehnt Gorz ab. Bei ihm ist lebenslängliches Einkommen an eine Arbeitsverpflichtung von etwa 20000 Lebensarbeitsstunden gebunden.
Sollte ein Grundeinkommen eingeführt werden, so könnte eine von ihm befürchtete Spaltung der Gesellschaft nur durch eine gleichzeitige Arbeitszeitverkürzung und Bildungsoffensive vermieden werden. Alle sollten dann die Möglichkeit haben, zu jeder Zeit und in jedem Alter neues Wissen und neue Fähigkeiten zu erwerben.

In Frankreich wurde 1988 ein Gesetz über das RMI ("Revenue minimum d´insertion") beschlossen. Es sieht vor, daß jede Person, die aufgrund ihre Alters, Gesundheitszustandes, der wirtschaftlichen Situation oder des Arbeitsmarktes nicht arbeiten kann, das Recht hat, von der Gemeinschaft die würdigen Unterhaltsmittel zu erhalten.
Konkret handelt es sich dabei um eine Ausgleichszahlung, die die Differenz zwischen dem Richtsatz, der von der Größe und Zusammensetzung des Haushalts abhängig ist, und dem eigenen Einkommen. (Stand 1990)

In den Niederlanden gibt es schon seit geraumer Zeit Überlegungen zur Entkoppelung von Arbeit und Einkommen.

Bereits Mitte der 60er Jahre wurde in den Niederlanden ein nationales Sozialhilfesystem geschaffen ("Bijstand"), das Menschen ohne Einkommen und ohne Eigentum den Lebensunterhalt garantierte. Was ursprünglich für eine für eine kleine Gruppe von Betroffenen gedacht war, wurde Ende der 80er Jahre zur wichtigsten Einnahmequelle für eine halbe Million Holländer, die meisten von ihnen Langzeitarbeitslose.

Um ein echtes, bedingungsloses, allgemeines Grundeinkommen ohne Armutsprüfung, ohne Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt und ohne Kontrolle des privaten Lebens handelt es sich aber dabei nicht. Ein reines Grundeinkommen brachte 1975 der Sozialpsychologe Kuiper, Professor an der Freien Universität Amsterdam, in die Diskussion. Inspiriert von den Thesen Theobalds, verbindet er diese mit einem längeren, für alle verpflichtenden Sozialdienst.

Für Kuiper sind die wichtigsten Gründe für die Einführung eines Grundeinkommens, die beruflich Benachteiligten unabhängiger zu machen und sie in die Lage zu versetzen, sich gegen allzu schlechte Arbeitsbedingungen zur Wehr zu setzen. Gleichzeitig sollten die Arbeitslosen vom ständigen Nachweis ihrer Unfähigkeit befreit werden.
1976 wurde ein diesbezüglicher Antrag im niederländischen Parlament mit großer Mehrheit abgelehnt.

Eine neue Dimension bekam das Thema durch eine Studie des "Wissenschaftlichen Rats für die Politik der Regierung", einer unabhängigen Einrichtung zur Beratung der Regierung, zu Fragen einer Reform der Sozialversicherung. Das Kernstück der vorgeschlagenen Reform bildet allgemeines, bedingungsloses Grundeinkommen in geringer Höhe, ergänzt durch ein teils staatliches, teils privates Sozialversicherungssystem.
Von den Gewerkschaften und linken Parteien wurde dieser Vorschlag vehement abgelehnt, da in ihm auch die Abschaffung der gesetzlichen Mindestlöhne enthalten waren. Die Sozialdemokraten konnten sich eine Entkoppelung von Erwerbsarbeit und Einkommen nicht vorstellen.
Die meisten Arbeitslosenvereinigungen setzten sich jedoch für ein Grundeinkommen ein.
Auch die Frauenbewegung, die anfangs die Gefahr eines "Hausfrauenlohns" sah, konnte sich schließlich für die Idee des Grundeinkommens bei gleichzeitiger Arbeitszeitverkürzung erwärmen.
So kam es 1987 zur Gründung des "Werkplaats Basisinkomen" als eine Art Koordinations-stelle für all jene Organisationen, die ein Grundeinkommen befürworten.

"Eine Idee um anders zu leben?"

So lautete der Untertitel einer in Belgien im April 1985 erschienenen Nummer der Zeitschrift "La Revue Nouvelle" zum Thema Grundeinkommen.
Der Anlaß war die Infragestellung des Sozialstaates aufgrund der wachsenden Arbeitslosigkeit. Eine Gruppe junger Wissenschafter, "Collectif Charles Fourier" ( Charles Fourier 1772-1837). Als Lösung schlugen sie anstatt der unterschiedlichen Leistungen eine allgemeine Zahlung für alle ("allocation universelle") vor.
Exemplarisch für die Idee des Grundeinkommens in reiner Form, nachfolgend der übersetzte Text
6:
"Schafft Arbeitslosengeld, und Pensionen ab, ebenso Sozialhilfe und Familienbeihilfe, Steuerabsetz- und Freibeträge für Familien, Studienbeihilfen, Unterstützungen und Beihilfen der Arbeitsmarktverwaltung und die Hilfe des Staates für Betriebe. Zahlt dafür monatlich jedem Bürger eine Summe, die zur Deckung des grundlegenden Lebensbedarfs einer allein lebenden Person ausreicht. Überweist diese Summe, unabhängig davon, ob er oder sie arbeitet oder nicht, reich oder arm, allein oder in einer Familie lebt, in einer Lebensgemeinschaft oder in einer Gruppe, ohne nach früherer Arbeit zu fragen. Und ohne jeden Unterschied, ausgenommen einer Abstufung nach Alter. Und finanziert das Ganze durch eine progressive Steuer auf die sonstigen Einkommen jedes einzelnen.
Dereguliert gleichzeitig den Arbeitsmarkt, schafft die Gesetze über Mindestlohn und Arbeitszeit ab, die administrativen Hindernisse für Teilzeitarbeit. Senkt das Alter für das Ende der Schulpflicht und hebt die Altersgrenze für die Pensionen auf."
Wenn dies passiert ist, so meinen die Autoren: ...dann würde die Armut verschwinden, der Begriff "Arbeitslosigkeit" (Anm.: mit all seinen negativen Zuschreibungen) würde seinen Sinn verlieren, die Arbeit würde - ebenso wie das Einkommen - besser aufgeteilt, weil mehr Personen die Möglichkeit kürzerer und flexiblerer Arbeit wahrnehmen würden;...
Weiters würden unangenehme Arbeiten entweder wegrationalisiert oder besser bezahlt werden. Mit dem Wegfall des ökonomischen Arbeitszwanges würde ein Druck entstehen, die Arbeit interessanter, weniger unangenehm und attraktiver zu gestalten.
Daneben könnten alternative Arbeitsformen wachsen, soziale Aufgaben könnten auch mit einem geringen Lohn übernommen werden. Weil die Arbeitenden viel mehr Einfluß hätten, würde sich die gesamte Organisation der Arbeit verändern, auch wenn nicht vorhersehbar sei, in welcher Richtung sich dieser Einfluß auswirken könnte.

Doch nicht nur die berufliche Arbeit, auch die Aufteilung der Hausarbeit würde sich ändern. Es würde die lähmende Starre des unproduktiven Wartens wegfallen, die Arbeitslose oftmals darin hindert, Arbeiten im Eigenbereich zu übernehmen.

Als aktuelles Beispiel sei eine Studie über Arbeitslose in Gmünd erwähnt, die zeigt, unter welchen Bedingungen unfreiwillige, jedoch finanziell einigermaßen abgesicherte Arbeitslosigkeit positiv erfahren werden kann7.

Das Grundeinkommensmodell des Collectif Charles Fourier hat auch die belgischen Grünparteien inspiriert. Anläßlich einer internationalen Konferenz über Grundeinkommen im September 1986 in Louvain-la-Neuve wurde ein Netzwerk von Personen (B.I.E.N. Basic Income European Network), die sich für die Erforschung und politische Durchsetzung von Grundeinkommensmodellen engagieren, ins Leben gerufen.

4) Österreich

Die Idee des "Grundeinkommens" wurde in Österreich durch die Katholische Sozialakademie ins Gespräch gebracht.
Während des ersten Halbjahres 1985 entwickelte sich eine lebhafte Mediendebatte zum Thema. Sie begann am 18. Jänner, als fast alle österreichischen Medien über das am Vortag auf einer Pressekonferenz vorgestellte Buch "Grundeinkommen ohne Arbeit" berichteten.
Im Mai 1985 fand unter dem Vorsitz des damaligen Sozialministers Dallinger ein vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales organisiertes Expertenhearing zum Thema "Basislohn - Existenzsicherung - garantiertes Grundeinkommen für alle?" statt.
In seinem Einführungsstatement sprach der Minister vom Grundeinkommen als einer faszinierenden Idee, die zu diskutieren sei.
"Ich bin überzeugt davon, daß sich die Frage der Abkoppelung des Einkommens von der Lohnarbeit immer schärfer stellen wird. Die Alternative zu einer bewußten Abkoppelung einer Basisexistenzsicherung von der Lohnarbeit ist meines Erachtens nicht darin zu sehen, Hoffnungen auf eine wieder funktionsfähige arbeitszentrierte Einkommenssicherung zu setzen. Die Alternative ist eher die ungeplante Abkoppelung der Mindesteinkommen von Lohnarbeit. Die steigende Zahl von Arbeitslosen und Fürsorgeempfängern in allen Industriestaaten ist ein Ausdruck dafür." (Alfred Dallinger)

Bei den Sozialdemokraten ist nach dem Tod (Flugzeugabsturz Feb. 1989) von Minister Dallinger das sensible Thema "Grundeinkommen" in den Hintergrund geraten.
Vom historisch-ideologischen Standpunkt betrachtet, scheint dies plausibel, geht es doch bei der Einführung des Grundeinkommens auch um eine gleichzeitige Abschaffung der Mindestlöhne. Dies wird, wie das Beispiel der Niederlande zeigt, von den Gewerkschaften nicht mitgetragen. Auch scheint für die Sozialdemokraten die Trennung des Bandes zwischen Einkommen und Erwerbsarbeit nicht umsetzbar.
Innerhalb der ÖVP war Gerhart Bruckmann ein Befürworter der Idee. In seinem 1988 erschienenem Buch "Mega-Trends für Österreich" tritt er für ein garantiertes Mindesteinkommen ein, auf das jeder Österreicher nach Absolvierung eines Sozialjahres Anspruch haben sollte. Bruckmann meint, daß ein solches Einkommen durch Rohstoff- und Energiesteuern, um aus dem Engpass von "Vollarbeitsplätzen einerseits, vollem Nichtstun Arbeitsloser andererseits herauszukommen und jedem einzelnen eine große Bandbreite freier Wahlmöglichkeiten zu lassen (S 93 ff).
Auch in den Kreisen des damaligen Wiener Parteiobmannes Erhard Busek wurde über ein eventuelles "Grundeinkommen" diskutiert.
Die Forderung nach einer Grundsicherung ist auch in den grünen Programmen zu finden. "Die Grünen" verstehen das Grundeinkommen als konkrete Utopie, als Orientierungsrahmen vor dem Hintergrund der Realität des Sozialabbaus.
"Seit Jahren nähern wir uns in bescheidenen programmatischen Schritten einer bedarfs-orientierten sozialen Grundsicherung, also einem Zwitter zwischen bestehender sozialer Sicherung und Grundeinkommen. Mit der Einführung der Pflegesicherung ist eine grüne Forderung erfüllt worden, ...und letztes Jahr haben wir mit dem grünen Pensionsmodell, das auch ein Grundeinkommen im Alter beinhaltet, zumindest programmatisch einen Sprung vorwärts gemacht." (Karl Öllinger, Alexander Van der Bellen. in: profil Nr. 20, 13. Mai 1996)

Der Beitrag im "profil" mit dem Titel "Liberale Luftblasen; überholt ausgerechnet das Liberale Forum die Grünen jetzt von links?", richtete sich gegen das Thema Grundeinkommen im Parteiprogramm des "Liberalen Forums".
(Für eine weiterführende Darstellung der "Grundeinkommensidee" sei an dieser Stelle auf das Dossier "Grundsicherung", August 1997 des "Liberalen Bildungsforums" verwiesen).
Aus ökonomischer Sicht geht es im Grunde den "Liberalen" um "Rationalisierung"; das heißt, billigst bezahlten Arbeitskräften anderswo, werden hoch rationelle Arbeitsmethoden und Maschinen entgegengesetzt ( siehe die Idee bei Friedman). Auch erwarten sich die Liberalen eine größere Flexibilisierung, die für die Verteilung der Arbeitsplätze wichtig wäre.
Auf die Frage, ob denn diese Grundsicherung nicht einen großer Widerspruch zum liberalen Gedankengut ihrer Partei darstellt, antwortete Heide Schmidt in den "Salzburger Nachrichten" vom 25. 03. 1997:
"Absolut nicht. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Selbstbestimmung auch umsetzen zu können. Die Grundsicherung wäre eine Schlüssellösung für sehr viele Probleme, vor allem in den Bereichen Beschäftigung und Arbeitswelt. Man muß der Tatsache ins Auge sehen, daß wir nicht alle Menschen in einer Beschäftigung halten können, von der sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Diese Realität zu verschleiern, halte ich für unredlich. Damit kommt es auch langfristig zu einer anderen Lohnpolitik- nämlich der Entkoppelung von Erwerbsarbeit und Einkommen."

Literatur

Wohlgenannt, Lieselotte/Büchele, Herwig (1990): Den öko-sozialen Umbau beginnen: Grundeinkommen, Wien
Büchele, Herwig/Wohlgenannt, Lieselotte (1985): Grundeinkommen ohne Arbeit, Wien

Anmerkungen:

1 Büchele/Wohlgenannt S. 125
2 Vgl. dazu: K. Polyani, The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschafts- und Wirtschaftssystemen, Wien 1977, S. 105ff. in: Büchele/ Wohlgenannt S. 126
3 Büchele/Wohlgenannt S. 115
4 Vgl. dazu: R. Theobald (Hrsg.), The Guaranteed Income. Next Step in Economic Evolution?, New York 1966, S. 15 in: Büechele/Wohlgenannt S. 119
5 Vgl. dazu: M. Anderson, Welfare. The Political Economy of Welfare Reform in the United States, Stanford 1978, S. 87 ff. in: Büchele/Wohlgenannt S. 124
6 Wohlgenannt/Büchele S.73 ff.
7 Vgl. dazu: Fischer-Kowalski, Marina: Aus der Not eine Tugend in: Aufrisse, Nr. 3/1988.