ACCOUNTABILITY II
Die Konfliktmodelle
ACCOUNTABILITY: Nach dem Scheitern der Great Society suchte man einerseits nach
Schuldigen, die man zur Verantwortung ziehen kann, andererseits nach Alternativen für die
Verwaltung des Bildungswesens.
Daraus ergeben sich neue bildungspolititsche Konzepte und Alternativen. Die Legitimität der
traditionellen Bildungsverwaltung wird bestritten, neue Legitimationen durch neue
Organisationsmodelle werden gesucht.
Die neuen Konzepte beruhen im wesentlichen auf zwei Modellen:
Wettbewerbsmodell: Performance Contracting
Voucher-Plan
Politischer Konflikt: Community Control; Voraussetzung: Rassenkonflikt
Teacher Militancy Voraussetzung: Arbeitskonflikt
Als weitere Alternative: Free Schools
Community ControlKonfliktmodelle gehen davon aus, daß der Konflikt durch #Verfahren der Konsensbildung
teilweise und vorübergehend geregelt werden kann. Die grundsätzliche Konfliktlage bleibt
aber bestehen.
Konfliktgrundlage der Community Control: Rassenkonflikt, und mit ihm auch der Konflikt
reich - arm
60 er Jahre: Bewegung der "Black Power"
Rassentrennung in den Schulen ist aber praktisch immer noch aufrecht
Folge: Schwarze wollen ihre Kinder nicht mehr durch Weiße erziehen lassen:
eine "umgekehrteRassentrennung"
Das Modell Community Control: Die Erziehung schwarzer Kinder soll in den Ghettos
durch schwarze Lehrer im Sinne eines neuen schwarzen Selbstbewußtseins erfolgen. Das
bedeutet, daß eine Dezentralisierung auf der Basis rassischer Differenzierung erfolgt.
Voraussetzung: rassisch getrennte Wohngebiete, wie sie in den nördlichen Großstädten der
USA bestehen und diese sind in der amerikanischen Schulpolitik tonangebend.
Konflikt ist vorprogrammiert : Im Norden, besonders in New York, ist man liberal
eingestellt, glaubt an Integrations- und Chancengleichheitspolitik
Community Control will aber nicht Integration, sondern rassische Differenzierung.
Ausgangslage: New York gab am meisten Geld pro Schüler aus;
Die Ergebnisse lagen aber weit unter dem Durchschnitt
mehr als die Hälfte der Schüler war farbig oder puertoricanisch
nicht einmal 10% der Lehrer und Schulleiter waren farbig oder puertoricanisch
Bei der Einweihung einer neuen Schule in Harlem verlangte die Community Organisation
deshalb
entweder: Integration schwarz - weiß, oder:
Kontrolle über die Schule
Es bildete sich eine unterstützende Koalition für diese Forderungen, bestehend aus:
Community Organisationen
Bürgermeister
Erziehungsbehörden des Staates New York
Ford-Foundation finanzierte die Experimente
Drei Experimente wurden durchgeführt, zwei davon in schwarzen Ghettos, eines in einem
rassisch gemischten Slum-Bezirk.
Hauptbeispiel: Ocean-Hill-Brownsville (Brooklyn)
Organisation: Die Community Organisation übernimmt selbst die volle Kompetenz bei
Verwaltung
Personal
Haushalt
Curriculum
Sie wählt ein Governing Board, das nun zu 91% aus Schwarzen oder Puertoricanern
besteht, von denen wiederum nur 9% aus der Mittel- oder Oberschicht kommen.
Folgen: Schwarzer wird Superintendent
Weiße Schulleiter und Lehrer kündigen großteils
Die Stellen werden durch Farbige und Puertoricaner besetzt
viele Schulassistenten werden eingestellt -- bringt Jobs
Großes Engagement der Lehrer, zusätzliche Finanzen
Modernste Lehrmittel standen zur Verfügung
Das Experiment lief also gut an. Nach dem erste Schuljahr sollten 19 weiße Lehrer und
Schulleiter vom Government Board wegen feindlicher Einstellung gegenüber der Community
und dem Experiment entlassen werden.
Damit kam man dem Konzept der Teacher Militancy empfindlich in die Quere und löste sehr
weitgehende Streiks der Lehrergesellschaft aus. Dabei wurde teilweise der gesamte
Schulbetrieb in New York lahmgelegt.
Der Konflikt wurde schließlich auf staatlicher Ebene gesetzlich geregelt:
Es wurden community school districts mit community school boards geschaffen. Diese
bekamen aber nur Kompetenzen für Verwaltung und Unterhaltung.
Die Zentrale Instanz der Stadt übernimmt Haushalt und Personal der Schulen, die
High-Schools liegen ganz in deren Kompetenz. Damit ist auch dieses Experiment gescheitert.
Teacher Militancy
Die Lehrergewerkschaften wandten sich gegen alle Experimente, die ihre Arbeitsbedingungen
oder die Struktur des Bildungswesens berührten. Sie wollten selbst die Maßstäbe in der
Bildung setzen.
Vorbild für ihr Vorgehen war die Beziehung Arbeitgeber - Arbeitnehmer . Die
Gewerkschaften kämpften deshalb in Verhandlungen mit den Boards um Verträge, die die
grundsätzliche Struktur und Politik im Bildungswesen betrafen. Als Kampfmittel dienten
Sanktionen, Streiks und Aussperrungen.
2 Organisationen: NEA als Standesorganisation, deren Mitglieder in etwa gleicher Stärke
über das ganze Land verteilt waren.
AFT als dem Gewerkschaftsbund angeschlossenene Orbanisation, die in den Großstädten des
Nordens sehr viele Mitglieder hatte und tonangebend wurde.
Die AFT bekam ab 1961 von den Lahrern das Mandat für die Verhandlungen mit den Boards.
Durch Streikdrohungen konnten den Boards auch viele Zugeständnisse abgerungen werden,
vor allem wurde die AFT als alleiniger Verhandlungspartner anerkannt.
Als ein neues "More effective schools program" durchgesetzt werden sollte, begannen die
Boards, sich querzulegen und wigerten sich schließlich prinzipiell, irgendwelche
bildungspolitische Verpflichtungen gegenüber der AFT einzugehen.
Genau zu diesem Zeitpunkt kam die Entlassung der 19 Lehrer in Ocean Hill Brownsville.Das
Modell der Community Control hatte ja die professionelle Autonomie der Lehrerschaft in
Frage gestellt, dadurch, daß sie die Unterordnung unter die Willensbildung in den
Communities und damit die Autonomie der professionellen Autonomie forderte.
Folge: Die von der AFT organisierten wütenden Streiks, die mit dem Sieg der
Gewerk-schaften durch das neue Gesetz endeten.
In der weiteren Folge kam es zu Unmengen von Streiks, damit wurden die Konflikte
zwischen den Verhandlungspartnern auf den Rücken der Schüler und Eltern ausgetragen.
Die derzeitige Praxis (1975): Verträge haben sehr kurze Laufzeiten, meist nur 1 Jahr
Streiks werden laufend eingesetzt
Gegenstände der Verhandlungen: Organisationsfragen / Gehaltsfragen /Arbeitsbedingungen
Dieses Konfliktmodell der Teacher Militancy soll also eigentlich eine neue
Legitimations-grundlage für die Verwaltung des Bildungswesens darstellen und trägt damit
der Accountability Rechnung.
Free Schools
Bisherige Legitimationsprinzipien: Effektivität, Performance, Contracting, Elternwille
Voucher-Plan
Minoritäteninteresse: Community Control
Professionalität Teacher Militancy
Die angestrebte Chancengleichheit aller bleibt aber bei allen vier Modellen fraglich. Deshalb
setzt man sich jetzt als Ziel, daß die Ungleichheit wenigstens nicht zunehmen soll.
Die Free School Bewegung breitet sich ab 1966 in den gesamten USA sehr stark aus.
Kennzeichen: Schulen haben nur zwischen 10 und 100 Schülern
Grundlage: Wachstumstheorie nach Summerhill, Rousseau
Streben nach größtmöglicher individueller Freiheit in einer natürlichen Umwelt
gegründet von den Eltern der "Counter - Culture" nach dem Vietnam- Krieg, von den Eltern
und Lehrern selbst getragen
können aber innerhalb der öffentlichen Schuldistrikte organisiert sein und Zuschüsse erhalten
Wird dieses System der Accountability gerecht?
ja sogar total, da Eltern und Schüler die Schule selber "machen"
nein da eine Legitimation gegenüber der Gesellschaft grundsätzlich abgelehnt wird.
positiv: sehr vielfältig, je nach Eltern und Lehrern
negativ: Ungleichheit der Bildung
Free schools werden in der amerikanische Öffentlichkeit zwiespältig betrachtet. Teilweise
werden sie pädagogisch bewundert, teilweise als ungefährliche Modeerscheinungen
hingenommen. Free Schools in den Ghettos und Slums müssen aber wohl damit rechnen, im
Laufe der Zeit wieder geschlossen zu werden -- im Namen der Accountability, weil sie eine
politische und pädagogische Legitimation in Anspruch nehmen, die derjenigen der
Gesellschaft, welche die Ghettos und Slums zu verantworten hat, radikal widerspricht:
eine Legitimation aus Gleichheit, Demokratie und Solidarität.
|